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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.01.1998
Aktenzeichen: VIII ZR 23/97
Rechtsgebiete: DDR/VertragsG


Vorschriften:

DDR:VertragsG § 36
DDR:VertragsG § 107
DDR:VertragsG §§ 36, 107

Zum Ersatz nutzloser Aufwendungen beim Scheitern eines Koordinierungsvertrages.

BGH, Urteil vom 14. Januar 1998 - VIII ZR 23/97 - OLG Naumburg LG Halle


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 23/97

Verkündet am: 14. Januar 1998

Torka Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 1998 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball und Wiechers

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 19. Dezember 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Teilrechtsnachfolgerin des VEB Splittwerk R. , der zu dem Volkseigenen Kombinat Zuschlagstoffe und Natursteine gehörte; die Beklagte ist durch Spaltung aus der M. AG B. hervorgegangen, die ihrerseits durch Umwandlung aus dem Volkseigenen Braunkohlenkombinat B. entstanden ist.

Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Koordinierungsvertrag, der zwischen dem Kombinat Zuschlagstoffe und Natursteine sowie dem Braunkohlenkombinat B. am 28. Dezember 1987/18. Juni 1988 abgeschlossen wurde. In diesem Vertrag verpflichtete sich das Braunkohlenkombinat B. , die Bereitstellung von Kiessanden aus dem Deckgebirge seines Tagebaus K. für die Verwertung durch das Kombinat Zuschlagstoffe und Natursteine und dessen nachgeordnete Betriebe zu gewährleisten (§ 1 Abs. 1). Entsprechend dieser grundsätzlichen Verpflichtung sicherte das Braunkohlenkombinat B. dem VEB Splittwerk R. "als Rechtsträger des zukünftigen Kieswerkes B. II" aus seinen Tagebauen Kiessandlieferungen bestimmter Mengen innerhalb bestimmter Zeiträume zu, über die zwischen den beauftragten Betrieben beider Kombinate jeweils Jahreslieferverträge abgeschlossen werden sollten (§ 1 Abs. 2 und 3). In § 2 des Koordinierungsvertrages wurden bestimmte "Mindestqualitätsparameter" des zu liefernden Kiessandes vereinbart. Der Vertrag regelte Leistungsort und Modalitäten der Abnahme der Lieferung (§§ 3, 4), enthielt Abreden über Preisbildung und Rechnungslegung (§ 6) und bestimmte in § 8 als "Folgen von Pflichtverletzungen":

"Die Rechtsfolgen aus Pflichtverletzungen der Vertragspartner bei der Erfüllung des Koordinierungsvertrages ergeben sich aus § 36 des Vertragsgesetzes vom 25.03.1982."

Der Koordinierungsvertrag, der Voraussetzung für das vom Kombinatsbetrieb VEB Splittwerke R. zu verwirklichende Investitionsvorhaben "Kieswerk B. II" war, kam nicht zur Durchführung. Untersuchungen ergaben, daß das Material aus dem Tagebau K. nicht den vereinbarten Qualitätsparametern entsprach und daher - wie in einer Besprechung zwischen Vertretern der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 3. Dezember 1990 festgestellt wurde - zum Betreiben des Kieswerkes B. II ungeeignet war. Auch die ab 1993 vorgesehenen Kieslieferungen aus dem. zum Braunkohlenkombinat B. gehörenden Tagebau Br. (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 des Vertrages) waren - wie in der Besprechung ebenfalls festgestellt wurde - infolge dessen Einstellung nicht möglich.

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seien Aufwendungen für die Errichtung des Kieswerkes B. II entstanden, die - nach Abzug von Verkaufserlösen - in Höhe von 26.812.349,25 DM mangels Durchführung des Koordinierungsvertrages nutzlos geworden seien. In dem vorliegenden Rechtsstreit nimmt sie die Beklagte wegen eines Teilbetrages von 1,5 Mio. DM in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte widerklagend Freistellung von Honorarverpflichtungen in Höhe von 161.018 DM verlangt, die sie gegenüber den von ihr mit der vorgerichtlichen Abwehr der Ansprüche der Klägerin betrauten Rechtsanwälten eingegangen sei. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und der Widerklage unter Abweisung im übrigen in Höhe von 120.548,50 DM stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat nach Bejahung der Aktivlegitimation der Klägerin und der Passivlegitimation der Beklagten ausgeführt:

