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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 02.06.1999
Aktenzeichen: VIII ZR 220/98
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 1 Abs. 2 Nr. 1
HGB § 2
HGB § 4 a.F.
HGB § 1 Abs. 2 Nr. 1, §§ 2, 4 a.F.

Betreibt der Inhaber eines Handwerksbetriebes neben der handwerklichen Tätigkeit im selben Unternehmen noch einen Warenhandel ("gemischtes Unternehmen"), so ist die Frage seiner Kaufmannseigenschaft einheitlich nach dem Gesamtbild des Unternehmens zu beurteilen. Entscheidend ist, welcher Tätigkeitsbereich - Handwerk oder Warenhandel - das Gesamtbild prägt.

BGH, Urteil vom 2. Juni 1999 - VIII ZR 220/98 - OLG München LG Augsburg


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 220/98

Verkündet am: 2. Juni 1999

Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 1999 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Zülch, Dr. Beyer, Dr. Leimert und Wiechers

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 5. Juni 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Bezahlung einer Restforderung in Höhe von 89.436,90 DM aus der im Jahre 1996 erfolgten Lieferung von Baustoffen und Betonfertigteilen, insbesondere Pflaster- und Bordsteinen, für ein Bauvorhaben in S. in Anspruch. Gegen die der Höhe nach jetzt nicht mehr streitige Forderung haben die Beklagten in erster Instanz im wesentlichen eingewandt, die gelieferten Betonsteine seien, wie sich erst nachträglich herausgestellt habe, nicht frostsicher und deshalb mangelhaft. Der gepflasterte Bereich müsse großflächig erneuert werden. Mit dem hierdurch entstandenen Schaden, der die Klageforderung bei weitem übersteige, werde aufgerechnet.

Das Landgericht hat die Schadensersatzforderung der Beklagten als nicht hinreichend substantiiert angesehen und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. In zweiter Instanz haben die Beklagten zur Schadenshöhe ergänzend vorgetragen und weiter ausgeführt, die Klägerin habe die Frostsicherheit der Steine zugesichert und die Verjährungsfrist bis Ende Juli 2001 verlängert. Sie - die Beklagten - könnten deshalb den eingeklagten Kaufpreisrest gemäß § 478 BGB dauerhaft verweigern.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihr Ziel der Klageabweisung in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat einen aufrechenbaren Schadensersatzanspruch der Beklagten verneint. Zwar sei § 480 Abs. 2 BGB im vorliegenden Fall grundsätzlich anwendbar; die Beklagten hätten den behaupteten Mangel auch innerhalb der vereinbarten Gewährleistungsfrist geltend gemacht. Der Schadensersatzanspruch scheitere aber daran, daß die Beklagten den Mangel nicht unverzüglich im Sinne des § 377 Abs. 1 und 3 HGB gerügt hätten. Diese Vorschrift sei hier anzuwenden, weil die Beklagten, wie sich sowohl aus ihrer Firmierung als auch aus dem streitgegenständlichen Geschäft ergebe, sich unter anderem mit dem An- und Verkauf von Betonfertigteilen im Rahmen ihres Gewerbebetriebes befaßten und daher als Minderkaufleute im Sinne des § 4 Abs. 1 HGB (a.F.) anzusehen seien. Die Beklagten hätten die mangelnde Frostsicherheit (im Sinne von Nr. 5.4 der DIN 18501) erst in ihrer Klageerwiderung vom 8. Juni 1997 gerügt. Das sei verspätet gewesen, weil die Beklagten jedenfalls im Zeitpunkt der am 22. April 1997 erfolgten Klagezustellung die Auswirkungen des Frostes auf die Steine hätten prüfen können und müssen. Infolgedessen hätten die gelieferten Pflastersteine auch im Hinblick auf den behaupteten Mangel als genehmigt zu gelten (§ 377 Abs. 3 HGB).

