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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.12.2003
Aktenzeichen: X ARZ 270/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 29 a
Vom Gerichtsstand des § 29 a ZPO werden Ansprüche des Vermieters aufgrund eines selbständigen Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsvertrages gegen einen Dritten, der nicht Partei eines Miet- oder Pachtvertrages über Räume, dessen Anbahnung oder Abwicklung ist, nicht erfaßt.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ARZ 270/03

vom 16. Dezember 2003

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf am 16. Dezember 2003 beschlossen:

Tenor:

Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Berlin bestimmt.

Gründe:

I. Der Kläger nimmt die Beklagten vor dem Landgericht Potsdam als Gesamtschuldner auf Zahlung einer Mietsicherheit in Anspruch, welche die K. GmbH & Co. ... KG aufgrund eines Mietvertrages über ein Gewerbegrundstück nebst Räumen zum Betrieb eines Kinos in E. schuldet. Die Beklagten haben die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam gerügt. Daraufhin hat der Kläger beantragt, durch das Brandenburgische Oberlandesgericht ein gemeinsam zuständiges Gericht zu bestimmen, vorzugsweise das Landgericht Potsdam, weil der Schwerpunkt der Sache im Land Brandenburg liege. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt. Es will den Antrag ablehnen, weil für den vorliegenden Rechtsstreit der gemeinsame ausschließliche Gerichtsstand nach § 29a Abs. 1 ZPO gegeben und damit das Landgericht Frankfurt/Oder örtlich zuständig sei, sieht sich aber an einer solchen Entscheidung durch entgegenstehende Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts gehindert.

II. Die Vorlage ist zulässig. Der Beklagte zu 1 hat seinen allgemeinen Gerichtsstand im Land Brandenburg, die Beklagten zu 2 und 3 haben ihren allgemeinen Gerichtsstand im Land Berlin, so daß das vorlegende Oberlandesgericht anstelle des Bundesgerichtshofes zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen ist (§ 36 Abs. 2 ZPO, vgl. BGH, Beschl. v. 21.06.2000 - XII ARZ 6/00, NJW 2000, 3214) und das vorlegende Oberlandesgericht bezüglich der Frage, ob für Ansprüche des Vermieters gegen Dritte aus einem selbständigen Gewähr- oder Garantievertrag, hilfsweise aus einer Bürgschaftsverpflichtung, wie sie der Kläger gegenüber den Beklagten geltend macht, der Gerichtsstand des § 29a Abs. 1 ZPO gilt, von der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (NJW-RR 2000, 1734) abweichen will.

III. 1. Der Bundesgerichtshof hat die Frage der Anwendbarkeit des § 29a ZPO auf Sicherungsgeschäfte hinsichtlich des Mietverhältnisses bisher nicht entschieden. Die Frage ist umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß der besondere ausschließliche Gerichtsstand des § 29a ZPO nur für den miet- oder pachtvertraglich Haftenden, nicht aber für Dritte wie einen Bürgen oder Garanten gegeben sein soll (OLG München ZMR 1973, 84 f.; OLG Hamburg ZMR 1991, 26; BayObLG NJW-RR 2000, 1734; BayObLG NZM 2000, 784; OLG Karlsruhe NJW-RR 2002, 1167; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 29a Rdn. 6; MünchKomm./Patzina, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 29a Rdn. 9; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 29a Rdn. 22; Müller, Das Grundeigentum 1984, 813 ff.; Fischer, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., 2000, S. 1585, Rdn. 11, S. 1586, Rdn. 16; vgl. auch LG Frankenthal NJW-RR 1997, 334, 335). Demgegenüber wird in der instanzgerichtlichen Judikatur auch die gegenteilige Auffassung vertreten (AG Tempelhof-Kreuzberg, Das Grundeigentum 1985, 419; LG Berlin, Das Grundeigentum 1988, 627; AG Neukölln MM 1994, 210; LG Hamburg WuM 2003, 38), der sich auch das vorlegende Gericht anschließen möchte.

