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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.07.2007
Aktenzeichen: VIII ZR 236/05 (1)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 304
ZPO § 286 B
Wird dasjenige Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs, auf dem das Endurteil über den Betrag beruht, nach Erlass dieses Urteils rechtskräftig aufgehoben, so verliert das Endurteil über den Betrag seine Wirkung, ohne dass es eines gesonderten Ausspruchs bedürfte (Bestätigung von BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - IX ZR 47/04, NJW 2006, 3496, unter IV).

Für die durch § 286 ZPO gebotene sorgfältige und kritische Nachprüfung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens durch das Gericht und zur Wahrung des Anspruchs der Parteien auf ein rechtsstaatliches Verfahren und effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) kann es geboten sein, dass der Sachverständige tatsächliche Umstände, die er mangels Erfahrungswissens selbst erhoben und seinem Gutachten zugrunde gelegt hat, offen legt (im Anschluss an BGHZ 116, 47; BVerfGE 91, 176, 181 ff.; BVerfG, NJW 1997, 1909).

Hat der Sachverständige, der mit der Erstattung eines Gutachtens zur Höhe eines durch das Scheitern geplanter Geschäfte in Syrien entgangenen Gewinns beauftragt ist, zur Ermittlung der Strukturen und Entwicklungen auf dem syrischen Markt für die betreffenden Produkte Gespräche mit "Experten" in Syrien geführt und die Ergebnisse dieser Gespräche seinem Gutachten zugrunde gelegt, setzt die Verwertbarkeit des Gutachtens voraus, dass er jedenfalls mitteilt, welche Fragen er gestellt hat und aufgrund welcher konkreten Umstände die jeweiligen Gesprächspartner als Experten für die Beantwortung dieser Fragen anzusehen sind. Im Einzelfall kann darüber hinaus die Offenlegung der Namen der Gesprächspartner geboten sein. Das gilt auch dann, wenn der Sachverständige diesen Anonymität zugesichert hat.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 236/05

Verkündet am: 18. Juli 2007

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers und Dr. Frellesen sowie die Richterinnen Hermanns und Dr. Hessel

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 5. Oktober 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als ihre Berufung gegen das 2. Teilurteil der 8. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Stade vom 27. Januar 2005 wegen der Abweisung der Widerklage zurückgewiesen worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten zu 1 wird das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Stade insoweit aufgehoben, als die Widerklage abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Landgericht zurückverwiesen.

Es wird festgestellt, dass die vorgenannten Urteile im Übrigen wirkungslos geworden sind, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1, die T. Werk GmbH (im Folgenden: T. ), schlossen am 22. Dezember 1994 einen "Vertriebs- und Handelsvertretungs-Vertrag", der die Klägerin zum ausschließlichen Vertrieb von Geflügelimpfstoffen und tierärztlichen Produkten der T. in Syrien auf eigene Kosten berechtigte. Die nach syrischem Recht erforderliche Registrierung der Produkte war Aufgabe der Klägerin; die T. hatte die dadurch entstehenden Kosten zu tragen und alle dafür erforderlichen Dokumente und Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Anstelle der zur L. -Gruppe gehörenden T. trat infolge von Umstrukturierungsmaßnamen in dieser Gruppe zum 1. Juli 1996 die Beklagte zu 1, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist, in den Vertriebsvertrag ein. Die Klägerin erfuhr von der geplanten Umstrukturierung ("Fusion") spätestens im Februar 1996. Diese hatte zur Folge, dass die auf Veranlassung der Klägerin bereits durch syrische Behörden erteilten Registrierungen für Produkte der T. gegenstandslos wurden. Bei einer Besprechung im August 1996 vereinbarten die Klägerin und die Beklagte zu 1, dass die Klägerin versuchen sollte, in Syrien eine Umregistrierung der Produkte zu erreichen. Dies gelang in der Folgezeit nur teilweise. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte zu 1 für Verzögerungen verantwortlich ist, die im (Um-)Registrierungsverfahren eingetreten sind.

Am 5. November 1997 schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 1 eine als Vergleich bezeichnete Vereinbarung, in der die Klägerin unter anderem anerkannte, der Beklagten zu 1 einen Betrag von 424.012,87 DM zu schulden, der in Raten getilgt werden sollte. Das Recht der Klägerin zur Aufrechnung mit etwaigen Gegenforderungen gleich welcher Art sowie ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem vorgenannten Zahlungsanspruch wurden ausgeschlossen. Die Klägerin behielt sich vor, Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten unter anderem wegen angeblicher Verzögerungen im Zusammenhang mit der fusionsbedingten Registrierung geltend zu machen. Im Übrigen sollten mit dem Abschluss und der Erfüllung des Vergleichs sämtliche bestehenden und gegenseitigen Ansprüche erledigt sein.

