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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.03.2009
Aktenzeichen: VIII ZR 149/08
Rechtsgebiete: Richtlinie 1997/7/EG, BGB
Vorschriften:
Richtlinie 1997/7/EG Art. 6 | |
BGB § 312d Abs. 1 | |
BGB § 312d Abs. 4 |
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Wiechers
sowie
die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel
beschlossen:
Tenor:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist die Bestimmung des Art. 6 Abs. 3 Spiegelstrich 3 Fall 3 der Richtlinie 1997/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz dahin auszulegen, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz über die leitungsgebundene Lieferung von Strom und Gas?
Gründe:
I.
Der Kläger unterzeichnete und übersandte der Beklagten am 20. Januar 2007 eine von dieser gestellte und bereits zuvor unterschriebene formularmäßige "Vertragsvereinbarung KombiSTA Strom & Gas" über die Lieferung von Strom und Gas für die Dauer von mindestens einem Jahr ab dem 1. März 2007. Mit Faxschreiben vom 27. Januar 2007 widerrief er seine auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung. Die Beklagte vertrat mit Schreiben vom 21. Februar 2007 die Auffassung, dass ihm ein Widerrufsrecht nicht zustehe. Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 23. Februar 2007; er forderte die Beklagte vergeblich auf, den Widerruf zur Vermeidung einer Klageerhebung unverzüglich zu akzeptieren. Zugleich stellte er der Beklagten unter Hinweis auf seine Zulassung als Rechtsanwalt eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 2.107,97 EUR nebst Pauschale für Entgelte für Postund Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von insgesamt 229,30 EUR in Rechnung. Seit dem 1. April 2007 bezieht er Strom und Gas von anderen Anbietern.
Die Klage auf Feststellung, dass der Kläger die auf Abschluss der Vertragsvereinbarung KombiSTA Strom & Gas gerichtete Willenserklärung vom 20. Januar 2007 wirksam widerrufen habe, sowie auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 229,30 EUR hat das Amtsgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers, mit der er beantragt hat, festzustellen, dass die zwischen den Parteien geschlossene Vertragsvereinbarung "KombiSTA Strom & Gas" durch wirksamen Widerruf der Willenserklärung des Klägers vom 27. Januar 2007 beendet worden ist, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die Vertragsvereinbarung KombiSTA Strom & Gas rückwirkend zum 1. März 2007 aufzuheben, und mit der er im Übrigen seinen Zahlungsantrag weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger weiterhin eine Verurteilung der Beklagten nach seinen zweitinstanzlichen Klageanträgen.
II.
Das Berufungsgericht hat, soweit im gegenwärtigen Verfahrensstadium von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:
Die von den Parteien getroffene Vereinbarung sei wirksam, weil der Kläger seine Erklärung vom 20. Januar 2007 nicht habe widerrufen können. Der Ausnahmetatbestand gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB sei im Hinblick darauf, dass Strom und Gas zur Rücksendung nicht geeignet seien, gegeben und ein Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 1, § 355 BGB zu verneinen. Es sei zwischen dem gelegentlichen Verbrauch einer zuvor übersandten Sache im konkreten Einzelfall und dem Verbrauch einer Sache als wesenstypisches Beschaffenheitskriterium zu differenzieren. Bei der Lieferung von Strom und Gas liege der eintretende Verbrauch der Ware in der Natur der Sache; es sei unmöglich, sie zurückzugeben. Die über den Versorger zugeleiteten Strom- und Gasmengen könnten nicht über dieselbe Zuleitung wieder an diesen zurückgeleitet werden. Die Ware Strom und Gas sei unmittelbar nach Zuleitung an den Verbraucher in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr vorhanden. Nach der gesetzlichen Formulierung sei, da die betroffene Ware "auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet" sei, in solchen Fällen zwingend ein Ausschluss des Widerrufsrechts gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB anzunehmen. Es sei dabei unerheblich, ob der in Rede stehende konkrete Widerruf zeitlich vor dem vereinbarten Lieferbeginn gelegen habe, denn der Ausschlusstatbestand in § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB differenziere insoweit nicht zwischen den möglichen Zeitpunkten der faktischen Widerrufserklärung.
