Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 28.04.1999
Aktenzeichen: VIII ZR 354/97
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 89 b
HGB § 89 b

Zum Ausgleichsanspruch eines im sogenannten Rotationssystem eingesetzten Handelsvertreters.

BGH, Urteil vom 28. April 1999 - VIII ZR 354/97 - OLG Hamburg LG Hamburg


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 354/97

Verkündet am: 28. April 1999

Zöller, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Urteil berichtigt durch anliegenden Senatsbeschluß vom 19. Mai 1999

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 1999 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Zülch, Dr. Beyer, Dr. Leimert und Wiechers

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 8. Zivilsenat, vom 19. November 1997 aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufungen der Parteien im übrigen das Urteil der Kammer 18 für Handelssachen des Landgerichts Hamburg vom 2. Mai 1996 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 102.989,13 DM nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 7. Juli 1993 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 3/5, der Kläger 2/5.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von den Beklagten, von denen die Beklagte zu 2) die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1) ist, die Zahlung eines Ausgleichs gemäß § 89 b HGB in Höhe von 170.000 DM.

Der Kläger war aufgrund von jährlich neu abgeschlossenen Handelsvertreterverträgen nebst individuell gehaltener Anlagen - aus denen sich sein jeweils wechselnder Arbeitsbereich ergab - mit der erstbeklagten Kommanditgesellschaft im Rahmen eines sogenannten Rotationssystems damit betraut, Aufträge gewerblicher Unternehmen für Eintragungen in die von der Beklagten zu 1) verlegten - und dem Kläger ebenfalls jeweils im einzelnen zugewiesenen - Werke (amtliche Telefonbücher, Branchenverzeichnisse, Firmenhandbücher u.a.) zu vermitteln. Seine Vergütung bestand in einer am Nettoumsatz orientierten Provision für von ihm selbst vermittelte Aufträge sowie zusätzlichen Leistungsprämien. Mit Anwaltsschreiben vom 7. Juli 1993 lehnte er das Angebot der Beklagten zu 1) auf Unterzeichnung eines Handelsvertretervertrages für das Geschäftsjahr 1993/94 wegen der darin vorgesehenen Art und Weise der Provisionsabrechnung ab und kündigte Ansprüche auf Ausgleich an.

Das Landgericht hat zunächst durch Grundurteil über die Klageforderung entschieden. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Senat hat die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen (Urteil vom 13. Dezember 1995 - VIII ZR 61/95 = WM 1996, 877). Sodann hat das Landgericht der Klage in Höhe von 97.393 DM nebst Zinsen - unter Abweisung im übrigen - stattgegeben. Auf das Rechtsmittel des Klägers hat das Berufungsgericht diesem, unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten, die begehrten 170.000 DM nebst Zinsen zugesprochen. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe ein Ausgleichsanspruch zu, der nur durch den Höchstbetrag gemäß § 89 b Abs. 2 HGB beschränkt sei.

Die jährlich neu abgeschlossenen Handelsvertreterverträge seien Kettenverträge, durch die zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) ein einheitliches und unbefristetes Handelsvertreterverhältnis zustande gekommen sei. Durch die Ablehnung der neuen Vertragsofferte, die einer Eigenkündigung gleichstehe, sei der Ausgleichsanspruch nicht ausgeschlossen. Die Beklagte zu 1) habe für die Beendigung des Vertragsverhältnisses einen begründeten Anlaß gegeben.

