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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 20.12.2000
Aktenzeichen: VIII ZR 36/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, HGB


Vorschriften:

ZPO § 565 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 286
BGB § 123
BGB § 138 Abs. 1
HGB § 90a Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 36/00

Verkündet am: 20. Dezember 2000

Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 2000 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Ball, Wiechers und Dr. Wolst

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 28. Dezember 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma D. GmbH nimmt die Beklagte auf Zahlung eines restlichen Kaufpreises in Anspruch, den die Schuldnerin und frühere Klägerin (im folgenden: Schuldnerin) aus abgetretenem Recht geltend gemacht hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Firma D. GmbH hatte durch Vereinbarung vom 17. August 1994 von der Firma F. GmbH deren F. -System mit eingetragenem Warenzeichen sowie Lagerbestand einschließlich Know-how, Bezugsquellennachweis etc. erworben, wobei der Geschäftsführer K. (in Zukunft: K.) der Firma F. GmbH gegen Scheckhingabe über insgesamt 150.000 DM seine geschäftlichen Aktivitäten sofort einzustellen hatte. Ferner wurde zwischen der Firma D. GmbH und der Firma F. GmbH am 16. September 1994 ein Beratervertrag mit einer Laufzeit von vier Jahren, endend am 30. September 1998, geschlossen, nach welchem die Firma F. GmbH als "Berater" mit Interessenten Verkaufsgeschäfte für die Firma D. GmbH zu vermitteln hatte. Während der Dauer des Vertragsverhältnisses war der "Berater" verpflichtet, jeden Wettbewerb gegenüber der Firma D. GmbH zu unterlassen. Im Juni 1995 verständigten sich beide Vertragspartner darauf, den Beratervertrag zum 31. August 1995 zu beenden. Durch Vertrag vom 4. Oktober 1995 übertrug die Firma D. GmbH die von ihr erworbene Marke "F. " nebst Teilen des Warenlagers und einer F. -Perforationsmaschine an die Beklagte. Als Gegenleistung wurde ein Kaufpreis von insgesamt 245.000 DM nebst Mehrwertsteuer vereinbart.

Mit Anwaltsschreiben vom 15. November 1996 focht die Beklagte, die bisher auf den Kaufpreis lediglich 137.250 DM gezahlt hatte, den Vertrag vom 4. Oktober 1995 wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung an, sie habe Anfang 1996 festgestellt, daß K. bzw. eine F. Consulting GmbH Wettbewerb mit dem F. -System betreibe. Da die Firma D. GmbH bereits vor Abschluß des Vertrages vom 4. Oktober 1995 den Beratervertrag mit K. bzw. der F. Consulting GmbH aufgehoben habe, habe sie bereits bei den Verhandlungen gewußt, daß K. bzw. die F. Consulting GmbH nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden gewesen seien. Für sie, die Beklagte, sei jedoch die Erklärung der Firma D. GmbH ausschlaggebend gewesen, daß K. bzw. die F. Consulting GmbH als Entwickler des sogenannten F. -Systems aufgrund vertraglicher Verpflichtungen nicht mehr am Markt tätig sein könnten.

Die Schuldnerin, die durch notariellen Vertrag vom 1. Februar 1997 vom Konkursverwalter der Firma D. GmbH Teile dieses Unternehmens, unter anderem gewerbliche Schutzrechte und sämtliche Forderungen mit Stichtag zum 23. Januar 1997 aus dem Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin, erworben hat, hat von der Beklagten die Zahlung eines restlichen Kaufpreises von 144.250 DM nebst Zinsen begehrt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei der (früheren) Klägerin zur Zahlung des nach dem Vertrag vom 4. Oktober 1995 geschuldeten restlichen Kaufpreises verpflichtet, da die Beklagte nicht zur Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung über Art und Umfang des Kaufgegenstandes berechtigt sei. Die im Juni 1995 getroffene Vereinbarung zwischen der Firma D. GmbH und der Firma F. GmbH über die Beendigung des zwischen ihnen geschlossenen Beratervertrages, wodurch K. nunmehr wieder am Markt für eigene oder fremde branchengleiche Firmen habe tätig werden dürfen, sei ohne Einfluß auf den erfolgten Verkauf des gesamten F. -Systems einschließlich Markenrecht an die Firma D. GmbH gewesen, die diese Rechte auf die Beklagte habe übertragen können. Die Beklagte müsse nunmehr selbst gegen mögliche Verletzungen ihres Markenrechts durch K. oder andere vorgehen.

