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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.03.1998
Aktenzeichen: VIII ZR 298/97
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 4 |
Zur Frage der Anwendbarkeit von § 4 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf Vorfälligkeitszinsen.
BGH, Beschluß vom 25. März 1998 - VIII ZR 298/97 - OLG Hamburg LG Hamburg
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
25. März 1998
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Zülch, Dr. Beyer, Dr. Leimert und Wiechers
am 25. März 1998
beschlossen:
Der Antrag des Klägers, den Wert der Beschwer auf 66.615 DM festzusetzen, wird abgelehnt.
Gründe:
I. Der Kläger macht Zahlungsansprüche aus einem nach seinem Vorbringen zwischen den Parteien zustande gekommenen Kaufvertrag über einen antiken Schrank geltend. Er stützt sich auf eine Vertragsurkunde mit Datum vom 20. November 1991, in der es u.a. heißt:
"Der Kaufpreis beträgt DM 48.000 (i. W. achtundvierzigtausend Deutsche Mark). Der Kaufpreis zzgl. evtl. noch offener Zinsen ist fällig spätestens am 20.11.1994. Jeweils am 20.11. zahlt der Käufer an die Verkäufer DM 6.205,- Zinsen für die Stundung des Kaufpreises.
Der Käufer ist jederzeit berechtigt, den Kaufpreis vor Fälligkeit zu tilgen."
Aufgrund dieser Vertragsklausel begehrt der Kläger die Zahlung von 66.615 DM, nämlich den Kaufpreis von 48.000 DM und die am 20. November 1992, 1993 und 1994 fälligen "Zinsen" in Höhe von (3 x 6.205,- DM =) 18.615 DM nebst weiteren gestaffelten Verzugszinsen.
Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos. Das Oberlandesgericht hat den Wert der Beschwer des Klägers auf 48.000 DM festgesetzt. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu: "Der 48.000 DM übersteigende Klaganspruch ist nach der Kaufvertragsurkunde ein Zinsanspruch und deshalb bei der Berechnung der Beschwer nicht zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 1 ZPO)".
Der Kläger beantragt, den Wert seiner Beschwer auf 66.615 DM festzusetzen.
II. Der Antrag ist nicht begründet.
Nach § 4 Abs. 1 2. Halbs. ZPO bleiben für die Wertberechnung Zinsen unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.
Entsprechend dem Wortlaut und dem erkennbaren Sinn des Vertragstextes sieht das Oberlandesgericht den in der Klagforderung enthaltenen Teilbetrag von 18.615 DM als "Zinsen für die Stundung des Kaufpreises" für die Dauer von drei Jahren an. Daß der Kaufpreis von 48.000 DM nach dem Vertragstext für die Dauer von höchstens drei Jahren gestundet werden sollte, steht außer Zweifel. Bei dem Betrag von (3 x 6.205 DM =) 18.615 DM handelt es sich somit um das Entgelt dafür, daß die Beklagte den Kaufpreis für einen nach dem Vertragstext schon angelieferten Schrank erst drei Jahre nach Abschluß des angeblichen Kaufvertrages entrichten mußte, also die Möglichkeit der zwischenzeitlichen Nutzung dieses Betrages hatte, während umgekehrt der Kläger auf die entsprechende Nutzungsmöglichkeit verzichtete. "Zinsen" im Rechtssinne sind - jedenfalls auch - das Entgelt für die Nutzung oder die Möglichkeit der Nutzung eines Kapitals (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 4 Rdnr. 22; MünchKomm-ZPO/Lappe, § 4 Rdnr. 37; Zöller/Herget, ZPO, 20. Aufl., § 4 Rdnr. 11; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 9. Aufl., § 18 B III = S. 87).
