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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.03.2000
Aktenzeichen: X ZB 36/98
Rechtsgebiete: PatG 1981
Vorschriften:
PatG 1981 § 39 |
- Graustufenbild -
Dem Patentanmelder bleibt im Erteilungsverfahren die Möglichkeit einer Teilung der Anmeldung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist unabhängig davon erhalten, ob Beschwerde eingelegt wird.
BGH, Beschluß vom 28. März 2000 - X ZB 36/98 - Bundespatentgericht
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
28. März 2000
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
betreffend das Patent 44 36 678
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 28. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Dr. Melullis, Scharen, Keukenschrijver und die Richterin Mühlens
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin werden der Beschluß des 4. Senats (Juristischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 16. November 1998 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Gegenstandes der Rechtsbeschwerde wird auf
50.000,-- DM
festgesetzt.
Gründe:
I. Auf die Anmeldung vom 13. Oktober 1994 ist der Rechtsbeschwerdeführerin mit Beschluß des Deutschen Patentamts vom 5. November 1997 antragsgemäß ein Patent für ein "Multi-Tonabstufungs-Bildbearbeitungssystem" erteilt worden. Nach Zustellung des Erteilungsbeschlusses am 12. November 1997 hat sie am 12. Dezember 1997 die Teilung der Anmeldung erklärt und für den abgetrennten Teil ein Patent für ein "System und Verfahren zur Umwandlung eines Graustufenbildes, Druckersystem, Druckeransteuerung und in computerlesbarem Medium ausgestaltetes Programm" beantragt. Mit Beschluß vom 20. Januar 1998 hat die Prüfungsstelle des Deutschen Patentamts den "Antrag auf Teilung der Anmeldung" zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin blieb ohne Erfolg (BPatG GRUR 1999, 488). Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
II. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft und auch im übrigen zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.
1. Bei seiner die Beschwerde zurückweisenden Entscheidung ist das Bundespatentgericht davon ausgegangen, daß der Anmelder nach § 39 Abs. 1 PatG 1981 die Anmeldung jederzeit teilen kann. Es hat weiter angenommen, daß dieses Recht auf den Zeitraum beschränkt sei, in dem das Verfahren noch anhängig sei. Daran fehle es, wenn auf die Anmeldung ein Patent erteilt worden sei. Mit dieser Erteilung werde das Verfahren beendet, sobald der Erteilungsbeschluß von der Geschäftsstelle des Patentamts an die Postabfertigungsstelle herausgegeben werde. Zugleich werde dem Patentamt damit eine Einwirkungsmöglichkeit auf seine Entscheidung endgültig entzogen. Von diesem Zeitpunkt sei es an seinen Beschluß selbst dann gebunden, wenn nachträglich Patenthindernisse bekannt würden oder der Patentinhaber mit der seinem ursprünglichen Antrag entsprechenden Fassung des Patentes nicht mehr einverstanden sei. Demgemäß könnten diesem Zeitpunkt nachfolgende Anträge und Erklärungen des Anmelders, die auf eine Änderung des Erteilungsbeschlusses abzielten, nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie an der Entscheidung nichts mehr ändern könnten. Das gelte auch für eine nach diesem Zeitpunkt eingehende Erklärung des nunmehrigen Patentinhabers, die Anmeldung zu teilen.
Eine in sein Belieben gestellte Wiederaufnahme des Verfahrens nach der Abgabe des Erteilungsbeschlusses an die Postabfertigungsstelle sehe das Gesetz nicht vor. Der Wiedereintritt in das Erteilungsverfahren sei dem Fall vorbehalten, daß der Erteilungsbeschluß aufgrund einer zulässigen Beschwerde aufgehoben werde. Daß der Patentanmelder diesen mit der Beschwerde angreifen könne, genüge in diesem Zusammenhang nicht, wie sich auch daraus ergebe, daß bei einer seinem Antrag entsprechenden Erteilung des Patents ein solches Rechtsmittel des Antragstellers von vornherein mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei.
