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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.05.1998
Aktenzeichen: VIII ZR 6/97
Rechtsgebiete: GKG
Vorschriften:
GKG § 2 Abs. 1 |
Das Bundeseisenbahnvermögen ist von der Zahlung von Gerichtskosten befreit.
BGH, Beschluß vom 27. Mai 1998 - VIII ZR 6/97 - OLG Hamm LG Münster
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
27. Mai 1998
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Ball und Dr. Leimert
am 27. Mai 1998
beschlossen:
Auf die Erinnerung der Klägerin wird der Kostenansatz des Kostenbeamten des Bundesgerichtshofs vom 21. August 1997 in der Fassung vom 5. Februar 1998 aufgehoben.
Gründe:
I. Das Bundeseisenbahnvermögen hat gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm Revision eingelegt. Der Kostenbeamte hat die mit Einlegung des Rechtsmittels fällig gewordene Verfahrensgebühr für den Revisionsrechtszug (§§ 61, 11 Abs. 1 GKG, KostVerz.Nr. 1230) unter dem 21. August 1997 zunächst mit DM 8.860 und, nach Festsetzung des Streitwertes durch den Senat auf DM 500.000, mit DM 7.070 - rechnerisch unbeanstandet - angesetzt.
Dagegen richtet sich die Erinnerung des Bundeseisenbahnvermögens, mit der es geltend macht, von der Zahlung der Kosten gemäß § 2 Abs. 1 GKG befreit zu sein.
II. Die zulässige Erinnerung (§ 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GKG) ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Kostenansatzes.
Das Bundeseisenbahnvermögen ist gemäß §§ 2 Abs. 1, 73 Abs. 1 Satz 2 GKG in der Fassung vom 14. September 1994 von der Zahlung der Kosten befreit.
Nach § 2 Abs. 1 GKG sind in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen von der Zahlung der Kosten - Gebühren und Auslagen (§ 1 Abs. 1 GKG) - befreit. Dabei rechtfertigt sich die Kostenfreiheit des Bundes und der Länder daraus, daß diese als Träger der Justizhoheit den Aufwand für die Errichtung und Unterhaltung der Gerichtsorganisation zu tragen haben (BFHE 113, 496, 499; BGH, Beschluß vom 27. Oktober 1981 - VI ZR 108/76 = MDR 1982, 399 unter 2 a; BGH, Beschluß vom 16. Januar 1997 - IX ZR 40/96 = BGHR GKG § 2 Abs. 1 Anstalt, öffentliche 1 unter II 1). Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 GKG gilt auch für das Bundeseisenbahnvermögen, das mit der Revision eigene Ansprüche gegen die Beklagten verfolgt hat. Allerdings wird das Eisenbahnvermögen als Sondervermögen des Bundes zwar im Bundeshaushaltsplan aufgeführt; seine Einnahmen und Ausgaben werden darin jedoch nicht vollständig dargestellt (zu den Anforderungen der Verwaltung nach dem Haushaltsplan des Bundes oder eines Landes nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vgl. insbesondere BGH, Beschluß vom 16. Januar 1997 - IX ZR 40/96 aaO m.w.Nachw.; BGH, Beschluß vom 27. Oktober 1981 - VI ZR 108/76 aaO m.w.Nachw.; zur tatsächlichen Handhabung: § 26 Abs. 2 BHO, Bundeshaushaltsplan 1995, Kap. 1222, Titel 629 O1, 629 02, 639 01 und BT-Drucks. 501/93, S. 21).
1. Es kann dahinstehen, ob die Erweiterung der Kostenfreiheit auf nicht den Bund oder die Länder betreffende Verfahren die gesamte unmittelbare Staatsverwaltung - auch wenn es sich um ein Sondervermögen handelt - erfaßt (BFHE aaO), oder ob die Einnahmen und Ausgaben dieser nicht bzw. teil-rechtsfähigen Verwaltungsträger nach kameralistischen Grundsätzen in aller Regel im Haushaltsplan ausgewiesen werden müssen, um an dem Kostenprivileg teilhaben zu können (RG JW 1936, 2142 [grundlegend]; BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 1956 - V ZB 34/55 = Rechtspfleger 1956, 97, vom 4. Juli 1978 - V ZR 154/75 - Rechtspfleger 1978, 305, vom 16. Januar 1997 - IX ZR 40/96 aaO und vom 27. Oktober 1981 - VI ZR 108/76 aaO unter 2 a, b; KG, Beschluß vom 4. April 1975 - 1 W 2907/94 = JurBüro 1996, 42). Offenbleiben kann auch, ob das Bundeseisenbahnvermögen - wie die ehemalige Deutsche Bundesbahn (dazu BVerwGE 64, 202, 205; Kunz MDR 1989, 588, 590) - als nicht rechtsfähiges Sondervermögen (Art. 1 § 1 ENeuOG BGBl. I 1993, 2378) eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist.
