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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.01.2002
Aktenzeichen: VIII ZR 169/00
Rechtsgebiete: EGBGB, ZPO, BGB


Vorschriften:

EGBGB § 5
ZPO § 565a
BGB § 433 Abs. 1 Satz 1
BGB § 326 Abs. 1
BGB § 812
BGB § 817
BGB § 814
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 169/00

Verkündet am: 30. Januar 2002

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Wiechers, Dr. Wolst und Dr. Frellesen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das End- und Vorbehaltsurteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 31. Mai 2000 in der Fassung des Schlußurteils desselben Gerichts vom 31. Januar 2001 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dresden vom 18. Juni 1999 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 120.153,59 € (235.000 DM) nebst 5 % Zinsen seit dem 28. November 1998 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten erster und zweiter Instanz sowie des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Nach Verhandlungen mit der Klägerin, einer Leasing-Gesellschaft, unterzeichnete die landwirtschaftliche Lohnunternehmerin M. S. (im folgenden: Mietkäuferin) am 16. Januar 1997 einen formularmäßigen Antrag auf Abschluß eines Mietkaufvertrages über eine "Rübenroder" genannte Zuckerrübenerntemaschine des Typs K. SF 10. Der Antrag war ebenso wie eine von der Mietkäuferin gleichzeitig unterschriebene Übernahmebestätigung auf den 27. Dezember 1996 zurückdatiert. Am 7. Februar bestellte die Mietkäuferin bei der Beklagten einen Rübenroder des genannten Typs zum Preise von 460.000 DM einschließlich Mehrwertsteuer. Zuvor hatte die Mietkäuferin mit der Beklagten unter dem 11. Januar 1997 einen Kaufvertrag geschlossen, wonach sie ihrerseits der Beklagten eine solche Maschine gebraucht zum Preis von 448.500 DM einschließlich Mehrwertsteuer verkaufte. Dabei war der Kaufpreis nach Angaben der Beklagten mit ihren Forderungen gegen die Mietkäuferin verrechnet worden. Mit Schreiben vom 17. Februar 1997 trat die Klägerin in die Bestellung der Mietkäuferin vom 7. Februar 1997 ein. Unter dem 27. Februar 1997 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Rechnung über 460.000 DM abzüglich einer Vorauszahlung der Mietkäuferin in Höhe von 120.000 DM. Entgegen der Bitte der Klägerin im Schreiben vom 17. Februar 1997 enthielt die Rechnung nicht die Gerätenummer des Rübenroders. Am 7. März 1997 nahm die Klägerin den Antrag der Mietkäuferin auf Abschluß eines Mietkaufvertrages über den Rübenroder an. Am selben Tag übersandte sie der Beklagten einen Scheck über 340.000 DM, den diese einlöste.

Nachdem die Mietkäuferin in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, kündigte die Klägerin den Mietkaufvertrag mit Schreiben vom 21. Oktober 1998 fristlos. Zugleich forderte sie von der Mietkäuferin - vergeblich - Herausgabe des Rübenroders sowie Ausgleich des Mietrückstandes und Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von insgesamt 209.180,45 DM. Die Nachforschungen der Klägerin über den Verbleib des Rübenroders hatten keinen Erfolg. Mit Anwaltsschreiben vom 3. November 1998 forderte sie die Beklagte unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung auf, entweder die Erfüllung des Kaufvertrages nachzuweisen oder einen entsprechenden Rübenroder zu liefern. Daraufhin übersandte die Beklagte einen von dem Ehemann der Mietkäuferin unterzeichneten Lieferschein vom 14. Februar 1997, den die Klägerin jedoch nicht anerkannte, weil er keine Gerätenummer enthielt. Mit Anwaltsschreiben vom 17. November 1998 lehnte die Klägerin die Erfüllung des Kaufvertrages ab und verlangte von der Beklagten unter Fristsetzung zum 27. November 1998 Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 340.000 DM.

