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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: X ZR 111/04
Rechtsgebiete: CISG
Vorschriften:
CISG Art. 8 Abs. 1 | |
CISG Art. 49 Abs. 1 lit. a) | |
CISG Art. 71 Abs. 1 lit. b) | |
CISG Art. 79 | |
CISG Art. 79 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 27. November 2007
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Ambrosius und die Richter Asendorf und Gröning
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. April 2004 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Die Klägerin klagt aus mehrfach abgetretenem Recht auf Zahlung rückständiger als "consulting and marketing fees" deklarierter Beträge sowie auf Rückzahlung eines Darlehens.
Die Beklagte, die eine Glashütte betreibt, schloss am 29. Dezember 1997 mit der griechischen Niederlassung der S. Ltd. (im Folgenden: Zedentin) einen Vertrag über die Herstellung und Lieferung von 10 Mio. Glasflaschen à 50 ml zu 80,00 DM/1.000 Stück und 6 Mio. Glasflaschen à 100 ml zu 100,00 DM/1.000 Stück. Mit Telefax vom 27. Mai 1998 erbat der Geschäftsführer der Zedentin eine Änderung des Vertrags. Danach sollte einerseits die Zedentin einen um 20,00 bzw. 22,00 DM höheren Preis von nunmehr 100,00 DM/1.000 Stück 50 ml-Flaschen und von 122,00 DM/1.000 Stück 100 ml-Flaschen zahlen und sollte andererseits die Beklagte binnen sieben Tagen nach jedem Zahlungseingang 2,00 DM/1.000 Stück 50 ml-Flaschen und 2,20 DM/1.000 Stück 100 ml-Flaschen als "consulting and marketing fees" an ein drittes Unternehmen, die S. Marketing Ltd., zahlen, der die Beklagte in Wirklichkeit nichts schuldete. Die Beklagte stimmte der Vertragsänderung zu. Nachdem eine erste Charge Flaschen produziert, abgenommen und bezahlt war, überwies die Beklagte an die S. Marketing Ltd. 9.256,00 DM. Diese Summe ergab sich aus der Anzahl der gelieferten Flaschen multipliziert mit 2,00 DM bzw. 2,20 DM/1.000 Stück. Die Zedentin schrieb unter dem 10. Februar 1999 an die Beklagte mit Bezug auf ein Telefongespräch vom selben Tage sowie auf den geänderten Vertrag, dass ihre Buchhaltung den Vorgang mit dem Auftrag an das Unternehmen O. , ein mit der Beklagten konzernverbundenes Unternehmen, verwechselt habe, bei welchem die Preise pro 100 Flaschen angegeben seien; richtig sei demnach ein Beratungshonorar von 20,00 DM statt 2,00 DM bzw. 22,00 DM statt 2,20 DM. Die Zedentin verlangt deshalb die Nachzahlung weiterer 83.304,00 DM Beratungshonorar an die S. Marketing Ltd. Die Beklagte lehnte dies unter Berufung auf den klaren Text der Vertragsänderung ab.
Außerdem verlangt die Klägerin die Rückzahlung eines Darlehens von 112.000,00 DM (57.264,69 €). Nach dem ursprünglichen Vertrag sollte die Zedentin die zur Produktion der Flaschen benötigten Pressformen zum Preis von 112.000,00 DM von der Beklagten kaufen und ihr zur Verfügung stellen. Um Umsatzsteuer zu vermeiden, vereinbarten die Vertragsparteien am 25. Februar 1998 im Wege eines Nachtrags, dass die Formen im Eigentum der Beklagten verbleiben, die Zedentin der Beklagten jedoch für die Laufzeit des Vertrags ein unverzinsliches Darlehen in Höhe des vormaligen Kaufpreises geben und eine Option zum Kauf nach Abschluss der Fertigung erhalten sollte. Nach Lieferung der ersten Charge der Flaschen wies die Zedentin die Beklagte auf ihre Schwierigkeiten hin, die Flaschen, wie von ihr geplant, in Russland abzusetzen, und kündigte an, zunächst nur die bereits produzierten Flaschen abnehmen zu wollen. Mit Schreiben vom 15. Juni 1999 bat die Zedentin darum, die Produktionsformen für den Transport nach Russland zu verpacken, wohin sie die Formen verkaufen wolle. Die Beklagte lehnte dies ab, solange noch ihre durch bisherige Produktionsausfälle entstandenen Forderungen offenstünden. Daraufhin forderte die Zedentin die Beklagte mit Schreiben vom 25. Oktober 1999 zur Rückzahlung des Darlehens auf. Auch dies lehnte die Beklagte ab.
