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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 28.11.2001
Aktenzeichen: VIII ZR 38/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 164 Abs. 1
BGB § 164 Abs. 3
Zur Eigenschaft des Bezirksleiters eines Mineraloelunternehmens als Empfangsvertreter gegenüber den Tankstellenhaltern.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 38/01

Verkündet am: 28. November 2001

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Wiechers, Dr. Wolst und Dr. Frellesen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. April 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger war vom 15. September 1969 bis zum 30. September 1993 Halter einer Tankstelle in B. , die seit dem 1. Januar 1976 von der Beklagten betrieben wird. Nach dem mehrfach geänderten und ergänzten "Tankstellen-Verwalter-Vertrag" der Parteien vom 12. Februar/9. März 1981, der einen früheren Vertrag ablöste, oblagen dem Kläger als Handelsvertreter die Lagerung und der Vertrieb von Kraft- und Schmierstoffen sowie sonstiger Erzeugnisse der Beklagten. Mit Schreiben vom 10. März 1993 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 30. September 1993. Mit Anwaltsschreiben vom 25. April und 24. J uni 1994 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich zur Zahlung eines näher berechneten Handelsvertreter-Ausgleichs in Höhe von 177.685,63 DM auf.

In dem vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung des vorgenannten Betrages nebst Zinsen verklagt. Die Parteien haben insbesondere darüber gestritten, wie hoch der Anteil der von dem Kläger geworbenen Stammkunden am Gesamtumsatz ist und ob die Einnahmen des Klägers aus dem im eigenen Namen und für eigene Rechnung betriebenen "Shop-Verkauf" bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen sind.

Unter Abweisung der Klage im übrigen hat das Landgericht dem Kläger für den Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen der Beklagten einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 33.515,37 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1993 zugesprochen. Das Oberlandesgericht hat ihm auf seine Berufung statt dessen 35.040 DM nebst Zinsen zuerkannt. Auf die Revision des Klägers, mit der er den Ausgleichsanspruch für den Shop-Verkauf in Höhe von 19.213,79 DM nicht weiterverfolgt hat, hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit die Klage in Höhe von mehr als 19.213,79 DM abgewiesen worden ist (Urteil vom 8. Juli 1998 - VIII ZR 142/97, nicht veröffentlicht). In dem Urteil hat der Senat darauf hingewiesen, daß der Ausgleichsanspruch des Klägers wegen Versäumung der dreimonatigen Anmeldefrist des § 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB in der gemäß Art. 29 EGHGB geltenden alten Fassung ausgeschlossen wäre, falls ihn der Kläger erstmals mit dem Anwaltsschreiben vom 25. April 1994 geltend gemacht haben sollte. Durch das zweite Berufungsurteil hat das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen, soweit über sie nicht bereits rechtskräftig entschieden worden ist. Dagegen richtet sich die erneute Revision des Klägers, mit der dieser seinen noch im Streit befindlichen Ausgleichsanspruch in Höhe von 123.431,84 DM (177.685,63 DM - 35.040 DM - 19.213,79 DM) nebst Zinsen weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Über den bereits zuerkannten Betrag von 35.040 DM hinaus stehe dem Kläger kein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB zu, weil er seine Forderung erstmals mit dem Anwaltsschreiben vom 25. April 1994 und damit nicht rechtzeitig angemeldet habe. Ohne Erfolg berufe sich der Kläger darauf, daß die Beklagte in der Klageerwiderung seinen Ausgleichsanspruch dem Grunde nach anerkannt habe. In der Erklärung der Beklagten, dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch für den Agenturverkauf von Kraft- und Schmierstoffen zu, liege weder ein prozessuales noch ein materiell-rechtliches Anerkenntnis. Der Ausgleichsanspruch könne allerdings auch mündlich angemeldet werden. Insoweit habe die Beweisaufnahme zwar ergeben, daß der Kläger dem Bezirksleiter der Beklagten, dem Zeugen O. , sein Verlangen nach Handelsvertreter-Ausgleich mehrfach noch vor der Vertragsbeendigung vorgetragen habe. Der Zeuge O. sei jedoch weder Empfangsvertreter noch Empfangsbote der Beklagten gewesen. Der Kläger behaupte selbst nicht, daß der Zeuge zur Entgegennahme von Erklärungen wie der Anmeldung eines Ausgleichsanspruchs bevollmächtigt gewesen sei. Ferner stehe zwar außer Zweifel, daß der Zeuge in der Lage gewesen sei, die Erklärung des Klägers zuverlässig zu erfassen und an die Beklagte weiterzugeben. Für die Annahme seiner Empfangsboteneigenschaft reiche es jedoch nicht aus, daß seine Funktion als Bezirksleiter nicht von ganz untergeordneter Bedeutung gewesen sei, sondern darin bestanden habe, die einzelnen Tankstellenpächter persönlich aufzusuchen und gegebenenfalls Beanstandungen auszusprechen, und daß er in einzelnen Fällen unterschriftsbefugt gewesen sei. Gegen diese Eigenschaft spreche vielmehr, daß der Zeuge nach der eigenen Darstellung des Klägers darauf verwiesen habe, über die Ausgleichszahlung habe der Vertriebsleiter P. zu entscheiden, der auch das Kündigungsschreiben mitunterschrieben habe. Hinzu komme, daß der Kläger dem Zeugen seine Ausgleichsforderung in der Tankstelle und nicht in den Geschäftsräumen der Beklagten mitgeteilt habe. Danach könne der Zeuge O. nur als Erklärungsbote des Klägers angesehen werden. Dahinstehen könne, ob der Zeuge P. Empfangsbote der Beklagten sei. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, daß er von dem Zeugen O. über das Ausgleichsverlangen des Klägers unterrichtet worden sei.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den vom Kläger geltend gemachten Ausgleichsanspruch aus § 89 b Abs. 1 HGB, soweit er noch im Streit ist, wegen Versäumung der dreimonatigen Anmeldefrist des § 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB in der gemäß Art. 29 EGHGB geltenden alten Fassung verneint.