Durch diesen Ausschluss des Widerrufsrechts werde der Schutzbereich der Norm im Rahmen der §§ 312b ff. BGB nicht betroffen. Denn die Vorschriften über Fernabsatzverträge sollten dem Verbraucher im Hinblick auf die "Unsichtbarkeit des Vertragspartners und des Produkts" einen angemessenen Schutz dafür bieten, dass ihm insbesondere über die Beschaffenheit der Vertragsleistung des Unternehmers keine näheren Auskünfte zur Verfügung stünden. Vorliegend gehe es indessen nicht darum, die zugesandte Ware (Strom/Gas) auf ihre Beschaffenheit und Qualität hin zu prüfen und den typischen Gefahren des Fernabsatzes angemessen zu begegnen, sondern um ein vertragsreuiges Verhalten des Klägers, der nach dem Vertragsabschluss mit der Beklagten ein günstigeres Angebot eines Mitbewerbers in Erfahrung gebracht habe.
III.
Die Entscheidung über die Revision hängt davon ab, ob dem Kläger nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB ein Recht zum Widerruf seiner auf Abschluss der Vertragsvereinbarung "KombiSTA Strom & Gas" gerichteten Willlenserklärung zusteht oder ob ein solches Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 4 Nr. 1 Fall 3 BGB ausgeschlossen ist. Für die Beantwortung dieser Frage bedarf es einer Auslegung der Richtlinie 1997/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr. L 144 S. 19; im Folgenden: Richtlinie).
1.
Bei der Vertragsvereinbarung KombiSTA Strom & Gas handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag im Sinne von § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. um einen Vertragsabschluss im Fernabsatz gemäß der Definition in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie. Sie ist zwischen dem Kläger als Verbraucher (§ 13 BGB, Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie) und der Beklagten als Unternehmer (§ 14 BGB) und Lieferer (Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie) in Ausübung von deren gewerblicher Tätigkeit geschlossen worden. Nach den unangegriffenen tatrichterlichen Feststellungen ist der Vertrag durch Zusendung und Rücksendung eines von der Beklagten stammenden Formularschreibens und damit unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln im Sinne von § 312b Abs. 2 BGB (Fernkommunikationstechnik gemäß Art. 2 Nr. 4 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie) zustande gekommen.
Strom und Gas sind Waren im Sinne von § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie (Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, BGB, 2. Aufl., § 312b Rdnr. 20; Erman/Saenger, BGB, 12. Aufl., § 312b Rdnr. 3; Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312b Rdnr. 29; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 312b Rdnr. 10; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312b Rdnr. 47; Staudinger/Thüsing, BGB (2005), § 312b Rdnr. 15; MünchKommBGB/Wendehorst, 5. Aufl., § 312b Rdnr. 37 i. V. m. Fn. 33 und 34). Diese Einordnung ist im deutschen Recht seit langem anerkannt (vgl. RGZ 56, 403, 404; 67, 229, 232; Senatsurteil vom 2. Juli 1969 - VIII ZR 172/68, WM 1969, 1017, unter II 2) und entspricht dem europarechtlichen Warenbegriff (EuGH, Urteil vom 27. April 1994 - Rs. C-393/92, Slg. 1994, I S. 1477, Rdnr. 28 - Gemeente Almelo/Energiebedrijf IJsselmij NV; vgl. auch die vorgesehene Ausnahme für Wasser, Gas und Strom vom Warenbegriff in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b und c des Vorschlags der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher vom 8. Oktober 2008 - KOM(2008) 614/4).
2.
Nach deutschem Recht steht dem Kläger folglich ein Widerrufsrecht zu (§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn es nicht durch § 312d Abs. 4 Nr. 1 Fall 3 BGB ausgeschlossen ist, weil ein Fernabsatzvertrag zur Lieferung von Waren vorliegt, die auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind. Ob dieser Ausschlusstatbestand eingreift, ist nach deutschem Recht nicht eindeutig.
a)
Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es für die Feststellung, ob eine Ware für eine Rücksendung geeignet ist, auf deren Beschaffenheit an. Diese bildet den Ausgangspunkt für die Entscheidung, ob eine Rücksendung möglich ist oder nicht (Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, aaO, § 312d Rdnr. 36; Lütcke, aaO, § 312d Rdnr. 70; Staudinger/Thüsing, aaO, § 312d Rdnr. 49). Bei der leitungsgebundenen Lieferung von Strom und Gas, die nach den üblichen Versorgungsverträgen mit Verbrauchern - wie hier - nicht zur Speicherung, sondern zum sofortigen Verbrauch bestimmt sind, scheidet eine Rücksendung derselben Ware durch den Verbraucher aus. Das spricht dafür, sie aufgrund ihrer Beschaffenheit als zur Rücksendung nicht geeignet anzusehen.
