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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 09.07.2003
Aktenzeichen: VIII ZR 26/03
Rechtsgebiete: BGB, InvErlWobauldG


Vorschriften:

BGB § 564 b a.F.
BGB § 569a a.F.
InvErlWobauldG vom 22. April 1993 (BGBl. I S. 466, 487) Art. 14
Wohnungseigentum ist auch dann "nach der Überlassung an den Mieter" im Sinne des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB a.F. begründet worden, wenn der Mieter, dem gekündigt wurde, zur Zeit der Begründung des Wohnungseigentums als Angehöriger in der Wohnung lebte und mit dem Tode des damaligen Mieters kraft Gesetzes in das Mietverhältnis eingetreten ist. Der Angehörige rückt auch bezüglich der Wartefrist, die der Vermieter für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs zu beachten hat, in die Rechtsposition des verstorbenen Mieters ein.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 26/03

Verkündet am: 9. Juli 2003

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 7. Januar 2003 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg, Abteilung 17, vom 2. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs.

Die Eltern der Beklagten zu 1 mieteten mit Vertrag vom 20. Februar 1952 die in einem Mehrfamilienhaus gelegene Wohnung von der damaligen Eigentümerin des Hauses. Die Beklagte zu 1 lebte seitdem mit in der Wohnung. Im Jahre 1983 begründete die damalige Eigentümerin des Hauses, L. K. , Wohnungseigentum an der Wohnung, welches am 11. November 1983 in das Grundbuch eingetragen wurde. Am 20. November 1985 verstarb die von den Eltern der Beklagten zu 1 allein noch lebende Mutter. Die Beklagte zu 1 verblieb in der Wohnung.

Mit Auflassung vom 13. Dezember 1995 und Eintragung im Grundbuch am 4. März 1997 erwarb der Kläger das Eigentum an der Wohnung von der Grundstückseigentümerin. Mit Schreiben vom 25. Juli 2000, den Beklagten zugegangen am 28. Juli 2000, kündigte der Kläger das Mietverhältnis zum 31. Juli 2001 mit der Begründung, er benötige die Wohnung für seine beiden Töchter. Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten zu 1 und den mit ihr in der Wohnung lebenden Angehörigen, ihrer Tochter (Beklagte zu 2) und ihrem Enkel (Beklagter zu 3), Räumung und Herausgabe der Wohnung.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kündigung die zehnjährige Sperrfrist des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 BGB in Verbindung mit dem Gesetz über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung (BGBl. 1993 I, S. 466, 487) und der Verordnung des Berliner Senates vom 11. Mai 1993 (GVBl. Berlin 1993, S. 216) entgegenstehe. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:

Der vom Kläger geltend gemachte Eigenbedarf sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme berechtigt. Das Räumungsbegehren des Klägers scheitere nicht an der Sperrfrist des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 BGB a.F. in Verbindung mit dem Gesetz über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung und der Verordnung des Berliner Senats vom 11. Mai 1993 (GVBl. Berlin 1993, S. 216). Ob die Verordnung wegen sich abzeichnender nachhaltiger Entspannung des Wohnungsmarktes in B. entsprechend der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin zur 2. Zweckentfremdungsverbot-Verordnung vom 15. März 1994 ab dem 1. September 2000 wegen Verfassungswidrigkeit außer Kraft getreten sei, könne dahin gestellt bleiben, weil die Kündigung bereits zuvor am 25. Juli 2000 ausgesprochen worden sei.

Entscheidend für die Anwendung der Kündigungssperrfristen sei jedoch die zeitliche Aufeinanderfolge von Überlassung der Wohnung, Begründung von Wohnungseigentum und dessen Veräußerung. Die Wohnung sei der Beklagten zu 1 bei der Begründung des Wohnungseigentums nicht überlassen gewesen. Die Überlassung müsse nämlich aufgrund eines Mietvertrages erfolgt sein. Die Beklagte zu 1 habe die Wohnung bis zum Tod ihrer Mutter aber nicht als Mieterin, sondern lediglich als Angehörige der Hauptmieterin genutzt. Auch nach dem Sinn der Regelung müsse es auf den Zeitpunkt ankommen, zu dem der Mieter die Wohnung als "eigene" übernehme. Dies ergebe sich schließlich auch aus § 570 b Abs. 3 BGB a.F., denn dieser Regelung bedürfte es nicht, wenn ein Überlassen der Wohnung schon ab dem Zeitpunkt gegeben wäre, zu dem der später eintretende Mieter die Wohnung bewohnt hat.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in dem entscheidenden Punkt nicht stand.

Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß für die auf Eigenbedarf gestützte Kündigung des Klägers vom 25. Juli 2000 die zehnjährige Wartefrist des Gesetzes über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung (Art. 14 des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland vom 22. April 1993, BGBl. I, S. 466, 487 - im folgenden: Sozialklauselgesetz) in Verbindung mit der Verordnung des Berliner Senats vom 11. Mai 1993 (GVBl. Berlin 1993, S. 216) keine Anwendung findet.

1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Sowohl der Tatbestand des § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 BGB a.F. als auch der Tatbestand von Satz 2 Nr. 1 des Sozialklauselgesetzes, die nach Art. 229 § 3 Abs. 6 EGBGB auf das Mietverhältnis der Parteien bis zum 31. August 2004 weiter anzuwenden sind, setzen voraus, daß nach der Überlassung der Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet und danach dieses Wohnungseigentum veräußert wurde (vgl. etwa Grapentin, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. IV Rdnr. 67 b, und Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 7. Aufl., Rdnr. 140 ff., jew. m.w.Nachw.). Richtig ist auch die Meinung des Berufungsgerichts, eine Überlassung der Wohnräume im Sinne der genannten Vorschriften liege nur dann vor, wenn die Einräumung des Besitzes aufgrund eines Mietvertrages mit dem Bewohner erfolge und es dementsprechend nicht ausreiche, daß die Räume bei Begründung des Wohnungseigentums aufgrund eines anderen Rechtsverhältnisses genutzt würden. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschriften ("Überlassung an den Mieter") und steht in Übereinstimmung mit dem Zweck der Regelungen (allgemeine Meinung, vgl. z.B. Schmidt-Futterer/Blank, aaO, Rdnr. 143 m.w.Nachw.; siehe auch BGHZ 65, 137, 139 f.).

2. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, daß die Wohnung zum Zeitpunkt der Begründung des Wohnungseigentums der Mutter der Beklagten zu 1 als Mieterin überlassen war und die Beklagte zu 1 nach deren Tod gemäß § 569 a Abs. 2 BGB a.F. (Art. 229 § 3 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB) in das Mietverhältnis eingetreten ist. Dieser gesetzliche Eintritt in ein Mietverhältnis, bei dem nach Überlassung der Mietsache an den Mieter Wohnungseigentum bereits begründet, aber noch nicht veräußert worden ist, hat zur Folge, daß die erst mit der Veräußerung des Wohnungseigentums beginnende Wartefrist für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs auch für die Kündigung gegenüber eingetretenen Familienangehörigen gilt.

a) Nach § 569 a Abs. 2 BGB a.F. tritt der im gemeinsamen Hausstand mit dem Mieter lebende Familienangehörige in das beim Tod des Mieters bestehende Mietverhältnis ein. Nach dem Gesetz entsteht kein neues Mietverhältnis, sondern das bisherige Mietverhältnis wird, abgesehen vom Wechsel in der Person des Mieters, unverändert fortgesetzt. Der Familienangehörige tritt deshalb grundsätzlich in vollem Umfang in die Rechtsstellung des bisherigen Mieters ein (Staudinger/Sonnenschein (1997) § 569 a Rdnr. 17 und 22; ähnlich: Erman/Jendrek, BGB, 10. Aufl., § 569a Rdnr. 5; Soergel/Heintzmann, BGB, § 569 a Rdnr. 8; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Kap. I Rdnr. 94). Ist in der Zeit zwischen der Überlassung der Wohnung an den bisherigen Mieter, aber vor dessen Tod, die Wohnung in Wohnungseigentum umgewandelt worden, so waren schon zu Lebzeiten des verstorbenen Mieters die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß im Fall der Veräußerung der Wohnung für eine Kündigung des Erwerbers wegen Eigenbedarfs die Wartefristen nach §§ 564 b Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB a.F. bzw. nach Satz 2 Nr. 1 des Sozialklauselgesetzes eingreifen. Der sich aus diesen Vorschriften für den Mieter ergebende Kündigungsschutz ist in diesem Fall bereits vor dem Eintritt des Familienangehörigen in das Mietverhältnis angelegt gewesen. Wird deshalb das schon gebildete Wohnungseigentum nach dessen Eintritt in das Mietverhältnis veräußert, so kommt es für die nach § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 BGB a.F. und nach Satz 2 Nr. 1 des Sozialklauselgesetzes erforderliche Voraussetzung, daß Wohnungseigentum erst nach der "Überlassung an den Mieter" gebildet worden ist, nicht auf die Überlassung an den eingetretenen Familienangehörigen, sondern auf die Überlassung an den verstorbenen ursprünglichen Mieter an (vgl. auch Grapentin, aaO, Kap. IV Rdnr. 59).

b) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, aus der Regelung des § 570 b Abs. 1 und 3 BGB a.F. ergebe sich im Umkehrschluß, daß die Überlassung der Mietsache an den verstorbenen Mieter dem eintretenden Familienangehörigen nicht zugute kommen könne. Die Regelung des § 570 b Abs. 3 BGB a.F., wonach ein in der Person des verstorbenen Mieters bei Umwandlung in Wohnungseigentum entstandenes Vorkaufsrecht auf den eintretenden Ehegatten oder Familienangehörigen übergeht, hat jedoch neben dem Vertragseintritt nach § 569 a Abs. 1 und 2 BGB eine eigenständige Bedeutung. Denn nach dem Grundsatz des § 514 BGB a.F. (= § 473 BGB n.F.) ist ein Vorkaufsrecht grundsätzlich nicht übertragbar. Ohne die Regelung des § 570 b Abs. 3 BGB a.F. wäre darum zumindest zweifelhaft, ob der Familienangehörige mit dem Eintritt in das Mietverhältnis auch das in der Person des bisherigen Mieters entstandene Vorkaufsrecht erwirbt. Die dem § 570 b Abs. 3 BGB a.F. zugrundeliegende Wertung, wonach zur Wahrung der Schutzfunktion des Vorkaufsrechts nach Umwandlungen ein beim Tod des Mieters entstandenes, aber noch nicht ausgeübtes Vorkaufsrecht den nach § 569 a Abs. 1 und 2 BGB a.F. in den Vertrag eintretenden Personen zugute kommen soll (vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Städtebauwesen und Städtebau zu § 2 b Abs. 2 Satz 2 WoBindG, BT-Drucks. 8/3403, S. 41), spricht im übrigen dafür, dem eintretenden Familienangehörigen auch den durch die frühere Umwandlung schon angelegten Kündigungsschutz für den Fall des Verkaufs des Wohnungseigentums zuzubilligen.

c) Dieses aus dem Wortlaut des § 569 a Abs. 2 BGB a.F. und dem Gesetzeszusammenhang folgende Ergebnis steht auch im Einklang mit Sinn und Zweck sowohl des § 569 a BGB a.F. einerseits als auch dem des § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 bis 4 BGB a.F. und des Sozialklauselgesetzes andererseits.

aa) § 569 a Abs. 2 BGB a.F. dient dem Schutz der mit dem Mieter familienrechtlich verbundenen Hausgenossen. Da sie ebenso wie der Mieter ihren Lebensmittelpunkt in der Wohnung haben, wird beim Tod des Mieters der diesem zukommende Bestandsschutz auf die Hausgenossen erstreckt (vgl. etwa Heile, in: Bub/Treier, aaO, Kap. II Rdnr. 843; Staudinger/Sonnenschein, aaO, § 569 a Rdnr. 4). Ist noch zu Lebzeiten des verstorbenen Mieters die Wohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt worden, so konnte der verstorbene Mieter davon ausgehen, daß bei einem Verkauf der Wohnung der Erwerber wegen Eigenbedarfs erst nach Ablauf der Wartefristen des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 oder 3 BGB oder des Sozialklauselgesetzes wirksam kündigen kann. Dies ist eine den Bestand seines Mietverhältnisses sichernde Rechtsposition, deren Übergang auf den eintretenden Familienangehörigen nach dem genannten Zweck des § 569 a BGB a.F. gerechtfertigt ist. Dadurch wird andererseits der veräußernde Vermieter nicht unbillig belastet. Denn es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum der zufällige Umstand des Todes des Mieters zwischen erfolgter Umwandlung in Wohnungseigentum und geplanter Veräußerung dem Vermieter den Vorteil verschaffen soll, eine mit der Wartefrist nicht mehr belastete Eigentumswohnung veräußern zu können.

