Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.05.2001
Aktenzeichen: VIII ZR 51/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 123 Abs. 1
BGB § 123 Abs. 1

Zur arglistigen Täuschung durch den Erwerber eines Restitutionsanspruchs, der es vor Abschluß des Abtretungsvertrages übernommen hatte, die Belange der Veräußerin in deren Namen gegenüber dem Amt für offene Vermögensfragen wahrzunehmen, und ihr für die Durchsetzbarkeit des Anspruchs - und damit auch für dessen Bewertung - wesentliche Informationen vorenthielt.

BGH, Urteil vom 23. Mai 2001 - VIII ZR 51/00 - KG Berlin LG Berlin


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 51/00

Verkündet am: 23. Mai 2001

Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert und Dr. Frellesen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 15. Zivilsenats des Kammergerichts vom 14. Dezember 1999 aufgehoben und das Urteil der Zivilkammer 5 des Landgerichts Berlin vom 17. Juli 1998 abgeändert.

Es wird festgestellt, daß der zwischen den Parteien geschlossene Abtretungsvertrag vom 21. März 1997 (UR-Nr. ... des Notars Dr. A. N. , B. ) nichtig ist.

Hinsichtlich des Antrags auf Feststellung, daß der zwischen den Parteien geschlossene Grundstückskaufvertrag vom 1. Sep-tember 1993 (UR-Nr. .. . des Notars Dr. A. N. , B. ) nichtig ist, wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Landgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Als Erbin ihres Ehemannes meldete die Klägerin beim Amt für offene Vermögensfragen im Oktober 1990 vermögensrechtliche Ansprüche in Bezug auf das Grundstück K. -K. -Str. in B. an und beantragte die Wiederherstellung der früheren Eigentumsrechte. Aufgrund eines im Jahre 1980 erklärten Eigentumsverzichts (§ 310 ZGB-DDR) ihres Ehemannes war das Grundstück in Volkseigentum übergegangen. In der beiderseitigen Erwartung einer Rückübertragung verkaufte die Klägerin das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 1. September 1993 zum Preis von 1.150.000 DM an den Beklagten, einen Immobilienhändler. Dieser beauftragte auf eigene Kosten, aber im Namen und mit Vollmacht der Klägerin, Rechtsanwalt S. mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im Restitutionsverfahren. Die für den Rückübertragungsanspruch nach §§ 3, 1 Abs. 2 VermG erforderliche Überschuldung des Grundstücks zum Zeitpunkt der Übernahme in Volkseigentum begründete Rechtsanwalt S. sodann mit Schriftsatz vom 3. Dezember 1996 mit den aus dem Grundbuch ersichtlichen dinglichen Belastungen. Am 27. Januar 1997 kündigte das Vermögensamt die Ablehnung des Antrags mit der Begründung an, eine die Rückübertragung rechtfertigende Überschuldungssituation aufgrund der 1980 im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechte sei nicht feststellbar, weil die Grundpfandrechte in erheblichem Umfang nicht mehr valutierten. Am 31. Januar 1997 unterrichtete Rechtsanwalt S. den Beklagten über die angekündigte Ablehnung und fügte hinzu, er halte den Standpunkt des Vermögensamtes für angreifbar. Am 5. Februar 1997 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Rückgabe des Grundstücks sei abgelehnt worden, die Weiterverfolgung des Anspruchs werde Jahre dauern und nicht ohne einen kostenintensiven Verwaltungsrechtsstreit verlaufen. Zugleich bot er ihr den Kauf des Restitutionsanspruchs für 100.000 DM an. Am 4. März 1997 übermittelte der Beklagte der Klägerin den "Vorbescheid" des Vermögensamtes vom 27. Januar 1997. Außerdem wiederholte er sein Kaufangebot mit der Bemerkung, angesichts des ungewissen Ausgangs des Restitutionsverfahrens halte er das Kaufangebot für "ausgesprochen fair". Am 4. März 1997 teilte Rechtsanwalt B. , den der Beklagte um Überprüfung der Erfolgsaussichten des Restitutionsantrags gebeten hatte, diesem mit, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Anspruch auf eine unmittelbar bevorstehende Überschuldung gestützt werde, sei der Bestand des Restitutionsanspruchs zweifelhaft. Mit Bescheid vom 12. März 1997 lehnte das Vermögensamt - wie angekündigt - die Rückübertragung an die Klägerin ab. Ebenfalls am 12. März 1997 schrieb die Klägerin an den Beklagten:

