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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: VIII ZR 272/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 280 Abs. 1
ZPO § 398 Abs. 1
ZPO § 523
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 272/01

Verkündet am: 30. Oktober 2002

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. September 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger war gemäß Vertrag vom 13. November 1998 bis zum 31. Dezember 1999 gegen ein wöchentliches Entgelt von 4.500 DM zuzüglich Umsatzsteuer als freier Mitarbeiter für die M- GmbH tätig. Er begehrt von der Beklagten, einem Unternehmen der K. -Gruppe, Schadensersatz in Höhe von 71.400 DM wegen Verletzung der Beschäftigungsgarantie im notariellen Vertrag vom 2. Dezember 1999, mit dem die Beklagte die Anteile an der M- GmbH von der M. Zeitungsverlag GmbH & Co. KG übernommen hat.

"§ 6 Beschäftigungsgarantie" des Übernahmevertrages lautet wie folgt:

"1. Die Erwerberin trägt dafür Sorge, daß die bei der Gesellschaft am Stichtag bzw. falls dem Stichtag nachfolgend zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieses Vertrages in einem ungekündigten Festanstellungsverhältnis stehenden Mitarbeiter bis 31.08.2001 nicht betriebsbedingt von der Gesellschaft gekündigt werden. Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur zulässig, wenn der betreffende Mitarbeiter gleichzeitig das unbefristete und auch sonst uneingeschränkte Angebot erhält, unter Anrechnung der Betriebszugehörigkeit bei der Gesellschaft bei einem anderen Unternehmen der K. -Gruppe in M. oder maximal 30 km Umgebung zu mindest gleichbleibenden Konditionen in vergleichbarer Stellung und mit vergleichbaren Tätigkeiten weiterbeschäftigt zu werden. Für das daraufhin begründete neue Arbeitsverhältnis gelten die vorstehenden Bestimmungen entsprechend.

2. Die Regeln in Ziff. 1 gelten analog für die in Anlage 3 aufgeführten täglich befristet bei der Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer mit der Maßgabe, daß sie für die Dauer bis zum 31.08.2001 in mindestens dem vergleichbaren Umfang zu täglich befristeten Arbeitsverhältnissen herangezogen werden.

3. Die Erwerberin wird sich darum bemühen, für die in Anlage 6 aufgeführten Personen, die zur Zeit bei der Gesellschaft als freie Mitarbeiter tätig sind, Aufträge in ähnlichem Umfang und mit einer ähnlichen Tätigkeit wie bislang für die Gesellschaft innerhalb der K. -Gruppe zu finden.

4. Vorstehende Bestimmungen gelten als echter Vertrag zugunsten Dritter."

In der Anlage 6 hierzu war der Kläger namentlich als einer der "freien M- -Mitarbeiter, die möglichst innerhalb der K. -Gruppe weiter tätig sein sollen" aufgeführt worden.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe am 10. Dezember 1999 beim Geschäftsführer der Beklagten vorgesprochen und entsprechend diesen Bestimmungen seine Dienste der K. -Gruppe angeboten. Die Beklagte habe sein fälschlicherweise als "Bewerbung" bezeichnetes Angebot aber mit Schreiben vom 14. Dezember 1999 abschlägig beschieden und jedwede Ansprüche aus dem Übernahmevertrag vom 2. Dezember 1999 zurückweisen lassen. Durch dieses dem Übernahmevertrag widersprechende Verhalten seien ihm in den ersten 17 Kalenderwochen des Jahres 2000 abzüglich ersparter 300 DM netto wöchentlich für den Kameramann insgesamt 71.400 DM entgangen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat aufgrund der Vernehmung der Zeugen Dr. Br. und Dr. B. angenommen, daß dem Kläger der ihm obliegende Nachweis der Verletzung einer vertraglich geschuldeten Verhaltenspflicht, hier insbesondere einer Beschäftigungspflicht durch die Beklagte, nicht gelungen sei. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht ohne nochmalige Vernehmung der Zeugen Dr. Br. und Dr. B. die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Die Beklagte hafte dem Kläger gemäß § 328 Abs. 1 und § 280 Abs. 1 BGB dem Grunde nach auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Bemühungsverpflichtung nach § 6 Abs. 3 und 4 und der Anlage 6 des Übernahmevertrages zwischen der M. Zeitungsverlag GmbH & Co. KG und der Beklagten vom 2. Dezember 1999. Der Kläger habe gemäß § 6 Abs. 4 des Übernahmevertrages unmittelbar das Recht erworben, nach § 6 Abs. 3 des Übernahmevertrages in Verbindung mit der Anlage 6 von der Beklagten zu verlangen, daß sie sich bemühe, für ihn Aufträge in ähnlichem Umfang und mit einer ähnlichen Tätigkeit wie bislang, also bis zum 31. Dezember 1999, für die M- GmbH innerhalb der K. -Gruppe zu finden. Es lasse sich kein Wille beider Vertragsparteien des Übernahmevertrages dahingehend feststellen, daß der Kläger trotz ausdrücklicher Nennung in der Anlage 6 nicht in den Genuß der Regelung des § 6 Abs. 3 des Übernahmevertrages kommen sollte. Der Aussage des Zeugen Dr. Br. könne nicht entnommen werden, die M. Zeitungsverlag GmbH & Co. KG habe eine Beschäftigung des Klägers in der K. -Gruppe nicht gewollt.

