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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.03.2002
Aktenzeichen: VIII ZR 292/00
Rechtsgebiete: VerbrKrG


Vorschriften:

VerbrKrG § 1 Abs. 1 (in der vor dem 1. Oktober 2000 geltenden Fassung)

Entscheidung wurde am 25.06.2002 korrigiert: das Datum im Verkündungsvermerk muß anstelle von 23. März 2002 richtig heißen 13. März 2002
Ist der Kredit für eine gewerbliche Tätigkeit bestimmt, die eine natürliche Person als Strohmann für einen anderen ausübt, ist der Strohmann grundsätzlich nicht Verbraucher.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 292/00

Verkündet am: 13. März 2002

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Ball, Wiechers, Dr. Wolst und Dr. Frellesen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 27. September 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Am 20. Dezember 1994/6. Januar 1995 schlossen die später in die Klägerin umgewandelte R. Leasing GmbH als Leasinggeberin und die D. - und B. GmbH als Leasingnehmerin einen Leasingvertrag über einen Personenkraftwagen Porsche 911. Zugleich übernahm der Beklagte zu 2, der damalige Geschäftsführer der Leasingnehmerin, neben dieser die gesamtschuldnerische Verpflichtung aus dem Vertrag.

Als die Leasingnehmerin, die sich inzwischen E & B D. und B. GmbH nannte, notleidend wurde, meldete die Beklagte zu 1, die damalige Lebensgefährtin des Beklagten zu 2, auf dessen Veranlassung am 27. August 1996 als Gewerbe die "Reinigung, Beschichtung und Sanierung von Dächern und Fassaden (keine Dachdeckerleistungen)" an. Durch "Beitrittserklärung" vom 16. Oktober 1996 trat sie "auf Seiten des o.a. Leasingnehmers als mithaftender Gesamtschuldner dem o.a. Leasingvertrag mit allen Rechten und Pflichten" bei. In dem von der Beklagten zu 1, dem Beklagten zu 2 für die Leasingnehmerin und einem Vertreter der Klägerin unterzeichneten Schriftstück heißt es unter anderem weiter, daß der "Vertragsbeitretende ... Besitzer des Leasingobjektes" sei. Neben der Angabe der Kontoverbindung der Beklagten zu 1 befindet sich der Stempelaufdruck "E. Dach & Fassade". Dieser Betrieb wurde nicht von der Beklagten zu 1 geführt, die sich in einer Selbstauskunft gegenüber der Klägerin als "Versicherungsfachfrau, selbständig" bezeichnete, sondern ausschließlich von dem Beklagten zu 2, der in der Gewerbeanmeldung auch als vertretungsberechtigte Person benannt war. Ausweislich des Fahrzeugbriefes wurde das Leasingfahrzeug am 14. Januar 1997 auf die Beklagte zu 1 an deren Wohnort mit dem Zusatz "E. Dach- u. Fass." und am 2. September 1997 an einem anderen Ort auf die Beklagte zu 1 ohne Zusatz umgemeldet.