Auch daß die Anmeldung wie eine Klage bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der bisher getroffenen Entscheidung zurückgenommen werden könne, bedeute nicht, daß das Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt als noch anhängig anzusehen sei. Aus dieser Wirkung lasse sich ein Recht des Anmelders nicht herleiten, nach antragsgemäß erlassenem Erteilungsbeschluß wieder in das Erteilungsverfahren einzutreten.
2. Diese Würdigung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht in vollem Umfang stand.
a) Wie das Bundespatentgericht in seinem rechtlichen Ansatz zutreffend ausgeführt hat, setzt die Teilung der Anmeldung nach § 39 Abs. 1 PatG die rechtliche Existenz der zu teilenden Anmeldung voraus. Auf diese Vorschrift kann eine Teilung daher nicht mehr gestützt werden, wenn über die Anmeldung unanfechtbar abschließend entschieden ist (Benkard, PatG/GebrMG, 9. Aufl., § 39 PatG Rdn. 3; Busse, PatG, 5. Aufl., § 39 PatG Rdn. 6; Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 4. Aufl., S. 400; s. auch Sen.Beschl. v. 27.3.1980 - X ZB 5/79, GRUR 1980, 716, 718 - Schlackenbad). Eine weitergehende Dispositionsbefugnis des Anmelders läßt sich insoweit auch nicht aus § 57 Abs. 2 PatG herleiten. Zwar kann danach der Anmelder unter Umständen noch nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit des Erteilungsbeschlusses durch Nichtzahlung der Erteilungsgebühr erreichen, daß die Anmeldung als zurückgenommen gilt. Nach dieser Vorschrift gilt für den Fall der Nichtzahlung das Patent als nicht erteilt und die Anmeldung als zurückgenommen. Die Nichtzahlung beseitigt daher nicht lediglich die Unanfechtbarkeit des Erteilungsbeschlusses, sondern zugleich auch die zugrundeliegende Anmeldung, so daß ein der Disposition des Anmelders unterliegender Gegenstand nicht mehr vorhanden ist, soweit die Rücknahmefiktion reicht.
b) Dem Bundespatentgericht ist auch bei seiner weiteren Überlegung beizutreten, die dem Patenterteilungsbeschluß zugrundeliegende Anmeldung könne wie die Entscheidung des Patentamts grundsätzlich nicht mehr verändert werden, wenn der Erteilungsbeschluß die Prüfungsstelle verlassen hat (vgl. Sen.Beschl. v. 2.2.1982 - X ZB 5/81, GRUR 1982, 406 - Treibladung; s. auch Beschluß v. 9.3.1967 - Ia ZB 28/65, GRUR 1967, 435, 436 - Isoharnstoffäther; Erg. BGH, Beschl. v. 12.12.1996 - I ZB 8/96, GRUR 1997, 223 - Ceco). Hiermit hat sich zugleich das bisher im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung der Gestaltungsfreiheit des Anmelders unterliegende und in diesem Umfang noch formbare Patentgesuch auf die erteilte Fassung konkretisiert und verfestigt mit der Folge, daß die bisherige Formbarkeit entfallen ist. Daß der Anmelder den Zeitpunkt, zu dem seine Gestaltungsfreiheit endet, nicht exakt kennt, ist notwendige Folge des Umstandes, daß das Verfahren vor dem Patentamt schriftlich abgewickelt wird, wobei an die Stelle eines Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt der Übergabe des Erteilungsbeschlusses an die Postabfertigungsstelle tritt (vgl. Sen.Beschl., aaO - Isoharnstoffäther; s. auch Sen.Beschl. v. 16.10.1973 - X ZB 15/72, GRUR 1974, 294 - Richterwechsel II). Eine Veränderung der dem Erteilungsbeschluß zugrundeliegenden Tatsachenlage kann daher nach diesem Zeitpunkt nur dadurch bewirkt werden, daß gegen den Erteilungsbeschluß Beschwerde eingelegt wird, die nach § 75 Abs. 1 PatG 1981 aufschiebende Wirkung hat, also die das Patentgesuch konkretisierende Wirkung des Erteilungsbeschlusses zunächst und vorläufig hinausschiebt. Eine solche Beschwerde ist hier von der Anmelderin indessen nicht eingelegt worden, so daß es vorliegend auch nicht darauf ankommt, welche Handlungsmöglichkeiten ihr durch eine solche Beschwerde hätten eröffnet werden können.
