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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.10.2005
Aktenzeichen: X ZB 15/05
Rechtsgebiete: GWB, ZPO


Vorschriften:

GWB § 116 Abs. 1
GWB § 121
GWB § 124 Abs. 2
ZPO § 96
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2

Entscheidung wurde am 13.03.2006 korrigiert: unter II. des Tenors wurde der Geschäftswert korrigiert
Wird ein Nachprüfungsantrag nach einer zulässigen Divergenzvorlage gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 GWB zurückgenommen, so obliegt die anstelle der Sachentscheidung zu treffende Kostenentscheidung dem Bundesgerichtshof.

In entsprechender Anwendung des § 96 ZPO trägt die Vergabestelle auch dann die Kosten, die durch einen von ihr zurückgenommenen Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags gemäß § 121 Abs. 1 GWB entstanden sind, wenn der Nachprüfungsantrag in der Beschwerdeinstanz zurückgenommen wird.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ZB 15/05

vom 25. Oktober 2005

in dem Nachprüfungsverfahren

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2005 durch den Richter Scharen, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Kirchhoff

beschlossen:

Tenor:

I. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Verfahrens nach § 121 GWB und die vor der Vergabekammer entstandenen Kosten zu tragen.

Die Kosten des Verfahrens nach § 121 GWB fallen dem Antragsgegner zur Last.

Die ihnen vor der Vergabekammer entstandenen Auslagen tragen die Beteiligten jeweils selbst.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens, des Verfahrens nach § 121 GWB sowie des Verfahrens vor der Vergabekammer wird auf 425.827,18 € festgesetzt.

Gründe:

I. Mit Beschluss vom 22. März 2005 hat die Vergabekammer beim Thüringer Landesverwaltungsamt den Antragsgegner verpflichtet, ein Vergabeverfahren zur Erweiterung und Rekonstruktion der Kläranlage Z. aufzuheben. Dagegen haben der Antragsgegner und die Beigeladene sofortige Beschwerde zum Thüringer Oberlandesgericht erhoben. Der Antragsgegner hat zugleich gemäß § 121 Abs. 1 GWB beantragt, ihm den Zuschlag vorab zu gestatten. Mit Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 21. April 2005 hat das Thüringer Oberlandesgericht mitgeteilt, den Antrag gemäß § 121 Abs. 1 GWB zurückweisen zu wollen. Der Antragsgegner hat daraufhin mit Schriftsatz vom 3. Mai 2005 die Rücknahme dieses Antrags erklärt.

Das Thüringer Oberlandesgericht hat die Sache gemäß § 124 Abs. 2 GWB mit Beschluss vom 20. Juni 2005 dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2005 hat die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag zurückgenommen.

II. Nach der Rücknahme des Nachprüfungsantrags hat der Bundesgerichtshof über die Kosten des Nachprüfungsverfahrens zu entscheiden. Die Vorlage gemäß § 124 Abs. 2 GWB war zulässig, weil das Thüringer Oberlandesgericht in einer entscheidungserheblichen Frage von der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf abweichen wollte. Mit Vorlage der Sache beim Bundesgerichtshof war dieser berufen, anstelle des Oberlandesgerichts zu entscheiden (§ 124 Abs. 2 Satz 2 GWB). Nach einer zulässigen Vorlage erstreckt sich die Entscheidungskompetenz des Bundesgerichtshofs nicht nur auf die Divergenzfrage, die Grund der Vorlage ist, sondern grundsätzlich auf das gesamte Nachprüfungsverfahren. Bei Rücknahme des Nachprüfungsantrags tritt an die Stelle der Sachentscheidung die Kostenentscheidung. Wird ein Nachprüfungsantrag im Anschluss an eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 124 Abs. 2 GWB zurückgenommen, trifft daher dieser die Kostenentscheidung.

III. Zu unterscheiden ist zwischen den Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde und denjenigen des Verfahrens vor der Vergabekammer.

1. Die Antragstellerin hat in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten des Antragsgegners und der Beigeladenen zu tragen. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 19. Dezember 2000 (BGHZ 146, 202, 216) entschieden, dass auf das vergaberechtliche Beschwerdeverfahren als streitiges Verfahren vor einem ordentlichen Gericht die Kostenvorschriften der ZPO analog anzuwenden sind. Er hat dies in seinem Beschluss vom 9. Februar 2004 (BGHZ 158, 43, 59) ausdrücklich auch hinsichtlich der Kosten Beigeladener bestätigt.

Im Beschwerdeverfahren hat die Beigeladene als Beteiligte gemäß § 119 GWB Anträge gestellt, Schriftsätze eingereicht und mündlich verhandelt. Da sich die Beigeladene gemäß § 120 Abs. 1 GWB vor dem Beschwerdegericht durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen musste, gehören dessen Gebühren zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren notwendigen Kosten. Dazu bedarf es keines besonderen Ausspruchs (BGHZ 158, aaO).

In entsprechender Anwendung des § 96 ZPO sind allerdings die Kosten, die durch den aufgrund des Hinweisbeschlusses des Thüringer Oberlandesgerichts zurückgenommenen Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags gemäß § 121 Abs. 1 GWB entstanden sind, von dem Antragsgegner zu tragen, der diesen Antrag gestellt hat. Das Verfahren nach § 121 GWB ist ein Zwischenverfahren im Rahmen der sofortigen Beschwerde. Es verursacht ausscheidbare Kosten (KV 1641 GKG). Es ist daher geboten, diese Kosten wie die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- oder Verteidigungsmittels im Sinne von § 96 ZPO zu behandeln.

