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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.02.2000
Aktenzeichen: X ARZ 522/99
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 33 | |
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3 |
Bei einem an sich gegebenen gemeinschaftlichen Gerichtsstand scheidet die Bestimmung eines abweichenden weiteren Gerichtsstands aus. Das gilt auch dann, wenn die Klageansprüche im Wege der Widerklage verfolgt werden sollen, eine der Parteien jedoch weder an dem Primärprozeß beteiligt ist noch einen eigenen Gerichtsstand am Ort der Widerklage hat.
BGH, Beschl. v. 22. Februar 2000 - X ARZ 522/99 - OLG Köln AG Köln
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
22. Februar 2000
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Dr. Jestaedt, Dr. Melullis, Keukenschrijver und die Richterin Mühlens
am 22. Februar 2000 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Beklagten vom 26. Oktober 1999, das zuständige Gericht zu bestimmen, wird zurückgewiesen.
Gründe:
Der Kläger erwarb im Jahre 1995 einen gebrauchten Pkw Ford Escort, den die beklagte Bank finanzierte. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten die Herausgabe des Kfz-Briefes unter Berufung darauf, daß er den Kaufpreis für das Fahrzeug unter Abzug einer ihm wegen eines verschwiegenen Unfallschadens zustehenden Minderung vollständig bezahlt habe. Der Rechtsstreit ist beim Amtsgericht Köln anhängig. Die Beklagte verlangt im Wege der Widerklage die Rückzahlung des Restdarlehens nebst Zinsen vom Kläger und seiner bisher nicht am Verfahren beteiligten Ehefrau, die den Darlehensvertrag gemeinsam mit dem Kläger als Kreditnehmer abgeschlossen hat.
Die Widerbeklagte zu 2 hat die örtliche Unzuständigkeit des Amtsgerichts Köln gerügt. Das Amtsgericht Köln hat auf Antrag der Beklagten die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Bestimmung des zuständigen Gerichts für die Widerklage gemäß §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, 37 ZPO vorgelegt.
Das Oberlandesgericht möchte den Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts zurückweisen. Es sieht sich hieran durch Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts gehindert und hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs liegen vor. Das Oberlandesgericht Köln will von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 10. April 1996 (1Z AR 19/96, BayObLGZ 1996, 88) und vom 13. Juni 1996 (1Z AR 39/96) abweichen. Für eine Entscheidung gemäß § 36 Abs. 2 ZPO ist das Oberlandesgericht Köln zuständig, weil der Gerichtsstand der Klage im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln liegt, während der allgemeine Gerichtsstand der Widerbeklagten zum Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart gehört.
Die Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts betreffen die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts, wenn - wie hier - der Widerbeklagte und ein bisher nicht am Verfahren beteiligter Drittwiderbeklagter ihren durch ihren Wohnsitz bestimmten allgemeinen Gerichtsstand bei demselben Gericht haben. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei im Falle einer Drittwiderklage gegen eine Partei, die keinen Gerichtsstand beim Gericht der Klage habe, die örtliche Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO unter dem Vorbehalt zu bestimmen, daß das mit der Widerklage befaßte Gericht die Sachdienlichkeit der Widerklage gemäß § 263 ZPO bejaht. Es hat sich dazu auf die Entscheidung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. Februar 1991 (I ARZ 711/90, NJW 1991, 2838), des X. Zivilsenats vom 19. November 1991 (X ARZ 26/91, NJW 1992, 982) und des VII. Zivilsenats vom 6. Mai 1993 (VII ZR 7/93, NJW 1993, 2120) bezogen. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat aus der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Schluß gezogen, es müsse im Wege der Gerichtsstandsbestimmung entschieden werden, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wegen des gemeinsamen allgemeinen Gerichtsstands der Widerbeklagten nicht vorlägen. Es hat eigene Bedenken gegen die erweiternde Auslegung der Vorschrift im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung zurückgestellt, obwohl diese Bedenken sich aufdrängten, wenn die Widerbeklagten einen gemeinsamen Gerichtsstand hätten, der sich aber nicht mit dem Gerichtsstand der Widerklage decke.