"Wir sind von der Entscheidung und Verfahrensweise des Amtes offener Vermögensfragen sehr enttäuscht, da wir auf menschliche Gerechtigkeit und auf Rückgabe gehofft haben. Sollten Sie Ihr Angebot von 120.000,00 DM erhöhen können, sind wir sofort bereit Ihnen den Anspruch zu überlassen. Wir sind von der Rückgabe in zweiter Instanz überzeugt, doch uns fehlen Mittel und Erfahrungen. Bei einer Rückgabe sind abzüglich aller anfallenden Kosten noch ein hoher Gewinn zu erwarten. Sie sind doch auch von der Rückgabe überzeugt!"

Unter Bezugnahme auf eine Anfrage des Beklagten vom 17. März 1997 zur Erfolgsaussicht eines möglichen Widerspruchs gegen den Ablehnungsbescheid schrieb Rechtsanwalt S. dem Beklagten am 19. März 1997, eine eingetretene Überschuldung könne ohne weiteres nachgewiesen werden, wenn feststehen würde, daß bestimmte eingetragene Grundpfandrechte noch als Belastung bestanden bzw. valutierten. Sollte dies nicht möglich sein, müsse - und dies dürfe im vorliegenden Fall entscheidend sein - geprüft werden, ob in der Zeit nach dem Eigentumsverzicht vernünftigerweise Instandsetzungsmaßnahmen hätten durchgeführt werden müssen, die bei Kreditaufnahme zu einer dauernden Überschuldung geführt hätten (bevorstehende Überschuldung). Zu den Chancen des Restitutionsanspruchs führte er aus:

"Bei derzeitiger Sachlage, unterstellt, die Tatsachenfeststellungen des Vermögensamtes sind zutreffend, dürften die Erfolgsaussichten bei 50 : 50 stehen, wobei wir angesichts des Vermögenswertes und der Chancen, die restitutionsbegründenden Tatsachen noch aufklären zu können, zu einer Fortsetzung des Verfahrens raten."

Am 20. März 1997 teilte der Beklagte Rechtsanwalt S. daraufhin mit, Unterlagen über den schlechten Zustand des Hauses könne er innerhalb von vier Wochen beschaffen.

Mit notariellem Vertrag vom 21. März 1997 hoben die Parteien den Grundstückskaufvertrag vom 1. September 1993 auf. Statt dessen verkaufte die Klägerin dem Beklagten den Restitutionsanspruch zum Preis von 120.000 DM, der "vier Wochen nach Vorliegen eines bestandskräftigen Rückübertragungsbescheids" zur Zahlung fällig sein sollte, und trat den Anspruch sogleich an ihn ab. Am 10. April 1997 ließ der Beklagte durch Rechtsanwalt S. Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 12. März 1997 einlegen. Zur Begründung führte er unter anderem aus, zum Zeitpunkt der Übernahme in Volkseigentum habe eine Überschuldung des Grundstücks wegen eines unaufschiebbaren Investitionsaufwandes von zunächst 55.000 DM unmittelbar bevorgestanden. Nach weiterem Vortrag mit Schreiben vom 4. August 1997 kündigte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen am 2. Februar 1998 wegen der im Jahre 1980 anstehenden notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen die Rückübertragung an. Kurz zuvor, am 19. Dezember 1997, hatte der Beklagte den Restitutionsanspruch an den Streithelfer für 1.800.000 DM verkauft und übertragen.

Mit Anwaltsschreiben vom 3. Februar 1998 erklärte die Klägerin die Anfechtung des am 21. März 1997 geschlossenen Vertrages wegen arglistiger Täuschung über die Erfolgsaussichten des Restitutionsanspruchs. Ferner machte sie die Sittenwidrigkeit des Vertrages wegen eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung geltend.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, daß der Abtretungsvertrag vom 21. März 1997 nichtig ist. Für den Fall des Erfolgs dieses Antrags verlangt sie des weiteren die Feststellung, daß der Grundstückskaufvertrag vom 1. September 1993 nichtig ist. Das Landgericht hat die Klage schon im Hauptantrag abgewiesen. Im zweiten Rechtszug - in den als Folge der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Beklagten der Konkursverwalter an dessen Stelle in den Rechtsstreit eingetreten ist - stützt die Klägerin die Anfechtung des Vertrages vom 21. März 1997 darüber hinaus auf die Behauptung, der Beklagte habe ihr verschwiegen, daß er im März 1997 bereits nicht mehr zahlungsfähig gewesen sei, jedenfalls aber der Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit gedroht habe.