In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung des vorgenannten Betrages nebst 7,5 % Zinsen seit dem 28. November 1998 in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte hilfsweise mit einer Gegenforderung über 105.000 DM aufgerechnet. Durch End- und Vorbehaltsurteil vom 31. Mai 2000 hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von 209.180,45 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 28. November 1998 verurteilt. In Höhe von 105.000 DM nebst Zinsen ist das Urteil unter dem Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung der Beklagten ergangen. Im übrigen hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Während des Revisionsverfahrens hat das Berufungsgericht durch Schlußurteil vom 31. Januar 2001 die Hilfsaufrechnung der Beklagten für begründet erachtet; es hat sein End- und Vorbehaltsurteil vom 31. Mai 2000 abgeändert und dahin neu gefaßt, daß die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen zur Zahlung von 104.180,45 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 28. November 1998 verurteilt wird. Gegen dieses Urteil hat allein die Beklagte Revision eingelegt. Der Senat hat die Revision der Klägerin gegen das End- und Vorbehaltsurteil des Berufungsgerichts vom 31. Mai 2000, mit der sie sich gegen die hierdurch erfolgte teilweise Abweisung ihrer Klage wendet und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 130.819,55 DM nebst 7,5 % Zinsen begehrt, angenommen. Die beiden Revisionen der Beklagten hat der Senat dagegen nicht angenommen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat in dem angefochtenen End- und Vorbehaltsurteil vom 31. Mai 2000 im wesentlichen ausgeführt:

Dem Grunde nach sei die Beklagte gemäß § 326 Abs. 1 BGB zum Ersatz des der Klägerin entstandenen Schadens verpflichtet. Sie habe nicht bewiesen, daß sie ihrer Übereignungsverpflichtung nachgekommen sei. Die Beweislast für die Lieferung des Rübenroders trage die Beklagte trotz der Übernahmebestätigung der Mietkäuferin und des von deren Ehemann unterzeichneten Lieferscheins. Der Beweiswert dieser Quittungen sei mangels Angabe einer Gerätenummer erschüttert, zumal die Beklagte eine solche auch später nicht genannt habe. Zweifel ergäben sich weiter aus der unklaren Hin- und Herlieferung des Rübenroders zwischen der Mietkäuferin und der Beklagten. Nach der Beweisaufnahme sei die Lieferung des Rübenroders nicht bewiesen. Die Aussage des Zeugen St. sei unergiebig. Der Ehemann der Beklagten habe die Lieferung zwar bestätigt. Seine Aussage sei jedoch wenig glaubhaft, die Zweifel an der Richtigkeit seiner Bekundungen gingen zu Lasten der Beklagten.

Die Klägerin könne von der Beklagten nur den Betrag ersetzt verlangen, der ihr unter Berücksichtigung der von der Mietkäuferin erbrachten Leistungen als Schaden verbleibe. Grundsätzlich stehe dem Käufer nach § 326 Abs. 1 BGB zwar als Mindestschaden die Rückzahlung des Kaufpreises, hier 340.000 DM, zu. Die Klägerin müsse sich jedoch auf den ihr gegenwärtig verbliebenen Schaden aus dem Mietkaufvertrag mit der Mietkäuferin beschränken. Nach ihrem Vorbringen hätten die Mietkäuferin und die Beklagte zusammengewirkt und wahrheitswidrig die Übernahmebestätigung und den Lieferschein ausgefüllt. Danach spreche alles dafür, daß die Klägerin nicht damit zu rechnen brauche, von der insolvent gewordenen Mietkäuferin auf Rückzahlung der geleisteten Mietkaufraten in Anspruch genommen zu werden. Verblieben jedoch der Klägerin die geleisteten Mietkaufraten und erhielte sie den gesamten von ihr entrichteten Kaufpreis zurück, so führe dies zu einer ungerechtfertigten Besserstellung der Klägerin.

II. Diese Ausführungen halten in dem der Klägerin nachteiligen Punkt der Schadenshöhe der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist auch in Höhe des Betrages von 130.819,55 DM begründet, den ihr das Berufungsgericht wegen der von der Mietkäuferin geleisteten Zahlungen aberkannt hat.

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht den von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus § 326 Abs. 1 BGB - wie auch alle nachfolgend erwähnten Bestimmungen des BGB gemäß Art. 229 § 5 EGBGB in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung - wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages der Parteien dem Grunde nach bejaht. Insbesondere ist entgegen den Rügen der Revisionserwiderung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die von der Beklagten nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB geschuldete Lieferung des Rübenroders als nicht bewiesen angesehen hat. Dagegen, daß das Berufungsgericht die Beklagte insoweit trotz der Übernahmebestätigung der Mietkäuferin und des von deren Ehemann unterzeichneten Lieferscheins für beweispflichtig gehalten hat, weil der Beweiswert dieser Quittungen den Umständen nach erschüttert sei, erhebt die Revisionserwiderung keine Einwendungen und bestehen auch sonst keine rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1987 - II ZR 35/87, WM 1988, 524, 525 m.w.Nachw.). Soweit das Berufungsgericht den mithin der Beklagten obliegenden Beweis der Lieferung des Rübenroders nach dem Ergebnis der Beweissaufnahme als nicht geführt angesehen hat, beruht dies auf einer tatrichterlichen Beweiswürdigung, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbar ist (z.B. Urteil vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91, WM 1993, 902 unter B II 3 a, m.w.Nachw.; Urteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96, NJW 1997, 796 unter II B 1). Die hiergegen von der Revisionserwiderung erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird nach § 565a ZPO (gemäß § 26 Nr. 7 EGZPO in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung) abgesehen.