Trotz des Einsatzes des Klägers im Rahmen eines sogenannten Rotationssystems fänden die von der Literatur und Rechtsprechung für die Feststellung der Unternehmervorteile und Provisionsverluste des Handelsvertreters entwickelten Rechenvorgänge Anwendung. Zwar könne ein konkreter Provisionsverlust nicht eintreten, da der Handelsvertreter aufgrund des fortlaufenden Einsatzwechsels voraussichtlich mit den von ihm geworbenen Kunden ohnehin nicht mehr in Kontakt gekommen wäre. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, daß dem Unternehmer die vom Handelsvertreter erarbeiteten Vorteile in jedem Fall ausgleichslos verblieben. Diese seien dergestalt zu errechnen, daß von der Gesamtzahl der von dem Handelsvertreter im Laufe seiner Tätigkeit im jeweiligen Geschäftsjahr geworbenen Neukunden, gekürzt um die jeweilige Abwanderungsquote, auszugehen sei, um ermitteln zu können, wieviel Prozent der Neukunden aus den einzelnen Geschäftsjahren im Geschäftsjahr 1992/93 noch verblieben seien. Der Kläger habe durch Aufschlüsselung der von ihm vermittelten neuen Aufträge nach Jahrgängen, Werken und einzelnen Kunden in ausreichendem Maße seine Umsätze mit Neu- und intensivierten Altkunden sowie die daraus herrührenden Provisionen dargetan. Dies hätten die Beklagten ebensowenig substantiiert bestritten wie die vom Kläger errechnete Abwanderungsquote. Der unter Zugrundelegung eines angemessenen Prognosezeitraums von sechs Jahren ermittelte Ausgleichsanspruch, sei auch nicht unter Billigkeitsgesichtspunkten herabzusetzen. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, daß der Kläger die Vertragsofferte für das Geschäftsjahr 1993/94 deshalb abgelehnt habe, weil er ein anderes Betätigungsfeld gefunden habe.

Unter Berücksichtigung der Abzinsung und der Mehrwertsteuer ergebe sich ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 356.551,40 DM. Dieser übersteige den errechneten Höchstbetrag von 170.179,60 DM, so daß dem Kläger die begehrten 170.000 DM zuzusprechen seien.

II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung in einem Punkt nicht stand.

1. Zu Recht geht das Berufungsgericht freilich davon aus, daß der Ausgleichsanspruch nicht durch "Eigenkündigung" des Klägers gemäß § 89 b Abs. 3 Satz 1 1. Alternative HGB in der bis zum 31. Dezember 1989 Fassung (Art. 29 EGHGB) ausgeschlossen ist.

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Dezember 1995 (aaO) ausgeführt hat, sind die jährlich zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) neu abgeschlossenen Formularverträge mit Anlagen als Kettenverträge zu werten, durch die ein Handelsvertreterverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet wurde, und ist die in der Ablehnung der Vertragsofferte liegende Weigerung des Klägers, das Handelsvertreterverhältnis über den Schluß des Geschäftsjahres 1992/93 hinaus fortzusetzen, rechtlich einer Eigenkündigung gleichzustellen. Der Senat hat schon die seinerzeitige Annahme des Berufungsgerichts, der Ausgleichsanspruch sei nicht ausgeschlossen, weil das Verhalten der Beklagten zu 1) begründeten Anlaß zu der Ablehnung der Vertragsofferte durch den Kläger gegeben habe, als rechtsfehlerfrei befunden. Das Festhalten des Berufungsgerichts an dieser Würdigung bei seiner nunmehrigen Entscheidung, auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Beklagten, läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Bewertung des Unternehmerverhaltens als begründeter Anlaß für die Kündigung des Handelsvertreters ist im wesentlichen tatsächlicher Natur und deswegen vom Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbar. Das Berufungsgericht ist vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen der Parteien in den beiden Vorjahren - die die Einbeziehung der in den neuen Bundesländern erzielten geringen Umsätze in die Abrechnung für die Leistungsprämie betrafen - zu der Auffassung gelangt, die neue Offerte der Beklagten zu 1) sei für den Kläger nach Treu und Glauben nicht akzeptabel gewesen, weil dieser im Geschäftsjahr 1993/94 durch eine Gesamtabrechnung der Gefahr erheblicher Umsatzverluste ausgesetzt gewesen wäre. Dies stellt eine zumindest vertretbare tatrichterliche Würdigung dar. Die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).