bb) Die Wartefristen des § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 BGB a.F. sowie des Satzes 2 Nr. 1 des Sozialklauselgesetzes dienen dem Schutz des Mieters einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung davor, daß durch die nachträgliche Umwandlung der Wohnung in Wohnungseigentum und deren Verkauf ein verstärktes Bedürfnis für eine Eigennutzung des Vermieters geschaffen wird, mit dem der Mieter bei Abschluß des Mietvertrages noch nicht zu rechnen brauchte (vgl. Lammel, Wohnraummietrecht, 1. Aufl., § 564 b Rdnr. 91; Staudinger/Sonnenschein, aaO, § 564 b Rdnr. 100 f., 109 jew. m.w.Nachw.). Dieser Gedanke gilt in gleicher Weise auch für Familienangehörige, die in die geschützte Rechtsposition eintreten. Dies wird durch Satz 2 Nr. 2 Sozialklauselgesetz bestätigt, wonach für den bei einer besonderen Härte über die 10-Jahresfrist hinausgehenden Kündigungsschutz auch die Härte für ein bei dem Mieter "lebendes Mitglied seiner Familie" zu berücksichtigen ist.

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus einem anderen rechtlichen Grund als richtig dar (§ 561 ZPO).

Das Berufungsgericht konnte es ohne Rechtsfehler offenlassen, ob die Verordnung des Berliner Senats vom 11. Mai 1993 (GVBl. Berlin 1993, S. 216), in welcher auf der Grundlage des Sozialklauselgesetzes B. als ein Gebiet bestimmt wird, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen gefährdet ist, entsprechend der vom Oberverwaltungsgericht Berlin im Urteil vom 13. Juni 2002 (GE 2002, 1128) zur Zweckentfremdungsverordnung für Berlin nach Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts vom 4. November 1971 (BGBl. I, S. 1745) vertretenen Auffassung zum 1. September 2001 außer Kraft getreten ist, weil die Voraussetzungen der gesetzlichen Ermächtigung in Berlin nicht mehr vorgelegen haben. Denn die Kündigung des Klägers vom 25. Juli 2000 ist den Beklagten am 28. Juli 2000 zugegangen und damit zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die genannte Verordnung auch nach dieser Auffassung noch wirksam gewesen ist. Ohne Erfolg rügt demgegenüber die Revisionserwiderung, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß die Kündigung des Klägers vom 25. Juli 2000 in eine Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt umzudeuten sei, darüber hinaus der Kläger seine Kündigung mit der Klageerhebung und der Antragstellung im Berufungsverfahren zum nächstmöglichen Zeitpunkt wiederholt habe und aus diesen Gründen der Räumungsanspruch jedenfalls nunmehr begründet sei.

a) Ob die am 25. Juli 2000 zum 31. Juli 2001 ausgesprochene Kündigung in eine Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt umzudeuten ist, kann dahingestellt bleiben, weil auch in diesem Fall der Kündigung die zehnjährige Sperrfrist nach Satz 2 Nr. 1 des Sozialklauselgesetzes (zur Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes vgl. BGHZ 146, 49, 57 f.) in Verbindung mit der zum Zeitpunkt des Zugangs noch gültigen Verordnung des Berliner Senats vom 11. Mai 1993 (aaO) und die fünfjährige Sperrfrist des § 564 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 3 BGB a.F. in Verbindung mit der erst am 1. Oktober 2000 außer Kraft getretenen Verordnung des Berliner Senats vom 22. September 1995 (GVBl. Berlin 1995, S. 632) entgegenstünden.

