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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 02.03.2004
Aktenzeichen: X ZR 112/00
Rechtsgebiete: IntPatÜG, EPÜ, PatG DDR 1983


Vorschriften:

IntPatÜG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1
EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. a
PatG DDR 1983 § 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 112/00

Verkündet am: 2. März 2004

in dem Patentnichtigkeitsverfahren

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Prof. Dr. Jestaedt, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das am 21. März 2000 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte ist Inhaberin der beiden am 16. April 1987 unter Inanspruchnahme der Priorität der britischen Patentanmeldung vom 30. April 1986 angemeldeten und u.a. mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patente 0 247 983 (Streitpatent 1) und 0 496 437 (Streitpatent 2) sowie des am 29. April 1987 angemeldeten DD-Ausschließungspatents 273 197 (Streitpatent 3), für das ebenfalls die Priorität der britischen Patentanmeldung vom 30. April 1986 in Anspruch genommen worden ist.

Das Streitpatent 1 betrifft nach der deutschen Übersetzung (DE 37 83 394 T2) eine "Arzneizubereitung zur oralen Anwendung", das Streitpatent 2 (DE 37 51 860 T2) die "Verwendung von spezifischem Kernmaterial und Schichten zur Herstellung pharmazeutischer Formulierungen, die stabil gegen die Verfärbung von Omeprazol sind", und das Streitpatent 3 ein "Verfahren zur Herstellung eines Omeprazol enthaltenden oralen pharmazeutischen Präparates". Wegen des Wortlauts der Patentansprüche in den erteilten Fassungen wird auf die Streitpatentschriften verwiesen.

Die Klägerinnen haben unter Vorlage zahlreicher Druckschriften geltend gemacht, die Gegenstände der Streitpatente seien nicht neu und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Klägerin zu 2 hat darüber hinaus mangelnde Ausführbarkeit des Streitpatents 1 behauptet, soweit das Kernmaterial Talkum als alkalisch reagierende Verbindung enthält.

Die Klägerinnen haben beantragt,

die europäischen Patente 0 247 983 und 0 496 437, jeweils mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, und das deutsche Patent DD 273 197 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte hat die Streitpatente nur noch in eingeschränktem Umfang verteidigt.

Der verteidigte Patentanspruch 1 des Streitpatents 1 lautet:

"1. Orales, pharmazeutisches Präparat, das gegen Verfärbung stabil ist und Omeprazol als das aktive Ingrediens enthält, dadurch gekennzeichnet, daß es aus Kernmaterial in Form kleiner Kügelchen oder Tabletten, welches Omeprazol zusammen mit einer alkalisch reagierenden Verbindung enthält, und aus einer oder mehreren inert reagierenden Basisüberzugsschichten auf diesem Kernmaterial aus polymeren, wasserlöslichen, filmbildenden Verbindungen, die gegebenenfalls pH-puffernde, alkalische Verbindungen enthalten, zwischen dem alkalisch reagierenden Kern und einer äußeren Schicht, die ein enterischer Überzug ist, zusammengesetzt ist."

Daran schließen sich die Patentansprüche 2 bis 8 an.

Patentanspruch 1 des Streitpatents 2 in der verteidigten Fassung lautet:

"1. Verwendung eines Grundüberzugs, der eine oder mehrere inert reagierende Grundüberzugsschichten aus polymeren, wasserlöslichen Filmbildner-Verbindungen, gegebenenfalls enthaltend alkalische pH-Puffer-Verbindungen enthält, um eine Stabilität gegenüber einer Verfärbung in einer oralen pharmazeutischen Formulierung zu erhalten, umfassend einen alkalisch reagierenden Kern, enthaltend als aktive Komponente Omeprazol, zusammen mit einer alkalisch reagierenden Verbindung und einen enterischen Überzug, zwischen welchem und dem alkalischen Kern der Grundüberzug angeordnet ist, welches als Kernmaterial in Form kleiner Kügelchen oder Tabletten vorliegt, und welche orale pharmazeutische Formulierung auch gegenüber dem Lösen in sauren Medien beständig ist, sich in neutralen bis alkalischen Medien rasch löst und bei langfristiger Lagerung stabil ist."

Daran schließen sich Patentansprüche 2 bis 7 an.

Patentanspruch 1 des Streitpatents 3 hat in der verteidigten Fassung folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Omeprazol als Wirkstoff enthaltenden oralen pharmazeutischen Präparates, gekennzeichnet dadurch, daß man Kerne, die Omeprazol zusammen mit wenigstens einer alkalisch reagierenden Verbindung enthalten, mit einer oder mehreren inerten Zwischenüberzugsschichten aus polymeren, wasserlöslichen, filmbildenden Verbindungen sowie gegebenenfalls pH-puffernden alkalischen Verbindungen überzieht und sodann mit einem Darmüberzug versieht."

Es schließen sich die Patentansprüche 2 bis 8 an.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.