2. Ebenfalls zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß dem Kläger trotz seines Einsatzes innerhalb eines sogenannten Rotationssystems ein Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB zusteht.

a) Das Gesetz enthält in § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 HGB für die Ermittlung des Ausgleichsanspruchs nur allgemeine Vorgaben, indem es darauf abstellt, daß dem Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden auch nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile verbleiben und der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provisionen verliert, die er bei dessen Fortsetzung aus Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte.

b) In der Praxis hat sich dabei folgendes Verfahren herausgebildet:

Für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters sind als Bemessungsgrundlage grundsätzlich diejenigen Provisionen heranzuziehen, die er im Laufe der letzten zwölf Monate seiner Tätigkeit vor Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses verdient hat (BGH, Urteil vom 6. August 1997 - VIII ZR 150/96 = WM 1998, 31 unter B I 1; BGH, Urteil vom 14. April 1983 - I ZR 20/81 = NJW 1983, 2877 unter II 2). Lediglich dann, wenn das letzte Vertragsjahr einen atypischen Verlauf genommen hat, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines anderen Zeitraums gebildet werden (BGHZ 135, 14, 23). Daß ein derartiger Sonderfall gegeben sei, wird von der Revisionserwiderung nicht geltend gemacht.

Als Berechnungsgrundlage ist nur derjenige Teil dieser Provisionen zu berücksichtigen, welcher aus Geschäften mit vom Handelsvertreter geworbenen Kunden herrührt, die entweder mehr als einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder bei welchen innerhalb eines überschaubaren, in seiner Entwicklung noch abschätzbaren Zeitraums mit weiteren Geschäften zu rechnen ist, denn nur mit diesen Kunden besteht eine Geschäftsbeziehung im Sinne des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB (BGH, Urteile vom 6. August 1997 - VIII ZR 92/96 = WM 1998, 25 unter B I 2; - VIII ZR 150/96 aaO unter B I 1; vom 15. Oktober 1992 - I ZR 173/91 = WM 1993, 392 unter II 1; vom 25. Oktober 1994 - I ZR 104/82 = WM 1985, 229 unter II 1 a). Weiter ist, da die Provisionsverluste infolge der Vertragsbeendigung eingetreten sein müssen (§ 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2), nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum einen das Fortbestehen des Vertragsverhältnisses (st.Rspr. seit BGHZ 24, 223, 227; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1997 - VIII ZR 329/96 = WM 1998, 725 unter II 1 m.w.Nachw.; vgl. Staub/Brüggemann, HGB, 4. Aufl., § 89 b Rdnr. 58), zum anderen die gleichbleibende Tätigkeit des Handelsvertreters zu fingieren. Dabei hat die Aussicht des Klägers, weitere Kunden zu werben, außer Betracht zu bleiben, weil nur die Leistung, die in der Gewinnung eines Kunden für den Unternehmer besteht, zu vergüten ist (BGHZ 135, 14, 21 m.w.Nachw.).

c) Die Anwendung dieser Grundsätze würde bei der von der Beklagten zu 1) und dem Kläger gewählten Vertragsgestaltung im vorliegenden Fall dazu führen, daß dem Kläger bei Vertragsende überhaupt kein Ausgleichsanspruch zusteht. Bei Fortsetzung des Vertragsverhältnisses hätte der Kläger keine Provisionen mit von ihm geworbenen Kunden mehr erzielt. Wegen der Rotation (§ 1 Nr. 1 und 2 des Handelsvertretervertrages), also des ständigen Wechsels und der damit verbundenen kurzfristigen Tätigkeit innerhalb eines Bereichs, wäre er mit von ihm während der Vertragszeit geworbenen Kunden nicht mehr in Kontakt gekommen. Folgeprovisionen (§ 87 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative HGB) hätte er ebenfalls nicht erhalten. Diese sind durch § 4 Nr. 1 Satz 1 des Handelsvertretervertrages ausgeschlossen. Danach steht dem Handelsvertreter während der Vertragsdauer nur ein Provisionsanspruch für die von ihm selbst vermittelten Aufträge zu. Der Provisionsverlust infolge der Vertragsbeendigung ist deshalb für den im Rotationsverfahren beschäftigten Handelsvertreter allein in dem Wegfall der Möglichkeit begründet, in einem neuen Tätigkeitsbereich Aufträge mit den - von einem anderen Handelsvertreter betreuten - übernommenen Kunden zu vermitteln sowie weitere neue Kunden zu werben. Dieser wäre nicht auszugleichen.

d) Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß ein solches Ergebnis mit dem Rechtsgedanken des § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB nicht vereinbar wäre (vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Oktober 1984 - I ZR 104/82 = WM 1985, 229 unter II 3). Bei seiner Suche nach anderen Wegen der Berechnung des Ausgleichsanspruchs hat es insbesondere auf den Gesichtspunkt der Mitursächlichkeit der Tätigkeit des Handelsvertreters für die Entstehung der Unternehmervorteile abgestellt und dabei alle vom Kläger im Laufe seiner Tätigkeit geworbenen Kunden, die in einem überschaubaren Zeitraum, in dem üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen ist, mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder voraussichtlich abschließen werden, in die Berechnung des Ausgleichsanspruchs einbezogen. Es hat daher als Bemessungsgrundlage alle vom Kläger im Laufe der Vertragsdauer für das jeweilige Vertragsjahr erzielten Provisionen mit von ihm geworbenen Kunden berücksichtigt und auf dieser Grundlage, nach Abzug einer Abwanderungsquote, die Provisionsverluste prognostiziert.

e) Der vom Berufungsgericht gewählte Ansatz wird indessen den beiderseitigen Interessen nicht hinreichend gerecht. Mögen auch bei der Ermittlung des Ausgleichs Fiktionen - wie das Fortbestehen des Vertragsverhältnisses bei gleichbleibender Tätigkeit des Handelsvertreters bei seinen Kunden (BGHZ 24, 223, 227; BGH, Urteil vom 10. Dezember 1997 - VIII ZR 329/96 aaO) - unvermeidlich sein, so entfernt sich die Berechnungsweise des Berufungsgerichts doch zu weit von derjenigen Situation, die die Parteien durch die gewählte Vertragsgestaltung selbst geschaffen haben. Werden alle Provisionen, die der Kläger während seiner Tätigkeit mit von ihm geworbenen Kunden erzielt hat, in die Berechnung des Ausgleichsanspruchs eingestellt, so werden entweder auch Folgeprovisionen eingerechnet, nämlich Provisionen aus solchen Geschäften, die nicht unmittelbar vom Handelsvertreter vermittelt wurden, sondern aus Aufträgen herrühren, für die seine Tätigkeit nur mitursächlich war; damit würde der vertraglich vereinbarte Ausschluß von Folgeprovisionen gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative HGB außer acht gelassen. Oder aber es würde eine Vermittlungstätigkeit des Klägers vorausgesetzt, die derart intensiv ausgestaltet wäre, daß sie von ihm - da auch ein übernommener Altkundenbestand zu unterstellen ist und die während der achtjährigen Vertragsdauer von ihm geworbenen Mehrfachkunden (abzüglich der Abwanderungsquote) hinzukommen - tatsächlich niemals hätte geleistet werden können. Die Auffassung des Berufungsgerichts hätte zur Folge, daß nicht nur die Nachteile ausgeglichen würden, die der Handelsvertreter durch die Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses erleidet, sondern auch und - bei einer langjährigen Tätigkeit - vor allem diejenigen, die er bereits während der Dauer des Handelsvertreterverhältnisses erlitten hat. Der Ansatz des Berufungsgerichts geht daher weit über den Provisionschancenstatus quo ante hinaus (Staub/Brüggemann aaO Rdnr. 58 f) und gestaltet das Vertragsverhältnis - auch für die Vergangenheit, wegen der darin begründeten Provisionserwartung - völlig um. Das widerspricht der Zielsetzung des Ausgleichsanspruchs (vgl. BT-Drucks. 1/3856 S. 35; Küstner, BB Beilage 12/85 S. 12 unter Bezugnahme auf Brüggemann aaO).

f) Der Eigenart des Vertragsverhältnisses der Parteien und damit einer angemessenen Berücksichtigung ihrer Interessen wird demgegenüber eine Berechnung gerecht, die von der Fiktion ausgeht, daß der Kläger nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses diejenigen Bereiche, die er im letzten Jahr seiner Tätigkeit betreut hat, weiter betreuen wird. Damit sind die in diesem Zeitraum geworbenen Kunden als die vom Kläger geworbenen Kunden im Sinne des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB anzusehen.