Nach Ablauf des Leasingvertrages forderte die Klägerin die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 16. Januar 1998 auf, das Fahrzeug zurückzugeben und eine rückständige Leasingrate zu zahlen. Als die Beklagte zu 1 dem nicht nachkam, erstattete die Klägerin Strafanzeige wegen des Verdachts der Unterschlagung. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben, daß der Beklagte zu 2, der im Besitz des Kraftfahrzeugbriefes war, das Fahrzeug Ende Januar 1998 für 80.000 DM verkauft hatte. Er wurde deshalb strafrechtlich wegen Unterschlagung verurteilt. Das Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte zu 1 wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung der rückständigen Leasingrate und Leistung von Schadensersatz wegen Unmöglichkeit der Herausgabe des Leasingfahrzeugs in Anspruch genommen. Insgesamt hat sie nach teilweiser Klagerücknahme zuletzt Zahlung von 76.140,91 DM nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Der Beklagte zu 2 hat seine hiergegen gerichtete Berufung zurückgenommen. Auf die Berufung der Beklagten zu 1 hat das Oberlandesgericht die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 (im folgenden nur noch Beklagte) weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat, soweit in der Revisionsinstanz von Interesse, im wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stünden aus dem Beitritt der Beklagten zum Leasingvertrag weder Erfüllungs- noch Schadensersatzansprüche zu. Der Beitritt sei gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG formnichtig. Der persönliche Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes sei hier gemäß dessen § 1 Abs. 1 eröffnet. Ob das Leasingfahrzeug nach dem Inhalt der Beitrittserklärung für eine gewerbliche Nutzung der Beklagten bestimmt gewesen sei, könne dahinstehen. Die Beklagte sei nämlich als Existenzgründerin anzusehen. In der mündlichen Verhandlung habe die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, die rund sechs Wochen vor ihrem Beitritt zu dem Leasingvertrag erfolgte Gewerbe-Anmeldung auf Wunsch des früheren Beklagten zu 2 vorgenommen zu haben, um diesem nach der Insolvenz seines eigenen Unternehmens, der Leasingnehmerin, die Fortführung seiner Geschäfte einschließlich der Nutzung des Leasingfahrzeugs zu ermöglichen. Sie selbst habe das Unternehmen nicht betrieben und das Leasingfahrzeug nicht genutzt. Diese Darstellung werde dadurch bekräftigt, daß der frühere Beklagte zu 2 in der Gewerbe-Anmeldung als vertretungsberechtigte Person genannt werde. Aus der Selbstauskunft der Beklagten ergebe sich nichts anderes. Die Tatsache, daß die Beklagte danach möglicherweise bereits selbständig als Versicherungsfachfrau tätig gewesen sei, schließe es nicht aus, sie bei Aufnahme einer damit nicht im Zusammenhang stehenden neuen gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit als Existenzgründerin anzusehen. Auch die Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG greife nicht ein, da der Kreditbetrag zum Zeitpunkt des Beitritts der Beklagten zu dem Leasingvertrag 100.000 DM nicht überstiegen habe. Der sachliche Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes sei ebenfalls eröffnet, wobei dahingestellt bleiben könne, ob es sich bei der Vereinbarung vom 16. Oktober 1996 um einen Schuldbeitritt oder um eine Vertragsübernahme handele. Die Vereinbarung genüge nicht der Schriftform des § 4 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG in Verbindung mit § 126 Abs. 1 BGB. Die Beklagte habe unwidersprochen vorgetragen, daß ihre Erklärung der Klägerin nur per Fax zugegangen sei. Eine Heilung des Formmangels gemäß § 6 Abs. 2 VerbrKrG scheide aus, da diese Vorschrift nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 VerbrKrG auf Finanzierungsleasingverträge keine Anwendung finde. Die Berufung der Beklagten auf den Formmangel sei auch nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Nach den bisher getroffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht den von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachten Erfüllungsanspruch aus § 535 Satz 2 BGB (in der am 31. August 2001 geltenden Fassung) auf Zahlung der rückständigen Leasingrate für November 1997 in Höhe von 1.958 DM sowie den von ihr daneben eingeklagten Schadensersatzanspruch aus § 325 Abs. 1 BGB (in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung) wegen Unvermögens der Beklagten zur Rückgabe des Leasingfahrzeugs in Höhe von 74.182,91 DM, insgesamt 76.140,91 DM, zu Unrecht verneint. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, für den Beitritt der Beklagten vom 16. Oktober 1996 auf Seiten der E & B D. und B. GmbH zu deren Leasingvertrag mit der Klägerin vom 20. Dezember 1994/6. Januar 1995 gelte das Verbraucherkreditgesetz (in der gemäß § 19 VerbrKrG vor dem 1. Oktober 2000 geltenden Fassung) seinem persönlichen Anwendungsbereich nach.

1. Nach § 1 Abs. 1 VerbrKrG ist jede natürliche Person Verbraucher, es sei denn, daß der Kredit nach dem Inhalt des Vertrages für ihre bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit bestimmt ist. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob das geleaste Fahrzeug nach dem Inhalt der Beitrittsvereinbarung vom 16. Oktober 1996 für eine gewerbliche Nutzung der Beklagten im Rahmen der von ihr angemeldeten Firma E. Dach & Fassade bestimmt war. Daher ist hiervon in der Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin auszugehen.

Dem steht nicht entgegen, daß die Beklagte nach den auf ihren unwidersprochenen Angaben in der mündlichen Verhandlung beruhenden Feststellungen des Berufungsgerichts das Unternehmen E. Dach & Fassade nicht selbst betrieben, sondern diese Firma lediglich auf Wunsch des früheren Beklagten zu 2 angemeldet hat, um ihm nach der Insolvenz seines eigenen Unternehmens die Fortführung seiner Geschäfte einschließlich der Nutzung des Leasingfahrzeugs zu ermöglichen. Die Beklagte hat das Gewerbe am 27. August 1996 als eigenes angemeldet und bei einer Gewerbeummeldung vom 14. Januar 1997, in der sie eine Tätigkeit als Immobilienmaklerin etc. neu angegeben hat, als "weiterhin ausgeübt" bezeichnet. Selbst wenn die Beklagte, wie sie es bei ihrer Anhörung durch das Berufungsgericht auch ausgedrückt hat, nur die "Strohfrau" des früheren Beklagten zu 2 gewesen sein sollte, ist nicht ausgeschlossen, daß sie das Leasingfahrzeug im Rahmen der von ihr angemeldeten Firma gewerblich genutzt hat und deswegen in Bezug auf ihren Beitritt zum Leasingvertrag keine Verbraucherin ist. Das Vorschieben eines Strohmanns erfolgt im rechtsgeschäftlichen Verkehr nicht zum Schein. Vielmehr ist das Strohmann-Geschäft ernstlich gewollt, weil sonst der damit erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht oder nicht in rechtsbeständiger Weise erreicht würde. Daher ist ein solches Geschäft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Strohmann rechtlich bindend (zuletzt zum Beispiel Urteil vom 6. Dezember 1994 - XI ZR 19/94, WM 1995, 189 unter II 1; BGHZ 137, 329, 336 f, jew.m.w.Nachw.). Für eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung wie hier die Anmeldung eines Gewerbes durch die Beklagte gilt nichts anderes. Diese Anmeldung ist daher rechtswirksam; hierdurch ist die Beklagte selbst dann Gewerbetreibende geworden, wenn sie lediglich Strohmann des früheren Beklagten zu 2 gewesen sein sollte, weil sonst der mit der Gewerbe-Anmeldung verfolgte Zweck, dem früheren Beklagten zu 2 nach der Insolvenz seines eigenen Unternehmens die Fortführung seiner Geschäfte einschließlich der Nutzung des Leasingfahrzeugs zu ermöglichen, nicht rechtsbeständig erreicht worden wäre. Etwas anderes käme in Bezug auf die Beitrittsvereinbarung vom 16. Oktober 1996 allenfalls dann in Betracht, wenn die Klägerin Kenntnis davon gehabt hätte, daß die Beklagte lediglich als Strohmann für den früheren Beklagten zu 2 aufgetreten ist. Dafür fehlt es jedoch an Feststellungen des Berufungsgerichts.

