Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.03.2006
Aktenzeichen: VIII ZR 320/04 (1)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 321a
ZPO § 552 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VIII ZR 320/04

vom 14. März 2006

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Wiechers, Dr. Wolst sowie die Richterin Hermanns

beschlossen:

Tenor:

Die Anhörungsrüge der Beklagten gegen den Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Gewährleistungsansprüche aus der Lieferung von 300.700 Alu-Leichtbehälter-Dosen mit Grießspeise zu 150 g geltend gemacht, die zur Versorgung von Bundeswehrangehörigen bestimmt waren. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben mit der Begründung, die gelieferten Waren seien wegen des während des Haltbarkeitszeitraums nicht auszuräumenden Verdachts einer gesundheitsschädlichen Beschaffenheit mangelhaft; der Verdacht ergebe sich daraus, dass der Kaschierkleber, mit dem die Innenbeschichtung der Dosen befestigt sei, den chemischen Stoff Bisphenol A Diglycidyl Ether (BADGE) in einer Menge enthalte, die den in der Richtlinie 2002/16/EG der Kommission vom 20. Februar 2002 (über die Verwendung bestimmter Epoxyderivate in Materialien und Gegenständen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, Amtsbl. L 51 vom 22.2.2002, S. 27) festgelegten Grenzwert von 1 mg/kg überschreite. Die dagegen gerichtete Revision, mit der die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage begehrt hat, hat der Senat gemäß § 552 a ZPO nach einem vorherigen Hinweis an die Beklagte und deren Stellungnahme dazu durch Beschluss vom 20. Dezember 2005 einstimmig zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte mit einer Anhörungsrüge.

II.

Die gemäß § 321a ZPO zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 96, 205, 216 f.; 72, 119, 121; 11, 218, 220). Der Senat hat in dem Beschluss vom 20. Dezember 2005 unter Bezugnahme auf die Begründung des Hinweises vom 12. Oktober 2005 (§§ 552a Satz 2, 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und unter Auseinandersetzung mit den Einwänden der Beklagten in ihrer dazu abgegebenen Stellungnahme vom 4. November 2005 die von der Beklagten erhobenen Angriffe gegen das Berufungsurteil in vollem Umfang daraufhin geprüft, ob sie die Erfolgsaussicht der Revision rechtfertigen, sie aber nicht für durchgreifend erachtet.

Mit ihrer Anhörungsrüge macht die Beklagte geltend, der Senat habe ihren Einwand, das Berufungsgericht hätte nach den einschlägigen Rechtsvorschriften statt des Grenzwertes von 1 mg/kg den für füllbare Bedarfsgegenstände mit einem Fassungsvermögen von weniger als 500 ml maßgeblichen und von der Beklagten eingehaltenen Grenzwert von 1 mg/6 dm2 zugrunde legen müssen, nicht mit der Begründung zurückweisen dürfen, zum Fassungsvermögen der Dosen sei in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen gewesen (§ 559 Abs. 1 ZPO). Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Dosen mit einer Masse von 150 g geschuldet gewesen und geliefert worden seien, sei offenkundig, dass die Dosen ein Fassungsvermögen von weniger als 500 ml hätten. Diese Rüge begründet keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten - wie hier zu der geschuldeten Masse von 150 g - aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfGE 96, 205, 216 f.; 70, 288, 294; 21, 191, 194). Das Gericht ist ferner nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; 22, 267, 274). Der Senat hat bei seinem Beschluss den als übergangen gerügten, mit Schriftsatz vom 27. Juli 2005 - außerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b ZPO) - gehaltenen Vortrag der Beklagten bedacht und nicht für durchgreifend erachtet.

Die Masse von 150 g je Dose ist als solche auch nach Auffassung der Beklagten für die Entscheidung über die gesundheitliche Bedenklichkeit oder Unbedenklichkeit der vorhandenen BADGE-Konzentration unerheblich. Dass der Senat es als verfahrensrechtlich nicht geboten angesehen hat, aus dem Sachvortrag zur Masse auf ein - rechtlich erhebliches - bestimmtes Maximalvolumen der Dosen zu schließen, stellt entgegen der Auffassung der Beklagten keine willkürlich überhöhten Anforderungen an die dieser in den Tatsacheninstanzen obliegende Vortrags- und Substantiierungslast. Die Parteien haben in den Tatsacheninstanzen ausschließlich zu einem Grenzwert von 1 mg/kg vorgetragen und damit in tatsächlicher Hinsicht konkludent ein Fassungsvermögen von mindestens 500 ml vorausgesetzt. Der Tatrichter musste auch nicht erkennen, dass dies möglicherweise auf einem Versehen beruhte. Da der abweichende Grenzwert von 1 mg/6 dm2 für füllbare Bedarfsgegenstände mit einem Fassungsvermögen von weniger als 500 ml im Anhang I der Richtlinie 2002/16/EG unter Verweis auf Artikel 4 der Richtlinie 90/128/EWG der Kommission vom 23. Februar 1990 (über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, Amtsbl. L 75 vom 21.3.1990, S. 19) unmittelbar im Anschluss an den im übrigen geltenden Grenzwert von 1 mg/kg geregelt ist, war eher fern liegend, dass die Beklagte und ihre Streithelferin, bei denen eine besondere Sachkunde vorausgesetzt werden konnte, diese Sonderregelung bei ihrem Vortrag schlicht übersehen haben könnten.

Ende der Entscheidung

Zurück