Gegenüber den Klageansprüchen auf Nachzahlung von Beratungshonorar und Darlehensrückzahlung hat die Beklagte hilfsweise mit einem Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns in Höhe von 410.999,94 DM (210.140,93 €) aufgerechnet, der ihr aufgrund der vorzeitigen Vertragskündigung der Zedentin vom 15. Juni 1999 entstanden sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageansprüche in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat sein Urteil, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, wie folgt begründet:
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Nachzahlung höherer "fees", weil sie nicht bewiesen habe, dass die Beklagte erkannt habe oder hätte erkennen können, dass die in ihrem Abänderungsverlangen genannten Gebührenbeträge auf ein Schreibversehen zurückzuführen seien. Zwar möge es ungewöhnlich sein, dass der Käufer nachträglich freiwillig einen höheren Preis vereinbare, jedoch gehe es hier nicht um einen versehentlich zu hoch angesetzten Preis, sondern um versehentlich zu niedrig angesetzte Gebühren, die an einen der Beklagten unbekannten Dritten zu zahlen seien. Ein Zusammenhang zwischen dem höheren Kaufpreis und den "fees", welche die Beklagte für ihr im Einzelnen unbekannte Zwecke an den Dritten habe zahlen sollen, sei nicht erkennbar. Der Inhalt des Schreibens des von der Klägerin benannten Zeugen C. vom 13. Januar 2004 könne als wahr unterstellt werden, weil darin lediglich dargelegt werde, dass die Zedentin der Mitarbeiterin H. der Beklagten als Grund für die höheren Preise in offiziellen Rechnungen erklärt habe, sie wolle ihre in Wahrheit niedrigeren Einkaufspreise gegenüber ihren Abnehmern nicht offenlegen; in dem Schreiben werde zwar auch die Tatsache erforderlicher Provisionszahlungen und deren Abdeckung durch höhere Preise angesprochen, nicht aber dargelegt, dass dies der Zeugin oder anderen Mitarbeitern der Beklagten erläutert worden sei.
Auch der Anspruch der Klägerin auf Darlehensrückzahlung sei nicht begründet. Das Darlehen werde erst dann zur Rückzahlung fällig, wenn der Hauptvertrag beendet sei. Dazu sei es aber noch nicht gekommen. Weder handele es sich um einen Zielmengenkontrakt, der mit der ersten Lieferung beendet worden sei, noch habe die Klägerin eine ordentliche Kündigung ausgesprochen, noch habe die Beklagte den Hauptvertrag durch ihr lediglich hilfsweise geltend gemachtes Schadensersatzverlangen wegen Nichterfüllung gekündigt, noch sei ein Wegfall der Geschäftsgrundlage eingetreten. Der Preisverfall des Rubels sei das alleinige Risiko der Klägerin bzw. der Zedentin. Ebenso wenig sei ein wichtiger Grund für die von der Klägerin ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Hauptvertrags gegeben. Die Zahlungsverweigerung der Beklagten bezüglich der "fees" sei kein wichtiger Grund, weil die von der Beklagten vorgenommenen Zahlungen den vertraglichen Vereinbarungen entsprächen.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der derzeit vom Berufungsgericht unterstellten Tatsachen sind beide Klageansprüche begründet, soweit sie nicht durch die Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages erloschen sind.
1. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Differenz von 83.304,00 DM zwischen den von ihr gezahlten erhöhten Kaufpreisen und den von der Beklagten gezahlten Beratungsgebühren ist nach den vom Berufungsgericht unterstellten Tatsachen aufgrund der Vertragsänderung begründet.
a) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Vertragsänderung bindet den Senat nicht, weil das Berufungsgericht gegen den Grundsatz der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung und gegen das Gebot verstoßen hat, dass der Tatrichter den ihm vorliegenden Prozessstoff bei der Auslegung ausschöpfen muss, also nicht wesentliche Umstände unberücksichtigt lassen darf. Da weitere für die Auslegung erhebliche Tatsachenfeststellungen nicht zu erwarten sind, darf der Senat die Vertragsänderung selbst auslegen (st. Rspr. des BGH; s. nur Urt. v. 24.01.2002 - IX ZR 228/00, NJW 2002, 1421). Dies geschieht jedoch, wie bereits dargelegt, unter dem Vorbehalt, dass die Auslegung nicht auf gesicherten Feststellungen, sondern auf den vom Berufungsgericht lediglich unterstellten Tatsachen beruht und daher zwangsläufig nur vorläufigen Charakter trägt.