Nach Zurückweisung ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit der Revision weiter. Während des Revisionsverfahrens hat der Konkursverwalter den Restitutionsanspruch an den Beklagten freigegeben und erklärt, aus diesem Grunde sei nicht mehr er passiv legitimiert, sondern dies sei der Beklagte; er bitte daher, Zustellungen an den Beklagten vorzunehmen. Der Beklagte hat den Rechtsstreit aufgenommen und beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

I. Durch seine oben wiedergegebene Erklärungen ist der Konkursverwalter aus dem Rechtsstreit als Partei ausgeschieden. Er hat nicht lediglich den Restitutionsanspruch selbst freigegeben, sondern darüber hinaus seinen Willen zum Ausdruck gebracht, aus den notariellen Verträgen vom 21. März 1997 und vom 1. September 1993 keine Rechte für die Masse herzuleiten und die weitere Prozeßführung in vollem Umfang dem Gemeinschuldner zu überlassen. Nachdem der Gemeinschuldner sodann den entsprechend § 239 Abs. 2 ZPO unterbrochenen Rechtsstreit aufgenommen hat (BGHZ 36, 258 f, 260 f; BGH, Beschluß vom 28. September 1989 - VII ZR 115/89, NJW 1990, 1239 unter II, 1 b), ist das Verfahren mit ihm fortzusetzen.

II. Die Klägerin hat das für ihren Hauptantrag erforderliche Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung (§ 256 ZPO). Dem steht nicht entgegen, daß der Beklagte den Restitutionsanspruch, der Gegenstand des Abtretungsvertrages der Parteien vom 21. März 1997 gewesen ist, seinerseits im Dezember 1997 dem Streithelfer weiter übertragen hat. Zwar wird der Prozeß um die Inhaberschaft an dem Anspruch nicht mit dem vermeintlich Berechtigten geführt und richtet sich auch nicht gegen den als Schuldner der Restitutionsforderung in Anspruch Genommenen. Daß die Frage, ob der Beklagte durch die Vereinbarung mit der Klägerin Inhaber des Restitutionsanspruchs wurde - unbeschadet einer Interventionswirkung nach § 68 ZPO -, nur zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits mit Rechtskraftwirkung festgestellt wird, nimmt der Klägerin aber nicht das Interesse an der beantragten Feststellung. Das Feststellungsinteresse setzt nicht notwendig voraus, daß das erstrebte Feststellungsurteil Bindungswirkung auch gegenüber den Personen entfaltet, gegen die daraus Rechte hergeleitet werden sollen. Es genügt, wenn der Streit der Parteien über das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis von Einfluß auf die Rechtsbeziehungen der klagenden Partei zu einem Dritten ist. Das ist hier der Fall. Die Frage, ob der Beklagte den Restitutionsanspruch der Klägerin durch die Abtretung erworben hat, ist für ihre Rechtsstellung gegenüber dem nach dem Vermögensgesetz zuständigen Amt zur Regelung offener Vermögensfragen als der den Anspruch regulierenden Behörde von entscheidender Bedeutung.