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zu Recht beanstandet die Revision die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagten seien jedenfalls Minderkaufleute im Sinne des § 4 Abs. 1 HGB a.F.

a) Die Frage der Kaufmannseigenschaft ist weiterhin nach der alten Fassung der §§ 1 ff HGB zu beantworten. Das nach Erlaß des angefochtenen Urteils in Kraft getretene Handelsrechtsreformgesetz (HRefG) vom 22. Juni 1998 (BGBl. I S. 1474) hat die Bestimmungen des ersten Abschnitts des Handelsgesetzbuches erst mit Wirkung vom 1. Juli 1998 geändert (Art. 29 Abs. 4 HRefG); Rückwirkung auf das schon zuvor begründete Schuldverhältnis kommt dieser Gesetzesänderung nicht zu (vgl. BGHZ 120, 10, 17).

b) Aus dem der Klageforderung zugrundeliegenden Geschäft ergibt sich entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nichts für eine Kaufmannseigenschaft der Beklagten. Die von der Klägerin bezogenen Pflaster- und Bordsteine waren, wie die Klägerin wußte, für die Verlegung auf der Baustelle der H. -Tankstelle in S. , mithin für eine typische Bauhandwerkerleistung bestimmt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist anerkannt, daß der Bauhandwerker regelmäßig kein Kaufmann ist, weil im Vordergrund seiner Tätigkeit eine Werkleistung steht und die von ihm beschafften - und eingebauten - Baustoffe nur Hilfsmittel für die geschuldete Bauleistung sind. Soweit er Baustoffe für eine von ihm zu erbringende Handwerkerleistung kauft, betreibt er kein Handelsgewerbe im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 HGB a.F. und kann infolgedessen allenfalls - was hier nicht in Betracht kommt - Sollkaufmann nach § 2 HGB a.F. sein (BGHZ 59, 179, 182; zuletzt Senatsurteil vom 29. Oktober 1997 - VIII ZR 347/96 = WM 1998, 516 unter II 2 a; ebenso Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 1 Rdnrn. 25, 26; MüKoHGB/Karsten Schmidt, § 1 Rdnrn. 68, 72 a.E.; Karsten Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl., S. 308; a.A. GK-HGB/Nickel, 5. Aufl., § 1 Rdnr. 18).

c) Ebensowenig läßt sich eine Kaufmannseigenschaft der Beklagten aus deren Firmierung herleiten.

Das Rubrum des Berufungsurteils sagt über die Firmierung der Beklagten nichts aus; sie sind dort lediglich mit Vor- und Familiennamen angeführt. Ersichtlich stützt sich das Berufungsgericht insoweit aber auf die von ihm in Bezug genommenen Unterlagen, welche die Klägerin als Anlagen zur Klageschrift vorgelegt hat. Dabei handelt es sich um zwei Angebote der Klägerin an die "Firma E. R. " vom 23. und 29. Mai 1996, einen mit dem Aufdruck "Gala- und Pflasterbau E. R. " und dem Zusatz "Maschineller Pflasterbau, Gartenbau, Landschaftsbau" versehenen Auftrag Nr. 039-96 (ohne Datum) sowie eine wiederum an die Firma E. R. adressierte Auftragsbestätigung der Klägerin vom 23. Juli 1996 mit einem handschriftlichen Bestätigungsvermerk des Beklagten zu 1) und einem Stempelaufdruck "Gala- und Pflasterbau R. E. ". Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte zu 1) das für das Bauvorhaben S. benötigte Material in anderer Eigenschaft denn als Inhaber seines Handwerksbetriebes gekauft hat, sind unter diesen Umständen nicht ersichtlich.

Allerdings sind die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen ganz überwiegend an den "Baustoffhandel C. R. " gerichtet. Der Grund hierfür ist jedoch weder aus den genannten Unterlagen noch aus den Ausführungen des Berufungsurteils zu erkennen. Für sich allein gibt die Rechnungsstellung jedenfalls nichts für die Frage her, wer Käufer des von der Klägerin gelieferten Baumaterials war.

