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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.04.2008
Aktenzeichen: X ARZ 79/08
Rechtsgebiete: SGB V, ZPO, GVG


Vorschriften:

SGB V § 37
ZPO § 36
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
GVG § 17 a
GVG § 17 a Abs. 2
GVG § 17 a Abs. 2 Satz 1
GVG § 17 a Abs. 2 Satz 3
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3
GVG § 17 a Abs. 5
GVG § 17 b Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ARZ 79/08

vom 15. April 2008

in der Sache

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin Mühlens sowie die Richter Asendorf und Gröning

beschlossen:

Tenor:

Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen nicht vor.

Gründe:

I. Die inzwischen verstorbene frühere Klägerin E. K. , die gesetzlich durch eine Betreuerin vertreten war, hatte vor dem Sozialgericht Klage gegen die Beklagte erhoben, nachdem diese bestimmte Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB V nicht vollständig bewilligt hatte. Später hat sie im Wege der Klageerweiterung zusätzlich Freistellung von der Bezahlung bestimmter Leistungen verlangt, welche die jetzt als Klägerin geführte G. GmbH im Rahmen des Pflegevertrages für Frau K. erbracht hatte. Nach deren Tode hat die G. unter Berufung auf eine Abtretungserklärung im Pflegevertrag erklärt, den Prozess weiterführen zu wollen. Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit mit der G. als Klägerin fortgesetzt und den Parteien in der mündlichen Verhandlung zwei Entscheidungen des Bundessozialgerichts und ein Urteil des Bundesgerichtshofs vorgelegt, aus denen sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ergeben soll. Nach Erörterung hat es den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt, den Rechtsstreit an das Amtsgericht Bochum verwiesen und den übereinstimmenden Rechtsmittelverzicht der Parteien protokolliert. Das Amtsgericht Bochum hat sich ebenfalls für unzuständig erklärt und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen nicht vor.

1. Hinsichtlich der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs trifft § 17 a GVG eine eigenständige und abschließende Regelung, die einen Streit von Gerichten verschiedener Rechtswege von vornherein ausschließen soll (Sen.Beschl. v. 13.11.2001 - X ARZ 266/01, WM 2002, 406, 407; Sen.Beschl. v. 9.4.2002 - X ARZ 24/02, NJW 2002, 2474). Hat das angerufene Gericht den zu ihm führenden Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit zugleich an das seiner Ansicht nach zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs verwiesen, eröffnet das Gesetz den Beteiligten die Möglichkeit, diese Entscheidung in einem Instanzenzug auf ihre Richtigkeit hin überprüfen zu lassen (vgl. § 17 a Abs. 4 GVG). Anders als die Verweisung wegen örtlicher und sachlicher Unzuständigkeit eines ordentlichen Gerichts (§ 281 ZPO) kann der nach § 17 a Abs. 2 GVG ergehende Verweisungsbeschluss auf die sofortige Beschwerde einer Partei im Rechtsmittelzug überprüft werden. Ein nach § 17 a Abs. 2 GVG ergangener Beschluss, ist, sobald er rechtskräftig geworden ist, einer weiteren Überprüfung grundsätzlich entzogen. Die Regelung in § 17 a Abs. 5 GVG bestätigt dies (Sen.Beschl. v. 13.11.2001, aaO). Angesichts dieser Rechtslage besteht die Bindungswirkung nach § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG auch bei gesetzwidrigen Verweisungen.

Hat ein Gericht nach § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG rechtskräftig ausgesprochen, dass der zu ihm beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, bedarf es deshalb einer Bestimmung durch ein übergeordnetes Gericht nicht mehr. Dem trägt § 36 ZPO Rechnung, der eine Bestimmung durch ein Obergericht im Falle eines Streits zwischen Gerichten unterschiedlicher Rechtswege über die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht vorsieht (Sen.Beschl. v. 13.11.2001, aaO).

Auch der Streit zwischen dem Sozialgericht München und dem Amtsgericht Bochum ist damit entschieden. Das Amtsgericht Bochum ist das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs, weil der Rechtsstreit durch den unangefochtenen und unanfechtbaren Beschluss des Sozialgerichts München vom 13. Juni 2001 mit der sich aus § 17 b Abs. 1 GVG ergebenden Folge verwiesen worden ist, dass der Rechtsstreit nunmehr bei diesem Gericht anhängig ist. Es konnte sich nicht mehr für unzuständig erklären und die Übernahme des Verfahrens ablehnen.

2. Eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung ist, worauf der Senat mehrfach hingewiesen hat, in Anbetracht der durch § 17 a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeiten allenfalls bei "extremen Verstößen" denkbar (Sen.Beschl. v. 13.11.2001, aaO und v. 9.4.2002, aaO; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 08.11.1994 - 9 AV 1.94, DVBl. 1995, 572). Das Amtsgericht Bochum hat die grundsätzliche Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Sozialgerichts München bedacht, aber gemeint, dass die Bindungswirkung wegen objektiver Willkür des Beschlusses entfallen müsse. Dem vermag der Senat nicht beizutreten, auch wenn der Standpunkt des Amtsgerichts nach den gesamten Umständen nachvollziehbar erscheint. Das Amtsgericht Bochum legt dem Umstand der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses zu geringes Gewicht bei. Nach der gesetzlichen Regelung ist es grundsätzlich Sache der betroffenen Parteien, die Verweisung in einen vermeintlich nicht zulässigen Rechtsweg im Instanzenzug überprüfen zu lassen. Ihrem Schutz vor der Entziehung des gesetzlichen Richters und der Beurteilung ihres Rechtsstreits durch einen mit der einschlägigen Rechtsmaterie nicht vertrauten Richter dient die Anfechtungsmöglichkeit in § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG. Machen sie davon keinen Gebrauch, ist die rechtskräftig ausgesprochene Verweisung vom aufnehmenden Gericht grundsätzlich hinzunehmen.

3. Die Vorlage gibt keine Veranlassung, in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ausnahmsweise die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts auszusprechen, weil dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig wäre. Zwar ist ein solcher Ausspruch zu der sich aus § 17 a GVG ergebenden Rechtswegzuständigkeit möglich, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen kommt und keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (Sen.Beschl. v. 26.07.2001 - X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631, 3632) oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Besorgnis begründet, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß betrieben wird, obwohl er gemäß § 17 b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (Sen.Beschl. v. 13.11.2001, aaO und v. 8.4.2002, aaO). Die Vorlage der Sache durch das Amtsgericht bietet dafür jedoch keine hinreichende Grundlage.

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