Bis April 1998 leistete die Klägerin auf die anerkannte Forderung fünf Raten à 10.000 DM; anschließend stellte sie die Zahlungen ein. Mit Schreiben vom 15. April 1998 vertrat sie die Auffassung, die Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung vom 3. (richtig: 5.) November 1997 sei wegen des Verhaltens der Beklagten entfallen. Hilfsweise erklärte die Klägerin die Anfechtung der Vereinbarung. Des Weiteren rechnete sie mit Schadensersatzforderungen gegen den restlichen Zahlungsanspruch der Beklagten zu 1 von 374.012,87 DM auf. Ende Mai 1998 kündigten beide Parteien den Vertriebs- und Handelsvertretungsvertrag fristlos.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Ersatz entgangenen Gewinns in Höhe von insgesamt 5.202.548 DM (2.660.020,55 €) nebst Zinsen in Anspruch genommen und außerdem die Feststellung weiterer Schadensersatzpflichten der Beklagten begehrt. Die Beklagte zu 1 verlangt im Wege der Widerklage Zahlung des Restbetrags von 374.012,87 DM (191.229,74 €) zuzüglich Zinsen.

Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil vom 14. April 2000 festgestellt, dass der Klägerin dem Grunde nach Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns zustehe für importgenehmigte, nicht ausnutzbare T. -Mengen (Schadensposition I) sowie für geplante T. -Mengen, die wegen nicht vollzogener Registrierung nicht mehr zum Importverfahren zugelassen wurden (Schadensposition II), allerdings beschränkt auf den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 5. November 1997. Eine Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen vergeblicher Kosten für Importlizenzen (Schadensposition IV) hat das Landgericht vorbehalten. Im Übrigen (Schadenspositionen I und II für die Zeit nach dem 5. November 1997, Schadenspositionen III, V, VI und VII sowie Feststellungsanträge) hat es die Klage abgewiesen, der Widerklage dagegen in vollem Umfang stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten war erfolglos geblieben; auf die Berufung der Klägerin hatte das Berufungsgericht durch Urteil vom 19. Mai 2004 das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und unter anderem der Klägerin dem Grunde nach weitere Schadensersatzansprüche zuerkannt sowie hinsichtlich der Widerklage die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen.

Dieses Urteil hat der Senat auf die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht durch Beschluss vom 26. September 2006 (VIII ZR 180/04) wegen Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Inzwischen hat das Berufungsgericht durch Urteil vom 27. Juni 2007 auf die Berufungen der Parteien das Grund- und Teilurteil des Landgerichts vom 14. April 2000 erneut teilweise aufgehoben und teilweise abgeändert. Es hat jetzt die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, soweit die Klägerin gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Schäden wegen entgangenen Gewinns geltend macht, weil im einzelnen aufgelistete L. -Produkte in der Zeit zwischen dem 1. Oktober 1998 bzw. dem 1. März 1999 und dem 31. Dezember 1999 von der Klägerin nicht eingeführt und vermarktet werden konnten; im Übrigen hat es die Klage, soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens war, abgewiesen. Soweit die Klägerin auf die Widerklage der Beklagten zu 1 zur Zahlung verurteilt worden war, hat es das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

Im parallel dazu fortgesetzten Betragsverfahren hat die Klägerin auf der Grundlage des Urteils des Oberlandesgerichts vom 19. Mai 2004 ihre Forderungen neu beziffert und ihre Leistungsklage auf insgesamt 9.628.402,68 € erweitert. Das Landgericht hat durch 2. Teilurteil vom 27. Januar 2005 die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu den Positionen Geflügelvakzine und Veterinärmedikamente (Schadenspositionen I und II) für den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 5. November 1997 529.221,65 € (1.035.067,58 DM) nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage hinsichtlich der Positionen Geflügelvakzine und Veterinärmedikamente betreffend den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis 5. November 1997 abgewiesen. Die Widerklage hat es wegen der Aufrechnung der Klägerin mit weitergehenden Schadensersatzansprüchen für diese Positionen und den genannten Zeitraum ebenfalls abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Parteien zurückgewiesen, die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe, dass diese 5 % Zinsen aus 529.221,65 € erst seit dem 12. Mai 1998 zu zahlen haben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Beklagten in erster Linie die Feststellung, dass das Berufungsurteil wirkungslos geworden ist, soweit ihre Berufung gegen die der Klage stattgebende Entscheidung des Landgerichts zurückgewiesen worden ist; hilfsweise begehren sie die vollständige Abweisung der Klage zu den Schadenspositionen I und II für den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 5. November 1997. Die Beklagte zu 1 verfolgt darüber hinaus ihren Widerklageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Das Landgericht habe der Klägerin zutreffend für Geflügelvakzine und Veterinärmedikamente in dem Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis 5. November 1997 einen Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) in Höhe von 529.221,65 € zuerkannt. Für das Betragsverfahren sei gemäß § 318 ZPO von den Feststellungen im Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 auszugehen.