Der Hinweis der Revision, daß hier die "Zinsen" vor Fälligkeit der Hauptforderung zu zahlen seien, ändert daran nichts. In der Stundung einer Forderung liegt stets das Herausschieben ihrer Fälligkeit (Palandt/Heinrichs, BGB, 57. Aufl., § 271 Rdnr. 12; MünchKomm/Keller, BGB, 3. Aufl., § 271 Rdnr. 21). Eine Stundung kann bereits bei Vertragsschluß vereinbart werden. Voraussetzung ist nur, daß die Forderung - im Gegensatz zur aufschiebenden Befristung (§ 163 BGB) - bereits entstanden ist und erfüllbar bleibt. Daß dies der Fall ist, ergibt sich aus dem Kaufvertrag, welcher der Beklagten ausdrücklich ein Tilgungsrecht vor Fälligkeit der Forderung einräumt. Der Zinscharakter der Stundungszinsen ist, soweit ersichtlich, noch niemals bezweifelt worden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Revision angezogenen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Februar 1995 (V ZR 244/93 = WM 1995, 1027, 1028). Die Entscheidung befaßt sich mit dem Rechtsgrund für eine Verpflichtung zur Zahlung von sogenannten Vorfälligkeitszinsen in einem Vorkaufsfall, die der Senat dort als "weitere Gegenleistung" neben dem Kaufpreis angesehen hat. Ob sich daraus etwas für den Zinscharakter im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 ZPO herleiten ließe, kann dahingestellt bleiben. Im hier zu entscheidenden Fall handelt es sich um die Verzinsung des Kaufpreises, den die Beklagte erst drei Jahre nach Erhalt der Kaufsache leisten mußte. Daß im übrigen eine schon vor Fälligkeit der Hauptschuld beginnende Verzinsungspflicht nur durch besondere Vereinbarung begründet werden kann, ändert am Zinscharakter der entsprechenden Zahlungen nichts, denn die Regelung des § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO erfaßt sowohl gesetzliche wie vertragliche Zinsen (Stein/Jonas/Roth aaO Rdnr. 22; MünchKomm-ZPO/Lappe, § 4 Rdnr. 37 a.E.; Wieczorek/Schütze/Gamp, ZPO, 3. Aufl., § 4 Rdnr. 35; Thomas/Putzo, ZPO, 20. Aufl., § 4 Rdnr. 8; Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozeß, 11. Aufl., Rdnr. 3257; Brox Rpfl. 1967, 350, 351).
Die vom Kläger geforderten Zinsen in Höhe von insgesamt 18.615 DM sind eine "Nebenforderung" der Kaufpreisforderung als Hauptforderung, denn sie sind nicht ohne weiteres kraft Gesetzes in der Hauptforderung enthalten, sondern haben einen eigenen Entstehungsgrund (hier: Parteivereinbarung) und sind unselbständig, d.h. in ihrer Entstehung vom Bestand der Hauptforderung abhängig (BGH, Urteil vom 21. Januar 1976 - IV ZR 123/74 = DB 1976, 1220 - VersR 1976, 477 = MDR 1976, 649; vgl. auch Stein/Jonas/Roth aaO § 4 Rdnr. 17; Hillach/Rohs aaO § 18 A I = S. 84).
Die Zinsen werden vom Kläger auch als Nebenforderungen "geltend gemacht", denn er verlangt sie neben der Kaufpreisforderung als Hauptforderung und für einen Zeitraum, innerhalb dessen nach seinem Vorbringen auch die Hauptforderung bestand (vgl. Stein/Jonas/Roth aaO Rdnr. 25 und 28; MünchKomm-ZPO/Lappe § 4 Rdnr. 28-31; Hillach/Rohs aaO; Schneider/Herget aaO Rdnr. 3260-3262). Ob der Gläubiger die Höhe der Zinsforderung durch einen Prozentsatz der Hauptforderung für einen bestimmten Zeitraum oder aber - wie hier - durch einen festen, bezifferten Betrag bezeichnet, ist für die Frage der Geltendmachung als Nebenforderung ohne Belang (BGH, Beschlüsse vom 18. Januar 1995 - XII ZB 204/94 - NJW-RR 1995, 706, 707; vom 10. Mai 1962 - VII ZR 104/61 = KostRspr. ZPO, § 4 Nr. 2 und vom 19. März 1956 - II ZR 63/56 = LM ZPO § 4 Nr. 5 = NJW 1956, 830; vgl. auch Stein/Jonas/Roth aaO § 4 Rdnrn. 22 und 28; Zöller/Herget aaO § 4 Rdnr. 11, Thomas/Putzo aaO § 4 Rdnr. 9).
Ende der Entscheidung
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