2. Vom Gerichtsstand des § 29a ZPO werden Ansprüche des Vermieters aufgrund eines selbständigen Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsvertrages gegen einen Dritten, der nicht Partei eines Miet- oder Pachtvertrages über Räume, dessen Anbahnung oder Abwicklung ist, nicht erfaßt.

a) Dieses Ergebnis legt bereits der Wortlaut des § 29a Abs. 1 ZPO in der hier anzuwendenden Fassung vom 11. Januar 1993 (BGBl I, 50) nahe. Dieser erfaßt nur Streitigkeiten über Ansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen über Räume oder über das Bestehen solcher Verhältnisse, also Rechtsstreitigkeiten, an denen die Prozeßbeteiligten als Parteien des Vertrages, seiner Anbahnung oder Abwicklung beteiligt sind. Demgegenüber handelt es sich bei Ansprüchen des Vermieters gegen einen Dritten aus einem selbständigen Gewähr- oder Garantievertrag oder aus einer Bürgschaft nicht um Streitigkeiten aus einem Miet- oder Pachtverhältnis, seiner Anbahnung oder Abwicklung, sondern um Ansprüche aus einem selbständigen Rechtsgeschäft. Sie unterscheiden sich damit von einem Schuldbeitritt (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl., vor § 414, Rdn. 2 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 29a ZPO Rdn. 6), bei dem der Mitübernehmer neben der ursprünglichen Vertragspartei in ein bestehendes Schuldverhältnis eintritt und damit Partei des Miet- oder Pachtvertrages wird. Da § 29a ZPO auf dem Gedanken beruht, für die örtliche Zuständigkeit an die Belegenheit des Miet- oder Pachtobjekts anzuknüpfen und Rechtsstreitigkeiten aus Miet- oder Pachtverträgen über Räume bei einem ortsnahen Gericht zu konzentrieren, das mit den örtlichen Verhältnissen vertraut und zur Beurteilung etwaiger Einwendungen besonders in der Lage ist, kommt seine Anwendung auf gegenüber derartigen Verträgen selbständige Rechtsgeschäfte wie selbständige Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsverträge nicht in Betracht. Auch wenn im Rahmen von Streitigkeiten über selbständige Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsverträgen etwa aufgrund von Einwendungen Fragen zu entscheiden sein können, die sich aus dem Miet- oder Pachtverhältnis ergeben, auf das sich der selbstständige Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsvertrag bezieht, so ist dies nicht typischerweise der Fall. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, die Parteien eines selbständigen Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsvertrages denen eines Miet- oder Pachtverhältnisses über Räume gleichzustellen und sie auf dem Weg des von § 29a ZPO vorgesehenen ausschließlichen Gerichtsstands zu zwingen, den Rechtsstreit nicht am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners, sondern am Gerichtsstand der belegenen Sache zu führen.

b) Dem steht nicht entgegen, daß § 29a Abs. 1 ZPO in der bis zum 11. Januar 1993 geltenden Fassung für den Fall der Wohnraummiete der Gedanke eines "sozialen Mietprozeßrechts" (BGHZ 89, 275, 281 f.; Stein/Jonas/Roth, § 29a Rdn. 1) zugrunde lag, der sicherstellen sollte, daß ein als sozial schwächer angesehener Mieter einen derartigen Prozeß an seinem Wohnort führen kann (Fischer, in: Bub/Treier, aaO, S. 1583). Durch die Neufassung des § 29a ZPO ist die Vorschrift zu einem allgemeinen Belegenheitsgerichtsstand in Miet- und Pachtsachen über Räume umgestaltet worden (Zöller/Vollkommer, aaO, § 29a ZPO Rdn. 2). Aus den bereits dargelegten Gründen besteht daher keine Veranlassung, den Anwendungsbereich der Vorschrift in ihrer seit dem 11. Januar 1993 geltenden Fassung auf Streitigkeiten zu erstrecken, die Ansprüche aus selbständigen Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsverträgen betreffen.

IV. Es erscheint zweckmäßig, das Landgericht Berlin als zuständiges Gericht zu bestimmen, da zwei der drei Schuldner dort ihren allgemeinen Gerichtsstand haben (§ 36 Abs. 3, §§ 12, 13 ZPO).



Ende der Entscheidung

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