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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.04.1999
Aktenzeichen: VIII ZR 370/97
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 151 |
Zur Frage der zeitlichen Bindung an ein Vertragsangebot, wenn der Antragende auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet hat.
BGH, Urteil vom 14. April 1999 - VIII ZR 370/97 - OLG Hamm LG Dortmund
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 14. April 1999
Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 1999 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Ball und Dr. Leimert
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Oktober 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht auf Kaufpreiszahlung sowie auf Erstattung von Unterbringungs- und Futterkosten für Pferde in Anspruch, die der Beklagte mit Vertrag vom 2. September 1993 von der Firma M. Garten- und Landschaftsbau (künftig: Firma M. ) gekauft haben soll. Die Inhaberin der Firma M. , die Zeugin A. M. , übersandte den in F. ansässigen Anwälten der Klägerin im Juli 1995 eine schriftliche Abtretungserklärung, die am 17. Juli 1995 bei den Anwälten der Klägerin einging. Darin heißt es, die Zedentin trete ihre Forderung gegen den Beklagten aus Pferdeverkäufen gemäß Vertrag vom 2. September 1993 an die Klägerin ab und verzichte auf den Zugang der Annahmeerklärung.
Die Klägerin hat eine Kaufpreisschuld des Beklagten von 87.500 DM und zu erstattende Unterbringungs- und Futterkosten von 11.600 DM errechnet. Den Gesamtbetrag von 99.100 DM hat sie Anfang Januar 1996 eingeklagt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die Klage für unbegründet, weil das Zustandekommen eines Abtretungsvertrages zwischen der Firma M. und der Klägerin nicht habe festgestellt werden können. Die Wirksamkeit der Abtretung sei nach deutschem Recht zu beurteilen. Danach bedürfe es eines Vertrages zwischen Zedent und Zessionar, an dem es im Streitfall fehle. Zwar habe die Zeugin M. der Klägerin einen Antrag auf Abschluß eines Abtretungsvertrages unterbreitet, es fehle jedoch an einer wirksamen Annahme desselben durch die Klägerin. Auch wenn die Zeugin M. auf den Zugang einer Annahmeerklärung wirksam verzichtet habe, bedürfe es nach § 151 BGB einer rechtzeitigen, nach außen hervortretenden Betätigung des Annahmewillens. Eine solche habe die Klägerin nicht dargetan. Dafür sei nicht ausreichend, daß die per Telefax übermittelte Abtretungserklärung in der Kanzlei der Anwälte der Klägerin mit einem Eingangsstempel versehen worden sei. Andere als Ausdruck der Betätigung eines Annahmewillens in Betracht kommende Umstände habe die Klägerin nicht vorgetragen. Ihr Vorbringen, ihre F. Anwälte hätten die Abtretung für sie angenommen, sei lediglich eine nicht mit Tatsachen unterlegte Rechtsansicht. Die Betätigung eines Annahmewillens sei daher erst für den Zeitpunkt der Klageerhebung feststellbar. Die darin liegende konkludente Annahme des Abtretungsangebots sei jedoch verspätet und daher unwirksam. Der Antragende bleibe, obwohl er auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet habe, nur bis zu dem Zeitpunkt an seinen Antrag gebunden, in welchem er den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten dürfe. Im Januar 1996, knapp ein halbes Jahr nach Abgabe des Angebots, sei die Annahmefrist jedenfalls abgelaufen gewesen. Dies ergebe sich schon aus Gründen der allgemeinen Rechtssicherheit, aber auch aus der Interessenlage der Abtretenden, die, um Rechtsnachteile wie die Verjährung zu vermeiden, nicht langfristig im unklaren bleiben dürfe, ob sie ihre Ansprüche noch selbst durchsetzen oder an weitere Dritte abtreten könne.
II.
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Zu Recht beurteilt das Berufungsgericht allerdings die Wirksamkeit der Abtretung nach deutschem Recht (Art. 33 Abs. 2 EGBGB). Auch die Parteien ziehen diesen Ausgangspunkt in der Revisionsinstanz nicht in Zweifel.
2. Dagegen kann dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden, soweit es das Zustandekommen eines Abtretungsvertrages zwischen der Firma M. und der Klägerin verneint.
a) Nach § 151 Satz 1 BGB kommt der Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande, ohne daß die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Letzteres ist, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, hier der Fall.
