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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 09.02.2005
Aktenzeichen: VIII ZR 132/03
Rechtsgebiete: HGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 89b
HGB § 89b Abs. 4 Satz 2
ZPO § 542 Abs. 3
ZPO § 340 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 523
ZPO § 282
ZPO § 340 Abs. 3 Satz 3
ZPO § 296 Abs. 1
ZPO § 542
ZPO § 296 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 132/03

Verkündet am: 9. Februar 2005

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Ball, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. März 2003 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin war von 1972 bis zum 15. September 1997 Vertragshändlerin der ehemaligen N. GmbH, die im Verlaufe des vorliegenden Rechtsstreits auf die seither neu firmierende Beklagte verschmolzen worden ist (im folgenden einheitlich: Beklagte).

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung eines Vertragshändlerausgleichs analog § 89b HGB in Höhe von 82.415,15 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Parteien haben über Grund und Höhe des Anspruchs gestritten. Das Landgericht hat die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen und dieses Urteil nach Einspruch der Klägerin aufrechterhalten. Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Oberlandesgericht eingelegt.

Mit prozeßleitender Verfügung vom 18. April 2002 hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts die Klägerin darauf hingewiesen, daß der Ausgleichsanspruch nach ihrem Vortrag nicht innerhalb der am 15. September 1998 abgelaufenen Jahresfrist des § 89b HGB geltend gemacht worden sei. Im Verhandlungstermin vom 11. Oktober 2002 hat das Oberlandesgericht die Berufung der nicht verhandelnden Klägerin durch Versäumnisurteil zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Einspruch eingelegt und behauptet, sie habe Ausgleichsansprüche mit Schreiben vom 31. August 1998 geltend gemacht; das Schreiben sei der Beklagten am gleichen Tag per Fax und am folgenden Tag per Übergabe-Einschreiben zugegangen. Mit der Ladung vom 6. November 2002 zum Verhandlungstermin am 14. Februar 2003 hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts die Klägerin aufgefordert, ihr Vorbringen unverzüglich urkundlich zu belegen. Zugleich hat er sie auf das Fehlen eines Beweisangebots hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2003 hat die Klägerin Ablichtungen des Schreibens vom 31. August 1998, eines Sendeberichts, eines Einlieferungsbelegs der Deutschen Post AG und eines Rückscheins überreicht. Ferner hat sie Zeugenbeweis angeboten. Im Verhandlungstermin vom 14. Februar 2003 hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten erklärt, er könne sich heute zu dem Schriftsatz der Klägerin vom 12. (richtig: 11.) Februar 2003 nicht äußern. Das Berufungsgericht hat sein Versäumnisurteil aufrechterhalten. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten ein etwaiger Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichs in analoger Anwendung des § 89b HGB nicht (mehr) zu. Der Ausgleichsanspruch sei gemäß § 89b Abs. 4 Satz 2 HGB innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen. Bei dieser Frist handele es sich um eine Ausschlußfrist, deren Wahrung das Gericht von Amts wegen zu prüfen habe. Da das Vertragsverhältnis der Parteien zum 15. September 1997 beendet worden sei, hätte die Klägerin einen etwaigen Ausgleichsanspruch bis zum 15. September 1998 anmelden müssen. Daß dies geschehen sei, lasse sich nicht feststellen. Auf den Hinweis in der Verfügung vom 18. April 2002 habe die Klägerin bis zum Termin vom 11. Oktober 2002 nichts vorgebracht. Mit ihrer Einspruchsbegründung habe sie dann zwar vorgetragen, Ausgleichsansprüche mit Schreiben vom 31. August 1998 geltend gemacht und dieses Schreiben der Beklagten übersandt zu haben. Das Anspruchsschreiben nebst Sendebericht und Zugangsnachweis seien jedoch nicht beigefügt gewesen. Trotz der Aufforderung in der Verfügung vom 6. November 2002 habe die Klägerin die Urkunden auch nicht unverzüglich zu den Akten gereicht oder ihren Vortrag unter Beweis gestellt. Erst zwei Tage vor dem Verhandlungstermin vom 14. Februar 2003 habe die Klägerin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2003 Ablichtungen des Schreibens vom 31. August 1998, eines Fax-Sendeberichts vom selben Tag, eines Posteinlieferungsbeleges für ein Übergabeeinschreiben vom 1. September 1998 sowie eines Rückscheines vom 5. Mai 1999 vorgelegt und ihr Vorbringen erstmals unter Zeugenbeweis gestellt. Diese erst nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgebrachten Angriffsmittel der Klägerin hätten nicht mehr zugelassen werden können, weil dadurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert worden wäre und die Klägerin keine Entschuldigung für die Verspätung vorgebracht habe, so daß sie auf grober Nachlässigkeit beruhe (§§ 523, 340 Abs. 3, 296 Abs. 1, Abs. 2 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, § 26 Nr. 5 EGZPO). Es sei dem Senat auch nicht zuzumuten gewesen, die erstmals im Schriftsatz vom 11. Februar 2003 benannten Zeugen zwei Tage vor dem Termin zu laden, zumal auch die Höhe des Anspruchs noch umfangreicher Aufklärung bedurft hätte, die bei rechtzeitigem Vorbringen vor oder jedenfalls in dem Senatstermin hätte vorgenommen werden können.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin geltend gemachten Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers analog § 89b HGB zu Unrecht wegen Nichteinhaltung der einjährigen Ausschlußfrist nach Abs. 4 Satz 2 dieser Vorschrift verneint.

Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 4. November 2002, mit dem sie Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Berufungsgerichts vom 11. Oktober 2002 eingelegt und diesen begründet hat, behauptet, sie habe Ausgleichsansprüche mit Schreiben vom 31. August 1998 geltend gemacht; das Schreiben sei der Beklagten am gleichen Tag per Fax und am folgenden Tag per Übergabe-Einschreiben zugegangen. Diesen Vortrag, aus dem sich entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hinreichend substantiiert die Wahrung der Ausschlußfrist des § 89b Abs. 4 Satz 2 HGB ergibt, hat das Berufungsgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt, weil ihn die Klägerin erst zwei Tage vor dem Verhandlungstermin am 14. Februar 2003 mit Schriftsatz vom 11. Februar 2003 urkundlich belegt und unter Beweis gestellt hat.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin hierdurch ihre Prozeßförderungspflicht aus §§ 542 Abs. 3, 340 Abs. 3 Satz 1 ZPO oder aus §§ 523, 282 ZPO (§ 542 und § 523 ZPO gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung) verletzt hat und ob deswegen die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2003 angebotenen Beweismittel vom Berufungsgericht gemäß §§ 542 Abs. 3, 340 Abs. 3 Satz 3, 296 Abs. 1 ZPO nicht zuzulassen waren beziehungsweise gemäß §§ 542, 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden konnten. Auf die Zulassung dieser Beweismittel kommt es nicht an, weil die Beklagte die Behauptung der Klägerin in der Einspruchsschrift vom 4. November 2002, den Ausgleichsanspruch am 31. August 1998 und damit fristgerecht geltend gemacht zu haben, nicht bestritten hat. Dies hat sie weder in ihrem Schriftsatz vom 11. Februar 2003 getan, in dem sie auf die Einspruchsschrift der Klägerin erwidert hat, noch in der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2003. Soweit sich die Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten in dem vorgenannten Termin, er könne sich heute zu dem Schriftsatz der Klägerin vom 11. Februar 2003 nicht äußern, mittelbar auf die Behauptung der Klägerin bezieht, sie habe den Ausgleichsanspruch mit Schreiben vom 31. August 1998 geltend gemacht, verstieß dies im Hinblick darauf, daß die Behauptung bereits in der Einspruchsschrift vom 4. November 2002 aufgestellt worden ist, gegen die Obliegenheit der Beklagten aus § 138 Abs. 2 ZPO, sich über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Die in Rede stehende Behauptung der Klägerin ist daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen zu Grund und Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Ausgleichsanspruchs bedarf. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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