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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.02.2002
Aktenzeichen: X ARZ 9/02
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 329 Abs. 3
GVG § 17a
GVG § 17b
GVG § 17b Abs. 1 Satz 1
GVG § 17a Abs. 4 Satz 2
GVG § 17a Abs. 2 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ARZ 9/02

vom 26. Februar 2002

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 26. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:

Tenor:

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Gründe:

I. Die Klägerin hat Klage beim Amtsgericht G. erhoben, mit der sie von der Beklagten 2.259,68 DM nebst Zinsen verlangt. Sie hat vorgetragen, daß sie von der Beklagten als Teamleiterin für die Messe "C." vermittelt worden sei und auf dem Messestand eines Dritten habe arbeiten sollen. Gegenstand des Rechtsstreits sei die nicht gezahlte, ihr aber zustehende Vergütung aus einem Beschäftigungsverhältnis zwischen den Parteien. Die Beklagte hat gerügt, daß das Arbeitsgericht zuständig sei, da nach dem klägerischen Vortrag die Klägerin als Arbeitnehmerin verpflichtet worden sei und sie Arbeitsentgelt geltend mache. Die Klägerin hat hierauf beantragt, die Sache an das Arbeitsgericht H. abzugeben. Die Beklagte hat erklärt, daß gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht H. keine Bedenken bestünden.

Mit Beschluß vom 15. Oktober 2001 hat sich das Amtsgericht für "funktionell und sachlich unzuständig" erklärt und die Sache an das Arbeitsgericht H. verwiesen. Der Beschluß enthält keine Begründung. Er wurde beiden Parteien zugestellt. Die Akten wurden noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist an das Arbeitsgericht H. übersandt.

Das Arbeitsgericht H. hat am 26. November 2001 beschlossen, daß die Gerichtsakte an das Amtsgericht G. zurückgereicht werde, weil der Rechtsstreit nicht bei ihm anhängig geworden sei. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es unter anderem ausgeführt, daß es eines Beschlusses bedürfe, der begründet und förmlich zugestellt werden müsse, da gegen den Beschluß das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben sei und daher eine Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt werde. Das möge nachgeholt werden. Der Beschluß enthalte keine Begründung und sei auch deshalb greifbar gesetzwidrig.

Das Amtsgericht G. hat daraufhin den Rechtsstreit nach Anhörung der Parteien dem Bundesgerichtshof mit der Bitte um Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist abzulehnen.

1. Der Antrag ist allerdings statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung des Berufungsgerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entsprechend anwendbar (BGHZ 17, 168, 170; BAGE 23, 167, 169). Die §§ 17a, 17b GVG stehen dem nicht entgegen. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß das Verfahren der Rechtswegverweisung in den genannten Vorschriften abschließend geregelt ist (BGHZ 144, 21, 24). Hieraus folgt indes nur, daß die Parteien sich nicht auf das Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verweisen lassen müssen, solange eine Entscheidung nach § 17a GVG noch mit Rechtsmitteln angefochten werden kann. Soweit solche Rechtsmittel nicht zur Verfügung stehen, kann unter besonderen Voraussetzungen ein Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO hingegen möglich sein (Sen.Beschl. v. 13.11.2001 - X ARZ 266/01, zur Veröffentlichung vorgesehen; Sen.Beschl. v. 26.7.2001 - X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631, 3632).

Der Bundesgerichtshof ist als derjenige oberste Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird, für die hier zu treffende Entscheidung zuständig (BGHZ 44, 14, 15; Sen.Beschl. v. 26.7.2001, aaO; BAGE 23, 167, 170). Die Neufassung des § 36 ZPO durch Artikel 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (SchiedsVfG) vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) hat an der früheren Rechtslage insoweit nichts geändert (Sen.Beschl. v. 26.7.2001, aaO; ebenso BAG, Beschl. v. 14.12.1998 - 5 AS 8/98, NZA 1999, 390, 392).

2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen nicht vor.

Eine Zuständigkeitsbestimmung nach dieser Vorschrift ist nur zulässig, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Daran fehlt es hier. Das Arbeitsgericht H. hat sich nicht für unzuständig erklärt. Es hat in seinem Beschluß entscheidend darauf abgestellt, daß der Rechtsstreit mangels Anhängigkeit zurückgereicht werde. Es hat damit ersichtlich den am 26. November 2001 noch fehlenden Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses zum Anlaß für die Rückgabe der Akten genommen. Daß das Arbeitsgericht gegenüber dem Amtsgericht seine Kompetenz zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht abschließend geleugnet hat, ergibt sich insbesondere auch aus der im Beschluß gebrauchten Wendung "Das möge nachgeholt werden".

Die entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn ein Gericht seine Zuständigkeit nicht endgültig leugnet, sondern die Anhängigkeit des Rechtsstreits gemäß § 17b Abs. 1 Satz 1 GVG wegen fehlender Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses verneint, da in einem solchen Fall der Streit der beteiligten Gerichte nicht die Zuständigkeit betrifft (Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 36 Rdn. 24; vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 1986, 821).

Die Sache ist daher an das vorlegende Amtsgericht G. zurückzugeben.

III. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin: Das Amtsgericht G. wird die Akten erneut dem Arbeitsgericht H. vorzulegen haben, nachdem der Verweisungsbeschluß vom 15. Oktober 2001, der den Parteien gemäß § 329 Abs. 3 ZPO zugestellt wurde, inzwischen rechtskräftig geworden ist. Das Arbeitsgericht ist durch die nach Gewährung rechtlichen Gehörs ergangene und nicht offensichtlich gesetzwidrige Rechtswegentscheidung des Amtsgerichts gebunden (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). Die Bindungswirkung nach dieser Vorschrift entfällt nicht etwa wegen der fehlenden Begründung des Beschlusses vom 15. Oktober 2001. Zwar hat das Amtsgericht verfahrensfehlerhaft nicht beachtet, daß der Verweisungsbeschluß nach § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG zu begründen ist. Die Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG besteht jedoch auch bei gesetzwidrigen Verweisungen (BGHZ 144, 21, 24). Die fehlende Begründung läßt den Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts noch nicht als offensichtlich gesetzwidrig erscheinen, nachdem die Entscheidung im Einvernehmen beider Parteien erging (vgl. BGH, Beschl. v. 23.3.1988 - IVb ARZ 8/88, FamRZ 1988, 943; Schmidt-Aßmann in: Maunz-Dürig, Kommentar z. Grundgesetz, Art. 103 Rdn. 100).



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