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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.09.1999
Aktenzeichen: VIII ZR 237/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 138 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 138 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichungen bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 237/98

Verkündet am: 22. September 1999

Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 1999 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Ball und Dr. Leimert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. August 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien, die unter anderem mit Deckenschalungen handeln, streiten darüber, ob zwischen ihnen im Mai 1996 ein Kaufvertrag über einen von der Klägerin angebotenen Posten gebrauchter H. -Deckenschalungen zustande gekommen ist.

Am 14. Mai 1996 besichtigte der Beklagte gemeinsam mit einem Interessenten das Material auf dem Lagerplatz der Klägerin. Am 20. Mai 1996 suchte er erneut die Klägerin auf und verhandelte mit dem Ehemann ihrer Inhaberin über den Kaufpreis, Fragen der Abwicklung und andere Einzelheiten des Geschäfts.

Die Klägerin hat behauptet, bei diesem Gespräch sei der Kaufvertrag abgeschlossen worden, insbesondere habe man sich auf einen Kaufpreis von 129.704,48 DM geeinigt. In der Folgezeit habe der Beklagte das Material zwar nicht abgenommen, er habe dabei jedoch, auch nachdem sie in ihrem Schreiben vom 4. September 1996 auf den Abschluß des Kaufvertrages hingewiesen habe, nie behauptet, daß es zu einer Einigung nicht gekommen sei. Erstmals im April 1997 habe er erklärt, seiner Ansicht nach sei ein Kaufvertrag nicht abgeschlossen worden.

Demgegenüber hat der Beklagte vorgetragen, bei dem Gespräch vom 20. Mai 1996 seien zwar Details abgeklärt worden, weil er anschließend in Urlaub gewesen sei und alles für den Fall habe geregelt sein sollen, daß sich sein Abnehmer während seiner Abwesenheit zu dem Kauf entschließen würde. Ein Kaufvertrag sei damals aber nicht zustande gekommen, vielmehr sei dies - was die Klägerin gewußt habe - von der Entscheidung seines Kunden abhängig gewesen.

Nach Vernehmung zweier Zeugen hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des im einzelnen bezeichneten Schalungsmaterials verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht nach erneuter Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin habe nicht bewiesen, daß am 14. oder 20. Mai 1996 ein unbedingter Kaufvertrag über die Schalungselemente abgeschlossen worden sei. Bei dem ersten Termin sei es auch für die Klägerin eindeutig erkennbar gewesen, daß der Beklagte einen Kauf vom Verhalten seines Abnehmers abhängig gemacht habe. Nach den Angaben des Zeugen N. - des Ehemanns der Inhaberin der Klägerin - sei bei dem zweiten Besuch des Beklagten zwar ausführlich über zahlreiche Einzelheiten verhandelt worden; konkrete Äußerungen des Beklagten, aus denen zu entnehmen gewesen sei, daß der Beklagte nunmehr habe kaufen wollen, habe der Zeuge N. aber nicht bekundet. Weder damals noch bei den nachfolgenden Telefongesprächen habe der Beklagte zum Ausdruck gebracht, daß sein ursprünglicher Vorbehalt hinsichtlich des Weiterverkaufs der Deckenschalung an seinen Abnehmer entfallen sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung des von der Klägerin in der Berufungsverhandlung vorgelegten Schreibens der Firma K. vom 12. Mai 1997; da nach solle der Beklagte zwar gesagt haben, er befinde sich mit der Klägerin im Streit, weil er einen Auftrag mündlich erteilt habe, diesen aber nicht habe durchführen können, weil sein Kunde das Material nicht abgenommen habe. Inwieweit der Inhalt dieses Schreibens zutreffe, könne ohne Vernehmung seines Verfassers aber nicht beurteilt werden; insbesondere sei ein Mißverständnis nicht auszuschließen. Ein Anlaß zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zum Zwecke der Vernehmung des erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung benannten Zeugen K. bestehe nicht.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung abgelehnt hat. Einen Grund, der nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Oberlandesgericht verpflichtet hätte, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. Oktober 1992 - VIII ZR 199/91 = WM 1993, 177 unter II 2 b), hat sie nicht dargetan. Die Rücksichtnahme der Klägerin auf ihren Kunden K. entschuldigt nicht die Verspätung des Antrags auf Vernehmung dieses Zeugen.

