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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: VIII ZR 141/06
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 307 Ba | |
BGB § 307 Cf | |
BGB § 309 Nr. 7 Buchst. a | |
BGB § 309 Nr. 7 Buchst. b | |
BGB § 310 Abs. 1 |
b) Eine umfassende Freizeichnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (hier: eines Gebrauchtwagenkaufvertrags), nach der die Haftung des Klauselverwenders auch für Körper- und Gesundheitsschäden (§ 309 Nr. 7 Buchst. a BGB) und für sonstige Schäden auch bei grobem Verschulden (§ 309 Nr. 7 Buchst. b BGB) ausgeschlossen ist, ist nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern ebenso im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders unwirksam.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL
Verkündet am: 19. September 2007
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger, den Richter Dr. Koch und die Richterin Dr. Hessel
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 3. Mai 2006 aufgehoben und das Urteil der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal vom 27. Dezember 2004 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 30.160 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Juli 2004 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs M. , Fahrzeugident.-Nr. , Briefnummer nebst Zubehör (Mähwerk, Streuer, Leitpfostenwaschgerät, Streuschild, Schneeschild).
Von den Kosten der ersten Instanz und des Berufungsrechtszugs haben der Kläger 16 % und die Beklagte 84 % zu tragen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger kaufte von der Beklagten, einer Vertragshändlerin des Fahrzeugherstellers "M. -Park", am 27. November 2003 ein gebrauchtes Kraftfahrzeug "M. " (Erstzulassung Juni 1996) nebst Zubehör zum Preis von 30.160 €. Das bei dem Kauf von der Beklagten verwendete Vertragsformular enthält in den Rubriken "Gesamtfahrleistung nach Angaben des Vorbesitzers" und "Stand des Kilometer-Zählers" jeweils die handschriftliche Eintragung "25.760". Im Übrigen heißt es im vorgedruckten Text, der Käufer bestelle hiermit das gebrauchte Fahrzeug "zu den nachfolgenden und umseitigen Geschäftsbedingungen ... unter Ausschluss jeder Gewährleistung". Der Vertrag wurde vollzogen.
Später stellte sich heraus, dass das Fahrzeug entgegen dem Stand des Kilometerzählers und der Angabe im Kaufvertrag nicht 25.760 km, sondern etwa 75.000 km gefahren war; auch betrug die Anzahl der Betriebsstunden nicht, wie bei Vertragsschluss entsprechend der Anzeige des Betriebsstundenzählers angenommen worden war, 600 Stunden, sondern etwa 3.900. Mit anwaltlichem Schreiben vom 10. Februar 2004 erklärte der Kläger die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie Zahlung weiterer 5.782,29 € nebst Zinsen als Schadensersatz begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Rückabwicklungsbegehren mit der Maßgabe weiter, dass er dieses nur noch auf vertragliche Ansprüche wegen Mängeln des Fahrzeugs stützt. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Schadensersatz macht der Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr geltend; hinsichtlich der Nebenforderung hat der Kläger die Revision teilweise zurückgenommen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Revisionsverhandlung nicht anwaltlich vertreten war; inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer umfassenden Würdigung des Sach- und Streitstandes (BGHZ 37, 79, 81 f.).
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag stünden dem Kläger aufgrund des vertraglichen Gewährleistungsausschlusses nicht zu. Die Sondervorschriften über den Verbrauchsgüterkauf fänden keine Anwendung, weil der Kläger kein Verbraucher sei. Der Beklagten sei die Berufung auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss nicht nach § 444 BGB verwehrt, weil die Beklagte den Mangel der unrichtigen Kilometer- und Betriebsstundenanzahl nicht arglistig verschwiegen habe; sie habe diesen Mangel nicht gekannt und auch nicht erkennen können. Auch habe sie insoweit keine Garantie abgegeben.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dem Kläger steht der im Revisionsverfahren nur noch geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages zu (§ 437 Nr. 2, § 326 Abs. 5 BGB). Dieser Anspruch scheitert nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, an dem im Kaufvertrag vereinbarten Haftungsausschluss. Der im Vertragsformular vorgedruckte Haftungsausschluss ist gemäß § 307 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 310 Abs. 1 Satz 2, § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB unwirksam.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass bei dem Fahrzeug ein Sachmangel (§ 434 Abs. 1 BGB) vorliegt. Nach den rechtsfehlerfreien Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts waren die tatsächliche Kilometerlaufleistung des Fahrzeugs und die Anzahl der Betriebsstunden bei Vertragsschluss wesentlich höher als vom Kilometer- und Betriebsstundenzähler angezeigt und von den Parteien angenommen worden war. Da dieser bei Vertragsschluss bereits vorhandene Mangel nicht behebbar ist, ist der Anspruch des Klägers aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Lieferung einer mangelfreien Sache ausgeschlossen (§ 275 Abs. 1 BGB); dies berechtigte den Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag nach § 437 Nr. 2, § 326 Abs. 5 BGB, ohne dass es einer Fristsetzung nach § 323 BGB bedurfte.
