Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.03.1999
Aktenzeichen: VIII ZR 366/97
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, ZGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 284 Abs. 2
BGB § 288
EGBGB § Art. 232 § 1
ZGB § 85 Abs. 1 Satz 1
ZGB § 86 Abs. 3
ZGB § 86 Abs. 1
ZPO § 139 Abs. 1
ZPO § 156
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 366/97

Verkündet am: 24. März 1999

Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. März 1999 im schriftlichen Verfahren nach Schriftsatzfrist bis zum 12. März 1999 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball und Wiechers

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 13. November 1997 insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von 10 % Zinsen aus 150.000 DM seit dem 11. April 1991 verurteilt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Anläßlich der Übergabe des Handwerksbetriebes "E. " in A. einschließlich dessen Warenbestandes im Wert von 372.000 Mark/DDR schloß der Kläger mit dem Beklagten, seinem Sohn, im Jahr 1989 einen Vertrag, in dem es unter anderem heißt:

"1., 2. ...

3. Die Summe von 300.000 M (dreihunderttausend) soll als Darlehn gestundet werden.

4. Das Darlehn ist mit dem zur Zeit zulässigen gesetzlichen Zinssatz von 3 1/4 v.H. jährlich ab 01. Juli 1989 zu verzinsen, wobei die Zinsen am letzten eines jeden Monats rückwirkend zu entrichten sind.

Sollte die gesetzliche bisherige Begrenzung des Zinssatzes wegfallen, wird der jeweilige durchschnittliche Zinssatz der Kreditinstitute für Darlehn an Handwerksbetriebe vereinbart.

Die Darlehnssumme ist beiderseits bis zum 31. Dezember 1990 unkündbar. Die Rückzahlung erfolgt in der Weise, daß ab 01. Januar 1991 monatlich 12 v.H. - zwölf - vom Umsatz zu zahlen sind, und zwar immer bis zum 10. des darauffolgenden Monats.

5. ...

6. Sollte der Darlehnsnehmer mit drei Monatszinsraten oder mit drei Monatsrückzahlraten im Rückstand sein, so wird die Restforderung sofort fällig und zahlbar.

7. ..."

Der Beklagte zahlte an den Kläger noch im Jahr 1989 72.000 Mark/DDR. Ferner zahlte er zuletzt an seine Mutter, die Ehefrau des Klägers, monatlich 1.062,50 DM.

In dem vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger den Beklagten aus dem Vertrag auf Zahlung von 150.000 DM nebst 3,25 % Zinsen seit dem 1. Juli 1989 und 10 % Zinsen seit dem 3. Oktober 1990 in Anspruch genommen. Die Parteien haben insbesondere darüber gestritten, ob der von dem Beklagten übernommene Handwerksbetrieb dem Kläger allein oder gemeinsam mit seiner Ehefrau gehört hat und ob die vertraglich vereinbarten Zahlungen deswegen an den Kläger allein oder an ihn und seine Ehefrau gemeinsam zu erbringen waren. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kläger hilfsweise Leistung an sich und seine Ehefrau begehrt. Das Berufungsgericht hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger und seine Ehefrau als Gesamtgläubiger 150.000 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 11. April 1991 zu zahlen. Die Kosten der Berufung hat es dem Kläger insgesamt, die übrigen Kosten des Rechtsstreits dem Kläger und dem Beklagten je zur Hälfte auferlegt. Die Revision des Beklagten hat der erkennende Senat nur insoweit angenommen, als der Beklagte zur Zahlung von Zinsen verurteilt worden ist; im übrigen hat er die Annahme der Revision abgelehnt. Ferner hat der erkennende Senat die Anschlußrevision des Klägers, mit der sich dieser gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts gewandt hat, nicht angenommen. Soweit die Revision des Beklagten angenommen worden ist, haben sich die Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Berufungsgericht hat, soweit hier noch von Interesse, zu der in der Revisionsinstanz nicht mehr im Streit befindlichen Hauptforderung ausgeführt:

Die Vereinbarung der Parteien sei als Stundungsabrede bezüglich des Kaufpreises für den von dem Beklagten übernommenen Warenbestand auszulegen. Der zugrundeliegende Kaufvertrag der Parteien sei nach dem Recht der ehemaligen DDR wirksam. Der Kaufpreis, der dem Kläger und seiner Ehefrau gemeinsam zustehe, da der Handwerksbetrieb nebst Warenbestand beiden zusammen gehört habe, sei gemäß der Verfallklausel in Nr. 6 des Vertrages fällig. Der Beklagte habe entgegen Nr. 4 des Vertrages keine Ratenzahlungen auf den Kaufpreis geleistet. Bei den monatlichen Zahlungen, die der Beklagte schuldbefreiend an seine Mutter erbracht habe, handele es sich um Stundungszinsen gemäß Nr. 4 des Vertrages.

2. Zu dem in der Revisionsinstanz allein noch streitigen Zinsanspruch hat das Berufungsgericht ausgeführt:

Dieser Anspruch ergebe sich aus §§ 284 Abs. 2, 288 BGB in Verbindung mit Nr. 4 des Vertrages der Parteien. Aufgrund der kalendermäßigen Bestimmung der Verpflichtung zur Ratenzahlung des Kaufpreises jeweils bis zum 10. des darauffolgenden Monats habe sich der Beklagte ab dem 10. April 1991 mit dem Kaufpreis von 150.000 DM in Verzug befunden. Die vom Kläger geltend gemachte Zinshöhe sei von dem Beklagten nicht bestritten worden, so daß der Kaufpreis entsprechend zu verzinsen sei.