Nach ganz überwiegender und zutreffender Meinung in Rechtsprechung und Literatur darf nämlich nach beiden vorgenannten Vorschriften der Vermieter die Kündigung erst nach dem Ablauf der jeweiligen Wartefrist erklären. Die Frist muß zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits abgelaufen sein, der Vermieter kann nicht während der Wartezeit - unter Beachtung der Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 BGB a.F. - zu deren Ablauf kündigen (Grapentin, aaO, Kap. IV Rdnr. 76 a und 76 c; Palandt/Weidenkaff, BGB, 60. Aufl., § 564 b Rdnr. 51; Schmidt-Futterer/Blank, aaO, § 564 b Rdnr. 150 und 159; Staudinger/Sonnenschein, aaO, § 564 b Rdnr. 107, ebenso auch zur entsprechenden Vorschrift § 577 a Abs. 2 BGB n.F.: Bamberger/Roth/Reick, BGB, § 577 a Rdnr. 15; Lammel, Wohnraummietrecht, 2. Aufl., § 577 a Rdnr. 12). Dieses Verständnis von § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 BGB a.F. und von Satz 2 Nr. 1 Sozialklauselgesetz entspricht insbesondere dem in der Gesetzgebungsgeschichte der Vorschriften zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers: Das Oberlandesgericht Hamm hatte in einem Rechtsentscheid vom 13. Dezember 1980 (OLG Hamm (RE) NJW 1981, 584 = WuM 1981, 34) zur Dreijahresfrist nach § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 BGB, anknüpfend an den Gesetzeswortlaut, wonach sich der Vermieter erst "nach Ablauf von drei Jahren" auf berechtigte Interessen "berufen" kann, entschieden, daß die Kündigung wirksam nicht vor Ablauf der Wartefrist ausgesprochen werden darf und für die nach Ablauf ausgesprochene Kündigung zusätzlich die Fristen des § 565 Abs. 2 BGB a.F. gelten. Dieser Auslegung hat sich der Gesetzgeber bei der Einfügung der Sätze 3 und 4 in § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB a.F. durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Mieters vom 20. Juli 1990 (BGBl. I S. 1456) ausdrücklich angeschlossen (Gesetzentwurf des Bundesrates, BT-Drucks. 11/6374, S. 7). Für das Sozialklauselgesetz gilt nichts anderes. Zwar unterscheidet sich dessen Wortlaut in Satz 2 Nr. 1 von § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB a.F. dadurch, daß berechtigte Interessen bis zum Ablauf der Frist "nicht berücksichtigt" werden. Damit ist aber kein sachlicher Unterschied zu § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 BGB beabsichtigt, denn die unterschiedliche Formulierung beruht allein darauf, daß die Vorschrift ursprünglich nicht als Sperrfrist konzipiert worden war (vgl. BayObLG NJW-RR 1995, 1034 = BayObLGZ 1995, 131 unter I 2 b cc m.w.Nachw.).

Die Kündigung des Klägers wegen Eigenbedarfs vom 25. Juli 2000 ist mithin schon deshalb unwirksam, weil ihr zum Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens am 28. Juli 2000 sowohl die fünfjährige Sperrfrist des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 BGB a.F. als auch die zehnjährige Sperrfrist nach Satz 2 Nr. 1 des Sozialklauselgesetzes entgegenstanden. Die Unwirksamkeit dieser Kündigungserklärung würde auch dann nicht beseitigt, wenn die Geltung der Sperrfristen nachträglich mit Wirkung für die Zukunft weggefallen wäre. Das Mietverhältnis der Parteien ist deshalb durch die Kündigung vom 25. Juli 2000 nicht beendet worden, selbst wenn sie in eine Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt umgedeutet würde.