2. Trotz der - unterstellten - Bestimmung des Leasingfahrzeugs zur gewerblichen Nutzung durch die Beklagte im Rahmen ihrer Firma E. Dach & Fassade hat das Berufungsgericht den persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes bejaht, weil die Beklagte als Existenzgründerin anzusehen sei. Gemeint ist damit, daß der durch die Überlassung des Leasingfahrzeugs gewährte Kredit nicht für eine "bereits ausgeübte" Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 VerbrKrG bestimmt war, sondern erst für deren Aufnahme im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG (vgl. dazu BGHZ 128, 156, 161 f). Dem kann nicht gefolgt werden.

Richtig ist nach den vorstehenden Ausführungen zwar, daß die Beklagte im Hinblick auf das von ihr angemeldete Gewerbe als Existenzgründerin anzusehen ist. Das gilt, wie das Berufungsgericht weiter zutreffend angenommen hat, unabhängig davon, ob die Beklagte bereits zuvor als Versicherungsfachfrau selbständig tätig war, weil diese Tätigkeit gegebenenfalls mit dem neu angemeldeten Gewerbe nicht im Zusammenhang stand und von diesem klar abgegrenzt war (vgl. BGHZ 128, 156, 162 f; Senatsurteil vom 22. Dezember 1999 - VIII ZR 124/99, WM 2000, 429 unter II 1 a m.w.Nachw.). Die Gewerbe-Anmeldung vom 27. August 1996 lag jedoch zum Zeitpunkt der Beitrittsvereinbarung vom 16. Oktober 1996 schon sieben (nicht nur sechs) Wochen zurück. Zu diesem Zeitpunkt übte die Beklagte das von ihr angemeldete Gewerbe entgegen der nicht näher begründeten Ansicht des Berufungsgerichts im Sinne des § 1 Abs. 1 VerbrKrG bereits aus.

Die Frage, von welchem Zeitpunkt an eine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit "bereits ausgeübt" ist, hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden. Im Schrifttum wird sie ganz überwiegend dahin beantwortet, daß bereits die Eröffnung eines Geschäftslokals beziehungsweise das Anbieten der Tätigkeit am Markt ausreicht (zum Beispiel Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Bearb. 2001, § 1 VerbrKrG Rdnr. 40; MünchKomm/Ulmer, BGB, 3. Aufl., § 1 VerbrKrG Rdnr. 26; Graf von Westphalen in Graf von Westphalen/Emmerich/von Rottenburg, VerbrKrG, 2. Aufl., § 1 Rdnr. 55; wohl auch Bülow, VerbrKrG, 4. Aufl., § 1 Rdnr. 42). Diese Frage bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Wie bereits oben (unter II 1) erwähnt, hat das Berufungsgericht aufgrund der eigenen Angaben der Beklagten festgestellt, daß ihre Gewerbe-Anmeldung dem früheren Beklagten zu 2 die Fortführung seiner Geschäfte nach der Insolvenz seines eigenen Unternehmens ermöglichen sollte. Danach kann schon allein wegen des Zeitablaufs von sieben Wochen seit der Gewerbe-Anmeldung kein Zweifel daran bestehen, daß die Beklagte unter der Firma E. Dach & Fassade zum Zeitpunkt der Beitrittsvereinbarung die angemeldete Tätigkeit in Fortführung der Geschäfte der E & B D. und B. GmbH bereits ausübte.

3. Rechtfertigen die bisher getroffenen Feststellungen mithin nicht die Annahme, daß die Beklagte bei Abschluß der Beitrittsvereinbarung vom 16. Oktober 1996 Verbraucherin im Sinne des § 1 Abs. 1 VerbrKrG war, und findet das Verbrauchergesetz daher insoweit keine Anwendung, kommt es nicht darauf an und kann deswegen dahingestellt bleiben, ob die Formvorschriften dieses Gesetzes gewahrt sind.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf, ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif. Daher sind das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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