1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das Berufungsgericht in der Erklärung der Beklagten, der Ausgleichsanspruch stehe dem Kläger dem Grunde nach zu, kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis entsprechend § 781 BGB gesehen hat. Ein solches Anerkenntnis scheidet schon deswegen aus, weil die fragliche Erklärung in der Klageerwiderung keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung der Beklagten gegenüber dem Kläger, sondern lediglich die Äußerung einer Rechtsansicht gegenüber dem Gericht darstellt. Darin besteht auch der wesentliche Unterschied zu der von der Revision angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28. Januar 1965 - VII ZR 120/63, LM § 89 b HGB Nr. 24 = BB 1965, 434 unter I 3), wonach in der - vorprozessualen - schriftlichen Mitteilung eines Unternehmers an seinen Handelsvertreter, daß dieser einen Ausgleichsanspruch geltend machen könne, ein Anerkenntnis dem Grunde nach liegt. Es handelt sich nicht um eine Vereinbarung der Parteien, mit der sie das Schuldverhältnis insoweit dem Streit entziehen wollten (vgl. BGH, Urteil, vom 1. Dezember 1994 - VII ZR 215/93, WM 1995, 402 unter II 2 g m.w.Nachw.)

2. Zu Recht beanstandet die Revision dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Bezirksleiter der Beklagten, der Zeuge O. , dem gegenüber der Kläger den Ausgleichsanspruch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mehrfach noch vor der Vertragsbeendigung geltend gemacht hat, sei weder Empfangsvertreter (§ 164 Abs. 3 BGB) noch Empfangsbote der Beklagten gewesen. Richtigerweise war der Zeuge O. Empfangsvertreter der Beklagten gegenüber den Tankstellenhaltern seines Bezirks.

Dem Berufungsgericht ist zwar zuzugeben, daß für eine ausdrückliche Bevollmächtigung des Zeugen O. durch die Beklagte zur Entgegennahme von Erklärungen ihrer Tankstellenhalter weder etwas vorgetragen noch aus dem "Tankstellen-Verwalter-Vertrag" der Parteien ersichtlich ist. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, daß sich eine Empfangsvollmacht des Zeugen schlüssig aus der Art seiner Tätigkeit für die Beklagte ergibt (vgl. MünchKomm/Schramm, BGB, 4. Aufl., § 167 Rdnrn. 39 f m.w.Nachw.). Das kann der Senat auf der Grundlage der vom Berufungsgericht festgestellten Umstände selbst entscheiden, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind.

Wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, war die Funktion des Zeugen O. als Bezirksleiter nicht von ganz untergeordneter Bedeutung, sondern bestand darin, die einzelnen Tankstellen im 14-tägigen Rhythmus aufzusuchen, zu überprüfen und gegebenenfalls Beanstandungen gegenüber den Tankstellenpächtern auszusprechen. Darüber hinaus dienten die regelmäßigen Besuche des Zeugen nach seinen eigenen Angaben allgemein der "Besprechung aktueller Fragen". Demgemäß läßt sich die ihm von der Beklagten übertragene Aufgabe als die eines "Verbindungsmanns" zu den Tankstellenhaltern charakterisieren. Diese Aufgabe brachte es notwendigerweise mit sich, daß der Zeuge nicht nur rechtlich bedeutsame Erklärungen der Beklagten übermittelte, sondern auch solche der Tankstellenpächter entgegennahm. Danach lag es in der Natur seiner Aufgabe begründet, daß der Zeuge von der Beklagten entsprechend bevollmächtigt war.

Dem steht nicht entgegen, daß das Berufungsgericht die Eigenschaft des Zeugen O. als Empfangsbote mit der Begründung verneint hat, der Zeuge habe nach seiner eigenen Aussage den Kläger auf die Entscheidungsbefugnis des Vertriebsleiters P. hingewiesen und ihm sei das Ausgleichsverlangen des Klägers nicht in den Räumen der Beklagten, sondern in der Tankstelle mitgeteilt worden. Zum einen setzt die Eigenschaft als Empfangsvertreter passive, jedoch keine aktive Vertretungsmacht voraus (vgl. MünchKomm/Schramm aaO, § 164 Rdnr. 133). Davon abgesehen war der Zeuge O. ausweislich der vorgelegten Vertragsnachträge in bestimmten, keineswegs unbedeutenden Fällen wie der Verpachtung eines Computersystems, der Nutzung des electronic-cash-Systems und der Erhöhung der Pacht zusammen mit einem anderen Vertreter der Beklagten sogar aktiv vertretungsbefugt, was zusätzlich für seine passive Vertretungsmacht spricht (vgl. MünchKomm/Schramm aaO, § 164 Rdnr. 133). Auch darauf, daß der Kläger den Zeugen O. nicht in den Geschäftsräumen der Beklagten auf die Ausgleichsforderung angesprochen hat, kommt es nicht an. Ob jemand eine Willenserklärung in den (Geschäfts-)Räumen des Empfängers entgegennimmt oder außerhalb von ihnen, mag nach der insoweit maßgeblichen Verkehrsanschauung (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 130 Rdnr. 9) - möglicherweise - für seine Eigenschaft als Empfangsbote von Bedeutung sein. Für die Eigenschaft einer Person als Empfangsvertreter, der von dem Vertretenen zur Entgegennahme von Willenserklärungen Dritter bevollmächtigt ist, ist das jedenfalls unerheblich. Diese Grundsätze gelten entsprechend für den Adressaten einer geschäftsähnlichen Handlung.

3. War der Zeuge O. mithin Empfangsvertreter der Beklagten, hat der Kläger seinen Ausgleichsanspruch rechtzeitig angemeldet.

Nach den bereits erwähnten Feststellungen des Berufungsgerichts hat er den Anspruch dem Zeugen gegenüber mehrfach noch vor der Vertragsbeendigung am 30. September 1993 geltend gemacht. Insoweit hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, daß der Ausgleichsanspruch auch mündlich und im Zusammenhang mit der Kündigung bereits vor der tatsächlichen und rechtlichen Beendigung des Vertrages angemeldet werden kann (vgl. BGHZ 50, 86, 88 bzw. 89). Die einem Empfangsvertreter gegenüber abgegebene Erklärung geht dem von ihm vertretenen Erklärungsempfänger gemäß § 164 Abs. 1 und 3 BGB sofort zu (vgl. MünchKomm/Schramm aaO, vor § 164 Rdnr. 60). Die dreimonatige Frist des § 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB a.F., deren Lauf erst mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses am 30. September 1993 begonnen hat, ist damit gewahrt. Auf die Frage, ob der Zeuge O. das Ausgleichsverlangen tatsächlich an die Beklagte weitergeleitet hat, kommt es nicht an.

4. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Da es noch tatsächlicher Feststellungen zur Höhe des Ausgleichsanspruchs bedarf, ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif. Daher waren das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

Ende der Entscheidung

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