Die Beklagte habe ferner jedenfalls nicht bewiesen, daß die Firma D. GmbH ihr gegenüber Zusagen dahingehend gemacht habe, K. dürfe aufgrund vertraglicher Verpflichtungen künftig überhaupt nicht mehr am Wettbewerb teilnehmen. Ein auf Dauer angelegtes Wettbewerbsverbot wäre zudem unzulässig gewesen; vielmehr hätte eine Wettbewerbsabrede zu Lasten von K., dessen Tätigkeit sich als die eines Handelsvertreter dargestellt habe, nur für längstens zwei Jahre von Beendigung des Vertragsverhältnisses an vereinbart werden dürfen. Die Firma D. GmbH habe auch keine Aufklärungspflicht dahingehend getroffen, daß es keine rechtliche Möglichkeit gegeben habe, den Systementwickler K. auf Dauer und umfassend vom Markt für Belüftungssysteme fernzuhalten.

II. Das Berufungsurteil hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Auf die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, daß die Beendigung des zwischen der Firma D. GmbH und der Firma F. GmbH geschlossenen Beratervertrages vom 16. September 1994 den am 17. August 1994 vereinbarten Verkauf des gesamten F. -Systems einschließlich eingetragenem Warenzeichen unberührt gelassen habe, so daß die Firma D. GmbH alle Rechte aus dem System an die Beklagte habe übertragen können und letztere nunmehr selbst gegen mögliche Verletzungen ihres Markenrechts vorgehen müsse, kommt es nicht an. Die Beklagte hat den mit der Firma D. - GmbH abgeschlossenen Vertrag über den Erwerb der Marke "F. " vom 4. Oktober 1995 mit Anwaltsschreiben vom 15. November 1996 wegen arglistiger Täuschung angefochten. Greift diese Anfechtung durch, entfällt der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf restliche Kaufpreiszahlung.

2. Soweit das Berufungsgericht es als nicht erwiesen ansieht, daß die Firma D. GmbH der Beklagten gegenüber bei den Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Abschluß des Vertrages vom 4. Oktober 1995 die unzutreffende Erklärung abgegeben habe, K. dürfe aufgrund vertraglicher Verpflichtungen künftig nicht mehr am Wettbewerb teilnehmen, beruht die Beweiswürdigung, wie die Revision mit Erfolg rügt, auf durchgreifenden Verfahrensfehlern. Das Berufungsgericht hat sich dabei nicht entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozeßstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt, so daß seine Beweiswürdigung nicht vollständig ist; dies unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (st.Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91, WM 1993, 902 unter B II 3 a m.w.Nachw.; BGH, Urteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96, NJW 1997, 796 unter II B 1).

a) Das Berufungsgericht stützt sich bei seiner Überzeugungsbildung allein darauf, daß der damalige Verkaufsleiter P. der Beklagten bekundet habe, es sei anläßlich der Verhandlungen mit der Firma D. GmbH nicht geäußert worden, daß K. nicht als Wettbewerber auftreten dürfe; dadurch würden, so meint das Berufungsgericht, die zugunsten der Beklagten sprechenden Punkte der Beweisaufnahme entscheidend entwertet.

Dabei läßt das Berufungsgericht außer acht, daß der Zeuge P. nach seiner Aussage nur an einem Gespräch beteiligt war, bei dem darauf folgenden Gespräch, bei dem "der rohe Vertrag" unterzeichnet wurde, sowie bei den weiteren Verhandlungen hingegen nicht zugegen war. Aufgrund dieser Zeugenaussage kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß die Vertreter der Firma D. GmbH bei den nachfolgenden Vertragsverhandlungen die von der Beklagten behauptete Erklärung, der Systementwickler K. dürfe aufgrund vertraglicher Verpflichtungen nicht mehr als Wettbewerber am Markt auftreten, abgegeben haben.

b) Zu Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht über die entgegenstehenden Aussagen der übrigen Zeugen hinweggegangen ist, ohne sich damit auseinanderzusetzen. Nach der vom Berufungsgericht nicht gewürdigten Aussage des Zeugen K. , des Schwiegersohns des Geschäftsführers D - , ist bei den Verhandlungen "ständig" davon die Rede gewesen, es sei aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Firma D. GmbH und K. gewährleistet, daß dieser nicht mehr auf dem Markt als Wettbewerber tätig sein könne. Ebenso hat der Zeuge O. , der Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten, bekundet, es sei bei den Verhandlungen gesagt worden, daß es Verträge gebe, die einen Wettbewerb durch K. ausschlössen; dies sei allerdings nicht näher erläutert worden und er habe auch nicht danach gefragt. Auch wenn der Zeuge O. angegeben hat, es sei ihm nicht gesagt worden, daß der Vertrag oder die Verträge zwischen der Firma D. GmbH und K. aufgehoben worden seien, während der Zeuge K. nach seiner Bekundung darauf hingewiesen hat, K. sei nicht mehr im Rahmen des Beratervertrages für die Firma D. GmbH tätig, stimmen die Zeugenaussagen jedenfalls darin überein, daß K. nach den Angaben der Vertreter der Firma D. GmbH aufgrund bestehender vertraglicher Vereinbarungen nicht mehr als Wettbewerber tätig sein dürfe.