Ob der Koordinierungsvertrag gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 3 DDR-ZGB in Verbindung mit Art. 232 § 1 EGBGB wegen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit nichtig sei, weil das Material aus dem Tagebau K. für den Betrieb des Kieswerkes B. II qualitativ ungeeignet und die weitere Versorgung des Kieswerkes durch Kieslieferungen aus dem Tagebau Br. infolge dessen Einstellung nicht mehr möglich sei, könne dahinstehen. Denn der Klägerin stünden weder Aufwendungs- noch Schadensersatzansprüche aus § 8 des Koordinierungsvertrages in Verbindung mit § 36 des über Art. 232 § 1 EGBGB anwendbaren Gesetzes über das Vertragssystem in der sozialistischen Wirtschaft (Vertragsgesetz, im folgenden: DDR-VertrG) vom 25. März 1982 (GBl. DDR I, 293 ff) zu. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 36 Abs. 1 in Verbindung mit § 79 DDR-VertrG scheide schon mangels Änderung oder Aufhebung des Koordinierungsvertrages aus. Ein Schadensersatzanspruch nach § 36 Abs. 2 DDR-VertrG bestehe nicht, da die Klägerin trotz mehrfachen Hinweises der Beklagten einen Schaden nicht schlüssig vorgetragen habe. Dem Vorbringen der Klägerin sei nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, welche Aufwendungen im einzelnen nicht zu einer rentablen wirtschaftlichen Nutzung geführt hätten. Die pauschale Behauptung, das Kieswerk habe infolge Nichtdurchführung des Koordinierungsvertrages brach gelegen und nicht anderweitig genutzt werden können, sei unsubstantiiert. Daß die Aufwendungen für das Kieswerk offensichtlich nicht nutzlos gewesen seien, ergebe sich aus der DM-Eröffnungsbilanz, in der Anlagevermögen im Wert von 52.073.000 DM ausgewiesen sei.

Die Widerklage sei in Höhe von angemessenen zwei 7,5/10 Anwaltsgebühren begründet. Die schuldhaft unberechtigte außergerichtliche Inanspruchnahme der Beklagten auf Zahlung stelle seitens der Klägerin eine positive Vertragsverletzung oder, wenn der Koordinierungsvertrag nichtig sei, ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen dar.

II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß sich der von der Klägerin geltend gemachte Ersatzanspruch gemäß Art. 232 § 1 EGBGB nach dem Recht der früheren DDR beurteilt, insbesondere nach den Vorschriften des Vertragsgesetzes, das für vor dem 1. Juli 1990 zustande gekommene Altverträge weiter Anwendung findet (BGHZ 120, 10, 16 ff; 121, 378, 385 f; Senatsurteil vom 14. Oktober 1992 - VIII ZR 153/91 - WM 1992, 2155 unter I 1). Auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Aktiv- und Passivlegitimation der Parteien begegnen keinen rechtlichen Bedenken; sie werden weder von der Revision noch von der Revisionserwiderung angegriffen.

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht den Klageanspruch nach dem bisherigen Sachstand auch nicht deshalb verneint, weil der Koordinierungsvertrag wegen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 3 DDR-ZGB nichtig wäre. Die von der Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang erhobene Gegenrüge greift nicht durch. Das Berufungsgericht entnimmt § 1 des Koordinierungsvertrages, daß sich der Leistungsgegenstand für den Zeitraum bis 1993 auf die Bereitstellung von Kiessand aus dem Deckgebirge des Tagebaus K. der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschränkt. Selbst wenn nach § 68 Abs. 1 Nr. 3 DDR-ZGB, dessen Wortlaut mit § 306 BGB identisch ist, anders als nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (vgl. Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., vor § 459 Rdnr. 253 m.w.Nachw.) eine objektive Unmöglichkeit schon für den Fall anzunehmen wäre, daß die Sache von Anfang an einen objektiv nicht behebbaren Mangel aufweist oder ihr unabänderlich eine zugesicherte Eigenschaft fehlt, ist eine objektive Unmöglichkeit im Sinne dieser Vorschrift nicht gegeben.