b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Klägerin am Wortlaut der Vertragsänderung festgehalten, wonach die Klägerin um 20,00 DM bzw. 22,00 DM höhere Kaufpreise zahlen, die Beklagte aber nur ein Zehntel dieser Beträge als Beratungsgebühren bezahlen sollte. Unterstellt man mit dem Berufungsgericht den Inhalt des Schreibens des Geschäftsführers C. der Zedentin vom 13. Januar 2004 als richtig, so ist die Vertragsänderung vielmehr ungeachtet ihres Wortlauts dahin auszulegen, dass die Beklagte genau so viel, wie sie von der Zedentin durch die Kaufpreiserhöhung erhielt, durch Leistung an die S. Marketing Ltd. zurückerstatten sollte.
aa) Nach Art. 8 Abs. 1 des auf den Werklieferungsvertrag der Parteien anzuwendenden UN-Kaufrechts (CISG) sind Erklärungen einer Partei nach deren Willen auszulegen, wenn die andere Partei diesen Willen kannte oder darüber nicht in Unkenntnis sein konnte. So lag es hier, wenn man mit dem Berufungsgericht von der Darstellung des Geschäftsführers C. ausgeht. Danach hatte dieser vor Übersendung seines fernschriftlichen Antrags auf Vertragsänderung der zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin H. , in einem Telefongespräch deutlich erklärt, es gehe darum, zu vermeiden, dass die russischen Abnehmer der Zedentin die tatsächlich von ihr an die Beklagte gezahlten Kaufpreise erführen; die russischen Kunden hätten in der Vergangenheit gelegentlich versehentlich die Rechnungen der Beklagten an die Zedentin erhalten. Schon wegen dieser Erklärung, wonach die Vertragsänderung der Verschleierung des wahren Kaufpreises dienen sollte, konnte die Beklagte nicht dem Irrtum erliegen, dass die Zedentin ihr den höheren Kaufpreis zum Zwecke ihrer, der Beklagten, Vermögensmehrung zuwenden wollte, und konnte sie umgekehrt nicht verkennen, dass die Zedentin ihr zwar mit der einen Hand höhere Preise zahlen, mit der anderen Hand die Preisdifferenz jedoch sogleich wieder abschöpfen und an die mit ihr verbundene S. Marketing Ltd. weiterleiten wollte. Dem musste die Beklagte entnehmen, dass die im Vertragsänderungsangebot der Zedentin bezifferte Höhe der Beratungsgebühren, die nur ein Zehntel der Kaufpreisdifferenz betrug, auf einem Versehen beruhte und der Wille der Zedentin in Wirklichkeit auf den zehnfachen Betrag gerichtet war.
Über diesen wahren Willen der Zedentin konnte die Beklagte umso weniger im Unklaren sein, als auch unabhängig von der unterstellten Bekundung des Geschäftsführers C. noch weitere Indizien dafür sprachen. Dazu gehört der Wortlaut des Änderungsbegehrens der Zedentin, in dem in beiläufigem Ton lediglich von einem "Umschreiben" des ursprünglichen Vertrags und von "Modifikationen" die Rede war, was sich nicht mit einer echten Erhöhung des Kaufpreises um 25 bzw. 22 % vertrug. Auch widerspricht es der Lebenserfahrung, dass ein Käufer freiwillig und noch dazu ohne Hinweis auf die Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung dem Verkäufer einen um 25 bzw. 22 % höheren Preis als ursprünglich vereinbart anbietet. Ferner sprach die Anweisung an die Beklagte, nicht geschuldete Beratungsgebühren an ein mit der Zedentin verbundenes Unternehmen zu zahlen, gegen ein Geschenk an die Beklagte und für ein Verschleierungsmanöver zugunsten der Zedentin. Schließlich kommt der auffällige Umstand hinzu, dass nach dem Wortlaut des Änderungsbegehrens der Zedentin die Beklagte ausgerechnet ein Zehntel der Preiserhöhung an die S. Marketing Ltd. weitergeben sollte, was angesichts der gegen eine echte Preiserhöhung sprechenden Umstände ein weiteres starkes Indiz für eine Verwechslung der Dezimalstelle bildet.