2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte sei der Höhe nach auf den Betrag von 209.180,45 DM beschränkt, weil ihr die von der Mietkäuferin geleisteten Zahlungen aus dem mit dieser geschlossenen Mietkaufvertrag anzurechnen seien.

Wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, kann der nicht belieferte Käufer nach § 326 Abs. 1 BGB als Mindestschaden den von ihm geleisteten Kaufpreis zurückverlangen (vgl. zu § 325 Abs. 1 BGB BGHZ 138, 195, 209, m.w.Nachw.). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es nicht gerechtfertigt, diesen Mindestschaden wegen der von der Mietkäuferin auf den Mietkaufvertrag geleisteten Zahlungen zu kürzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind dem Geschädigten nur solche Vorteile anzurechnen, die ihm im adäquaten Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen und deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, das heißt dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (z.B. BGHZ 91, 206, 210; 145, 203, 243, jeweils m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen der Vorteilsanrechnung sind hier nicht gegeben.

Dahingestellt bleiben kann, ob die Zahlungen der Mietkäuferin in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Schadensereignis, der Nichterfüllung des Kaufvertrages der Parteien durch die Beklagte, stehen und ob der Klägerin der hierdurch erlangte Vorteil verbleibt, weil ein Rückzahlungsanspruch der Mietkäuferin aus § 323 Abs. 3, § 812 BGB wegen des vom Berufungsgericht angenommenen kollusiven Zusammenwirkens mit der Beklagten nach § 814 oder § 817 BGB ausgeschlossen ist. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, scheidet hier eine Vorteilsanrechnung deshalb aus, weil sie den Schädiger unangemessen entlasten würde und dem Geschädigten nicht zuzumuten wäre. Insoweit hat das Berufungsgericht zwar richtig gesehen, daß die Klägerin begünstigt würde, wenn sie den vollen Kaufpreis zurückerhält und ihr gleichzeitig die Zahlungen der Mietkäuferin verbleiben. Bei der Bewertung dieses Sachverhalts hat es jedoch nicht berücksichtigt, daß andererseits die Beklagte entlastet wird, wenn sie den von der Klägerin gezahlten Kaufpreis von 340.000 DM lediglich in Höhe von 209.180,45 DM erstatten müßte. Es ist kein Grund ersichtlich, der diesen Vorteil der Beklagten rechtfertigen könnte, die - wie das Berufungsgericht angenommen hat - mit der Mietkäuferin kollusiv zum Nachteil der Klägerin zusammengewirkt hat. Gerade dieser Umstand läßt vielmehr eine Entlastung der Beklagten als unangemessen erscheinen, weil diese andernfalls für ihr unredliches Verhalten noch belohnt würde. Dagegen entspricht es der Wertung des Gesetzes in §§ 814, 817 BGB, daß der Klägerin gegebenenfalls die von der Mietkäuferin erlangten Zahlungen verbleiben.

III. Nach alledem kann das angefochtene End- und Vorbehaltsurteil des Berufungsgerichts vom 31. Mai 2000 keinen Bestand haben, soweit dadurch die Klage in Höhe von 130.819,55 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist. Da es keiner weiteren Tatsachenfeststellungen bedarf, ist der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, nach § 26 Nr. 7 EGZPO in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung). Demgemäß ist die Beklagte unter Einbeziehung des rechtskräftigen Schlußurteils des Berufungsgerichts vom 31. Januar 2001 zu verurteilen, über die durch dieses Urteil in Abänderung des End- und Vorbehaltsurteils vom 31. Mai 2001 zuerkannten 104.180,45 DM hinaus weitere 130.819,55 DM, mithin insgesamt 235.000 DM, nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen.

Ende der Entscheidung

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