Nach dem Vortrag der Klägerin war die Qualität des Kiessandes aus dem Tagebau K. mit technischen Mitteln, insbesondere durch den Einsatz von Aquamotoren, zu verbessern. Dieses Vorbringen ist revisionsrechtlich zugrunde zu legen, da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat. Objektive Unmöglichkeit nach § 68 Abs. 1 Nr. 3 DDR-ZGB liegt aber nur dann vor, wenn die Leistung von niemandem bei Anlegung der in § 71 Abs. 3 DDR-ZGB genannten Maßstäbe aus technischen Gründen erbracht werden kann (Ministeriumskommentar zum ZGB, 1983, § 68 Anm. 1.2.3.). Nach diesem Maßstab hat der Schuldner alle Anstrengungen zu unternehmen, die dem Leistungszweck entsprechend allgemein erwartet werden können, einschließlich der Zusammenarbeit mit anderen Betrieben. Daß danach niemand in der Lage gewesen wäre, den Kiessand aus dem Tagebau K. in den vertraglich vorgesehenen Zustand zu versetzen, ist nicht dargetan.

Hinsichtlich der für den Zeitraum ab 1993 vereinbarten Kieslieferungen aus dem Tagebau Br. scheidet eine anfängliche objektive Unmöglichkeit bereits deshalb aus, weil die Einstellung dieses Tagebaus, die die Unmöglichkeit allein begründen könnte, bei Vertragsschluß noch nicht erfolgt war.

3. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann sich die Beklagte im Hinblick auf die Qualitätsprobleme bei dem an die Klägerin zu liefernden Kiessand auch nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage (wegen wirtschaftlicher Unmöglichkeit) stützen. Die Qualitätsanforderungen sind nicht Geschäftsgrundlage geworden. Diese waren in § 2 des Koordinierungsvertrages ausdrücklich niedergelegt und daher Vertragsinhalt. Ausdrücklich zum Vertragsinhalt erhobene Umstände können aber regelmäßig nicht Geschäftsgrundlage sein (st.Rspr. des BGH, z.B. Senatsurteil vom 12. März 1997 - VIII ZR 303/95 = WM 1997, 1030 unter II 2 a).

4. Soweit das Berufungsgericht einen Aufwendungsersatzanspruch aus § 8 des Koordinierungsvertrages in Verbindung mit § 36 Abs. 1 und § 79 DDR-VertrG mangels Aufhebung oder Änderung des Vertrages verneint hat, erhebt die Revision keine Einwendungen. Sie meint jedoch, ein Aufwendungsersatzanspruch sei über den Wortlaut des § 36 Abs. 1 DDR-VertrG hinaus auch dann gegeben, wenn der Koordinierungsvertrag infolge schuldhafter Verletzung übernommener Pflichten undurchführbar geworden sei. Denn der Aufwendungsersatz stelle nach DDR-Recht einen Bestandteil des Schadensersatzes dar, so daß dann, wenn gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 DDR-VertrG wegen Pflichtverletzung Schadensersatz geschuldet werde, auch ein Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 36 Abs. 1 DDR-VertrG in Betracht komme.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Umfaßt der Schadensersatzanspruch aus § 36 Abs. 2 Satz 1 DDR-VertrG im Falle der Verletzung der im Koordinierungsvertrag übernommenen Pflichten bereits den Aufwendungsersatz (vgl. hierzu unten zu II 5 b), besteht mangels Regelungslücke kein Bedürfnis, in diesem Fall in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 DDR-VertrG einen Aufwendungsersatzanspruch anzuerkennen.

5. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch dagegen, daß das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 8 des Koordinierungsvertrages in Verbindung mit §§ 36 Abs. 2 Satz 1, 107 DDR-VertrG mangels schlüssiger Darlegung eines Schadens verneint hat.

a) Das Berufungsgericht hat sich nicht mit der Frage befaßt, ob die Beklagte ihre Pflichten aus dem Koordinierungsvertrag verletzt hat. Davon ist jedoch nach dem für die Revisionsinstanz zu unterstellenden Vorbringen der Klägerin auszugehen.