Erforderlich ist aber auch in diesen Fällen die Annahme als solche, d.h. ein als Willensbetätigung zu wertendes, nach außen hervortretendes Verhalten des Angebotsempfängers, aus dem sich dessen Annahmewille unzweideutig ergibt (BGHZ 74, 352, 356; 111, 97, 101; BGH, Urteil vom 6. Februar 1990 - X ZR 39/89, NJW 1990, 1656 unter II 2 a). In welchen Handlungen eine Betätigung des Annahmewillens zu finden ist, läßt sich nur in Würdigung des Einzelfalles entscheiden. Dabei ist mangels Erklärungsbedürftigkeit der Annahme nicht auf den Empfängerhorizont (§ 157 BGB) abzustellen. Vielmehr kommt es darauf an, ob vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten aus das Verhalten des Angebotsempfängers aufgrund aller äußeren Indizien auf einen wirklichen Annahmewillen (§ 133 BGB) schließen läßt (BGHZ 111, 97, 101; BGH, Urteil vom 6. Februar 1990 aaO).
Als Indiz für einen Annahmewillen kann unter anderem der Umstand zu bewerten sein, daß der Vertragsschluß für den Angebotsempfänger objektiv vorteilhaft erscheint (BGH, Urteil vom 6. Februar 1990 aaO). Es liegt deshalb nicht fern, eine Betätigung des Annahmewillens der Klägerin schon darin zu erblicken, daß sie, handelnd durch ihre F. Anwälte, das Abtretungsangebot der Firma M. entgegengenommen und behalten hat (vgl. für den Fall der Übersendung einer Bürgschaftserklärung BGH, Urteil vom 6. Mai 1997 - IX ZR 136/96, WM 1997, 1242 unter II 1 b). Auch der Umstand, daß die Klägerin die Firma M. nach Übersendung der Abtretungserklärung offenbar nicht weiter auf Zahlung des größeren Geldbetrages in Anspruch genommen hat, den die Firma M. der Klägerin nach der Aussage der Zeugin M. damals schuldete und zu deren Tilgung die Abtretung bestimmt war, läßt auf den Willen der Klägerin schließen, das Abtretungsangebot anzunehmen.
b) Es bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung, ob die aufgezeigten Umstände die Betätigung eines Annahmewillens der Klägerin hinreichend deutlich erkennen lassen. Die Klägerin hat das Abtretungsangebot der Firma M. jedenfalls dadurch eindeutig - konkludent - angenommen, daß sie die ihr abgetretene Forderung Anfang Januar 1996 eingeklagt hat. Daß die Klägerin mit der Klageerhebung ihren Annahmewillen konkludent in eindeutiger Weise bekundet hat, zieht auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel. Es verneint das Zustandekommen eines Abtretungsvertrages allein deshalb, weil es meint, das Abtretungsangebot der Zeugin M. sei vor Anfang Januar 1996 mangels fristgerechter Annahme erloschen. Das ist nicht richtig.
Der Zeitpunkt, in welchem der einer Annahmeerklärung nicht bedürftige Antrag erlischt, bestimmt sich gemäß § 151 Satz 2 BGB nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden. Zu dem danach maßgeblichen Willen der Zeugin M. hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Es hat seine Auffassung, ein Zeitraum von knapp einem halben Jahr sei jedenfalls zu lang, vielmehr mit allgemeinen Erwägungen begründet, die keinen Bezug zu den Umständen erkennen lassen, unter denen die Zeugin M. das Angebot auf Abschluß eines Abtretungsvertrages abgegeben hat. Das gilt auch, soweit das Berufungsgericht auf die Interessenlage der Abtretenden abstellt, Rechtsnachteile und langfristige Unsicherheit darüber zu vermeiden, ob sie ihre Ansprüche selbst noch durchsetzen oder diese an weitere Dritte abtreten könne. Daß derartige Erwägungen für die Zeugin M. eine Rolle gespielt haben könnten, zeigt das Berufungsgericht nicht auf. In Anbetracht der Umstände, die zur Abgabe des Abtretungsangebots der Firma M. geführt haben, ist dies auszuschließen, wie der Senat selbst feststellen kann. Es bedarf deshalb keines weiteren Eingehens auf die Frage, ob in dem Fall, daß der Antragende ausdrücklich auf die Erklärung der Annahme verzichtet hat, für Erwägungen der Rechtssicherheit, wie sie das Berufungsgericht anstellen will, überhaupt Raum ist.