II.

Das angegriffene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Die Revision rügt zu Recht, daß die Feststellung des Berufungsgerichts, es lasse sich kein Wille beider Vertragsparteien des Übernahmevertrages dahingehend feststellen, daß der Kläger entgegen dem Wortlaut der vertraglichen Bestimmung nicht in den Genuß der Regelung des § 6 Abs. 3 des Übernahmevertrages kommen sollte, auf einem Verfahrensfehler beruht. Das Berufungsgericht hat, indem es die Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeugen Dr. Br. und Dr. B. anders als das Landgericht gewürdigt hat, ohne die Vernehmung der Zeugen zu wiederholen, gegen §§ 398 Abs. 1, 523 ZPO verstoßen.

Zwar steht es grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es einen in erster Instanz vernommenen Zeugen ein zweites Mal vernehmen will. Das pflichtgebundene Ermessen unterliegt aber Einschränkungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die erneute Vernehmung eines Zeugen erforderlich, wenn das Berufungsgericht dessen protokollierte Aussage anders verstehen oder werten will als die Vorinstanz (Senat, Urteil vom 8. Dezember 1999 - VIII ZR 340/98, NJW 2000, 1199 unter II 2 a m.w.Nachw.).

Das Landgericht ist aufgrund der Vernehmung der Zeugen Dr. Br. und Dr. B. davon überzeugt gewesen, daß das Fortbestehen des freien Mitarbeiterverhältnisses mit dem Kläger, da lediglich eine Verschlechterung seiner Lage durch die Geschäftsübernahme habe verhindert werden sollen, insbesondere und vorrangig von der Weitergewährung eines Zuschusses in der Größenordnung von 80.000 DM jährlich durch den Sponsor S. abhängig gewesen sei. Das Landgericht ist deshalb zu dem Ergebnis gelangt, die sogenannte Beschäftigungsgarantie sei zugunsten des Klägers nicht anwendbar, da die Weiterführung der Sponsorenverträge unstreitig nicht erfolgt sei. Dagegen hat der Kläger nach Auffassung des Berufungsgerichts unabhängig von der Weitergewährung eines Zuschusses durch einen Sponsor unmittelbar das Recht erworben, von der Beklagten zu verlangen, daß sie sich bemühe, für ihn Aufträge in ähnlichem Umfang und mit einer ähnlichen Tätigkeit wie bislang zu finden; denn, so führt das Berufungsgericht aus, etwas anderes folge auch nicht aus den Angaben des Zeugen Dr. Br. zur Frage der Verlängerung der Sponsorenverträge.

Das Berufungsgericht hat damit die Aussagen der Zeugen Dr. Br. und Dr. B. anders gewürdigt als das Landgericht. Dies war ohne eine erneute Vernehmung der Zeugen nicht zulässig.

2. Durchgreifend ist auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe sich nicht mit der Frage befaßt, ob dann, wenn sich die Beklagte in Erfüllung einer ihr etwa obliegenden Verpflichtung um eine Beschäftigung des Klägers bemüht hätte, der entsprechende Erfolg eingetreten wäre. Das Berufungsgericht hat sich zum Kausalzusammenhang zwischen einem Fehlverhalten der Beklagten und einer dadurch entgangenen Beschäftigung des Klägers nicht geäußert und ist auf das streitige Parteivorbringen hierzu nicht eingegangen; das wäre aber im Verfahren zum Grund des Anspruchs zu klären gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1977 - I ZR 132/75, NJW 1977, 1538 unter III 3).

III.

Da die angefochtene Entscheidung somit nicht verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist, ist sie aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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