aa) Die Beklagte hat danach die Erfüllung der in § 1 Abs. 3 des Koordinierungsvertrages vorgesehenen Verpflichtung zum Abschluß eines Jahresliefervertrages für 1991 verweigert, indem sie den ihr von der Klägerin übersandten Entwurf eines Wirtschaftsvertrages vom 9. März 1990 nicht unterschrieben hat. Darüber hinaus hat sie mit Schreiben vom 25. Oktober 1990 der Klägerin mitgeteilt, sie sehe sich ab dem 15. November 1990 veranlaßt, "den abgeschlossenen Koordinierungsvertrag aufzuheben", was die Klägerin mit Schreiben vom 13. November 1990 abgelehnt hat. In diesem Verhalten der Beklagten kann mit der Revision eine Vertragspflichtverletzung in Gestalt einer ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung gesehen werden (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 1992 aaO unter II 1 a).

bb) Hierfür ist die Beklagte auch verantwortlich. Nach dem im Vertragsgesetz geltenden Grundsatz der materiellen Verantwortlichkeit (§§ 15, 82 DDR-VertrG) hat die Vertragspartei für ihre Leistungsfähigkeit einzustehen (Senatsurteil vom 14. Oktober 1992 aaO unter II 1 b). Der zur Leistungsverweigerung führende Umstand, daß der Kiessand aus dem Tagebau K. nicht die vertraglich vereinbarten Qualitätsanforderungen erfüllte, fällt ebenso in den Verantwortungsbereich der leistungsverpflichteten Beklagten wie der weitere Umstand, daß sie sich mit der Einstellung des Tagebaus Br. die Kieslieferung aus diesem Vorkommen unmöglich gemacht hat.

b) Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß Aufwendungen, die im Vertrauen auf die Vertragserfüllung gemacht werden, aber mangels Vertragsdurchführung nutzlos sind, grundsätzlich gemäß § 107 Abs. 1 Satz 1 DDR-VertrG ersatzfähig sind.

Nach dieser Vorschrift werden durch den Schadensersatz die materiellen Nachteile ausgeglichen, die der Partner infolge der Pflichtverletzung erleidet. Dazu gehören neben dem "positiven Vermögensschaden" und dem entgangenen Gewinn auch nutzlos aufgewendete oder andere nicht realisierbare Kosten (Walter u.a., Kommentar zum DDR-Vertragsgesetz, 2. Aufl. 1989, § 107 Anm. 2.4.). Letztere liegen dann vor, wenn infolge der Pflichtverletzung der angestrebte Zweck nicht oder nur teilweise verwirklicht werden kann, aber entweder im Vertrauen auf die erwartete Pflichterfüllung in Vorbereitung der Produktions- oder Handelstätigkeit Kosten aufgewendet werden oder bestimmte Kosten unabhängig von der Durchführung einer bestimmten Produktion oder bestimmten sonstigen Tätigkeiten anfallen (Walter u.a. aaO, Anm. 2.7.). Beim Scheitern eines Koordinierungsvertrages infolge Vertragsverletzung einer Vertragspartei werden daher als nach §§ 36 Abs. 2, 107 Abs. 1 Satz 1 DDR-VertrG zu ersetzende Schäden ohne weiteres auch alle Investitionen erstattet, die die andere Partei im Vertrauen auf die Durchführung des Koordinierungsvertrages zur Verwirklichung des Vorhabens getätigt hat, während es im Rahmen eines Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung zur Erstattung der fehlgeschlagenen Aufwendungen nach § 249 BGB grundsätzlich einer - allerdings durch die Vorschrift des § 252 Satz 2 BGB erleichterten - Darlegung bedurft hätte, daß sie durch die zu erwartenden Gewinne ausgeglichen worden wären (BGHZ 114, 193, 200 f; Grunsky in MünchKommBGB, 3. Aufl., vor § 249 Rdnr. 12f; lediglich für Aufwendungen zur Erlangung der Gegenleistung gilt die - widerlegbare - Rentabilitätsvermutung, vgl. BGHZ aaO 197). Dies wird auch von der Revisionserwiderung nicht bezweifelt.

c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen einen Anspruch der Klägerin mit der Begründung verneint, ihrem Vorbringen sei auch nicht ansatzweise zu entnehmen, welche Aufwendungen im einzelnen nicht zu einer rentablen wirtschaftlichen Nutzung geführt hätten.