Die Umstände, unter denen das Abtretungsangebot abgegeben worden ist, ergeben nichts für einen Willen der Zedentin, ihre Bindung an den Abtretungsantrag zeitlich zu begrenzen. Nach der Darstellung der Zeugin M. bei ihrer Vernehmung in erster Instanz sah sich die Firma M. deswegen zur Abtretung ihrer Forderung gegen den Beklagten gezwungen, weil sie der Klägerin seit längerer Zeit einen größeren Geldbetrag schuldete, den sie wegen des Ausfalls der Zahlung eines ihrer Kunden nicht aufbringen konnte. Das Abtretungsangebot diente mithin als Ersatz für eine Zahlung, die die Zedentin der Klägerin unstreitig schuldete. Aus der Sicht der Zeugin M. stand daher außer Frage, daß die Klägerin das Abtretungsangebot annehmen und daß die abgetretene Forderung damit endgültig aus dem Vermögen der Firma M. ausscheiden würde. Da es zudem weder auf seiten der Zedentin noch auf seiten der Klägerin einer Erfüllungshandlung bedurfte, war aus der Sicht der Zeugin M. - wie auch ihren Bekundungen eindeutig zu entnehmen ist - die Abtretung mit der Übersendung des Abtretungsangebots unter gleichzeitigem Verzicht auf eine Annahmeerklärung "perfekt". Unter diesen Umständen spricht nichts für die Annahme, die Zedentin habe sich nur für eine bestimmte Frist an ihr Abtretungsangebot binden wollen. Fehlt es aber an Umständen, aus denen sich der Wille des Antragenden ergeben könnte, eine Annahmefrist zu bestimmen, so bleibt der Antragende an den Antrag bis zu dessen Ablehnung durch den anderen Teil gebunden (Piper in BGB-RGRK, § 151 Rdnr. 10; Soergel/M. Wolf, BGB, 12. Aufl., § 151 Rdnr. 28 unter Hinweis auf RG Recht 1917 Nr. 771).
Nach der Kommentarliteratur soll sich allerdings, wie das Berufungsgericht zutreffend erwähnt, aus der Interessenlage in der Regel eine kurze Annahmefrist nach § 151 Satz 2 BGB ergeben (MünchKomm-Kramer, BGB, 3. Aufl., Rdnr. 56; Erman/W. Hefermehl, BGB, 9. Aufl., Rdnr. 7; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., Rdnr. 5, jeweils zu § 151). Das ist schon deshalb zweifelhaft, weil die Dauer der Bindung an den Antrag von dem Willen des Antragenden abhängt, wie er (dem Antrag oder) den Umständen des Einzelfalles zu entnehmen ist. Für die Umstände des Einzelfalls wird sich indessen schwerlich ein Regel-Ausnahme-Verhältnis feststellen lassen. Aber selbst wenn eine solche Regel anzuerkennen wäre, könnte sie im Streitfall keine Geltung beanspruchen, weil den hier gegebenen Umständen zu entnehmen ist, daß die Zedentin weder den Willen noch ein Interesse daran hatte, ihre Bindung an das Abtretungsangebot zeitlich zu begrenzen.
Rechtsirrig ist schließlich die Auffassung des Berufungsgerichts, der Antragende bleibe auch im Falle eines ausdrücklichen Verzichts auf eine Annahmeerklärung nur bis zu dem Zeitpunkt gebunden, in welchem er den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen bei Berücksichtigung einer nach den Umständen des Einzelfalles zu bestimmenden Überlegungsfrist erwarten dürfe. Diese in § 147 Abs. 2 BGB niedergelegte zeitliche Grenze für die Annahme eines Antrags unter Abwesenden ist im Geltungsbereich des § 151 BGB unanwendbar. Für die nicht zugangsbedürftige Annahme tritt gemäß § 151 Satz 2 BGB der Wille des Antragenden an die Stelle des objektiven Maßstabs des § 147 Abs. 2 BGB (RGZ 83, 104, 106; Staudinger/Bork, BGB, 13. Bearbeitung, § 151 Rdnr. 27; Piper aaO; Soergel/M. Wolf aaO; Palandt/Heinrichs aaO; MünchKomm-Kramer aaO Fn. 168 zu Rdnr. 56).
III.
Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben. Eine abschließende Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil es hierzu weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Die Sache war daher unter Aufhebung des Berufungsurteils an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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