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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.02.2003
Aktenzeichen: X ZB 44/02
Rechtsgebiete: VOB/A, GWB
Vorschriften:
VOB/A § 26 | |
VOB/A § 26 Nr. 1 a | |
GWB § 124 Abs. 2 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
18. Februar 2003
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis sowie die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf
beschlossen:
Tenor:
Die mit dem am 3. Dezember 2002 verkündeten Beschluß des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Dresden erfolgte Vorlage der Sache ist unzulässig.
Gründe:
I. Im August 2001 schrieb das als Auftraggeber verfahrensbeteiligte Land im offenen Verfahren den Bau der Jugendstrafanstalt R. aus. An der den Rohbau betreffenden Ausschreibung beteiligte sich die Antragstellerin als Bieter; ihr Angebot nahm in der Submissionsliste den dritten Platz ein.
Nachdem zwei Nachprüfungsverfahren ergeben hatten, daß über den Auftrag ohne Berücksichtigung der Angebote des erst- und zweitplatzierten Bieters entschieden werden mußte, nahm der Auftraggeber eine erneute Prüfung vor und teilte den drei verbliebenen Bietern mit Schreiben vom 27. Juni 2002 mit, das offene Verfahren aufgrund § 26 Nr. 1 a VOB/A aufgehoben zu haben.
Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 28. Juni 2002 die Aufhebung der Ausschreibung und hat sodann Antrag auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gestellt, der in vollständiger Form der Vergabekammer am 3. Juli 2002 vorlag.
Die Vergabekammer hat diesen Antrag für zulässig gehalten, die Aufhebung der Ausschreibung aufgehoben und den Auftraggeber verpflichtet, das Angebot der Antragstellerin erneut zu werten.
Gegen diesen am 10. September 2002 zugestellten Beschluß hat der Auftraggeber am 23. September 2002 beim Oberlandesgericht sofortige Beschwerde erhoben. Er meint, der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, weil eine Aufhebung das Vergabeverfahren abschließe. Der Nachprüfungsantrag sei aber auch unbegründet.
Das Oberlandesgericht hat das Verfahren dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Es entnimmt dem bereits von der Vergabekammer herangezogenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 18. Juni 2002 zur Nachprüfbarkeit des Widerrufs der Ausschreibung, daß die EG-Vergaberichtlinien insoweit lediglich die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens verlangten, in dem die Aufhebung der Ausschreibung auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften überprüft werden könnten, die dieses Recht umsetzen. Das vorlegende Oberlandesgericht möchte deshalb an eine von ihm als einhellig vertreten bezeichnete Meinung in der bisherigen Rechtsprechung der Vergabesenate anknüpfend den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückweisen. Denn er verlange eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Aufhebung anhand von § 26 VOB/A. Bei dieser Regelung handele es sich aber nicht um transformiertes Gemeinschaftsrecht.
An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das vorlegende Oberlandesgericht durch den Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 4. November 2002 in Sachen 1 Verg 3/02 gehindert. Darin habe dieses Oberlandesgericht gemeint, nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 18. Juni 2002 bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, eine getroffene Aufhebungsentscheidung dem Nachprüfungsverfahren zu unterziehen. Dieses Oberlandesgericht habe deshalb den bei ihm angebrachten Nachprüfungsantrag für zulässig erachtet.
II. Die Vorlage ist nicht zulässig.
Nach § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB legt ein Oberlandesgericht, das über eine sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung einer Vergabekammer zu befinden hat, die Sache dem Bundesgerichtshof vor, wenn es von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Das ist der Fall, wenn das vorlegende Gericht als tragende Begründung seiner Entscheidung einen Rechtssatz zu Grunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt (vgl. st. Rspr. des BVerwG, z.B. Beschl. v. 11.08.1998 - 2 B 74/98, NVwZ 1999, 406 m.w.N.). Im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags, derentwegen das Oberlandesgericht Dresden die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt hat, kann eine solche Divergenz jedoch nicht festgestellt werden.
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat keinen Fall entschieden, in dem sich die Zulässigkeitsfrage in gleicher Weise wie im Streitfall stellt. Im tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 4. November 2002 heißt es, die Antragsgegnerin habe den Beteiligten unter dem 27. Juni 2002 mitgeteilt, daß sie die europaweite Ausschreibung der Bereederung von deutschen Forschungsschiffen aufhebe. Zuvor habe die Antragstellerin, nachdem ihr die Aufhebungsabsicht bekannt geworden sei, Vergaberüge erhoben und Nachprüfungsantrag gestellt. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat mithin einen Nachprüfungsantrag für zulässig gehalten, der bereits vor der Aufhebung der Ausschreibung bei der Vergabekammer angebracht worden war. Einen solchen Sachverhalt hat das vorlegende Oberlandesgericht nicht zu beurteilen. Im Streitfall ist der Nachprüfungsantrag erst nach der Entscheidung des Auftraggebers über die Aufhebung der Ausschreibung gestellt worden. Das vorlegende Oberlandesgericht hat auch nur für den Fall nachträglicher Anrufung der Vergabekammer die Frage der Zulässigkeit des Antrags problematisiert. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die These, die Aufhebung einer Ausschreibung beende ungeachtet der Frage ihrer Rechtmäßigkeit das Vergabeverfahren jedenfalls wirksam, ein statthaftes Nachprüfungsverfahren setze aber voraus, daß bei seinem Beginn das Vergabeverfahren noch nicht abgeschlossen sei (S. 5 d. Beschl. v. 03.12.2002). Das läßt auch nicht den Schluß zu, das vorlegende Oberlandesgericht vertrete - anders als das Hanseatische Oberlandesgericht - die Rechtsauffassung, ein schon vor der Aufhebung der Ausschreibung im Hinblick auf diese beabsichtigte Maßnahme angebrachter Nachprüfungsantrag könne unstatthaft sein.
Aber auch wenn man den Unterschied im zu beurteilenden Sachverhalt außer Betracht läßt, ergibt sich eine Divergenz der tragenden Grundlagen nicht. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat seiner Entscheidung die Auffassung zu Grunde gelegt, nach der Entscheidung des EuGH vom 18. Juni 2002 bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, die Aufhebungsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers dem Nachprüfungsverfahren zu unterziehen; die Nachprüfung sei dahin möglich, ob Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht oder gegen einzelstaatliche Vorschriften vorliegen, die dieses Recht umsetzen. Den Rechtssatz, daß die Aufhebung der Ausschreibung durch den öffentlichen Auftraggeber auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht und gegen dieses Recht umsetzende einzelstaatliche Vorschriften hin im Nachprüfungsverfahren überprüft werden kann, will aber auch das vorlegende Oberlandesgericht seiner beabsichtigten Entscheidung zu Grunde legen. Die unterschiedliche Beantwortung der Zulässigkeitsfrage hat mithin ihren Grund lediglich in der Anwendung dieses Grundsatzes im jeweiligen Einzelfall.
Ende der Entscheidung
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