Hierfür spricht, daß das Vertragsgefüge für die Vergangenheit erhalten bleibt. Die "Abänderung" des fingierten Vertragsverhältnisses für die Zukunft - es wäre immer wieder, wie auch in den Vorjahren, zu Änderungen gekommen - ist unter der Berücksichtigung der Billigkeit des Ausgleichsanspruchs (st.Rspr., vgl. BGHZ 45, 385, 386) hinzunehmen. Sie läßt sich sowohl mit der hypothetischen Formulierung des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB (BGHZ 24, 223, 227) als auch mit dem Umstand, daß der Ausgleichsanspruch erst mit der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses entsteht (BGH, Urteil vom 6. August 1996 - VIII ZR 92/96 aaO unter B I 3 a), in Einklang bringen.

3. Zutreffend gehen sowohl das Berufungsgericht als auch die Revision davon aus, daß bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs für das Geschäftsjahr 1992/93 - das letzte Jahr seiner Tätigkeit für die Beklagten - nur der Teil der Provisionen zu berücksichtigen ist, den der Kläger für Umsätze mit den von ihm geworbenen Neu- und die diesen gleichgestellten Kunden (§ 89 Abs. 1 Satz 2 HGB) erhalten hat, bei welchen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen ist (BGH, Urteile vom 6. August 1997 - VIII ZR 92/96 aaO unter B I 2 a - VIII ZR 150/96 aaO unter B I 1 a).

a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, daß alle vom Kläger als Neukunden und intensivierte Altkunden bezeichnete Kunden, also alle Erstkunden, die dieser in diesem Geschäftsjahr geworben haben will, bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs einzubeziehen seien, hält den Angriffen der Revision stand.

Zutreffend geht die Vorinstanz davon aus, der Kläger habe für das Geschäftsjahr 1992/93 ausreichend dargelegt, daß er geschäftliche Beziehungen zwischen Kunden und Unternehmer hergestellt bzw. die Geschäftsverbindung mit Altkunden so wesentlich erweitert habe, daß dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspreche. In der von ihm vorgelegten, dieses Geschäftsjahr betreffenden Aufstellung sind, geordnet nach Kunden und Werken, die den jeweiligen Neukunden zugeordneten Umsätze sowie die im einzelnen errechneten - über 100 % liegenden - Umsatzsteigerungen mit Altkunden aufgeführt. Auch die Revision erhebt insoweit keine Bedenken. Ihre Rüge, das Oberlandesgericht habe hinsichtlich einzelner Kunden weder das Bestreiten der Neukundeneigenschaft noch das der erheblichen Intensivierung der Geschäftsbeziehung mit Altkunden als unsubstantiiert unberücksichtigt lassen dürfen, ist nicht begründet.

aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Begriff des Neukunden sei branchenbezogen; deshalb müsse ein Kunde, der bisher schon mit dem Unternehmer in Geschäftsbeziehungen gestanden habe, auch dann als Neukunde angesehen werden, wenn er für einen anderen Geschäftszweig neu gewonnen werde. Dies ist frei von Rechtsfehlern und wird von der Revision nicht beanstandet. Die hierauf aufbauende Bewertung, daß ein vom Handelsvertreter geworbener Kunde für ein von der Beklagten zu 1) verlegtes Werk auch dann als Neukunde zu betrachten sei, wenn er bereits früher in anderen Werken des Verlags Anzeigen schalten ließ, ist im wesentlichen tatsächlicher Natur und deshalb nur beschränkt überprüfbar. Das Berufungsgericht stellt erkennbar darauf ab, daß es sich bei den verschiedenen Werken um voneinander unabhängige Objekte handelt, die es dem Kunden ermöglichen, mit seiner Anzeige selbst einen neuen und damit anderen Kundenkreis anzusprechen (vgl. Küstner/von Manteuffel/Evers, Handbuch des gesamten Außendienstrechts Bd. 2, 6. Aufl., Rdnr. 500). Dies ist angesichts der örtlichen Verbreitung von Telefonbüchern und des unterschiedlichen Adressatenkreises von Telefon- und Firmenhandbüchern sogar naheliegend. Der Hinweis der Beklagten, einige dieser Kunden hätten in der Vergangenheit lediglich in einem anderen Werk oder sogar in demselben Werk, wenn es sich nicht um das des Vorjahres gehandelt habe, inseriert, ist nicht geeignet, die auf dem substantiierten Vorbringen des Klägers aufbauende Wertung des Berufungsgerichts in Frage zu stellen. Das pauschale Vorbringen der Beklagten läßt nicht erkennen, in welchen Werken und gegebenenfalls wann die von ihr genannten Kunden bereits vor der Betreuung durch den Kläger Anzeigen geschaltet haben. Da sich diese Umstände im Wahrnehmungsbereich der Beklagten abgespielt haben, wären ihr nähere Angaben möglich und auch zumutbar gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1998 - VI ZR 388/97 = NJW 1999, 714 unter II 2 m.w.Nachw.).