Die vorgenannten Indizien werden auch nicht etwa durch die Aussage der Zeugin H. entkräftet, sie wisse vom Geschäftsführer He. der Beklagten, dass die Preiserhöhung auch wegen der Erhöhung der Produktionskosten erfolgt sei. Zu Recht hat das Berufungsgericht, anders als das Landgericht, seine Würdigung auf diese Aussage nicht gestützt. Zum einen war dies denklogisch nicht mehr möglich, nachdem das Berufungsgericht die Richtigkeit der Erklärung des Geschäftsführers C. unterstellt hatte, weil zwischen der Aussage der Zeugin H. , die nie mit C. über die Preiserhöhung gesprochen haben will, und dessen Schreiben ein unlösbarer Widerspruch besteht. Zum anderen steht diese Aussage der Zeugin H. , die auch nur auf Hörensagen beruht, nicht im Einklang damit, dass die Beklagte zwar mit Schreiben vom 4. März 1998 auf gestiegene Kosten wegen nachträglicher Änderungen am Entwurf der Flaschen hingewiesen hatte, dass sie aber auf die Antwort der Zedentin vom 9. März 1998, mit der diese das Ansinnen einer Preiserhöhung zurückgewiesen hatte, ihrerseits unter dem 10. März 1998 klarstellte, sie habe mit ihrem Fax vom 4. März 1998 keine Preiserhöhung ankündigen, sondern lediglich über die Zusatzkosten informieren wollen. Diese Zusatzkosten hätten überdies, wie die Klägerin unwidersprochen ausgerechnet hat, nur einen geringen Bruchteil der von der Zedentin genannten Preiserhöhung ausgemacht.
Unter diesen Umständen ist die Würdigung des Berufungsgerichts, bei der Preisänderung sei völlig unklar geblieben, dass ein Zusammenhang zwischen den "fees" und dem höheren Kaufpreis bestehe, und es bleibe unerfindlich, wie die Beklagte hätte erkennen können, dass die "fees" sich betragsmäßig mit dem Erhöhungsbetrag des Kaufpreises zu decken hätten, nicht nachvollziehbar. Bei Unterstellung des von dem Geschäftsführer C. dargelegten Sachverhalts ist vielmehr davon auszugehen, dass die Beklagte verpflichtet war, die empfangene Kaufpreiserhöhung in vollem Umfang auf dem Wege über die S. Marketing Ltd. an die Zedentin zurückzuerstatten. Da die Zedentin ihre sämtlichen Ansprüche gegen die Beklagte an die S. Marketing Ltd. und diese ihre Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten hat, hätte das Berufungsgericht somit dem Klageantrag auf Zahlung von 83.304,00 DM stattgegeben müssen.
bb) Nichts anderes ergibt sich bei Anwendung des deutschen allgemeinem Privatrechts. Dessen Anwendung erlaubt das CISG bei Fragen, die auch bei anderen Schuldverhältnissen auftreten können (MünchKomm./Peter Huber, BGB, 4. Aufl., Art. 4 CISG Rdn. 16). Nach deutschem Recht ist das Versehen der Zedentin als so genannter offener Kalkulationsirrtum einzustufen. An einem offenen Kalkulationsirrtum darf der Erklärungsgegner den Erklärenden nicht festhalten. Bei positiver Kenntnis oder treuwidriger Vereitelung der positiven Kenntnis des Irrtums liegt eine unzulässige Rechtsausübung vor, wenn der Erklärungsgegner das Vertragsangebot annimmt und auf der Durchführung des Vertrags besteht. Demnach muss die Beklagte sich so behandeln lassen, als wenn die Vertragsänderung nicht zustandegekommen wäre, und muss sie der Klägerin die Kaufpreiserhöhung abzüglich des an die S. Marketing Ltd. weitergegebenen Zehntels zurückerstatten. Außerdem trifft den Erklärungsempfänger eine Pflicht zur Aufklärung wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen (jetzt § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB), wenn sich ein Kalkulationsirrtum mit unzumutbaren Folgen geradezu aufdrängt (BGH, Urt. v. 07.07.1998 - X ZR 17/97, BGHZ 139, 177, 184, 188). Demnach hätte hier die Beklagte die Zedentin auf ihren Fehler hinweisen müssen und muss sie sie im Wege des Schadensersatzes so stellen, wie wenn sie die unterlassene Aufklärung erteilt hätte. Dann aber hätte die Zedentin ihr Vertragsänderungsbegehren entsprechend berichtigt und hätte die Beklagte sich auf die berichtigte Vertragsänderung eingelassen. Folglich muss die Beklagte als Schadensersatz die zehnfachen Beratungsgebühren zahlen und somit eine Nachzahlung in Höhe der noch ausstehenden neun Zehntel leisten. In jedem Fall hat sie die mit dem Klageantrag zu 1 geforderte Summe zu begleichen.