aa) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs ist dann schlüssig und damit erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83 = WM 1984, 1380 unter II 1 a m.w.Nachw.). Über die hier maßgebliche Frage, ob und in welcher Höhe der Klägerin ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist, hat der Tatrichter nach § 287 ZPO zu befinden. Diese Gesetzesvorschrift erleichtert dem Geschädigten nicht nur die Beweisführung, sondern auch die Darlegungslast. Eine Substantiierung der klagebegründenden Tatsachen kann von ihm im Rahmen des § 287 ZPO nicht in gleicher Weise gefordert werden wie hinsichtlich anderer tatsächlicher Fragen. Die Klage darf deshalb nicht wegen eines lückenhaften Vortrags zur Schadensentstehung und Schadenshöhe abgewiesen werden, solange greifbare Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung vorhanden sind (BGH, Urteil vom 24. September 1986 - IV a ZR 236/84 = WM 1986, 1477 unter III 1 m.w.Nachw.). Stehen - wie hier (siehe oben unter II 5 a und b) - Haftungsgrund und Schadenseintritt fest, darf von der Zubilligung eines Ersatzes nicht schon deshalb abgesehen werden, weil es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine Schätzung des gesamten Schadens fehlt. Vielmehr ist dann zu prüfen, in welchem Umfang der Sachvortrag eine hinreichende Grundlage für die Schätzung eines in jedem Fall eingetretenen Mindestschadens bietet (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1993 - X ZR 65/92 = WM 1994, 758 unter II 2 c bb m.w.Nachw.).

bb) Dem ist das Berufungsgericht nicht gerecht geworden. Der Sachvortrag der Klägerin bietet zumindest eine ausreichende Grundlage für die Schätzung eines Schadens in Höhe der eingeklagten 1,5 Mio. DM.

Die Klägerin hat vorgetragen, aufgrund des Koordinierungsvertrages habe sie pflichtgemäß mit der Errichtung des Investitionsvorhabens "Kieswerk B. II" begonnen. Sie habe Infrastrukturmaßnahmen durchgeführt, nämlich Zuführungsgleise verlegt, Zugangswege geschaffen, Betriebsgebäude errichtet, Betriebsvorrichtungen angeschafft und eingebaut. Nach der protokollierten Besprechung vom 3. Dezember 1990, die die Undurchführbarkeit des Koordinierungsvertrages ergeben habe, habe sie Maßnahmen zum Rückbau der Anlagen des zukünftigen Kieswerkes B. II eingeleitet. Die Klägerin hat im einzelnen dargelegt, welche Aufwendungen ihr im Zusammenhang mit der Errichtung des Kieswerkes B. TI und der vorzeitigen Einstellung des Bauvorhabens entstanden seien. In der Berufungsbegründung und dem dort in Bezug genommenen Schriftsatz vom 5. Februar 1996 hat sie unter Beweisantritt auf mehreren Seiten die bis zum 30. Juni 1990 getätigten (und in DM umgerechnet in ihre DM-Eröffnungsbilanz aufgenommenen) Aufwendungen in Höhe von insgesamt 25.720.348,58 DM und die nach diesem Zeitpunkt erfolgten Aufwendungen zur "Restbefriedung" der Baustelle in Höhe von insgesamt 1.689.992,90 DM aufgeführt. Die Klägerin hat damit Aufwendungen substantiiert vorgetragen, deren Höhe den geltend gemachten Teilbetrag weit übersteigt.

Daß diese Aufwendungen im Hinblick auf die Durchführung des Koordinierungsvertrages erfolgt sind, ergibt sich bereits aus der unstreitigen Tatsache, daß der Koordinierungsvertrag Voraussetzung für das Investitionsvorhaben "Kieswerk B. II" war.

Soweit das Berufungsgericht insbesondere das Vorbringen der Klägerin zur wirtschaftlichen Nutzlosigkeit der Aufwendungen als zu pauschal bewertet hat, kann dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat unter Beweisantritt behauptet, daß die Aufwendungen - unter Abzug von 597.992,23 DM aus Verwertungserlösen - mangels Durchführung des Koordinierungsvertrages nutzlos geworden seien, da das Kieswerk infolgedessen brach gelegen habe und die getätigten Aufwendungen für die Infrastruktur sowie die betrieblichen Anlagen des Kieswerkes zum weit überwiegenden Teil nicht anderweitig verwertbar gewesen seien. Trotz intensiver Bemühung um eine anderweitige Verwertung sei es nur bei wenigen Gütern gelungen, sie innerbetrieblich oder durch Verkauf an Dritte zu verwerten. Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß für ein nicht in Betrieb genommenes Kieswerk erbrachte Aufwendungen wie Gleisanlagen, Straßen, Straßenbrücken, Grabenbunker, Gebäude usw. nach der Lebenserfahrung offensichtlich nutzlos sind, weil sie ihrer Art nach nicht für einen Ausbau und Weiterverkauf in Betracht kommen.