c) Aus dem Verlust der Gestaltungsmöglichkeiten des Anmelders und der Verfestigung seines Gesuchs auf den im Patenterteilungsbeschluß bezeichneten Gegenstand kann indessen nicht - wie das Bundespatentgericht im Anschluß an Schulte (PatG, 5. Aufl., § 39 Rdn. 3) meint - gefolgert werden, daß eine Teilung im Zeitpunkt zwischen der Übergabe des Erteilungsbeschlusses an die Postabfertigungsstelle und dem Ablauf der Beschwerdefrist generell ausgeschlossen sei. Auch wenn die Wirkung des Ablaufs der Beschwerdefrist nicht durch ein zulässiges Rechtsmittel des Anmelders hinausgeschoben wird, bleibt diesem vielmehr bis zum Ablauf der Frist die Möglichkeit einer Teilung der Anmeldung erhalten (so auch im Ergebnis Busse, aaO, § 39 PatG Rdn. 6).
Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 PatG kann der Anmelder die Anmeldung jederzeit teilen. Eine zeitliche Begrenzung enthält diese Regelung nicht. Nach Sinn und Zweck und der systematischen Einordnung der Vorschrift soll dem Anmelder mit ihr vielmehr für den gesamten Zeitpunkt bis zur Erstarkung der Anmeldung zum Vollrecht die Möglichkeit der Teilung eröffnet und erhalten werden. Insoweit korrespondiert sie mit § 60 PatG. Nach der gesetzlichen Systematik sollen beide Vorschriften jedenfalls den gesamten Zeitraum abdecken, in dem die Entscheidung des Patentamts auch unter Veränderung der tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung noch angefochten werden kann. (Zur Teilung der Anmeldung in der Rechtsbeschwerdeinstanz vgl. demgegenüber Sen.Beschl. v. 6.9.1979 - X ZB 10/78, GRUR 1980, 104 - Kupplungsgewinde; s.a. Benkard, aaO, § 39 PatG Rdn. 3). In diesem System betrifft die Regelung des § 60 PatG allein das zum Vollrecht erstarkte, wenn auch noch im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren angreifbare Patent, während § 39 PatG die Anmeldung bis zu diesem Erstarken zum Gegenstand hat. Dabei schließt die Regelung jeweils die anschließenden Rechtsmittelverfahren ein. Die Vorschrift des § 39 PatG bildet die Grundlage auch für eine Teilung der Anmeldung in der Beschwerdeinstanz nach vollständiger oder teilweiser Zurückweisung der Anmeldung durch das Patentamt (BPatG GRUR 1984, 196 ff.; Benkard, aaO, § 39 PatG Rdn. 3; Busse, aaO, § 39 PatG Rdn. 6). Darauf, ob das Rechtsmittel zulässig oder begründet ist, kommt es in diesem Zusammenhang für die Frage der Zulässigkeit der Teilung grundsätzlich nicht an. Auf sie stellt das Gesetz insoweit nicht ab. Eine Teilung ist danach grundsätzlich auch dann wirksam, wenn das gegen die Entscheidung des Patentamts gerichtete Rechtsmittel unzulässig oder unbegründet ist.