2. Auch dem Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin hätte das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Tatsachenunterstellungen stattgeben müssen.
Keinen rechtlichen Bedenken begegnet der Ansatz des Berufungsgerichts, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin die Beendigung des Hauptvertrages voraussetzt. Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht jedoch im Ergebnis zu Unrecht verneint.
Die Beendigung des Hauptvertrags im Sinne der vertraglichen Darlehensrückzahlungsregelung ist dahin zu verstehen, dass die Beklagte keine weiteren Flaschen mehr herstellen wird. Denn das Darlehen sollte die Herstellungskosten der Gussformen decken und diente damit der Produktion der Flaschen; bei endgültiger Einstellung der Produktion hat es daher seinen Zweck erfüllt und muss zusammen mit dem Rest des Vertrags rückabgewickelt werden. Von einer endgültigen Produktionseinstellung ist aber auszugehen, weil die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung aller noch ausstehenden Vertragsleistungen der Zedentin geltend macht, somit ihren Anspruch auf Abnahme weiterer Lieferungen (Art. 53 CISG) fallengelassen hat und deshalb auch keine Flaschen für die Beklagte mehr herstellen wird.
Landgericht und Berufungsgericht haben dies mit der Begründung verneint, die Beklagte habe Schadensersatz nur hilfsweise für den Fall verlangt, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch bereits fällig sei. Daran ist die Beschränkung auf den Darlehensrückzahlungsnspruch nicht richtig. Mit Schriftsatz vom 2. Februar 2002 hat die Beklagte ganz generell hilfsweise die Aufrechnung erklärt, also nicht nur gegenüber dem Darlehensrückzahlungsanspruch, sondern auch gegenüber dem Nachzahlungsanspruch der Klägerin. Da, wie oben ausgeführt, dem Nachzahlungsanspruch auf der derzeitigen Tatsachengrundlage des Berufungsurteils stattzugeben wäre, ist damit die in der Hilfsaufrechnung liegende aufschiebende Bedingung für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung eingetreten (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 281 Rdn. 50). Daher ist der Darlehensrückzahlungsanspruch fällig. Dass sich das Darlehen für die Beklagte wegen der vorzeitigen Produktionseinstellung nicht amortisiert hat, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, sondern ist bei der Berechnung des Nichterfüllungsschadens der Beklagten zu berücksichtigen.
3. Da somit auf der Grundlage der Tatsachenunterstellungen des Berufungsgerichts beide Klageansprüche begründet sind, kommt es insoweit auf die Hilfsaufrechnung der Beklagten an. Dem Grunde nach ist ihr zur Aufrechnung gestellter Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung berechtigt; denn die Zedentin hat ihre Vertragspflichten zur Abnahme und Kaufpreiszahlung mit Ausnahme der ersten Charge nicht erfüllt (Art. 53, 61 Abs. 1 lit. b), 74 CISG). Da aber das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zur Höhe dieses Schadensersatzanspruchs noch keine Feststellungen getroffen hat, kann der erkennende Senat über die Aufrechnung nicht selbst entscheiden.
III. Die Sache muss an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, weil das Berufungsgericht über die Klageansprüche auf der Grundlage unterstellter Tatsachen entschieden hat, welche die Entscheidung nicht tragen.
Für die neue Verhandlung und Entscheidung des Falles wird vorsorglich auf Folgendes hingewiesen:
1. Da das Berufungsgericht die Klageansprüche auf der Grundlage der hypothetischen Annahme, dass der Geschäftsführer C. der Zedentin der Zeugin H. den Zweck der Vertragsänderung erklärte, zu Unrecht abgewiesen hat, wird es zunächst die Begründetheit der Klageansprüche erneut prüfen müssen.