Die Beklagten hätten der Klägerin den Gewinn zu ersetzen, den diese bei Weiterführung des Vertriebs- und Handelsvertretungs-Vertrags bis zum Zeitpunkt der erstmals zulässigen ordentlichen Kündigung (31. Dezember 1999) erzielt hätte. Es liege auf der Hand, dass die Klägerin wegen des aus der Fusion folgenden Verlusts der Registrierungen keine bzw. jedenfalls weniger T. -Waren in Syrien habe veräußern können und dass ihr dadurch zu erwartender Gewinn entgangen sei. Die Klägerin habe ihr Kontingent an zugelassenen Produkten nicht in vollem Umfang ausschöpfen und zwecks späteren Verkaufs importieren können (Schadensposition I). Infolge des Wechsels des Namens des Herstellers und des daraus folgenden Erfordernisses der Um-(Neuregistrierung) hätten außerdem Produkte nicht mehr eingeführt werden können, die andernfalls am Importverfahren hätten teilnehmen und als registrierte Produkte auch hätten zugelassen werden können (Schadensposition II).

Das Landgericht habe zutreffend die Beweisaufnahme derart durchgeführt, dass es nur den Sachverständigen Prof. Dr. H. - unter weiterer Hinzuziehung des Diplom-Kaufmanns O. S. - mit der Ermittlung des entgangenen Gewinns betraut habe, ohne Zeugen dazu zu vernehmen oder weitere Sachverständige zu beauftragen. Die durch den Sachverständigen Prof. Dr. H. gewählte Methode für die Ermittlung des entgangenen Gewinns - er habe unter anderem in Syrien etwa sechzig von ihm ausgewählte Personen befragt -, begegne keinen durchgreifenden Bedenken. Der Sachverständige habe nachvollziehbar und unter Offenlegung seiner Methodik sowie der Herkunft der Quellen angegeben, wie er zu seinen Ergebnissen gelangt sei. Er habe ferner ausführlich und überzeugend dargelegt, dass es aufgrund der in Syrien herrschenden Verhältnisse nicht ausreichend gewesen wäre, ausschließlich auf offizielle amtliche Quellen und Statistiken zurückzugreifen. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige seine Erhebungen in Syrien durchgeführt habe. Eine Erhebung, zu welchen Preisen die Klägerin ihre Ware an in Syrien ansässige Großhändler verkauft hätte, könne Erfolg versprechend nur vor Ort durchgeführt werden. Eine Überprüfung der gefundenen Ergebnisse anhand und unter Heranziehung der bei der Klägerin vorhandenen Daten scheide aus, weil diese Dateien ihrerseits einer unabhängigen Prüfung durch den Sachverständigen hätten unterzogen werden sollen.

Es sei ausreichend, dass das Landgericht seine Überzeugungsbildung einzig auf die schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen gestützt habe, der Vernehmung von Zeugen bedürfe es zur Ermittlung des entgangenen Gewinns nicht. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass er den von ihm befragten Personen zugesagt habe, deren Namen nicht preiszugeben, weil er andernfalls keine Informationen erhalten hätte, und dass er ihnen die Anonymität der Datenerfassung zugesichert habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1995, 40, 41) seien Abstriche am Offenlegungsanspruch der Parteien gerechtfertigt, wenn das Schweigen des Sachverständigen auf anerkennenswerten Gründen beruhe und die Nichtverwertung eines Gutachtens zum materiellen Rechtsverlust eines Beteiligten führen würde. Das Gericht könne daher im Interesse einer beweisbelasteten Partei geringere Anforderungen an die Offenlegung durch den Sachverständigen stellen, wenn die von diesem dafür vorgebrachten Gründe hinreichend gewichtig seien. Dafür reiche zwar allein der Umstand, dass Dritte eine Bekanntgabe von Tatsachen aus ihrer Privatsphäre nicht wünschten und sich der Sachverständige daran gebunden fühle, nicht aus. Soweit aber eine vollständige Offenlegung von Tatsachen aus anerkennenswerten Gründen unterbleibe und auf eine Verwertung des Gutachtens aus überwiegenden Interessen der beweispflichtigen Partei dennoch nicht verzichtet werden könne, müsse das Gericht versuchen, sich Gewissheit zu verschaffen, in welcher Weise der Sachverständige seine Daten erhoben habe. Dies könne für die richterliche Überzeugungsbildung ausreichen. So liege der Fall hier. Die Parteien hätten zudem - ohne dass es entscheidend darauf ankomme - vor Beginn der Beweisaufnahme auf eine ihnen angebotene Begleitung des Sachverständigen verzichtet. Im Übrigen sei die Situation vergleichbar mit einer empirischen Erfassung in Deutschland, bei der sich der Sachverständige in welcher Form auch immer Kenntnisse über den Markt verschaffe und das gefundene Ergebnis dem Gericht mitteile.

II.

Die Revision hat Erfolg.