Dem steht, anders als die Revision meint, nicht entgegen, dass eine Speicherung von Gas und - mit Einschränkungen - auch von Strom technisch möglich ist mit der Folge, dass beide in diesem Fall auch "zurückgesandt" werden können. Für das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes kommt es nicht auf eine beschaffenheitsbedingte generelle Eignung zur Rücksendung an, sondern sind die Umstände im konkreten Einzelfall maßgeblich (Bamberger/ Roth/Schmidt-Räntsch, aaO, § 312d Rdnr. 36; Lütcke, aaO, § 312d Rdnr. 72). Das zeigt der vom nationalen Gesetzgeber als Beispiel für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des § 312d Abs. 4 Nr. 1 Fall 3 BGB angeführte Fall der Lieferung von Heizöl, das sich mit dem im Tank des Kunden vorhandenen Heizöl vermischt und deshalb - je nach dessen Zustand - die nach den DIN-Normen erforderlichen Eigenschaften verliert. Deshalb "könne", so heißt es in der Gesetzesbegründung, der Widerrufsausschluss bei Heizöl greifen (Begründung zum Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro, BT-Drs. 14/2658, S. 44). Dies muss aber nicht immer so sein; daher ist für Heizöllieferungen keine generelle Ausnahme vom Widerrufsrecht bestimmt worden (Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 14/2920, S. 13). Entsprechend schließt der Umstand, dass Strom und Gas in Einzelfällen vom Abnehmer gespeichert werden mögen und dann auch zurückgegeben werden können, die Anwendbarkeit des Ausschlusstatbestandes des § 312d Abs. 4 Nr. 1 Fall 3 BGB auf Strom und Gas nicht generell aus. Im Regelfall der leitungsgebundenen Lieferung an Verbraucher sind vielmehr Strom und Gas zur Rücksendung nicht geeignet, weil sie vom Abnehmer unmittelbar verbraucht werden.
b)
Wie die Revision zu Recht geltend macht, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 312d Abs. 4 BGB aber auch, dass der Gesetzgeber bei diesem Ausnahmetatbestand weniger den Fall der tatsächlichen Unmöglichkeit der Rücksendung im Blick hatte als vielmehr Fälle, in denen ein Widerrufsrecht und die Rücksendung der Ware für den Unternehmer nicht zumutbar sind (vgl. Senatsurteil, BGHZ 154, 239, 243 f.) . Das betrifft nicht nur Waren, die nach Kundenspezifikationen angefertigt sind (§ 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB Fall 1), Software auf entsiegelten Datenträgern (§ 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB) sowie Zeitungen und Zeitschriften (§ 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB), sondern auch den Ausnahmetatbestand des § 312d Abs. 4 Nr. 1 Fall 3 BGB (Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751 ff.). Als Beispiele für Waren, die nicht für eine Rücksendung geeignet sind, werden in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/2658, S. 44) neben dem oben bereits genannten Heizöl online zur Verfügung gestellte Software, Multimedia-Anwendungen und wissenschaftliche oder literarische Werke aufgeführt, die als Dateien vertrieben werden. Eine Rückgabemöglichkeit würde bei Software oder vergleichbaren Werken nach der Auffassung des Gesetzgebers das berechtigte Interesse des Unternehmers verletzen, eine unberechtigte Nutzung durch den Verbraucher zu verhindern, weil sie nicht gewissermaßen "rückstandslos" zurückgegeben werden könnten (ebenso Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, aaO, § 312d Rdnr. 36; Staudinger/Thüsing, aaO, § 312d Rdnr. 50; Münch-KommBGB/Wendehorst, aaO, § 312d Rdnr. 27 f.; weitere Beispiele für wegen Unzumutbarkeit für den Unternehmer zur Rücksendung ungeeignete Waren bei Becker/Föhlisch, aaO, S. 3753 ff.).
c)
Eine vergleichbare Unzumutbarkeit der Rücksendung liegt bei der leitungsgebundenen Lieferung von Strom und Gas nicht vor. Die Rücksendung ist vielmehr unmöglich, weil der Kunde die Ware im Zeitpunkt der Lieferung stets sofort verbraucht. Unter diesem Gesichtspunkt sind Strom und Gas eher sonstigen Waren vergleichbar, die zum Verbrauch durch den Kunden bestimmt sind und im Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs bereits verbraucht worden sind.