2. Falls sich die Klageansprüche als begründet erweisen, wird das Berufungsgericht weiter zu prüfen haben, ob sie durch die Aufrechnung der Beklagten erloschen sind. Dazu wird es die Höhe des Nichterfüllungsschadens der Beklagten feststellen müssen.
3. Sollte das Berufungsgericht hingegen erneut zu dem Ergebnis gelangen, dass der Nachzahlungsanspruch der Klägerin nicht begründet ist, so hat dies die Unbegründetheit auch des Darlehensrückzahlungsanspruchs zur Folge.
a) Denn dann ist die aufschiebende Bedingung für die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nicht eingetreten, aufgrund der Aufrechnung also keine Beendigung des Hauptvertrages erfolgt und somit der Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin nicht aus diesem Grunde fällig.
b) Seine Fälligkeit kann dann auch nicht aus einem Wegfall der Geschäftsgrundlage hergeleitet werden. Es kommt nicht darauf an, ob das CISG, das selbst keine materiell-rechtliche Beschränkung des Erfüllungsanspruchs wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage statuiert, insoweit den Rückgriff auf das nationale Recht zulässt. Denn wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, würde nach deutschem Recht dieses Rechtsinstitut nicht eingreifen. Im vorliegenden Fall handelt es sich entgegen der Ansicht der Revision nicht um eine Äquivalenzstörung. Es liegt vielmehr, falls der Vortrag der Klägerin zum Verfall des Rubels zutrifft, eine Absatzstörung auf Seiten des Käufers vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt indessen der Käufer das Risiko, ob der Kaufgegenstand gewinnbringend weiterzuveräußern ist (Urt. v. 08.02.1984 - VIII ZR 254/82, NJW 1984, 1746; MünchKomm./Roth, BGB, 4. Aufl., § 313 Rdn. 203).
c) Die Absatzstörung erlaubte es der Zedentin bzw. Klägerin auch nicht, den Hauptvertrag durch Kündigung zu beenden. Art. 79 Abs. 1 CISG berechtigt nicht zur Vertragskündigung. Nach dieser Vorschrift hat eine Partei für die Nichterfüllung einer ihrer Pflichten nicht einzustehen, wenn sie beweist, dass die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und dass von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluss in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden. Es kann offenbleiben, ob hierunter die von der Klägerin behauptete Konstellation fällt, dass die Zedentin die bestellten Flaschen wegen Verfalls des Rubelkurses nicht wie geplant an russische Abnehmer verkaufen konnte (ablehnend Staudinger/Magnus, Wiener UN-Kaufrecht, 2005, Art. 79 Rdn. 7). Denn Art. 79 CISG entlastet den Schuldner nur von Schadensersatzansprüchen des Gläubigers. Die Erfüllungsansprüche des Gläubigers bleiben unberührt (MünchKomm./Peter Huber, CISG Art. 79 Rdn. 10, 58).
d) Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf Art. 49 Abs. 1 lit. a) CISG stützen, wonach der Käufer die Aufhebung des Vertrags erklären kann, wenn die Nichterfüllung einer dem Verkäufer obliegenden Pflicht eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt. Die Beklagte hat zwar ihre Pflicht, den erhaltenen höheren Kaufpreis wieder zurückzuerstatten bzw. Beratungsgebühren nachzuzahlen, nicht erfüllt. Darin liegt jedoch keine wesentliche Vertragsverletzung, weil sie, bis sie die Hilfsaufrechnung erklärte, ein Recht auf Erfüllungsverweigerung hatte. Nach Art. 71 Abs. 1 lit. b) CISG kann eine Partei die Erfüllung ihrer Pflichten aussetzen, wenn sich nach Vertragsabschluss herausstellt, dass die andere Partei einen wesentlichen Teil ihrer Pflichten nicht erfüllen wird, wegen ihres Verhaltens bei der Vorbereitung der Erfüllung oder bei der Erfüllung des Vertrags. Die Zedentin hatte, als sie die Nachzahlung der Beratungsgebühren verlangte, schon erklärt, dass sie ihrer Abnahmepflicht (Art. 53 CISG) nicht nachkommen werde.
Ende der Entscheidung
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