1. Soweit das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 529.221,65 € nebst Zinsen zurückgewiesen hat, ist sein Urteil - unabhängig von dem Rechtsmittel der Beklagten - dadurch wirkungslos geworden, dass der Senat durch Beschluss vom 26. September 2006 das zugrunde liegende, im Verfahren über den Grund ergangene Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 aufgehoben hat. Dasselbe gilt für das erstinstanzliche Urteil vom 27. Januar 2005, soweit die Beklagten dadurch zur Zahlung verurteilt worden sind.

a) Wird das Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs nach Erlass des Endurteils über den Betrag aufgehoben, so verliert das Endurteil selbst dann, wenn es rechtskräftig geworden ist, seine Wirkung, ohne dass es eines gesonderten Ausspruchs bedürfte. Die Aufrechterhaltung des Grundurteils stellt eine auflösende Bedingung für das Endurteil dar (BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - IX ZR 47/04, NJW 2006, 3496, unter IV; MünchKommZPO/Musielak, 2. Aufl., § 304 Rdnr. 35; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 59 Rdnr. 68; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 304 Rdnr. 55; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 304 Rdnr. 27).

b) Dem Eintritt der Wirkungslosigkeit der im Betragsverfahren ergangenen Endurteile in dem oben genannten Umfang steht nicht entgegen, dass der Senat durch seinen Beschluss vom 26. September 2006 nur das Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 aufgehoben hat, das in erster Instanz ergangene Grundurteil vom 14. April 2000 davon dagegen unberührt geblieben und bisher jedenfalls nicht rechtskräftig abgeändert worden ist. Allein das Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 und nicht das Grundurteil des Landgerichts (oder das inzwischen im Verfahren über den Grund ergangene zweite Berufungsurteil vom 27. Juni 2007) ist dasjenige Urteil, von dessen Fortbestand die im Betragsverfahren ergangenen Endurteile erster und zweiter Instanz, soweit sie die Beklagten beschweren, inhaltlich - im Sinne einer Bedingung - abhängen.

Dabei kann offen bleiben, ob aus Gründen der Rechtssicherheit, insbesondere im Hinblick auf das Ob und den Umfang der (weiteren) Vollstreckbarkeit des Endurteils, eine rein formelle Betrachtungsweise angezeigt ist und die Wirksamkeit des Endurteils stets ohne weiteres entfällt, wenn das im Instanzenzug vor seinem Erlass zuletzt zum Grund ergangene Urteil, hier das Berufungsurteil vom 19. Mai 2004, rechtskräftig aufgehoben wird. Im vorliegenden Fall beziehen sich die im Betragsverfahren ergangenen Entscheidungen auch materiell ausschließlich auf dieses Urteil.

Das Berufungsgericht hat in seinem hier angefochtenen Endurteil im Betragsverfahren für den Grund des Anspruchs ausdrücklich Bezug genommen auf die eigenen Ausführungen im Urteil vom 19. Mai 2004. Bestandteil dieser Ausführungen ist die Konkretisierung der Pflichtverletzung, die die Beklagte zu 1 gegenüber der Klägerin begangen haben soll. In diesem Punkt unterscheidet sich das Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 von dem Grundurteil erster Instanz, auch wenn es die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten im Ergebnis zurückgewiesen hat. Nach Ansicht des Berufungsgerichts beschränkte die aus dem Vertriebs- und Handelsvertretungs-Vertrag folgende Rücksichtnahmepflicht der Beklagten zu 1 gegenüber der Klägerin nicht die unternehmerische Freiheit der Beklagten zu 1, eine Fusion durchzuführen, sondern verlangte lediglich von dieser, im Rahmen ihrer Entscheidung auf die berechtigten Interessen der Klägerin Rücksicht zu nehmen und sich sofort und umfassend zu bemühen, die Voraussetzungen für einen reibungslosen Übergang auch in Syrien zu schaffen.

Das Landgericht hat dagegen in seinem Grundurteil vom 14. April 2000 die zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 bereits darin gesehen, dass sie ohne zwingenden Grund die "Fusion" nebst Umfirmierung herbeigeführt habe, ohne dabei die berechtigten geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen, insbesondere ohne der Klägerin eine ausreichende "Vorlaufzeit" einzuräumen im Hinblick auf die dadurch erforderlichen Neu- bzw. Umregistrierungen. Eine dahingehende Verpflichtung der Klägerin hat das Berufungsgericht in seinem Urteil vom 19. Mai 2004 - zu Recht (Senatsbeschluss vom 26. September 2006, aaO, unter II 1) - verneint. Dieses Urteil lag bei Erlass des landgerichtlichen Urteils im Betragsverfahren bereits vor und ist vom Landgericht bei seiner Entscheidung auch berücksichtigt worden, so dass auch letzteres auf den Annahmen zum Grund beruht, die das Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 enthält.

Das zweite Berufungsurteil im Verfahren über den Grund vom 27. Juni 2007 scheidet als Bezugspunkt der Entscheidungen im Betragsverfahren schon deshalb aus, weil es der Klägerin Schadensersatzansprüche wegen entgangenen Gewinns dem Grunde nach nur für andere Zeiträume zuerkennt, als sie Gegenstand des Betragsverfahrens waren.

2. Soweit das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten zu 1 gegen die Abweisung ihrer Widerklage zurückgewiesen hat, handelt es sich bei dem angefochtenen Urteil um ein unzulässiges Teilurteil (§ 301 ZPO).

Seine Wirksamkeit ist durch die Aufhebung des Urteils vom 19. Mai 2004 nicht berührt worden, weil es sich bezüglich der Widerklage nicht um ein Urteil im Betragsverfahren handelt, dem ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs vorausgegangen ist, sondern das Berufungsgericht - ebenso wie zuvor das Landgericht - zugleich über Grund und Höhe des mit der Widerklage geltend gemachten Anspruchs entschieden hat.