II. Die vorstehenden Ausführungen unter I 2 halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den bisher getroffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht einen Zinsanspruch des Klägers zu Unrecht bejaht.

1. Stundungszinsen gemäß Nr. 4 Abs. 1 und 2 des Vertrages kann der Kläger nicht mehr verlangen, nachdem die Kaufpreisforderung, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, mangels Ratenzahlungen des Beklagten nach Nr. 4 Abs. 3 des Vertrages gemäß der Verfallklausel in Nr. 6 des Vertrages am 11. April 1991 fällig geworden ist. Die Stundungszinsen sind die Gegenleistung für die Stundung der Hauptforderung. Endet diese, entfällt zugleich der Anspruch auf die Gegenleistung (vgl. BGHZ 104, 337, 338 f für den Fall des Anspruchs auf Zahlung des Vertragszinses nach Kündigung eines Darlehens).

2. Soweit das Berufungsgericht Verzugszinsen zuerkannt hat, ist es zu Unrecht von der Anwendbarkeit der §§ 284 Abs. 2, 288 BGB ausgegangen. Wie es selbst in anderem Zusammenhang - stillschweigend - angenommen hat, findet auf den noch kurz vor der Wende in der ehemaligen DDR geschlossenen Vertrag der Parteien und das dadurch begründete Schuldverhältnis gemäß Art. 232 § 1 EGBGB weiterhin das damals geltende Recht der DDR Anwendung (vgl. BGHZ 120, 10, 16 f; 121, 378, 385 f). Das gilt auch für den auf diesem Schuldverhältnis beruhenden Zinsanspruch des Klägers.

Bei der danach gebotenen Anwendung des Zivilgesetzbuches der ehemaligen DDR - ZGB - vom 19. Juni 1975 (GBl. I, 465) stehen dem Kläger nach den bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Verzugszinsen zu. Der Beklagte befindet sich zwar gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 ZGB in Verbindung mit Nr. 4 Abs. 3 und Nr. 6 des Vertrages seit dem 11. April 1991 in Verzug, weil der Kaufpreis wegen eines Rückstandes mit drei Monatsrückzahlungsraten zu diesem Zeitpunkt insgesamt fällig geworden ist. Ein Anspruch des Klägers auf Verzugszinsen aus § 86 Abs. 3 ZGB läßt sich jedoch bislang der Höhe nach nicht feststellen.

Nach der vorgenannten Bestimmung hat der Schuldner einer Geldverbindlichkeit dem Gläubiger Verzugszinsen in Höhe von 4 % jährlich zu zahlen, soweit in Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. Da dafür weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, können dem Kläger allenfalls Zinsen in Höhe von 4 % von 150.000 DM zustehen. Auf diesen Zinsanspruch muß sich der Kläger jedoch im Wege der Vorteilsausgleichung (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., vor § 249 Rdnr. 119 ff) die Zahlungen in Höhe von zuletzt (8,5 % von 150.000 DM =) 1.062,50 DM monatlich anrechnen lassen, die der Beklagte unstreitig an seine Mutter, die Ehefrau des Klägers, geleistet hat und noch leistet. Bei diesen Zahlungen handelt es sich nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts um dem Kläger gegenüber wirksame Leistungen auf Stundungszinsen, die indessen nach den vorstehenden Ausführungen (unter II 1) wegen Eintritts des Verfalls gemäß Nr. 6 des Vertrages rechtsgrundlos erfolgt sind. Der Beklagte hat seine Zahlungen zwar erst im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 2. Oktober 1997 der Höhe nach beziffert. Angesichts dessen, daß sie dem Grunde nach unstreitig sind, hätte das Berufungsgericht aber, wie die Revision zu Recht rügt, entweder vor Schluß der mündlichen Verhandlung gemäß § 139 Abs. 1 ZPO auf einen vollständigen Vortrag des Beklagten hinwirken oder die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder eröffnen müssen. Da das Berufungsgericht dies versäumt hat, ist in der Revisionsinstanz von dem Vortrag des Beklagten auszugehen, wonach er insgesamt 97.105,04 DM und damit mehr, als dem Kläger an Verzugszinsen zusteht, gezahlt hat.

3. Einen gemäß § 86 Abs. 4 ZGB vom Beklagten zu ersetzenden Verzugsschaden hat der Kläger nicht dargelegt. Er hat zwar - im Hinblick auf eine Erhöhung der Stundungszinsen nach Nr. 4 Abs. 2 des Vertrages, um die es hier nicht mehr geht - unbestritten vorgetragen, daß der "bankübliche Zinssatz für ein Darlehen ... mindest 10 %" beträgt. Der Kläger hat aber nicht behauptet, daß er zu diesem Zinssatz in einer die Klageforderung von 150.000 DM erreichenden Höhe Kredit in Anspruch nimmt.

4. Nach alledem kann das angefochtene Urteil insoweit, als der Beklagte zur Zahlung von 10 % Zinsen aus 150.000 DM seit dem 11. April 1991 verurteilt worden ist, keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen zu den von dem Beklagten erbrachten Zahlungen bedarf. Daher waren das Urteil in dem oben genannten Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das außer über die nach Zurückverweisung neu im Berufungsverfahren entstehenden Kosten auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird.

Ende der Entscheidung

Zurück