2. Als (Minder-)Kaufmann wäre der Beklagte zu 1) bei dieser Sachlage allenfalls dann anzusehen, wenn er im maßgebenden Zeitpunkt im Rahmen seines Gewerbebetriebes neben dem Handwerk - was das Berufungsgericht in seinem Tatbestand ohne nähere Begründung festgehalten hat - noch einen Warenhandel betrieben hätte. Dies allein würde für die Begründung der Kaufmannseigenschaft allerdings nicht ausreichen. Vielmehr käme es darauf an, auf welcher Tätigkeit der Schwerpunkt des Geschäftsbetriebes gelegen hat. Kaufmann im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB ist der Inhaber eines solchen "gemischten" Betriebes nämlich nur dann, wenn der Warenhandel für das Unternehmen charakteristisch und quantitativ nennenswert ist, das Gesamtbild des Unternehmens also durch den Handel geprägt wird (so zutreffend Karsten Schmidt, Handelsrecht aaO S. 305 unter b). Läßt sich ein derartiger Schwerpunkt nicht feststellen, ist der Handel mithin lediglich von untergeordneter oder höchstens gleichrangiger Bedeutung im Vergleich zu der handwerklichen Tätigkeit, so kann der Inhaber nicht als Kaufmann behandelt werden. Für den vorliegenden Fall ist nach den bisherigen Feststellungen davon auszugehen, daß das Gesamtbild des Betriebes des Beklagten zu 1) durch das Handwerk wenn nicht ausschließlich, so doch jedenfalls maßgeblich bestimmt wurde. Auch das streitgegenständliche Geschäft ist dem handwerklichen Bereich zuzurechnen.

3. Kann nach alledem auf der Grundlage des Parteivorbringens und der Feststellungen des Berufungsgerichts eine Kaufmannseigenschaft zumindest für den Beklagten zu 1) nicht angenommen werden, so scheitert seine rechtliche Verteidigung jedenfalls nicht an der Frage der Rechtzeitigkeit der Mängelrüge. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) bestehen schon Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage, weil nicht ersichtlich ist, daß und in welcher Weise sie als Inhaberin eines Baustoffhandels an dem Kauf des Baumaterials, dessen Bezahlung die Klägerin verlangt, beteiligt war. Das Berufungsurteil kann deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.

III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

1. Aus den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen schriftlichen Unterlagen ergibt sich nicht, weshalb die Beklagte zu 2) als Gesamtschuldnerin zusammen mit dem Beklagten zu 1) haften sollte. Angebote, Bestellung und Auftragsbestätigung betreffen ausschließlich den Handwerksbetrieb des Beklagten zu 1), nur die Rechnungen sind überwiegend an den Baustoffhandel der Beklagten zu 2) gerichtet. Feststellungen dazu, daß sich die Beklagten etwa in einer gesonderten Erklärung gegenüber der Klägerin als Gesamtschuldner verpflichtet hätten, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Auch dem im Berufungsurteil wiedergegebenen Parteivorbringen lassen sich Anhaltspunkte hierfür nicht entnehmen.

2. Das Berufungsgericht hat § 480 Abs. 2 BGB als Grundlage des Gegenanspruches der Beklagten für grundsätzlich anwendbar gehalten; das erscheint bedenklich, weil die zum Schadensersatz verpflichtende verschärfte Haftung des Verkäufers die Zusicherung einer Eigenschaft oder - was hier allerdings ausscheiden dürfte - das arglistige Verschweigen eines Mangels voraussetzt. Zu Recht wendet die Revisionserwiderung dagegen ein, daß entgegen der Auffassung der Beklagten die Bezugnahme des Verkäufers auf eine DIN-Norm für die Annahme einer - stillschweigenden - Zusicherung regelmäßig nicht ausreicht (Senatsurteil vom 13. Dezember 1995 - VIII ZR 328/94 = BGHR BGB § 459 Abs. 2, Eigenschaft, zugesicherte 18). Die Frage kann jedoch dahinstehen, falls die von den Beklagten in der Berufungsinstanz ausdrücklich erhobene Mängeleinrede gemäß § 478 Abs. 1 BGB gegenüber der Klageforderung in voller Höhe durchgreift.

In der neuen Berufungsverhandlung werden die Parteien Gelegenheit haben, zu den vorstehend aufgeworfenen Fragen ergänzend vorzutragen.

Ende der Entscheidung

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