Es kann offen bleiben, ob das Berufungsurteil zur Widerklage schon deshalb rechtsfehlerhaft ist, weil sowohl das Landgericht - nachdem das Berufungsgericht durch sein Urteil vom 19. Mai 2004 den Rechtsstreit hinsichtlich der Widerklage an das Landgericht zurückverwiesen hatte - als auch das Berufungsgericht über die Widerklage entschieden haben, während noch die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil vom 19. Mai 2004 beim Senat anhängig war.

Nachdem das jetzt angefochtene Endurteil, wie oben (unter 1) ausgeführt, hinsichtlich der Klage teilweise wirkungslos geworden ist, stellt es sich bezüglich der Widerklage jedenfalls als ein unzulässiges Teilurteil (§ 301 ZPO) dar. Ein Teilurteil ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung unabhängig davon ist, wie das Schlussurteil über den noch anhängigen Teil des Rechtsstreits entscheidet, die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen im Teilurteil und im Schlussurteil also ausgeschlossen ist (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs; betreffend Klage und Widerklage Urteil vom 19. April 2000 - XII ZR 334/97, NJW 2000, 2512, unter I). Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat die Widerklage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe gegenüber dem damit geltend gemachten, als solchen unstreitigen Anspruch der Beklagten zu 1 mit einem Teil des Schadensersatzanspruchs aufgerechnet, den sie im Übrigen mit ihrer Klage verfolge. Sowohl für die Entscheidung über die Klage als auch für diejenige über die Widerklage kommt es demnach darauf an, ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gegenüber den Beklagten zusteht und ob und in welchem Umfang sie damit trotz des in dem Vergleich vom 5. November 1997 vereinbarten Aufrechnungsverbots wirksam gegenüber der Widerklageforderung der Beklagten zu 1 aufgerechnet hat.

III.

Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

1. Soweit es die Widerklage betrifft, ist es auf die Revision der Beklagten zu 1 aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Umfang der Aufhebung kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO); er verweist den Rechtsstreit insoweit anstelle des Berufungsgerichts gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 3 ZPO an das Landgericht zurück (vgl. zu § 540 ZPO aF BGH, Urteil vom 4. November 2002 - II ZR 287/01, DStR 2003, 563, unter 2). Auch bei der erstinstanzlichen Entscheidung zur Widerklage handelt es sich nunmehr um ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassenes Teilurteil. Für das Urteil des Landgerichts gilt insofern wegen der nachträglich eingetretenen teilweisen Wirkungslosigkeit dieses Urteils (siehe oben unter II 1) nichts anderes als für das Berufungsurteil zur Widerklage (siehe oben unter II 2). Eine Zurückverweisung an die erste Instanz ist geboten, weil über die Widerklage nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand erst entschieden werden kann, wenn feststeht, in welcher Höhe der Klägerin der von ihr teils mit der Klage und teils im Wege der Aufrechnung gegenüber der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch zusteht. Darüber wird - nach § 304 Abs. 2 ZPO grundsätzlich erst nach Rechtskraft des Grundurteils (Musielak/Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 304 Rdnr. 29) - erneut das Landgericht zu befinden haben, nachdem die im Betragsverfahren zur Klage ergangenen Entscheidungen der Vorinstanzen, soweit sie die Beklagten beschweren, wirkungslos geworden sind. Letzteres war lediglich deklaratorisch festzustellen.

2. Für das weitere Verfahren geben die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe des der Klägerin entgangenen Gewinns für den Fall, dass es darauf nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den Grund noch ankommen sollte, Anlass zu folgenden Hinweisen: Das Berufungsgericht stützt seine Feststellungen zur Schadenshöhe auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. . Dagegen bestehen Bedenken.

a) Das Gericht darf grundsätzlich die Richtigkeit bestrittener Tatsachen nicht ohne eine eigene Prüfung bejahen (§ 286 ZPO). Dabei handelt es sich um eine für einen fairen Prozess und einen wirkungsvollen Rechtsschutz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unerlässliche Verfahrensregel. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage (BVerfG, Beschluss vom 28. Dezember 1999 - 1 BvR 2203/98, VersR 2000, 214, unter II 1 a; Beschluss vom 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00, NJW 2001, 2531, unter III 1 a).

