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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.09.1998
Aktenzeichen: VIII ZR 211/97
Rechtsgebiete: ZPO, GKG
Vorschriften:
ZPO § 161 Abs. 1 Nr. 1 | |
ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 4 | |
ZPO § 313 Abs. 1 Nr. 3 | |
ZPO § 295 | |
GKG § 8 Abs. 1 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 16. September 1998
Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 1998 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball und Dr. Leimert
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilanerkenntnis- und Schlußurteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 12. Juni 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht aufgrund streitiger Anträge entschieden hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte hatte im Rahmen eines Handelsvertretervertrages mit der Klägerin die Akquisition von Anzeigenkunden und außerdem aufgrund mündlicher Vereinbarung im Mai 1994 den Vertrieb des von der Klägerin hergestellten Kartenmaterials übernommen.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten - nach Reduzierung der ursprünglichen Forderung von 63.111,17 DM um 5.227,25 DM - Zahlung in Höhe von 57.883,92 DM. Sie hat behauptet, sie habe der Beklagten Stadt- und Ortspläne für insgesamt 63.111,17 DM verkauft; hiervon seien 5.227,25 DM abzuziehen, die der Beklagten als Provisionsforderung zustünden. Die Beklagte hat behauptet, sie habe die Stadt- und Ortspläne nicht gekauft, sondern in Kommission genommen.
Das Landgericht hat der Klägerin lediglich 698,75 DM nebst Zinsen zugesprochen, im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihr auf Kauf gestütztes Zahlungsbegehren in Höhe von 57.883,92 DM weiterverfolgt. Die Beklagte hat die Klageforderung in Höhe von 2.470,89 DM anerkannt. Im übrigen hat sie gegenüber der Klageforderung hilfsweise mit Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 115.367,24 DM aufgerechnet.
Das Berufungsgericht hat am 29. Mai 1997 durch Vernehmung der Zeugen R. und S. darüber Beweis erhoben, ob die Klägerin der Beklagten die Karten verkauft hat. Von einer Protokollierung der Aussage hat das Berufungsgericht gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 1 ZPO abgesehen. Es hat darüber auch keinen Berichterstattervermerk angefertigt.
Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Landgerichts geändert und die Beklagte unter Einbeziehung der vom Landgericht ausgeurteilten 698,75 DM sowie der von der Klägerin anerkannten 2.470,89 DM zur Zahlung von 54.790,94 DM nebst Zinsen verurteilt, hinsichtlich eines Betrages von 52.320,05 DM jedoch nur Zug um Zug gegen Herausgabe der im Tenor der Entscheidung aufgeführten Ortspläne. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Es sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Überzeugung, die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe die gelieferten Karten gekauft, treffe zu. Der Zeuge R. habe dies bei seiner Vernehmung bestätigt. Der Aussage des Zeugen S. , die insoweit inhaltlich der Aussage des Zeugen R. entgegenstehe, folge es nicht. Der Zeuge S. habe in diesem Punkt seiner Aussage im wesentlichen nur erklärt, daß die Warenlieferung auf Kommissionsbasis erfolgt sei, ohne nachvollziehbar darzustellen, aufgrund welcher tatsächlichen Beobachtungen er zu dieser Auffassung gekommen sei.
Die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung greife nicht durch, weil entsprechende Gegenforderungen durch die Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden seien.
II. Die Feststellungen des Berufungsgerichts sind, wie die Revision zu Recht rügt, von Verfahrensfehlern beeinflußt. Das Berufungsgericht stützt seine Annahme, die Klägerin habe der Beklagten die betreffenden Stadt- und Ortspläne verkauft, entscheidend auf die Aussage des Zeugen R. und folgt nicht der Aussage des Zeugen S. .