Die Kostenfreiheit des Bundeseisenbahnvermögens ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 1 GKG in der Fassung vom 14. September 1994, soweit diese das Bundeseisenbahnvermögen als Sondervermögen des Bundes (Art. 1 § 1 ENeuOG) betrifft.
a) Bereits die Deutsche Reichsbahn war seit ihrer Eingliederung in die Reichsverwaltung (Art. 2 des Gesetzes vom 10. Februar 1937, RGBl. II S. 47) im Hinblick auf die Gebührenfreiheit, die § 90 GKG in der Fassung vom 27. März 1936 unter anderem dem Reich und den für Rechnung des Reichs verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen gewährte, von den Gerichtsgebühren, nicht jedoch von den Auslagen befreit (AV des Reichsministers der Justiz vom 3. Juli 1937, DJ 1937, 1029 Nr. 228). Damit war die Rechtsprechung des Reichsgerichts, die eine Gebührenbefreiung der früheren Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft - wegen ihrer Rechtsfähigkeit - ablehnte (RGZ 109, 90, 91, 93; RG HRR 1931, 707), gegenstandslos geworden (Baumbach, Kostengesetze, 8. Aufl. 1938, GKG § 90 Anm. 2).
b) An dieser Rechtslage hat sich nach 1945 nichts Entscheidendes geändert. Die Deutsche Bundesbahn als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn war nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes; von den Gerichtsgebühren blieb sie weiterhin befreit (Baumbach/Lauterbach, Kostengesetze, 10. Aufl. 1951, GKG, § 90 Anm. 2).
c) Die Änderung des Gerichtskostengesetzes durch Gesetz vom 26. Juli 1957 (BGBl. I, S. 861) war, soweit sie die hier bedeutsamen Vorschriften betraf, im wesentlichen redaktioneller und klarstellender Art. Der bisherige § 90 wurde als neuer § 2 eingestellt. Auf Vorschlag des Bundesrates wurde in § 2 Abs. 1 folgender Satz 2 eingefügt: "Bundesbahn und Bundespost sind von der Zahlung der Auslagen nicht befreit." Begründet wurde dies damit, daß kein Anlaß bestehe, diese Einrichtungen als werbende Betriebe mit haushaltsrechtlicher Sonderstellung an der Vergünstigung der Auslagenbefreiung teilnehmen zu lassen (BT-Drucks. 3/2545, S. 154, 289, 294). Mit dieser Fassung des § 2 GKG wurde das Gesetz beschlossen (BGBl. I 1957, 861, 862).
d) Die Neufassung des § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG durch Gesetz vom 20. August 1975 (BGBl. I, 2189) brachte hinsichtlich der Gebührenbefreiung in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten keine Änderung. Satz 2 blieb insgesamt unverändert. Im Gesetzgebungsverfahren war eine generelle Einschränkung der Kostenfreiheit der öffentlichen Hand zwar erwogen, letztlich aber als entbehrlich angesehen worden (BR RechtsA 1974, 44/23 ff; BT-Drucks. 7/2016, S. 67).