Soweit das Gericht sich bei der Tatsachenfeststellung auf ein Sachverständigengutachten stützt, muss es dieses sorgfältig und kritisch würdigen (BGHZ 116, 47, 58; BGH, Urteil vom 16. Januar 2001 - VI ZR 408/99, NJW 2001, 1787, unter II 2). Muss sich der Sachverständige zur Erstattung seines Gutachtens zunächst Kenntnisse verschaffen, die die anzuwendende Sachkunde selbst betreffen, ist dies zwar vom Gutachtenauftrag umfasst (Zöller/Greger, aaO, § 402 Rdnr. 5d); auch diese sogenannten Befundtatsachen hat das Gericht jedoch nachzuprüfen, wenn sie bestritten sind. Zudem muss den Parteien die Möglichkeit gegeben werden, an der Prüfung mitzuwirken. Das gebietet deren aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgender Anspruch auf ein rechtstaatliches Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz (BVerfGE 91, 176, 181 ff.; BVerfG, Beschluss vom 7. April 1997 - 1 BvR 587/95, NJW 1997, 1909, unter II 1 a).

b) Für die erforderliche Nachprüfung eines Sachverständigengutachtens kann deshalb die Kenntnis der einzelnen tatsächlichen Umstände, die der Sachverständige selbst erhoben und seinem Gutachten zugrunde gelegt hat, unentbehrlich sein. In einem solchen Fall ist regelmäßig die Offenlegung dieser Tatsachen durch den Sachverständigen geboten (BVerfGE 91, 176, 182; BVerfG, Beschluss vom 7. April 1997, aaO). Ob und inwieweit das Gericht und die Verfahrensbeteiligten die Kenntnis von Tatsachen, die ein Sachverständiger seinem Gutachten zugrunde gelegt hat, für eine kritische Würdigung des Gutachtens tatsächlich benötigen, ist eine Frage des Einzelfalls. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (aaO) ist grundsätzlich die Forderung nach einer eigenen Überprüfung durch die Beteiligten umso berechtigter, je weniger das Gutachten auf dem Erfahrungswissen des Sachverständigen und je mehr es auf einzelnen konkreten Befundtatsachen aufbaut.

aa) Letzteres war hier in erheblichem Umfang der Fall. Der Sachverständige hat sein Gutachten nicht ausschließlich auf amtliches Daten- und Informationsmaterial gestützt, weil dieses nach seiner Darstellung zum einen "Mangelware" und zum anderen, soweit vorhanden, mit so großen Fehlern behaftet ist, dass es entweder nicht oder erst nach Bearbeitung und sachgerechter Aufbereitung verwendet werden kann. Ähnliche Defizite sind nach den Angaben des Sachverständigen im Bereich der wirtschaftsnahen syrischen Institutionen sowie der staatlichen und halbstaatlichen Ämter (Industrie- und Handelskammern, Wirtschaftsverbände, Zollbehörden, Wirtschafts- und Fachabteilungen der Ministerien usw.) zu konstatieren, die bei der Beschaffung halbamtlicher statistischer Daten und anderer wichtiger Informationen behilflich sein könnten. Er hat deshalb zur Bewertung des Marktvolumens, der Absetzbarkeit der Produkte und der Marktbedeutung der Klägerin für die einzelnen Produkte, die diese vertrieben hat bzw. hat vertreiben wollen, sogenannte Expertengespräche geführt. Dafür hat er insgesamt etwa 60 Gesprächspartner aus verschiedenen Akteursgruppen ausgewählt: Repräsentanten der syrischen Agrarverwaltung, insbesondere der zentralen Tiergesundheitsbehörde in Damaskus; Vertreter relevanter Verbände (Verband syrischer Geflügelzüchter) und halbstaatlicher Institutionen (Landwirtschaftskammer); Veterinärmediziner in freier Anstellung oder in selbständiger Tätigkeit bzw. als Beamte des syrischen Staates; einschlägig ausgewiesene Agraringenieure bzw. Tierzuchtexperten; Abteilungsleiter der syrischen Zollbehörden sowie private Zollagenten; Inhaber von privaten sowie Leiter von staatlichen Tierzuchtbetrieben; Vertreter von Groß- und Einzelhandelsbetrieben für Veterinärprodukte sowie Agenten von Importfirmen für Tiermedikamente.

bb) Zur Nachprüfung der von den Experten erteilten Auskünfte und zur Überprüfung, ob die Auskünfte zutreffend und schlüssig in das Gutachten eingeflossen sind, hätte es sowohl für das Gericht als auch für die Parteien näherer Angaben dazu bedurft, welche Tätigkeit die befragten Experten ausüben, ob und warum es sich also tatsächlich um Experten handelt, was sie von dem Sachverständigen konkret gefragt worden sind und wie ihre Antwort lautete. Entsprechende Angaben sind von den Beklagten, wie die Revision zu Recht geltend macht, wiederholt gefordert worden. Der insoweit grundsätzlich bestehende Offenlegungsanspruch der Parteien wird auch vom Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen. Der Sachverständige war jedoch unter Hinweis auf die den Experten von ihm zugesicherte Anonymität nicht bereit, entsprechende Angaben zu machen.

cc) Berechtigt ist zumindest teilweise auch die Rüge der Revision, dass in diesem Sonderfall jedenfalls bei einigen der befragten Experten für eine Nachprüfung des Gutachtens über die oben genannten Angaben hinaus die Namen der Experten von Bedeutung sein können. Der Sachverständige hat unter anderem Vertreter von Groß- und Einzelhandelsbetrieben für Veterinärprodukte sowie Agenten von Importfirmen für Tiermedikamente befragt. Dabei kann es sich einerseits um Konkurrenten der Klägerin handeln; andererseits kann der Sachverständige auch Personen befragt haben, die "dem Lager" der Klägerin zuzurechnen sind. Daraus kann sich eine unterschiedliche Sichtweise und ein Eigeninteresse der Experten an einer bestimmten Beantwortung der Beweisfrage ergeben, die bei der Bewertung ihrer Auskünfte zu berücksichtigen ist.