III. Das Berufungsgericht hat zur Sache im wesentlichen ausgeführt:

Der Vertrag vom 21. März 1997 sei nicht nach § 138 Abs. 1 BGB als wucherähnliches Rechtsgeschäft sittenwidrig. Ein auffälliges Mißverhältnis zwischen dem Wert des Restitutionsanspruchs und dem Kaufpreis von 120.000 DM habe bei Vertragsschluß nicht bestanden. Zwar sei das Grundstück seinerzeit mindestens 700.000 DM wert gewesen. Jedoch sei die Durchsetzbarkeit des Restitutionsanspruchs angesichts des Ablehnungsbescheides vom 12. März 1997 sowohl aus Sicht des Beklagten als auch objektiv zweifelhaft gewesen. Das Vermögensamt habe eine die Rückübertragung rechtfertigende, im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts bestehende Überschuldung verneint, der Restitutionsgrund einer bevorstehenden Überschuldung wegen 1980 erforderlicher Instandsetzungsmaßnahmen sei erst nach Vertragsschluß, nämlich im Widerspruchsverfahren, geltend gemacht worden; da diese Reparaturen bis zum Jahre 1997 noch nicht durchgeführt worden seien, sei keineswegs davon auszugehen gewesen, daß die Verwaltungsbehörde darin einen Restitutionsgrund sehen würde.

Die Klägerin habe den Vertrag vom 21. März 1997 nicht wirksam angefochten. Die unterbliebene Unterrichtung der Klägerin über bestehende Zahlungsschwierigkeiten des Beklagten begründe kein Anfechtungsrecht. Auch wenn sich der Beklagte bereits im März 1997 in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden habe, sei er unter den gegebenen Umständen nicht verpflichtet gewesen, ungefragt seine finanzielle Situation zu offenbaren.

Auf eine Täuschung über die Erfolgsaussichten des Restitutionsantrags könne die Klägerin die Anfechtung gleichfalls nicht stützen. Zwar sei es möglich, daß der Beklagte der Klägerin gegenüber zum Ausdruck gebracht habe, der Restitutionsantrag könne nur mit großem Zeit- und Kostenaufwand und einem entsprechenden Risiko durchgesetzt werden, doch habe dies aus damaliger Sicht durchaus den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei der Erfolg des Restitutionsbegehrens zweifelhaft gewesen. Insbesondere sei offen gewesen, ob der Beklagte mit seinem erstmals im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Restitutionsgrund, einer zum Zeitpunkt der Übernahme des Grundstücks in Volkseigentum unmittelbar bevorstehenden Überschuldung, Erfolg haben würde. Schließlich habe die Klägerin allem Anschein nach über den Wert des Restitutionsanspruch sehr konkrete Vorstellungen gehabt, wie sich ihrem Schreiben vom 12. März 1997 entnehmen lasse. Sie selbst habe dem Beklagten darin mitgeteilt, sie sei von der Rückübertragung des Grundstücks überzeugt, so daß nach Abzug der Kosten noch ein erheblicher Gewinn zu erwarten sei.

IV. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auf die Rügen der Revision ist das Berufungsurteil aufzuheben und dem Hauptantrag der Klägerin stattzugeben. Zu Unrecht hat das Kammergericht die Wirksamkeit der von der Klägerin erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung verneint. Aus den von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich vielmehr, daß der Beklagte die Klägerin durch Vorenthaltung erheblicher Tatsachen über die Erfolgsaussichten ihres Restitutionsantrages getäuscht und sie dadurch zur Veräußerung ihres Anspruchs zum Preise von 120.000 DM bestimmt hat.

1. Das Berufungsgericht schöpft den festgestellten Sach- und Streitstand nicht aus (§ 286 ZPO), wenn es zur Verneinung eines Anfechtungsrechts ausführt, der der Klägerin vom Beklagten vermittelte Eindruck über die Erfolgsaussichten ihres Restitutionsantrages habe den tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entsprochen, weil aus damaliger Sicht der Bestand des Anspruchs tatsächlich zweifelhaft gewesen sei und die Durchsetzung der Rückübertragung mit großem Zeit- und Kostenaufwand verbunden gewesen wäre. Entscheidend ist auch nicht, wie der Beklagte selbst die Erfolgsaussichten im Ergebnis eingeschätzt hat, sondern - worauf die Revision zutreffend hinweist - daß er der Klägerin pflichtwidrig für ihren Entschluß zum Verkauf wesentliche Informationen vorenthalten, ihr insbesondere die mit den Rechtsanwälten B. und S. hauptsächlich erörterte Anspruchsalternative einer unmittelbar bevorstehenden Überschuldung verschwiegen und ihr damit ein unvollständiges Bild für ihre eigene Einschätzung der Durchsetzbarkeit ihres Rückübertragungsanspruchs vermittelt hat.