Der Umstand, daß die Klägerin in ihrer DM-Eröffnungsbilanz Anlagevermögen in Höhe von 52.073.000 DM ausgewiesen hat, sagt demgegenüber zur Frage der Nutzlosigkeit der zugrunde liegenden Aufwendungen nichts aus. Denn der Wert des Kieswerkes als Anlagevermögen bestimmt sich maßgeblich nach dessen wirtschaftlicher Einsatzfähigkeit. War das Kieswerk, wie von der Klägerin vorgetragen, mangels Durchführung des Koordinierungsvertrages nicht wirtschaftlich zu betreiben, kann dies ohne weiteres zu einer teilweisen oder gar völligen Entwertung des durch die Aufwendungen geschaffenen Anlagevermögens geführt haben.

cc) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 8 des Koordinierungsvertrages in Verbindung mit §§ 36 Abs. 2 Satz 1, 107 Abs. 1 DDR-VertrG entfällt nicht deshalb, weil - wie die Revisionserwiderung meint - die Aufwendungen der Klägerin auch ohne die Pflichtverletzung der Beklagten nutzlos geworden wären. Das Berufungsurteil erweist sich daher nicht aus diesem Grunde als richtig (§ 563 ZPO).

Allerdings hat die Beklagte behauptet, das Vorhaben habe schon wegen der gescheiterten Finanzierung nicht weitergeführt werden können. Damit hat die Beklagte geltend gemacht, daß das Fehlschlagen der Investitionen und damit der Schaden der Klägerin letztlich nicht auf dem Verhalten ihrer, der Beklagten, Rechtsvorgängerin beruhte. Dieser Vortrag ist indessen - entgegen der Darstellung der Revisionserwiderung - nicht unstreitig. Die Klägerin hat zwar bereits in einem Schreiben an das Ministerium für Wirtschaft vom 11. Juni 1990 um Ausbuchung des verlorenen Investitionsaufwandes einschließlich aufgenommener Kredite gebeten und am 29. Oktober 1990 einen Entschuldungsantrag an die Treuhandanstalt gerichtet. Sie hat jedoch vorgetragen, beide Anträge seien dadurch bedingt gewesen, daß die Beklagte nicht vertragsgemäß habe liefern können. Die dort angeführte mangelnde Wirtschaftlichkeit habe ihre Grundlage allein in den erhöhten Transportkosten für die damals noch für möglich gehaltene Belieferung aus dem Tagebau Br. gehabt, nachdem sich der näherliegende Kiessand aus dem Tagebau K. als von nicht ausreichender Qualität erwiesen habe. Wäre die Beklagte ihren vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen, hätte das Kieswerk mit der ursprünglichen Gewinnerwartung betrieben werden können.

III. Ist die Klageforderung somit nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt dem Grunde nach gegeben, steht der Beklagten der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von Anwaltskosten aus positiver Vertragsverletzung wegen der vorgerichtlichen Inanspruchnahme durch die Klägerin schon deswegen nicht zu, weil dieser nicht zur Last gelegt werden kann, sie habe sich schuldhaft einer unberechtigten Forderung berühmt. Daher kann dahinstehen, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutreffend ist, daß bereits jede schuldhaft unberechtigte außergerichtliche Inanspruchnahme des Vertragspartners eine Schadensersatzpflicht aus positiver Vertragsverletzung oder aus culpa in contrahendo begründet, oder ob der Ansicht der Revision zu folgen ist, wonach die außergerichtliche Erhebung unberechtigter Ansprüche nur bei Hinzutreten besonderer Umstände zu einer Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher Pflichten führt.

IV. Nach alledem kann das angefochtene Urteil insoweit, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist, keinen Bestand haben. Da es noch weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf, ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif. Das Berufungsurteil war daher im oben genannten Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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