Vor diesem Hintergrund hätte die Verneinung einer Teilungsmöglichkeit nach der Herausgabe des Erteilungsbeschlusses zur Folge, daß das dem Anmelder vom Gesetz eingeräumte umfassende Teilungsrecht zunächst unterginge und erst mit der Einleitung eines Beschwerdeverfahrens wieder entstehen würde. Zugleich würde der Anmelder gezwungen, ein unnötiges Rechtsmittel einzulegen, um sich - bis zum Ablauf der Frist - die Teilungsmöglichkeit zu erhalten. Beides ist mit der umfassenden Zuweisung des Teilungsrechts und seiner Ausgestaltung in § 39 PatG nicht in Einklang zu bringen. Eine solche Beschränkung des Teilungsrechts stünde zudem im Widerspruch dazu, daß dem Anmelder im übrigen auch nach der Entscheidung des Patentamts über seinen Antrag die Herrschaft über dessen Schicksal erhalten bleibt. Zutreffend hat bereits das Bundespatentgericht insoweit darauf hingewiesen, daß er auch nach der Übergabe des Erteilungsbeschlusses an die Postabfertigungsstelle seinen Antrag zurücknehmen und auf diese Weise das Verfahren zurück in die Hände des Patentamts legen kann, dessen Erteilungsbeschluß infolge dieser Erklärung des Anmelders hinfällig geworden ist (vgl. Schulte, aaO, § 35 PatG Rdn. 221; Busse, aaO, § 34 PatG Rdn. 138).
Der Wirksamkeit einer nach der Herausgabe des Erteilungsbeschlusses an die Postabfertigungsstelle erklärten Teilung kann auch nicht entgegengehalten werden, daß sie bei einer - von dem Inhaber nicht angegriffenen - antragsgemäßen Erteilung des Patents zu einer Teilanmeldung mit einem im Verhältnis zu diesem identischen oder über ihn hinausgehenden Gegenstand führen kann. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist auch der Inhaber eines erteilten Patents nicht gehindert, nach dessen Teilung auf den gesamten Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung zurückzugreifen und dabei ein Schutzrecht mit einem über das erteilte Patent hinausgehenden Gegenstand zu beanspruchen. Eine Präklusion durch das erteilte Patent findet insoweit nicht statt (BGHZ 115, 234, 238 - Straßenkehrmaschine). Für die Patentanmeldung, die dem Anmelder nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung eine größere Gestaltungsfreiheit gewährt, kann insoweit nichts anderes gelten. Im Verfahren der Trennanmeldung kann lediglich kein Gegenstand beansprucht werden, über den in der Stammanmeldung bereits abschließend sachlich entschieden ist. Darüber hinaus ist nach Sinn und Zweck der Regelung die Entstehung identischer Schutzrechte ausgeschlossen, für die ein schutzwürdiges Interesse nicht zu erkennen ist. Ob das der Fall ist, kann jedoch erst am Ende des Prüfungsverfahrens der Teilanmeldung beurteilt werden; ihr Vorliegen oder Fehlen kann schon von daher keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Teilungserklärung sein. Insoweit handelt es sich um eine erst im Prüfungsverfahren der Teilanmeldung zu klärende Frage, die weder das Vorliegen einer Teilung noch deren Wirksamkeit betrifft (vgl. dazu auch BGH, Beschl. v. 23.9.1997 - X ZB 14/96, GRUR 1998, 458, 459 - Textdatenwiedergabe).
Für die Zulassung der Teilung auch nach der Herausgabe des Erteilungsbeschlusses an die Postabfertigungsstelle bis zum Ablauf der gegen diese Entscheidung gerichteten Rechtsmittelfristen spricht schließlich auch die Interessenlage. Da die Wirksamkeit der Teilung schon aus praktischen Gründen nicht von der Zulässigkeit oder Begründetheit eines gegen den Erteilungsbeschluß gerichteten Rechtsmittels abhängig gemacht werden kann, über dessen Erfolg vielfach erst nach längerer Zeit Klarheit zu gewinnen ist, kann deren Fehlen auch bei einem durch den Anmelder eingelegten Rechtsmittel ihre Wirksamkeit nicht hindern. Er wäre daher gezwungen, allein zum Zwecke der Erhaltung der Teilungsmöglichkeit gegen den Erteilungsbeschluß mit einem in der Sache überflüssigen Rechtsbehelf vorzugehen mit der Folge, entweder dessen Zurückweisung in Kauf zu nehmen oder ihn nach vollzogener Teilung zurückzunehmen. Das Erfordernis ein solches Rechtsmittel einzulegen, erwiese sich damit letztlich als unnötige Förmelei.
III. Der angefochtene Beschluß war danach aufzuheben. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich erachtet (§ 107 Abs. 1 PatG).
Ende der Entscheidung
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