b) Aus dem von der Revisionserwiderung aufgezeigten Vorbringen ergibt sich nicht, daß der Kläger nach dem 1. September 2000 in den Tatsacheninstanzen des vorliegenden Rechtsstreits aus denselben Gründen wie im Kündigungsschreiben vom 25. Juli 2000 erneut gekündigt hat. Zwar kann in der Erhebung einer Räumungsklage und in weiteren Prozeßhandlungen eines Räumungsrechtsstreits eine schlüssige Kündigungserklärung liegen. Dies setzt jedoch voraus, daß mit hinreichender Deutlichkeit der Wille des Klägers erkennbar ist, die Prozeßhandlung solle nicht lediglich der Durchsetzung einer bereits außerprozessual erklärten Kündigung dienen, sondern daneben auch eine materiell-rechtliche Willenserklärung enthalten (BGH, Urteil vom 6. November 1996 - XII ZR 60/95, NJW-RR 1997, 203 unter 2 b; vgl. auch BayObLG NJW 1981, 2197). Auf einen solchen Willen des Vermieters kann, wenn - wie hier - bereits vorprozessual gekündigt worden ist, in der Regel nur dann geschlossen werden, wenn er sich bei der Klageerhebung oder einer weiteren prozessualen Erklärung für seinen Räumungsanspruch auf neue Kündigungsgründe oder auf andere Umstände stützt, die die erneute Kündigung für den Fall, daß die erste Kündigung unwirksam gewesen sein sollte, von seinem Standpunkt aus als aussichtsreich erscheinen lassen. Ein solches Vorbringen zeigt die Revisionserwiderung weder für die am 23. Juni 2001 zugestellte Klageschrift noch im Zusammenhang mit dem Berufungsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2002 auf, der als solcher auch dem Schriftformerfordernis des § 568 BGB n.F. nicht genügen würde. Nach dem Berufungsurteil hat der Kläger vielmehr in beiden Instanzen ausschließlich die Wirksamkeit seiner Kündigung vom 25. Juli 2000 verteidigt und hierzu die Auffassung vertreten, die Sperrfristen des § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB a.F. und des Sozialklauselgesetzes hätten dieser Kündigung nicht entgegengestanden. Daß das Berufungsgericht Sachvortrag des Klägers hierzu übergangen hat, wird von der Revisionserwiderung nicht gerügt.

c) Auch die vom Kläger in der Revisionserwiderung vorsorglich unter Bezugnahme auf die Gründe im Kündigungsschreiben vom 25. Juli 2000 erklärte erneute Kündigung des Mietverhältnisses zum nächstmöglichen Termin vermag seiner Räumungsklage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Diese Kündigungserklärung ist nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der Revisionsinstanz unbeachtlich. Zwar können aus prozeßökonomischen Gründen ausnahmsweise nach Abschluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eingetretene und für die materiell-rechtliche Beurteilung bedeutsame Tatsachen in der Revisionsinstanz berücksichtigt werden, wenn sie unstreitig sind und schutzwürdige Belange der Gegenpartei nicht entgegenstehen (vgl. BGHZ 139, 214, 220 ff. und BGH, Urteil vom 12. Januar 2001 - V ZR 372/99, NJW 2001, 1272 unter II 3 d, jew. m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, weil bei Berücksichtigung der Kündigung eine abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts nicht möglich ist. Das Berufungsgericht hat zu der Frage, ob die Voraussetzungen für den Erlaß der Verordnung des Berliner Senats vom 11. Mai 1993 (GVBl. Berlin 1993, S. 216) nachträglich weggefallen sind, keine Feststellungen getroffen. Für die Beurteilung der Berechtigung des Räumungsbegehrens aufgrund der nunmehr erklärten Kündigung müßte der Rechtsstreit deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Die Zulassung neuen Vorbringens im Revisionsverfahren würde deshalb keine rasche und endgültige Streitbereinigung herbeiführen, und es ist deshalb nicht unbillig, den Kläger für die Durchsetzung seiner erneuten Kündigung auf einen weiteren Prozeß zu verweisen (vgl. auch BGHZ 139, 214, 221 f.).

III.

Das Berufungsurteil ist demgemäß aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Kündigungserklärung vom 25. Juli 2000, auf die der Kläger sein Räumungsverlangen stützt, nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt unwirksam ist, weil bei deren Zugang die genannten Wartefristen noch nicht abgelaufen waren, ist die Sache zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Senat hat deshalb in der Sache selbst zu entscheiden und die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche klageabweisende Urteil zurückzuweisen.



Ende der Entscheidung

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