2. Darauf kommt es letztlich aber nicht an, weil entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Vernehmung des Zeugen K. nicht erforderlich war. Zu Recht rügt die Revision nämlich, das Berufungsgericht habe verkannt, daß der Inhalt des Schreibens der Firma K. vom 12. Mai 1997 als vom Beklagten zugestanden anzusehen ist.

a) Mit der Vorlage des Schreibens der Firma K. in der Berufungsverhandlung hat sich die Klägerin dessen Inhalt zu eigen gemacht und damit zugleich behauptet, der Beklagte habe die von dem Verfasser des Schreibens wiedergegebene Äußerung getan. Nichts anderes als diese Behauptung war der für jedermann ohne weiteres erkennbare Zweck der Vorlage des Briefes. Der Einwand der Revisionserwiderung, die Klägerin habe bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung keinen entsprechenden Vortrag gebracht und die Vorlage eines Beweismittels ersetze nicht einen Sachvortrag, greift deshalb nicht durch.

b) Zu diesem neuen, nach Inhalt, Zeitpunkt, Ort und Gesprächspartner substantiierten Vorbringen der Klägerin hatte sich der Beklagte zu erklären (§ 138 Abs. 2 ZPO). Daß dem Beklagten ein substantiiertes Erwidern möglich und zumutbar war, steht außer Frage. Der in dem Schreiben der Firma K. - geschilderte Vorgang lag im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung erst wenige Monate zurück, er betraf den Beklagten persönlich und ein nicht alltägliches Geschehen; überdies hatte er einen unmittelbaren Bezug zum Gegenstand des Verfahrens. Unter diesen Umständen konnte von dem Beklagten erwartet werden, daß er sich auch ohne längere Überlegungen oder Vorbereitungen inhaltlich zu dem Vorbringen der Klägerin äußerte.

c) Dieser Erklärungslast ist der Beklagte nicht nachgekommen. Ausweislich des Protokolls der Berufungsverhandlung vom 23. Juli 1998 hat er sich, obwohl persönlich anwesend, zu dem Schreiben nicht geäußert. Sein damaliger Prozeßbevollmächtigter, dem das Schreiben zur Einsichtnahme ausgehändigt worden war, hat lediglich erklärt, er könne zu dessen Inhalt nichts sagen. Diese Bemerkung, der der Beklagte nicht widersprochen hat, ist dem Beklagten uneingeschränkt zuzurechnen. Infolgedessen gilt die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe gegenüber dem Verfasser des Schreibens vom 12. Mai 1997 die mündliche Erteilung des "Auftrages" an sie, die Klägerin, eingeräumt, als zugestanden, weil die Absicht des Bestreitens aus seinen übrigen Erklärungen nicht hervorgeht (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Selbst wenn die Erklärung des Beklagten als Bestreiten mit Nichtwissen anzusehen wäre, wäre dies unzulässig (§ 138 Abs. 4 ZPO). Da die Klägerin eine neue substantiierte Behauptung aufgestellt hat, die ihren bisherigen Vortrag stützte und eigene Handlungen des Beklagten betraf, hätte er es nicht bei einer schlichten Erklärung mit Nichtwissen bewenden lassen dürfen.

3. Nach alledem hätte das Berufungsgericht die Behauptung der Klägerin über die in dem Schreiben der Firma K. bestätigte Aussage des Beklagten als zugestanden behandeln müssen. Der vom Oberlandesgericht für erforderlich gehaltenen Beweisaufnahme bedurfte es nicht.

Daß das Berufungsgericht bei Beachtung der Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO im Hinblick auf die nicht unerhebliche Indizwirkung des Inhalts des Schreibens der Firma K. im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, ist nicht auszuschließen. Das Berufungsurteil kann deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Die danach gebotene erneute umfassende Beweiswürdigung zur Frage des Zustandekommens eines Kaufvertrags, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Indizwirkung der schriftlichen Bestätigung der Firma K. und des Schweigens des Beklagten auf das Schreiben der Klägerin vom 4. September 1996, kann der Senat nicht selbst vornehmen. Die Sache war deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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