a) Die Pflichten, die dem Beklagten der Klägerin gegenüber oblagen, gingen weit über die Aufklärungs- und Offenbarungspflichten hinaus, die der Vertragspartner eines Austauschvertrages dem anderen Teil gegenüber einzuhalten hat. Der Beklagte hatte es übernommen, die Klägerin im Restitutionsverfahren, wenn auch auf eigene Rechnung, zu vertreten, und er ist umfassend für sie tätig geworden. Die Klägerin hat ihm damit in einer wirtschaftlich bedeutsamen Angelegenheit die Wahrnehmung ihrer Belange anvertraut und sich, auch aufgrund des gemeinsamen Interesses an dem Rückerhalt des Grundstücks, auf seine Redlichkeit als Vermittler zwischen ihr und dem Vermögensamt verlassen. Aufgrund der ihm von der Klägerin erteilten Vollmacht für das Restitutionsverfahren, seiner Vermittlerrolle zwischen den eingeschalteten Rechtsanwälten und der Klägerin, seiner überlegenen Geschäftserfahrung, des Vertrauens, das die Klägerin ihm erkennbar entgegenbrachte, sowie im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung, die das Restitutionsverfahren für sie besaß, war der Beklagte ihr daher in gesteigertem Maße zu sachgerechter Information verpflichtet. Dieser Verpflichtung konnte er nur durch vollständige, wahrheitsgemäße, unverzügliche und rechtzeitige Unterrichtung über die ihm von den Anwälten erteilten, für die Durchsetzung des Anspruchs bedeutsamen Informationen nachkommen, am zuverlässigsten also durch Übersendung der anwaltlichen Schriftsätze, jedenfalls aber durch wahrheitsgemäße Mitteilung und Erläuterung deren Inhalts.

b) Entgegen dieser Verpflichtung hat der Beklagte der Klägerin wesentliche, ihr bisher nicht bekannt gewordene Umstände vorenthalten. Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, hatte der Bevollmächtigte der Klägerin im Restitutionsverfahren, Rechtsanwalt S. , das Restitutionsbegehren zunächst allein mit einer zum Zeitpunkt der Übernahme in Volkseigentum bereits eingetretenen Überschuldung (§ 1 Abs. 2 1. Alt. VermG) begründet und diese auf im Grundbuch eingetragene Belastungen gestützt. Nach dem Rechtsanwalt S. zugeleiteten Vorbescheid des Vermögensamts vom 27. Januar 1997, dem der Ablehnungsbescheid vom 12. März 1997 nachfolgte, rechtfertigte diese - einzig geltend gemachte - Anspruchsalternative die Rückübertragung nicht, weil die im Grundbuch eingetragenen Belastungen zu einem erheblichen Teil nicht mehr valutierten und eine Überschuldung, gemessen am Verkehrswert des Grundstücks, nicht feststellbar war. Daneben kam jedoch für die Rückübertragung die später zwischen Rechtsanwalt S. und Rechtsanwalt B. einerseits und dem Beklagten andererseits erörterte weitere, bislang nicht vorgebrachte zweite Anspruchsalternative des § 1 Abs. 2 VermG in Betracht, nämlich die zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts unmittelbar bevorstehende Überschuldung des Grundstücks wegen unaufschiebbar notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen (BVerwGE 98, 87). Daß hier eine solche die Rückübertragung rechtfertigende Überschuldungssituation gegeben sein könnte, die dem Vermögensamt als weitere Grundlage für den Restitutionsanspruch noch nicht unterbreitet worden war, hat der Beklagte der Klägerin nicht offenbart.