bb) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch das Vorbringen der Beklagten, in vielen Fällen habe der Kläger den Umsatz mit Altkunden deswegen nicht um 100 % erhöht, weil er bei seiner Berechnung eine Preissteigerung von durchschnittlich 4,5 % pro Jahr nicht berücksichtigt habe, so daß diese Kunden einem Neukunden nicht gleichgestellt werden könnten, als unsubstantiiert nicht berücksichtigt. Die auf tatrichterlicher Würdigung beruhende Auffassung des OLG, eine der Werbung von Neukunden gleichzustellende wesentliche Intensivierung der Geschäftsbeziehung mit Altkunden im Sinne von § 89 b Abs. 1 Satz 2 HGB liege dann vor, wenn und soweit der Kläger mit Altkunden in dem Zeitraum zwischen Übernahme und Abgabe eines Geschäftsbereichs eine Umsatzsteigerung von 100 % erreicht habe, wird als solche von der Revision hingenommen und läßt Rechtsfehler auch nicht erkennen. Der Hinweis auf eine durchschnittliche jährliche Preissteigerung von 4,5 % ist nicht geeignet, diese Auffassung in Frage zu stellen. Das nur pauschale Vorbringen läßt schon nicht erkennen, welche Preissteigerung für welche Artikel in dem hier allein maßgeblichen Geschäftsjahr 1992/93 zu berücksichtigen wäre. Darüber hinaus würde selbst eine generelle Preisbereinigung von 4,5 % bei keiner der vom Kläger im einzelnen dargelegten Altkundenbeziehungen dazu führen, daß im Geschäftsjahr 1992/93 die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte 100 %-Grenze unterschritten würde.

b) Hinsichtlich der Prognose über die zu erwartenden Umsätze mit von dem Handelsvertreter geworbenen Kunden, ist das Berufungsgericht hier zu Recht davon ausgegangen, daß sich diese in der Folgezeit so entwickeln werden, wie sich jene mit vom Kläger übernommenen Kunden in der Vergangenheit gestaltet haben. Das entspricht dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien und damit deren Erfahrungen während der Vertragszeit dazu, welcher Anteil am Umsatz und damit an den Provisionseinnahmen in der Zeit vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses auf Mehrfachkunden entfiel (vgl. Senat, Urteil vom 6. August 1997 - VIII ZR 150/96 aaO unter B I 1 b).

aa) Die Rüge der Revision, die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Abwanderungsquote von 9 % sei zu niedrig bemessen, weil der Kläger selbst vorgetragen habe, daß in der Vergangenheit einzelne Objekte Umsatzrückgänge von bis zu 50 % erlitten hätten, greift nicht durch. In der vom Kläger vorgelegten Aufstellung sind für die letzten fünf Jahre vor Vertragsbeendigung, geordnet nach Werken und Jahrgängen, die dem übernommenen Kundenbestand zugeordneten Umsätze sowie die Umsatzverluste durch verlorene Kunden aufgeführt. Dabei weist der Umsatz bei einigen wenigen Werken, insbesondere im Geschäftsjahr 1991/92, einen Verlust von über 50 % aus. Die vom Kläger vorgenommene und von der Revision als solche nicht beanstandete Berechnung des durchschnittlichen Umsatzverlusts bei allen Werken innerhalb der letzten fünf Jahre ergibt eine Quote von rund 9 %.

c) Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Revisionsrüge, der vom Berufungsgericht seiner Prognose zugrunde gelegte Zeitraum von 6 Jahren sei unangemessen lang. Die Frage, ob der Unternehmer nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses noch erhebliche Vorteile hat und damit dem Handelsvertreter Provisionsverluste entstanden sind, verlangt Feststellungen über die Entwicklung der vom Handelsvertreter hergestellten Geschäftsbeziehungen. Diese müssen sich darauf erstrecken, wie lange die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmer und Kunden erfahrungsgemäß fortdauern (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 - I ZR 173/91 = WM 1993, 392 unter II 1). Ist von einem jährlichen Umsatzverlust - jeweils bezogen auf alle Erstkunden des Geschäftsjahres 1992/93 - von nur 9 % auszugehen, so ist die tatrichterliche Wertung, daß ein Prognosezeitraum von 6 Jahren - als überschaubare und in ihrer Entwicklung noch einschätzbare Zeitspanne - angemessen sei (§ 287 Abs. 2 ZPO), für das Revisionsgericht bindend. Sie enthält weder einen Rechtsirrtum noch einen Verstoß gegen Erfahrungssätze. Daß wesentliches Parteivorbringen nicht berücksichtigt wurde, zeigt die Revision nicht auf.

4. Weiter beanstandet die Revision ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe bei der Billigkeitsprüfung nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, daß der Kläger die Vertragsofferte für das Geschäftsjahr 1993/94 nur deshalb abgelehnt habe, weil er bereits ein neues Betätigungsfeld gefunden habe. Diesen - an sich im Rahmen der Billigkeitsprüfung berücksichtigungsfähigen - Umstand hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall deswegen nicht berücksichtigt, weil es für den von den Beklagten geäußerten Verdacht keine greifbaren Anhaltspunkte hat feststellen können. Dies begegnet keinen Bedenken. Die Auffassung des Berufungsgerichts stützt sich auf das Ergebnis der Beweisaufnahme. Deren Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten zeigt die Revision nicht auf; insbesondere ist nicht ersichtlich, daß das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen L. unvollständig gewürdigt habe.

5. Zu Recht und von beiden Parteien unbeanstandet hat das Oberlandesgericht den Ausgleichsanspruch abgezinst und, da die Provisionen aus dem Nettoumsatz bezahlt wurden, die Mehrwertsteuer hinzugerechnet.

Der Höchstbetrag nach § 89 b Abs. 2 ZPO, den das Berufungsgericht, anhand der durchschnittlichen Provisionen der letzten fünf Jahre errechnet hat und der von der Revision hingenommen wird, beläuft sich auf 170.179,58 DM.

III. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da diese zur Entscheidung reif ist, weil es keiner weiteren Feststellungen durch den Tatrichter mehr bedarf (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

1. Auszugehen ist von den Provisionen, die der Kläger im letzten Vertragsjahr, dem Geschäftsjahr 1992/93, mit von ihm geworbenen Erstkunden erzielt hat.

Diese belaufen sich nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auf: 27.571,46 DM.

2. Für das erste Folgejahr nach Vertragsbeendigung hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, daß 91 % der Erstkunden zu Stammkunden werden, das ergibt einen Provisionsverlust in Höhe von: 25.090,03 DM.

3. Bei einem Prognosezeitraum von insgesamt 6 Jahren und eine Abwanderungsquote von jeweils 9 % der Neukunden des Geschäftsjahres 1992/93 pro Jahr errechnen sich - entsprechend dem Ansatz des Klägers - für die Folgejahre folgende weitere Provisionsverluste:

Zweites Folgejahr: 22.608,60 DM Drittes Folgejahr: 20.127,17 DM Viertes Folgejahr: 17.645,73 DM Fünftes Folgejahr: 15.164,30 DM Sechstes Folgejahr: 12.682,86 DM

4. Das ergibt einen prognostizierten Provisionsverlust in Höhe von 113.318,70 DM.

5. Abgezinst nach der vom Berufungsgericht angewandten Methode, die keine Rechtsfehler erkennen läßt und von den Parteien nicht beanstandet wird:

89.555,77 DM zuzüglich 15 % MWSt.: 13.433,37 DM

6. Summe: 102.989,13 DM

Dieser Betrag übersteigt den Höchstbetrag nicht.

Ende der Entscheidung

Zurück