e) Das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 hat das nicht rechtsfähige Sondervermögen Deutsche Bundesbahn sowie das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn zu einem nicht rechtsfähigen Sondervermögen des Bundes zusammengeführt. Es wird nunmehr vom Bund unter dem Namen "Bundeseisenbahnvermögen" verwaltet (Art. 1 § 1 ENeuOG). Gemäß Art. 1 §§ 6, 8, 20 ENeuOG in Verbindung mit dem Deutsche Bahn Gründungsgesetz (DBGrG) wurden bahnnotwendige Rechte auf die Deutsche Bahn AG übertragen. Dem Bundeseisenbahnvermögen verbleibt die Verwaltung und Verwertung nicht betriebsnotwendiger Grundstücke und Rechte, insbesondere die Tilgung der Schulden der Deutschen Bundesbahn (vgl. BR-Drucks. 501/93 S. 21) und die Verwaltung der der Deutschen Bahn AG zugewiesenen Beamten (Art. 1 § 3 Abs. 2 ENeuOG). Die Dienststellen sind Bundesbehörden (Art. 1 § 6 Abs. 4 ENeuOG, § 1 Abs. 5 Vw0-BEV); das Personal steht im Dienst des Bundes, die Beamten sind unmittelbare Bundesbeamte (Art. 1 § 7 Abs. 1 ENeuOG).
§ 2 Abs. 1 Satz 2 GKG in der Fassung vom 15. Dezember 1975 wurde durch Art. 6 Abs. 39 ENeuOG dahin geändert, daß nur noch die Deutsche Bundespost von der Zahlung von Auslagen nicht befreit war (BGBl. I 1993, 2410). Satz 2 des § 2 Abs. 1 GKG ist nunmehr mit Rücksicht auf die Privatisierung der Bundespost durch die Neufassung des § 2 vom 14. September 1994 völlig entfallen.
2. Daraus folgt, daß die Kostenbefreiung des Bundeseisenbahnvermögens nicht mit dem Hinweis auf die "weitgehende Privatisierung" der ehemaligen Deutschen Bundesbahn abgelehnt werden kann (so aber KG, Beschluß vom 4. April 1995 - 1 W 2907/94 = JurBüro 1996, 42; Hartmann, Kostengesetze, 27. Aufl., GKG § 2 Rdnr. 7; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Stand Oktober 1997 § 2 Rdnr. 7).
Das Bundeseisenbahnvermögen ist jetzt - anders als das frühere Sondervermögen Deutsche Bundesbahn - nicht nur von der Zahlung der Gebühren, sondern zusätzlich auch von der Entrichtung der Auslagen befreit. Das ergibt sich zwar nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 GKG, folgt aber nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers aus dem Zweck der Neufassung des - inzwischen überholten - § 2 Abs. 1 Satz 2 GKG durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993. Gerade die Änderung des Satzes 2 des § 2 Abs. 1 GKG a. F. durch Art. 6 Abs. 39 ENeuOG zeigt, daß die gebührenrechtliche Sonderstellung des Bundeseisenbahnvermögens beibehalten und - damals im Gegensatz zu derjenigen der Deutschen Bundespost - sogar noch gestärkt werden sollte. Während die Gebührenbefreiung des Sondervermögens Deutsche Bundesbahn seit jeher anerkannt war, jedoch nicht die Auslagen erfaßte, sollte nunmehr für das Bundeseisenbahnvermögen auch die Verpflichtung zur Zahlung der Auslagen entfallen. In der Begründung zum Gesetzentwurf des ENeuOG ist hierzu ausgeführt: "Das Sondervermögen DB war bislang von der Zahlung der Auslagen nicht befreit. Soweit an die Stelle der DB das Bundeseisenbahnvermögen tritt, ist es unter Berücksichtigung seiner Aufgabenstellung gerechtfertigt, es von der Zahlung auch der Auslagen zu befreien." (BT-Drucks. 12/4609 S. 108 Abs. 39). Hieran hat sich die Auslegung der Vorschrift zu orientieren. Für die Annahme einer Verschlechterung der kostenrechtlichen Stellung des Bundeseisenbahnvermögens bleibt danach kein Raum (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 26. Juli 1994 - 10 W 83/94 = JurBüro 1995, 150 unter 2, 3; OLG Köln, Beschluß vom 10. Juli 1996 - 17 W 117-118/96 = JurBüro 1997, 204; OLG München, Beschluß vom 25. Juni 1996 - 11 W 2883/97 - nicht veröffentlicht; Markl/Meyer, GKG, 3. Aufl., § 2 Rdnr. 9, 10; Rohs/Waldner, Kostenordnung, Stand April 1996, § 11 Rdnr. 8, 9).
Ende der Entscheidung
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