Es kann dahinstehen, ob der Beklagte bei Abfassung seines Schreibens vom 5. Februar 1997, mit dem er der Klägerin darlegte, die Rückgabe des Grundstücks sei abgelehnt worden und die Verfolgung des Anspruchs werde Jahre dauern und kostenintensiv sein, bereits wußte, daß Restitutionsgründe vorliegen könnten, die im Verwaltungsverfahren noch nicht geltend gemacht worden waren. Jedenfalls hatte er vor Vertragsschluß am 21. März 1997 entsprechende Kenntnisse. Diese hat er der Klägerin nicht weitergegeben. Insbesondere hat er ihr nicht das Schreiben Rechtsanwalt Schnabels vom 19. März 1997 übersandt oder dessen Inhalt mitgeteilt. Damit hat er ihr die Einschätzung Rechtsanwalt S. und seinen Rat, das Verfahren fortzusetzen, verschwiegen. Auch hat er sie nicht von seinem eigenen Antwortschreiben vom 20. März 1997 in Kenntnis gesetzt, worin er Rechtsanwalt S. ankündigte, er könne binnen vier Wochen Unterlagen über den schlechten Zustand des Hauses beibringen, und hinzufügte, nach seinem Wissen seien "die Abschlüsse der vergangenen Jahre" wegen der dringend notwendigen Instandhaltungen negativ ausgefallen. Schon Rechtsanwalt B. hatte auf die bereits 1980 erwogenen, die Elektroanlage betreffenden Instandsetzungsmaßnahmen hingewiesen, die später Grundlage der Ankündigung des Amtes für offene Vermögensfragen vom 2. Februar 1998 wurden, den ablehnenden Bescheid aufzuheben und das Eigentum zurückzuübertragen.

c) Trotz des am 27. Januar 1997 angekündigten Ablehnungsbescheides des Vermögensamtes vom 12. März 1997 war eine Rückübertragung des Grundstücks daher, auch aus der Sicht des anwaltlich beratenen Beklagten, bei dem Vertragsschluß am 21. März 1997 nicht fernliegend oder gar ausgeschlossen. Statt der Klägerin aber ein vollständiges Bild zu vermitteln, um ihr eine realistische Einschätzung der Erfolgsaussichten des Restitutionsantrages zu ermöglichen, hat er ihr die dem Ablehnungsbescheid gegenüber neu aufzuzeigende Begründungsalternative für ihren Restitutionsanspruch verschwiegen. Er hat eine Rückübertragung im Gegenteil als nahezu aussichtslos dargestellt.

2. Durch sein Verhalten hat der Beklagte die Klägerin zur Aufhebung des Vertrages über den Verkauf des Grundstücks für 1.150.000 DM und zur Veräußerung des Restitutionsanspruchs zum Preise von 120.000 DM und zu dessen Abtretung veranlaßt.

Hätte der Beklagte die Klägerin wahrheitsgemäß unterrichtet, so ist davon auszugehen, daß diese mit der Aufhebung des Grundstückskaufvertrages vom 1. September 1993 nicht einverstanden gewesen wäre und die sich daran anschließenden, auf Verkauf und Abtretung des Restitutionsanspruchs gerichteten Erklärungen jedenfalls seinerzeit nicht abgegeben hätte. Für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt es, daß der Getäuschte Umstände dartut und gegebenenfalls beweist, die für seinen Entschluß von Bedeutung sein konnten, und daß die Fehlvorstellung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluß auf die Entschließung hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 1995 - V ZR 34/94, NJW 1995, 2361 m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Es widerspricht der Lebenserfahrung, daß die Klägerin bereit gewesen wäre, auch dann den Grundstückskaufvertrag mit einem vereinbarten Kaufpreis von 1.150.000 DM durch den Vertrag über den Kauf des Restitutionsanspruchs mit einem Kaufpreis von lediglich 120.000 DM zu ersetzen, wenn sie gewußt hätte, daß auch Restitutionsgründe in Betracht kamen, die Rechtsanwalt S. noch gar nicht geltend gemacht hatte und auf die sich deshalb die ihr vorliegende Ablehnungsankündigung des Vermögensamtes vom 27. Januar 1997 nicht bezogen hat. Vielmehr entschloß sich die Klägerin, wie ihrem Schreiben vom 12. März 1997 zu entnehmen ist, unter dem Eindruck dieses Bescheides zum Verkauf des Anspruchs und zur Aufhebung des Grundstückskaufvertrages. Dabei ging sie davon aus, daß die Weiterverfolgung des Anspruchs für sie praktisch aussichtslos sei, jedenfalls Jahre dauern und einen kostspieligen Verwaltungsrechtsstreit nach sich ziehen würde. Dies traf angesichts des Umstandes, daß bis zur Beurkundung des Vertrages am 21. März 1997 weitere Restitutionsgründe bekannt geworden waren, die nun erstmals im Widerspruchsverfahren vorgebracht werden konnten, so nicht zu.