1. Das Berufungsgericht hat von einer Protokollierung der Zeugenaussagen gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 1 ZPO abgesehen, weil es die Sache im Hinblick auf den von ihm festgesetzten Wert der Beschwer als nicht revisibel angesehen hat. Dieser Annahme ist der Boden entzogen, nachdem der erkennende Senat die Beschwer der Beklagten mit mehr als 60.000 DM bewertet hat, weil die Beklagte gegen die Klageforderung hilfsweise mit bestrittenen Gegenforderungen in Höhe von 115.367,24 DM aufgerechnet und das Oberlandesgericht der Klageforderung, soweit sie im Berufungsverfahren angefallen und zwischen den Parteien noch streitig war, in Höhe von 51.621,30 DM (52.320,05 DM abzüglich vom Landgericht ausgeurteilter 698,75 DM) stattgegeben hat. Bei der Festsetzung der Beschwer waren dieser Teil der Klageforderung und die zur Aufrechnung gestellten und durch das Berufungsurteil aberkannten Gegenforderungen zusammenzurechnen.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es unerläßlich, daß das Ergebnis einer Vernehmung in das Protokoll oder das Urteil, mindestens aber in einen Vermerk, auf den in dem Urteil Bezug genommen ist, aufgenommen wird (vgl. BGHZ 40, 84, 86; BGH, Urteil vom 18. September 1986 - I ZR 179/84 = NJW 1987, 1200 unter II 2). Die Wiedergabe einer Aussage muß so erfolgen, daß sie sich deutlich von der Würdigung abhebt und ihr gesamter Inhalt erkennbar ist, soweit er irgendwie für die Entscheidung von Bedeutung sein kann. Nur wenn die Aussage in dieser Weise festgehalten wird, kann das Revisionsgericht prüfen, ob sie in allen Teilen rechtlich zutreffend berücksichtigt worden ist. Ausnahmsweise ist eine besondere Niederlegung einer Aussage dann entbehrlich, wenn sich der gesamte Inhalt der Aussage aus dem Urteil ergibt und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß bei der Vernehmung weitere Erklärungen, die erheblich sein könnten, abgegeben worden sind (BGH, Urteil vom 18. September 1986 aaO). Dieser Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Soweit im angefochtenen Urteil auf die Zeugenaussagen eingegangen wird, fehlt eine klare Unterscheidung zwischen ihrem Inhalt und ihrer Würdigung. So wird in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils nur mitgeteilt, daß der Zeuge R. die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe die gelieferten Karten gekauft, "bei seiner Vernehmung bestätigt" und weiter ausgeführt habe, "daß die Parteien mit Kommission gemeint hätten, daß die Beklagte bis zur Rechnungsstellung die ihr gelieferten Waren habe zurückgeben dürfen". Auch ist nicht ersichtlich, daß die Bekundungen des Gegenzeugen vollständig wiedergegeben sind, wie aus der Formulierung deutlich wird, der Zeuge S. habe "im wesentlichen nur erklärt, daß die Warenlieferung auf Kommissionsbasis erfolgt sei". Es bleibt ungewiß, was die Zeugen im einzelnen bekundet haben. Eine revisionsrechtliche Überprüfung, ob die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts vollständig, widerspruchsfrei und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 = NJW 1993, 935 = WM 1993, 902 unter II 3 a m.w.N.), läßt diese verkürzte Wiedergabe der Zeugenaussagen deshalb nicht zu.
3. Die Verletzung der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO ist auch nicht dadurch geheilt, daß die Parteien nach erfolgter Beweisaufnahme mündlich verhandelt haben, ohne die Unterlassung der Protokollierung zu rügen.
Da infolge des Fehlens der Protokollierung der Aussagen die tatsächlichen Unterlagen des angefochtenen Urteils nicht in vollem Umfang ersichtlich sind, handelt es sich nicht nur um einen Verfahrensverstoß, sondern um einen Mangel im Tatbestand (§ 313 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Dieser Mangel unterliegt nicht der für die Anwendung des § 295 ZPO vorauszusetzenden Parteidisposition, da das Revisionsgericht dann seiner Aufgabe, die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen, nicht nachkommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1986 aaO; BGH, Urteil vom 27. Januar 1993 - XII ZR 141/91 = BGHR ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 4 Protokollierung 1).
III. Nach alledem ist das Berufungsurteil schon in seiner Entscheidung über die Begründetheit der Klageforderung aufzuheben, soweit diese zwischen den Parteien umstritten ist. Über die hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen ist nicht mehr zu befinden. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erhoben.
Ende der Entscheidung
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