2. Die Antragstellerin hat die für die Tätigkeit der Vergabekammer anfallenden Kosten (Gebühren und Auslagen) zu tragen (§ 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG, vgl. Sen.Beschl. v. 09.12.2003 - X ZB 14/03, NZBau 2004, 285). Hingegen findet eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners oder der Beigeladenen im Verfahren vor der Vergabekammer nicht statt (Sen.Beschl. v. 25.10.2005 - X ZB 22/05 u. X ZB 26/05, noch nicht veröffentlicht).

a) Nach § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB hat ein Antragsteller einem Antragsgegner die für dessen Rechtsverteidigung im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen notwendigen Auslagen nur zu erstatten, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt. Hier ist die Antragstellerin nicht unterlegen. Denn ein Unterliegen im Sinne dieser Vorschrift ist nur gegeben, wenn die Vergabekammer eine Entscheidung getroffen hat, die das Begehren des Antragstellers ganz oder teilweise als unzulässig oder unbegründet zurückweist. Das Erfordernis einer zurückweisenden Entscheidung steht in Einklang mit anderen Verfahrensgesetzen. So wird nicht bezweifelt, dass die §§ 91, 92 ZPO, die ebenfalls ein Unterliegen voraussetzen, den Fall der Klagerücknahme nicht erfassen und zu Gunsten einer Partei nur eingreifen, wenn die angerufene Instanz eine den Gegner beschwerende Entscheidung getroffen hat. Die Regelung in Absatz 1 von § 80 VwVfG, auf den in § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB verwiesen wird, war bereits zum Zeitpunkt der Schaffung des das Vergaberecht regelnden Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dahin zu verstehen, dass eine Auslagenerstattung nur in Betracht kommt, wenn eine (dort: behördliche) Entscheidung über die beanstandete Maßnahme ergangen ist (BVerwGE 101, 64; vgl. auch Sen.Beschl. v. 09.12.2003 - X ZB 14/03, NZBau 2004, 285 m.w.N.). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB eine hiervon abweichende Regelung hat schaffen wollen, die auch eingreift, wenn und soweit das mit dem Nachprüfungsantrag verfolgte Rechtsschutzziel aus einem anderen Grund als einer zurückweisenden Entscheidung nicht erreicht wird.

b) Auch das in § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB vorausgesetzte Unterliegen eines Beteiligten kann nur gegeben sein, wenn die Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren eine Entscheidung über den Antrag getroffen hat. Wird das Nachprüfungsverfahren auf andere Weise beendet, beantwortet sich die Frage, wer die Kosten für Amtshandlungen der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen) zu tragen hat, nach § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 des dort in Bezug genommenen Verwaltungskostengesetzes trifft in diesen Fällen den Antragsteller insoweit die Kostenlast, weil er durch Stellung des Nachprüfungsantrags das Verfahren in Gang gesetzt hat. Das hat der Senat bereits für den Fall ausgesprochen, dass das Nachprüfungsverfahren sich in der Hauptsache erledigt hat (Beschl. v. 09.12.2003, aaO); es gilt gleichermaßen aber auch dann, wenn und soweit der Nachprüfungsantrag zurückgenommen worden ist.

c) Wird das Verfahren nicht durch eine dem Antragsgegner günstige Entscheidung der Vergabekammer über den Nachprüfungsantrag, sondern durch dessen Rücknahme und Einstellung des Nachprüfungsverfahrens beendet, ist auch keine entsprechende Anwendung anderer Kostenvorschriften, etwa von § 155 Abs. 2 VwGO oder § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO geboten. Nach den zitierten Vorschriften ist im Falle der Antragsrücknahme der Antragsteller verpflichtet, die Kosten zu tragen, zu denen nach § 162 Abs. 1 VwGO bzw. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch die dem Gegner für die entsprechende Rechtsverteidigung erwachsenen Kosten gehören. Aus § 128 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 GWB ergibt sich, dass der Gesetzgeber den Fall der Beendigung des Nachprüfungsverfahrens durch Rücknahme des Nachprüfungsantrags oder dessen anderweitige Erledigung gesehen hat. Gleichwohl hat er nur eine Regelung über die Höhe der in diesen Fällen zu entrichtenden Gebühr nach § 128 Abs. 2 GWB getroffen. Unter diesen Umständen kann eine planwidrige Regelungslücke, die für die Heranziehung der Grundsätze über die Analogie notwendig wäre, nicht darin gesehen werden, dass für das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer anders als für das verwaltungsgerichtliche und das zivilgerichtliche Streitverfahren eine Kostenerstattung auch im Falle der Antragsrücknahme nicht vorgesehen ist.

IV. Gemäß § 12 a GKG beträgt der Streitwert für das Beschwerdeverfahren 5 % der Bruttoauftragssumme. Solange kein Auftrag erteilt wurde, ist die Bruttoangebotssumme des Bieters maßgeblich, der das Nachprüfungsverfahren eingeleitet hat. Der so bemessene Streitwert gilt außer für das Verfahren der sofortigen Beschwerde gemäß § 116 GWB auch für das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer.

Die maßgebliche Bruttoangebotssumme ergibt sich aus dem Hauptangebot der Antragstellerin mit 8.516.543,68 €. Da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Vergabestelle Kosten steigernde oder Kosten mindernde Angebote der Antragstellerin angenommen hätte, bleiben diese entgegen der Auffassung der Vergabekammer unberücksichtigt.

Ende der Entscheidung

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