Daß die Klägerin die sich ihr bietende Chance, die Rückübertragung doch noch zu erreichen, ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussichten ihres Antrags allein aus Kostengründen nicht genutzt hätte, läßt sich ihrem Schreiben vom 12. März 1997 nicht entnehmen. Zwar teilt sie darin mit, sie sei von der Rückgabe in zweiter Instanz überzeugt, ihr fehlten aber Mittel und Erfahrung zur Durchsetzung des Anspruchs; doch spricht dies nicht dafür, daß sie auf das Angebot des Beklagten auch dann eingegangen wäre, wenn sie über den Umstand unterrichtet worden wäre, daß Rechtsanwalt S. zur Fortführung des Verfahrens geraten hatte, daß die Restitutionsgründe noch nicht einmal umfassend geltend gemacht worden waren und gegebenenfalls auch ohne ein kostenaufwendiges Verwaltungsstreitverfahren durchgesetzt werden konnten. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Inhalt des Schreibens spreche gegen die Ausnutzung einer Unerfahrenheit der Klägerin im Umgang mit dem Restitutionsanspruch und seiner Bewertung, gibt für die hierzu entscheidende Frage, ob sie bei Kenntnis der ihr verschwiegenen Umstände ebenso gehandelt hätte, nichts her. Ihr kam es vor allem darauf an, sich aus ihrer vermeintlich mißlichen Lage zu befreien und noch einen etwas günstigeren Preis auszuhandeln.

3. Der Beklagte hat arglistig gehandelt, wie der Senat selbst feststellen kann. Ihm mußte sich aufdrängen, daß eine vollständige Unterrichtung der Klägerin über die seinerzeitige Sach- und Rechtslage von Einfluß auf ihre Entschlüsse sein könnte. Das Vorenthalten wichtiger Informationen ist nur damit zu erklären, daß der Beklagte damit rechnete, die Klägerin hätte sich bei umfassender Kenntnis anders entschieden.

4. Da aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts die von der Klägerin ausgesprochene Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gerechtfertigt ist und weitere für den Beklagten günstige Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat über den Hauptantrag selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Aus dem Gesagten ergibt sich, daß dem Hauptantrag stattzugeben ist. Auf den vom Berufungsgericht übergangenen (§ 286 ZPO), unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin, Rechtsanwalt S. habe dem Beklagten schon Anfang Februar 1997 telefonisch mitgeteilt, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestätige den ursprünglichen Rechtsstandpunkt zugunsten der Klägerin vollauf, es müßten lediglich noch die beim Verfügungsbefugten befindlichen Unterlagen für die seinerzeit bevorstehenden Instandsetzungen kopiert und zum Verfahren gereicht werden, kommt es nicht mehr an.

V. Eine Entscheidung über den weiteren, durch den Erfolg des Hauptantrags bedingten Antrag der Klägerin, die Nichtigkeit des Grundstückskaufvertrages vom 1. September 1993 festzustellen, kann der Senat nicht selbst treffen. Der Antrag ist zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein zusätzlicher Antrag von der Bedingung abhängig gemacht werden, daß dem Hauptantrag stattgegeben wird (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2000 - V ZR 254/99, WM 2001, 416 unter III 1 m.w.Nachw.). Die Klägerin hat auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse für ihren bedingten weiteren Antrag, da sie mit ihrem Hauptantrag Erfolg hat und damit feststeht, daß der Grundstückskaufvertrag vom 1. September 1993 nicht schon durch den im März 1997 beurkundeten Vertrag aufgehoben worden ist. Der Senat verweist die Sache insoweit an das Landgericht zurück, da die erste Instanz über diesen Antrag - von ihrem Standpunkt aus folgerichtig - nicht entschieden hatte und das Berufungsgericht daher in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (vgl. für den Fall der Stufenklage: Senatsurteil vom 14. November 1984 - VIII ZR 228/83, NJW 1985, 862; Musielak/Ball, ZPO 2. Aufl., § 538 Rdnr. 14) den Rechtsstreit im Falle einer richtigen Entscheidung ebenfalls an das Landgericht hätte zurückverweisen dürfen.

Ende der Entscheidung

Zurück