Nach nationalem Recht bedeutet der Widerruf eines Vertragsschlusses über die Lieferung von Waren, die der Kunde ganz oder teilweise bereits verbraucht hat, nicht, dass dieser - wie in den oben (unter bb) genannten Beispielsfällen - trotz des Widerrufs auch weiterhin wirtschaftlich von der gelieferten Ware profitieren kann. Denn an die Stelle der Rückgewährpflicht tritt nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers. Auf das dem Fernabsatzkäufer durch § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB eingeräumte Widerrufsrecht nach § 355 BGB finden gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung. Dieser wird durch einen Verbrauch der gelieferten Ware nicht ausgeschlossen. Der Rücktritts- bzw. Widerrufsberechtigte schuldet in diesem Falle gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB bei Ausübung des Rücktritts- oder Widerrufsrechts anstelle der Rückgewähr oder Herausgabe des Gegenstandes Wertersatz. Daraus wird im Schrifttum gefolgert, dass der Verbrauch der Ware für das Bestehen und die Ausübung eines Widerrufsrechts nach § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB ohne Bedeutung ist (Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, aaO, § 312d Rdnr. 37; vgl. auch Staudinger/Thüsing, aaO, § 312d Rdnr. 49; Lütcke, aaO, § 312d Rdnr. 67; a. A. Aigner/Hofmann, MMR 2001, Beilage 8, S. 30, 32). Dann ist es folgerichtig, das Bestehen eines Widerrufsrechts auch bei der leitungsgebundenen Lieferung von Strom und Gas anzunehmen.
3.
Der nationale Gesetzgeber hat mit der Einführung von § 312d Abs. 4 Nr. 1 bis 4 BGB (entspricht § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 FernAbsG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung) bewusst diejenigen Ausnahmen wörtlich übernommen, die in Art. 6 Abs. 3 Spiegelstrich 3 bis 6 der Richtlinie geregelt sind (BT-Drs. 14/2658, S. 44). Dieser Umstand rechtfertigt die Annahme, dass - obwohl die Richtlinie nur Mindeststandards setzt und nationale Bestimmungen zulässt, die das Schutzniveau für den Verbraucher erhöhen (Art. 14 der Richtlinie) - auch nach nationalem Recht ein Widerrufsrecht in den Fällen ausgeschlossen sein soll, in denen es nach Art. 6 Abs. 3 Spiegelstrich 3 bis 6 der Richtlinie nicht ausgeübt werden kann. Es kommt deshalb auf die Frage an, ob Art. 6 Abs. 3 Spiegelstrich 3 Fall 3 der Richtlinie mit dem Ausschluss des Widerrufsrechts bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind, auch Strom- und Gaslieferungsverträge umfasst. Das ist unklar.
a)
Der Wortlaut der Vorschrift spricht ebenso wie derjenige von § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB für den Ausschluss des Widerrufsrechts bei derartigen Verträgen (siehe oben unter 2 a).
b)
Die Entstehungsgeschichte von Art. 6 Abs. 3 Spiegelstrich 3 Fall 3 der Richtlinie weist in dieselbe Richtung. Eine entsprechende Regelung war bereits in Art. 11 Abs. 4 des ersten Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (KOM(92) 11 endg., ABl. EG 1992 Nr. C 156/14) vorgesehen. Dabei ging die Kommission, wie sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 des Geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (KOM(93) 396 endg., ABl. EG 1993 Nr. C 308/18) ergibt, offensichtlich davon aus, dass der Verbraucher die Ware bei Ausübung des Widerrufsrechts im Originalzustand zurückzuschicken hat. Das schließt ein Widerrufsrecht im Falle des vorherigen Verbrauchs der Ware aus.
c)
Systematisch steht damit in Einklang, dass nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren sind. Damit könnte eine Wertersatzpflicht, wie sie nach nationalem deutschem Recht im Falle des Verbrauchs der Ware besteht (siehe oben unter 2 c), unvereinbar sein (vgl. Vorlagebeschluss des AG Lahr, MMR 2008, 270; MünchKommBGB/Masuch, 5. Aufl., § 357 Rdnr. 5 f. m.w.N). Da aber ohne eine solche der Widerruf für den Unternehmer unzumutbar wäre, könnten Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie ebenfalls dafür sprechen, dass bei zum Verbrauch bestimmten und tatsächlich bereits verbrauchten Waren - und damit auch bei der leitungsgebundenen Lieferung von Strom und Gas - das Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 3 Spiegelstrich 3 Fall 3 der Richtlinie ausgeschlossen ist.