Das Oberlandesgericht Köln geht zutreffend davon aus, daß der Bundesgerichtshof bisher nicht über die Frage entschieden hat, ob es für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts von Bedeutung ist, daß die Widerbeklagten einen gemeinsamen allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand haben. Der Entscheidung des I. Zivilsenats vom 28. Februar 1991 lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem die Widerbeklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken hatten. Der I. Zivilsenat hat entschieden, § 33 ZPO begründe keinen Gerichtsstand für den Widerbeklagten, der nicht zugleich als Kläger am Verfahren beteiligt sei; § 33 ZPO gelte nur für den widerbeklagten Kläger, nicht auch für die bisher nicht am Rechtsstreit beteiligte Person, für die bei dem angerufenen Gericht kein Gerichtsstand begründet sei.
In den Verfahren, die den Entscheidungen des VII. Zivilsenats vom 6. Mai 1993 und des beschließenden Senats vom 19. November 1991 zugrunde lagen, war die Widerklage nur gegen einen bisher am Verfahren nicht Beteiligten erhoben worden. Nach den genannten Entscheidungen kommt eine Gerichtsstandsbestimmung nach der allein in Betracht zu ziehenden Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in diesem Fall bereits deshalb nicht in Betracht, weil es an einer gegen mehrere Streitgenossen gerichteten (Wider-)Klage fehlte.
Allerdings hat der I. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 28. Februar 1991 zugleich ausgeführt, die Frage der örtlichen Zuständigkeit sei bei Verschiedenheit der Gerichtsstände der bislang nicht am Verfahren beteiligten widerbeklagten Streitgenossen in einem von der Prozeßordnung dafür vorgesehenen besonderen Verfahren nach §§ 36, 37 ZPO von dem im Rechtszug höheren Gericht zu entscheiden. Die örtliche Zuständigkeit könne nicht im Rahmen der Sachdienlichkeitsprüfung nach § 263 ZPO begründet werden, sondern nur über §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, 37 ZPO. Ähnlich hat der VII. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 6. Mai 1993 ausgeführt, das Gericht der Klage sei für eine gegen einen bisher nicht am Verfahren beteiligten Widerbeklagten erhobene Widerklage örtlich nur zuständig, wenn ein allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand bei diesem Gericht bestehe, der Drittwiderbeklagte die mangelnde örtliche Zuständigkeit nicht rüge oder das übergeordnete Gericht den Gerichtsstand nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimme. Beide Entscheidungen enthalten ebenso wie die Entscheidung des X. Zivilsenats vom 19. November 1991 demnach keine Aussage zu dem hier zu entscheidenden Fall, daß die Widerbeklagten einen gemeinsamen allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand haben.
Der Senat folgt dem Oberlandesgericht Köln in der Frage der Auslegung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 19. November 1991 - in anderem Zusammenhang - darauf hingewiesen, daß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO den - dem Schutz des Beklagten dienenden - allgemeinen Grundsatz der §§ 12 f. ZPO einschränkt, wonach eine Klage grundsätzlich am Sitz des Beklagten zu erheben ist. Angesichts der in einem solchen Fall regelmäßig gleichlaufenden Interessen erscheint es aus Gründen der Zweckmäßigkeit und der Prozeßökonomie jedenfalls dann, wenn der gleiche prozessuale Anspruch gegen mehrere Personen geltend gemacht wird, vertretbar, dem Kläger die Möglichkeit zu eröffnen, diesen in einem gemeinsamen Verfahren an einem der möglichen Gerichtsstände gegen alle in Anspruch Genommenen zu verfolgen. Dieser Gedanke vermag jedoch eine Gerichtsstandsbestimmung dann nicht zu rechtfertigen, wenn der Kläger die Streitgenossen, die er zu verklagen beabsichtigt, vor einem für alle Beklagten zuständigen Gericht in Anspruch nehmen kann.
Erhebt der Beklagte eine Widerklage, die einen bisher nicht am Verfahren Beteiligten einbezieht, so gilt für diesen Dritten nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs § 33 ZPO nicht. Zu demselben Ergebnis wie bei Anwendung dieser Vorschrift würde es jedoch führen, wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in Betracht käme. Denn für den widerbeklagten Kläger gilt § 33 ZPO. Dies hätte regelmäßig zur Folge, daß für die Widerklage insgesamt das Gericht der Klage als zuständiges Gericht zu bestimmen wäre. Dies erscheint jedoch allerdings dann durch den Grundsatz der Prozeßökonomie geboten, wenn die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorliegen, das heißt, wenn die Widerbeklagten keinen gemeinsamen allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand haben.
Ende der Entscheidung
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