3. Eine solche Erklärung der Firma D. GmbH war objektiv falsch, da im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages vom 4. Oktober 1995 der Beratervertrag vom 16. September 1994, in welchem sich die Firma F. GmbH bzw. K. verpflichtet hatten, während der Dauer des Vertragsverhältnisses jeden Wettbewerb gegenüber der Firma D. GmbH zu unterlassen, aufgehoben und ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot des K. nicht vereinbart war, wie dieser auch gegenüber dem Bevollmächtigten der Firma D. GmbH geltend gemacht hat und von letzterem akzeptiert wurde (siehe Schreiben des Rechtsanwalts H. vom 25. März 1996).

4. Daß die Vertreter der Firma D. GmbH bei Abgabe ihrer Erklärungen mit Täuschungswillen handelten, was voraussetzt, daß ihnen die Unrichtigkeit ihrer Angaben bekannt war (Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 123 Rdnr. 26; Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 123 Rdnr. 11), ist bisher nicht festgestellt. Hat der Anfechtungsgegner in einem bedeutsamen Punkt die Unwahrheit gesagt, wird man von ihm allerdings erwarten können, daß er eine Erklärung dafür gibt, wie es zu diesem Fehler gekommen ist (BGH, Urteil vom 19. Februar 1981 - IVa ZR 43/80, VersR 1981, 446). Ist der Anfechtungsgegner nicht in der Lage, Entschuldigungsgründe vorzubringen, oder sind diese nicht plausibel, kann davon ausgegangen werden, daß er bewußt die Unwahrheit gesagt hat (Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 123 BGB Rdnr. 13). Für die Annahme einer Arglist im Sinne des § 123 BGB ist auch bedingter Vorsatz des Täuschenden ausreichend, der insbesondere dann gegeben sein kann, wenn der Täuschende vertragswesentliche Erklärungen ohne hinreichende Erkenntnisgrundlage "ins Blaue hinein" abgibt (BGH, Urteil vom 25. März 1998 - VIII ZR 185/96, WM 1998, 1192 unter II 1 b m.w.Nachw., in BGHZ 138, 195 ff nicht abgedruckt).

5. Die Ursächlichkeit einer etwaigen arglistigen Täuschung seitens der Vertreter der Firma D. GmbH für den Abschluß des Vertrages vom 4. Oktober 1995 kann auch nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden, daß ein auf Dauer angelegtes Wettbewerbsverbot zu Lasten des K. nicht zulässig gewesen wäre, was der im Wirtschaftsleben erfahrenen Beklagten habe bekannt sein müssen. Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auch für den Fall, daß der Beratervertrag vom 16. September 1994 als Handelsvertretervertrag zu qualifizieren wäre, gemäß § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB für die Dauer von zwei Jahren zulässig war. Zudem konnte nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses in den Grenzen des § 138 Abs. 1 BGB auch ein weitergehendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart werden (MünchKommHGB-v. Hoyningen-Huene, § 90 a Rdnr. 13). Selbst wenn also die Beklagte über die Beendigung des Beratervertrages mit der Firma F. GmbH bzw. K. durch den Zeugen K. informiert gewesen sein sollte, konnte sie auf die Zusage eines nachvertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbots vertrauen, das jedenfalls für einen gewissen Zeitraum einzuhalten gewesen wäre.

6. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht auch eine Schadensersatzpflicht der Firma D. GmbH wegen Verletzung gegenüber der Beklagten bestehender Aufklärungspflichten. Auch wenn es keine rechtliche Möglichkeit gab, den Systementwickler K. auf Dauer und umfassend vom Markt für Belüftungssysteme fernzuhalten, durfte gegenüber der Beklagten seitens der Vertreter der Firma D. GmbH nicht erklärt werden, daß K. aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nicht mehr als Wettbewerber tätig sein dürfe, nachdem mit der Auflösung des Beratervertrages das dort vereinbarte Wettbewerbsverbot entfallen und ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht vereinbart worden war. Selbst wenn die Vertreter der Firma D. GmbH ihre unrichtigen Angaben nur fahrlässig gemacht haben sollten, kommt eine Haftung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1962 - VIII ZR 120/60, LM § 276 (H) BGB Nr. 5 unter II 5; siehe auch Soergel/Hefermehl aaO, § 123 Rdnr. 27). Daß der Beklagten durch die unrichtigen Angaben der Firma D. GmbH ein Schaden entstanden ist, weil sie ohne Bestehen der behaupteten Wettbewerbsvereinbarung für die Übertragung der Marke "F. " einschließlich der Übernahme des Warenlagers und der Perforationsmaschine allenfalls einen Kaufpreis von 120.000 DM gezahlt hätte, hat sie unter Beweisantritt vorgetragen. Mit diesem Schadensersatzanspruch kann die Beklagte, falls die von ihr erklärte Anfechtung des Vertrages vom 4. Oktober 1995 nicht durchgreift, gegenüber dem restlichen Kaufpreisanspruch aufrechnen.

III. Die Sache war daher zur weiteren Aufklärung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des



Ende der Entscheidung

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