2. Dem vom Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2004 erklärten Rücktritt steht der im Kaufvertrag vereinbarte Haftungsausschluss nicht entgegen. Denn bei der vorformulierten Vertragsbestimmung über den Ausschluss jeder Gewährleistung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht standhält und deshalb unwirksam ist.
a) Die Klausel, nach welcher der Käufer das gebrauchte Fahrzeug "unter Ausschluss jeder Gewährleistung" bestellt, verstößt gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB. Nach diesen Bestimmungen kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden (BGHZ 170, 31, Tz. 19). Diesen Beschränkungen trägt ein uneingeschränkter Haftungsausschluss in einem Gebrauchtwagenkaufvertrag wie dem vorliegenden nicht Rechnung (vgl. BGHZ 170, 67, Tz. 10).
b) Allerdings sind die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB hier nicht unmittelbar anwendbar, weil es sich bei dem Kläger nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts um einen Unternehmer handelt. Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, findet § 309 BGB keine Anwendung (§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB). Solche Geschäftsbedingungen unterliegen jedoch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB, und zwar auch insoweit, als dies zur Unwirksamkeit von Vertragsbestimmungen führt, die in § 309 BGB aufgeführt sind; dabei ist auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Bräuche angemessen Rücksicht zu nehmen (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Bestimmung, die dem früheren § 24 AGBG entspricht, bedeutet, dass bei der Inhaltskontrolle im unternehmerischen Verkehr die in den Klauselverboten zum Ausdruck kommenden Wertungen berücksichtigt werden sollen, soweit sie übertragbar sind (vgl. BGHZ 89, 363 ff. und 90, 273 ff. zu § 24 AGBG; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 307 BGB Rdnr. 163, 381 ff.; MünchKommBGB/Kieninger, 5. Aufl., § 307 Rdnr. 72; MünchKommBGB/Basedow, 5. Aufl., § 310 Rdnr. 7 ff.; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB (2004), § 444 Rdnr. 8; Staudinger/Coester-Waltjen, BGB (2006), § 309 Nr. 7 Rdnr. 42). Insoweit hat sich die Rechtslage durch die Neuregelung in §§ 307 ff. BGB nicht geändert.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 11 AGBG (jetzt § 309 BGB) kommt den strikten Klauselverboten im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG (jetzt § 307 BGB) Indizwirkung für die Unwirksamkeit der Klausel auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr zu (BGHZ 90, 273, 278; BGHZ 103, 316, 328). Daran hält der Senat fest. Fällt eine Klausel bei ihrer Verwendung gegenüber Verbrauchern unter eine Verbotsnorm des § 309 BGB, so ist dies ein Indiz dafür, dass sie auch im Falle der Verwendung gegenüber Unternehmern zu einer unangemessenen Benachteiligung führt, es sei denn, sie kann wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs ausnahmsweise als angemessen angesehen werden (vgl. BGHZ 90, 273, 278, zu § 11 AGBG; MünchKommBGB/Kieninger, aaO, zu § 307 BGB).
c) Nach dieser Maßgabe ist eine umfassende Freizeichnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der die Haftung des Klauselverwenders - wie im vorliegenden Gebrauchtwagenkaufvertrag - auch für Körper- und Gesundheitsschäden (§ 309 Nr. 7 Buchst. a BGB) und für sonstige Schäden auch bei grobem Verschulden (§ 309 Nr. 7 Buchst. b BGB) ausgeschlossen ist, nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern ebenso im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders unwirksam (§ 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB; Staudinger/Coester-Waltjen, aaO, m.w.N.).
aa) Das absolute Haftungsfreizeichnungsverbot für Verletzungen des Lebens, des Körpers und der Gesundheit (§ 309 Nr. 7 Buchst. a BGB) gilt nach einhelliger Auffassung auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr und führt deshalb zur Unwirksamkeit einer dagegen verstoßenden Klausel nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (Fuchs, aaO, Rdnr. 283 m.w.N. in Fn. 997). Die Rechtfertigung dafür liegt darin, dass hinsichtlich des von § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB bezweckten Schutzes besonders wichtiger persönlicher Rechtsgüter kein Raum ist für eine Differenzierung zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Aus den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen (§ 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB) ergibt sich nichts Anderes.
bb) Ebenso ist eine Freizeichnung im unternehmerischen Geschäftsverkehr bei einem Verstoß gegen § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB jedenfalls dann unwirksam, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - hinsichtlich sonstiger Schäden die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vollständig ausschließt. Ein derart weitreichender Haftungsausschluss benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unangemessen, weil er den Vertragszweck gefährdet (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf eine Haftungsbeschränkung nicht dazu führen, dass der Klauselverwender von Verpflichtungen befreit wird, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertraut und vertrauen darf (BGHZ 164, 11, 36; BGH, Urteil vom 15. September 2005 - I ZR 58/03, NJW-RR 2006, 267, Tz. 38). Ein Unternehmer darf ebenso wie ein Verbraucher darauf vertrauen, dass sein Vertragspartner ihn nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich schädigt. Auch insoweit fehlt eine sachliche Rechtfertigung dafür, hinsichtlich der Haftungsfolgen für grobes Verschulden danach zu differenzieren, ob von dem Verschulden des Vertragspartners ein Unternehmer oder ein Verbraucher betroffen ist. Deshalb besteht auch im Geschäftsverkehr mit Unternehmern ein Verbot der umfassenden Freizeichnung von der Haftung für grobes Verschulden (Fuchs, aaO, Rdnr. 285 m.w.N. in Fn. 1000); inwieweit bei grober Fahrlässigkeit im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine Haftungsbeschränkung zulässig ist (dazu Fuchs, aaO, Rdnr. 286), bedarf hier keiner Entscheidung, weil der vorliegende Gebrauchtwagenkaufvertrag nicht lediglich eine Haftungsbeschränkung, sondern einen umfassenden Haftungsausschluss enthält.
III.
Da die Revision Erfolg hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Über die entscheidungsreife Sache hat der Senat selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Auf die Berufung des Klägers ist das angefochtene Urteil des Landgerichts abzuändern und der Klage, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, stattzugeben. Die Klage ist, wie ausgeführt, hinsichtlich der Hauptforderung begründet; der Anspruch auf die Nebenforderung ergibt sich aus § 288 Abs. 2, § 291 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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