d)
Jedoch besteht der Sinn und Zweck des Widerrufsrechts darin, dem Verbraucher nach der Lieferung der Ware ein Recht zur Lösung vom Vertrag zu geben, weil er vorher keine Möglichkeit hat, das Erzeugnis zu sehen (vgl. Erwägungsgrund 14 zur Richtlinie). Dieser Gesichtspunkt kommt grundsätzlich auch bei Waren zum Tragen, die zum Verbrauch bestimmt sind und deren Eigenschaften vom Verbraucher nur im Wege des jedenfalls teilweisen Verbrauchs geprüft werden können. Das betrifft zum Beispiel Erzeugnisse der Körperpflege, für die in Art. 12 Abs. 4 des Geänderten Kommissionsvorschlags (aaO) ursprünglich ein Ausschluss des Widerrufsrechts vorgesehen war, der aber im Laufe des Rechtsetzungsverfahrens aufgrund des Gemeinsamen Standpunkts des Rates (ABl. EG 1995 Nr. C 288/1, 12) gestrichen worden ist, weil er als nicht zweckmäßig angesehen worden ist.
Unter Berücksichtigung von zum Verbrauch bestimmten Waren könnten Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie möglicherweise dahin ausgelegt werden, dass sie nur die Kosten im Zusammenhang mit der tatsächlichen Rücksendung der Ware regeln, dass aber darüber hinaus, insbesondere im Fall des Verbrauchs der gelieferten Ware, das nationale Recht Ausgleichsregelungen wie die des § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB vorsehen kann. Dafür spricht, dass es nach Art. 14 der Erwägungsgründe Sache der Mitgliedstaaten ist, weitere Bedingungen und Einzelheiten für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechtes festzulegen (vgl. Gesetzesbegründung zu § 357 BGB, BT-Drs. 14/6040, S. 199; Bamberger/Roth/Grothe, aaO, § 357 Rdnr. 12; Erman/Saenger, aaO, § 357 Rdnr. 16; Palandt/Grüneberg, aaO, § 357 Rdnr. 14; Lütcke, aaO, § 357 Rdnr. 28 f.; Staudinger/Kaiser, BGB (2004), § 357 Rdnr. 31).
Der Sinn und Zweck des Widerrufsrechtes wird durch eine solche Lösung optimal verwirklicht, insbesondere wenn der Vertrag - wie hier - auf die wiederkehrende Lieferung gleichartiger Waren gerichtet ist und die Wertersatzpflicht wegen Verbrauchs nur für eine Teillieferung oder nur für einen Teil der gelieferten Ware eingreift. Allerdings steht dem Fernabsatzkäufer dann eine weitergehende Prüfungsmöglichkeit zu als sie jeder andere Käufer hat, der vor dem Erwerb von zum Verbrauch bestimmten Sachen auf eine bloße Inaugenscheinnahme der Kaufsache ohne (teilweisen) Verbrauch beschränkt ist (vgl. Becker/Föhlisch, aaO, S. 3753).
Sollte nach der Richtlinie grundsätzlich ein Widerrufsrecht auch bei zum Verbrauch bestimmten und (teilweise) bereits verbrauchten Waren bestehen, stellt sich sodann die weitere Frage, ob die Lieferung von Strom und Gas anders zu behandeln ist, weil der Verbraucher dabei in der Regel praktisch weder die Möglichkeit noch die Absicht haben wird, die gelieferte Ware vor einer endgültigen Entscheidung über das Festhalten am Vertrag näher zu prüfen.
e)
Falls ein Widerrufsrecht des Verbrauchers jedenfalls nach Aufnahme der Lieferung von Strom und Gas durch Art. 6 Abs. 3 Spiegelstrich 3 Fall 3 der Richtlinie ausgeschlossen ist, kommt es für den hier zu entscheidenden Fall schließlich auf die Frage an, ob ein Widerrufsrecht zumindest bis zu diesem Zeitpunkt besteht. Dafür könnte sprechen, dass der Eignung der Ware zur Rücksendung vor Lieferung keine Bedeutung zukommt. Andererseits stellt Art. 6 Abs. 3 Spiegelstrich 3 Fall 3 der Richtlinie seinem Wortlaut nach nicht auf die Lieferung von nicht zur Rücksendung geeigneter Ware, sondern darauf ab, ob ein Vertrag zur Lieferung von Waren vorliegt, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind. Außerdem ist das Bestehen eines Widerrufsrechtes - nur - vor der Lieferung zur Verwirklichung des oben (unter d) beschriebenen Sinns und Zwecks des Widerrufsrechts ungeeignet.
Ende der Entscheidung
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