Offen gelegt hat der Sachverständige insoweit nur eine Befragung des Partnerunternehmens der Klägerin in Damaskus A. . Soweit sich bei den übrigen von ihm befragten Experten aus Angaben zu deren jeweiliger Tätigkeit und zu den Umständen, aus denen sich ihre Experteneigenschaft ergibt, nicht ableiten lässt, ob sie im Verhältnis zur Klägerin "neutral" sind oder auf welcher Seite sie stehen, kann es im Hinblick auf diese Personen aus rechtsstaatlichen Gründen geboten sein, dass der Sachverständige sie namhaft macht. Das gilt um so mehr, als nach den Angaben des Sachverständigen gerade solche Personen, die Kontakte zu beiden Parteien haben, nur bei Wahrung ihrer Anonymität zu Auskünften gegenüber dem Sachverständigen bereit waren.

c) Die Annahme des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall seien Abstriche am Offenlegungsanspruch der Parteien gerechtfertigt, weil das Schweigen des Sachverständigen auf anerkennenswerten Gründen beruhe und auf eine Verwertung des Gutachtens aus überwiegenden Interessen der Klägerin nicht verzichtet werden könne, ist von Rechtsfehlern beeinflusst. Im Ansatz können unter den genannten Voraussetzungen zwar Einschränkungen der im rechtsstaatlichen Fairnessgebot verankerten Pflicht des Gerichts, die tatsächlichen Grundlagen eines Gutachtens hinreichend zu überprüfen und daran auch die Parteien mitwirken zu lassen, zulässig sein. Das Berufungsgericht hat jedoch das Vorliegen dieser Voraussetzungen rechtsfehlerhaft bejaht.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 91, 176, 183 f.; Beschluss vom 7. April 1997, aaO, unter II 1 b) kann das Gericht im Interesse der beweisbelasteten Prozesspartei geringere Anforderungen an die Offenlegung durch den Sachverständigen stellen, wenn die von diesem dafür vorgebrachten Gründe hinreichend gewichtig sind, und kommt dies insbesondere in Betracht, wenn es sich um Daten aus der engsten Privat- oder Intimsphäre unbeteiligter Dritter handelt, deren Preisgabe niemandem zuzumuten ist. In derartigen Fällen muss regelmäßig damit gerechnet werden, dass auch ein anderer Sachverständiger nicht in der Lage sein wird, zu der Beweisfrage unter Offenlegung einschlägiger Tatsachen Stellung zu nehmen. Allein der Umstand, dass Dritte eine Bekanntgabe von Tatsachen aus ihrer Privatsphäre nicht wünschen und der Sachverständige sich daran gebunden fühlt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings kein ausreichender Grund dafür, das Urteil auf ein solches Gutachten zu stützen.

bb) Um die Preisgabe von Daten aus der engsten Privat- oder Intimsphäre unbeteiligter Dritter geht es hier nicht. Die von dem Sachverständigen erbetenen Daten beziehen sich ausweislich des Gutachtens auf das Marktvolumen, die Absetzbarkeit der Produkte und die Marktbedeutung der Klägerin für diejenigen Produkte, die die Klägerin vertrieben hat bzw. hat vertreiben wollen. Die erforderliche Offenlegung betrifft weiter die jeweilige Tätigkeit der befragten Personen, d. h. die Umstände, die sie zu Experten machen, und - soweit dies zur Nachprüfung des Gutachtens nicht ausreicht - deren Namen. Dass die befragten Personen die Bekanntgabe dieser Daten nicht wünschen, genügt nach dem oben Ausgeführten als rechtfertigender Grund für eine Verwertung des Gutachtens ohne Offenlegung dieser für die Nachprüfung des Gutachtens relevanten Fakten nicht.

Etwas anderes gilt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht deshalb, weil die Parteien vor der ersten Reise des Sachverständigen auf die ihnen angebotene Begleitung des Sachverständigen verzichtet haben. Denn die Parteien brauchten nicht davon auszugehen, sie würden nur auf diese Weise Einzelheiten darüber erfahren, wen der Sachverständige wie befragt hat.

cc) Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob und in welchem Umfang der Sachverständige jedenfalls die oben (unter b bb) aufgeführten allgemeinen Angaben zu den befragten Experten hätte machen können, ohne deren Anonymität zu gefährden. Es ist weiter weder festgestellt noch zumindest die Vermutung gerechtfertigt, dass nicht entweder der Sachverständige Prof. Dr. H. selbst oder jedenfalls ein anderer Sachverständiger hinreichende Informationen für die Erstellung des Gutachtens auch hätte erlangen können, ohne den befragten Quellen Anonymität gegenüber den Prozessparteien zuzusichern.

Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung zunächst nur angegeben, eine Vielzahl von Probanden habe von sich aus darauf aufmerksam gemacht, sie wünschten nicht, in einen Gerichtsprozess hineingezogen zu werden. Das geschieht nicht oder jedenfalls nicht unmittelbar, solange lediglich der Sachverständige dem Gericht und den Prozessparteien die Befragung der betreffenden Personen und die dadurch gewonnenen Erkenntnisse mitteilt, aber nicht die Personen selbst als Zeugen und/oder (weitere) Sachverständige an dem Prozess beteiligt werden. Eine Vernehmung als Zeuge wird allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommen, weil es vorrangig nicht um die persönliche Glaubwürdigkeit der Auskunftspersonen bei der Bekundung eigener Wahrnehmungen, sondern um die Frage geht, ob und in welcher Hinsicht sie als Experten, also als sachverständig für die ihnen gestellten Fragen anzusehen sind. Für die Hinzuziehung als weiterer, örtlicher Sachverständiger wird schon wegen der Beauftragung des Sachverständigen Prof. Dr. H. kein Bedürfnis bestehen. Bei denjenigen Personen, die nur unter der Voraussetzung absoluter Verschwiegenheit des Sachverständigen bereit waren, Informationen zu geben, handelt es sich nach der Aussage des Sachverständigen nur um "einige der Probanden". Der Sachverständige hat dennoch von sich aus gegenüber allen erklärt, die Daten würden anonym erfasst werden, um "Distanz aufzulösen und Vertrauen zu schaffen". Dabei ging er nach seinen Angaben davon aus, es genüge, wenn er eine Liste der Gesprächspartner bei Gericht hinterlege - auf das Gericht bezog sich die Zusicherung der Anonymität also offensichtlich nicht -, ohne dass diese an die Parteien weitergereicht werden müsse.

Die vom Sachverständigen geschilderte Vorgehensweise lässt durchaus die Möglichkeit offen, dass er selbst oder ein anderer Sachverständiger bei Kenntnis und Berücksichtigung der sich aus dem prozess- und verfassungsrechtlichen Gebot der gerichtlichen Nachprüfung des Gutachtens ergebenden Anforderungen an die Offenlegung der Befundtatsachen die - zur Gewinnung einer hinreichenden Sachkunde erforderliche - Marktsondierung durch Befragung der relevanten Marktteilnehmer und -regulierer auch so hätte vornehmen können, dass er die Befundtatsachen in ausreichendem Umfang hätte offen legen können.

dd) Die Zulässigkeit eines Verzichts darauf ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht aus einem Vergleich mit einer empirischen Marktforschung oder Meinungsforschung in Deutschland, bei der sich der Sachverständige zunächst Kenntnisse über den Markt verschafft und das gefundene Ergebnis dem Gericht mitteilt. Soweit er dafür Umfragen vornimmt, sind zum einen regelmäßig zumindest die Kriterien, nach denen die befragten Personen ausgesucht worden sind - etwa als repräsentativer Querschnitt der gesamten oder eines näher bestimmten Teils der Bevölkerung -, und die gestellten Fragen bekannt. Zum andern werden die für die Umfrage ausgewählten Personen üblicherweise nicht als Experten, sondern als Marktteilnehmer, Wahlberechtigte oder Bürger zu persönlichen Kenntnissen, Vorlieben, Einschätzungen, Wünschen oder Entscheidungen befragt. Auf eine bestimmte Qualifikation, ihre berufliche Position oder besondere fachliche Erfahrungen, die die Validität ihrer Auskünfte sichern, kommt es dabei anders als im vorliegenden Fall nicht an, so dass sich die Frage der Überprüfbarkeit dieser Umstände durch das Gericht und die Parteien nicht stellt.

ee) Sollte sich ergeben, dass nach dem oben Ausgeführten eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende, verwertbare Aufklärung der Marktverhältnisse in Syrien nicht möglich ist, müsste zwar letztlich die Klägerin, die die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des eingetretenen Schadens trägt, insoweit als beweisfällig angesehen werden. Die Revision weist jedoch zu Recht darauf hin, dass die Klägerin auch in diesem Fall nicht ohne jede Rechtsschutzmöglichkeit dasteht, sondern zumindest eine Schadensberechnung auf der Grundlage der von der Klägerin in der Vergangenheit aus Geschäften in Syrien erwirtschafteten Gewinne erfolgen könnte. Dabei bliebe zwar die von der Klägerin angestrebte Marktentwicklung außer Betracht, soweit sich nicht aus den Umständen, insbesondere den von ihr bereits getroffenen Anstalten und Vorkehrungen zureichende Anhaltspunkte dafür ergeben (§ 252 Satz 2 BGB). Es kann aber auf dieser Grundlage jedenfalls nach § 287 Abs. 1 ZPO die Schätzung eines Mindestschadens erfolgen (Senatsurteile vom 30. Mai 2001 - VIII ZR 70/00, WM 2001, 2010, unter II 3, und vom 19. Oktober 2005 - VIII ZR 392/03, WM 2006, 544, unter II 2).

Ende der Entscheidung

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