Das Bundespatentgericht hat der Klage nach Antrag stattgegeben.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte Abänderung des angefochtenen Urteils und Klageabweisung im Umfang der verteidigten Ansprüche. Die Klägerinnen bitten um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Prof. Dr. G. F. , ... , hat als gerichtlicher Sachverständiger ein Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerinnen haben Gutachten von Prof. Dr. K.H. B. und Prof. Dr. R. S. , jeweils ... , sowie Prof. Dr. P.C. Sch. , ... , vorgelegt; die Beklagte hat sich zur Stützung ihres Sachvortrags auf die Gutachten von Prof. Dr. R. B. , ... , Prof. Dr. Dr. B.W. M. , ... , sowie Dr. K. L. , , bezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

I. 1. a) Das Streitpatent 1 in der verteidigten Fassung betrifft eine Arzneizubereitung zur oralen Anwendung, welche Omeprazol enthält, und ein Verfahren zu deren Herstellung. Nach den einleitenden Ausführungen der Streitpatentschrift 1 ist aus der europäischen Patentschrift 0 005 129 5-Methoxy-2-(((4-methoxy-3,5-dimethyl-2-pyridinyl)methyl)-sulfinyl)-1H-benzimidazol (Pyridylsulfinylbenzimidazol) unter der generischen Bezeichnung Omeprazol als ein starker Hemmer der Magensäuresekretion bekannt und kann u.a. zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren verwendet werden. Der Wirkstoff neige, wie die Streitpatentschrift unter Bezug auf pharmakologische Studien von Pilbrand und Cederberg (Scand. J. Gastroenterologie 1985, 20 (Suppl. 108, Seite 113 - 120) ausführt, in sauer reagierenden und neutralen Medien zur Umwandlung (Degradation). Das Stabilitätsprofil für die feste Phase sei ähnlich. In sauer reagierenden Umgebungen werde die Umwandlung des Wirkstoffs katalysiert, während er in einem alkalisch reagierenden Umfeld stabilisiert werde. Die Stabilität von Omeprazol werde auch durch Feuchtigkeit und organische Lösungen beeinflußt. Eine orale Dosisform von Omeprazol müsse vor dem Kontakt mit der sauer reagierenden Magensäure geschützt werden, um den Dünndarm ohne Degradation zu erreichen. Um eine pharmazeutische Dosisform von Omeprazol zu erhalten, welche Omeprazol hindere, mit dem sauren Magensaft in Kontakt zu kommen, müßten die Kerne, die Omeprazol enthalten, enterisch (= magensaftresistent) überzogen sein.

Um die Lagerstabilität zu verbessern, müßten die Omeprazol enthaltenden Kerne auch alkalisch reagierende Inhaltsstoffe enthalten. Da gewöhnliche enterische Überzüge aus sauren Verbindungen hergestellt würden, zersetze sich der Wirkstoff schnell infolge des direkten oder indirekten Kontakts mit dem Überzug, und zwar mit der Folge, daß sich die Präparationen stark verfärbten und an Omeprazolgehalt verlören. Ebenso führten die alkalischen Kerne, die den Wirkstoff enthalten, in Verbindung mit diffundierender Feuchtigkeit zur raschen Zersetzung. Pilbrant und Cederberg berichteten über eine herkömmliche enterisch überzogene Dosisform, die eine annehmbare Lagerungsstabilität für klinische Studien aufweise. Später sei gefunden worden, daß die Stabilität dieser Dosisform für die auf dem Markt geforderte Langzeitlagerung nicht ausreiche. Deshalb sei eine spezielle feuchtigkeitsfeste Verpackung eingesetzt worden. Jedoch sei dies keine zufriedenstellende Lösung für die Probleme im Arzneimittelverteilungssystem und führe zu erhöhten Kosten. Im Stand der Technik, unter anderen in der europäischen Patentschrift 0 124 495, sind unterschiedliche magensaftresistente (enterische) Überzugsschichten und Dosisformen vorgeschlagen worden. Diese hätten sich, so die weiteren Ausführungen der Streitpatentschrift 1, entweder nicht bewährt oder kämen aus anderen Gründen für ein Omeprazol enthaltendes Präparat nicht in Betracht (deutsche Fassung S. 2 Z. 22 bis S. 4 Z. 18).

b) Das Streitpatent setzt sich vor diesem Hintergrund zum Ziel, eine magensaftresistente überzogene Arzneiform von Omeprazol vorzusehen, die eine verbesserte Stabilität gegenüber Verfärbung besitzt (gegen Verfärbung stabil ist), gegen Auflösung in sauren Medien resistent ist, sich in neutralen bis alkalischen Medien rasch auflöst und eine gute Stabilität während einer Langzeitlagerung aufweist (deutsche Fassung S. 4. Z. 19 bis 23).

Nach Patentanspruch 1 des Streitpatents 1 in der verteidigten Fassung wird vorgeschlagen ein orales pharmazeutisches Präparat.

1. Das Präparat besteht

1.1. aus Kernmaterial in Form kleiner Kügelchen oder Tabletten,

1.1.1. das Omeprazol als aktives Ingrediens zusammen mit einer alkalisch reagierenden Verbindung enthält,

1.2. aus einer oder mehreren inert reagierenden Basisüberzugsschichten auf diesem Kernmaterial

1.2.1. die aus polymeren, wasserlöslichen, filmbildenden Verbindungen bestehen,

1.2.2. die gegebenenfalls pH-puffernde alkalische Verbindungen enthalten,

1.3. und einem enterischen (magensaftresistenten) Überzug.

2. Die Basisüberzugsschicht ist zwischen dem alkalisch reagierenden Kern und einer äußeren Schicht angeordnet,

3. so daß das Präparat gegen Verfärbung stabil ist.

c) Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ist maßgeblicher Fachmann ein Pharmazeut oder ein seit längerer Zeit in der Pharmazie tätiger Chemiker oder Naturwissenschaftler mit abgeschlossenem Hochschulstudium, der eine zusätzliche Qualifikation auf dem Gebiet der Galenik, unter anderem durch mehrjährige Tätigkeit auf diesem Gebiet, erworben hat. Dieser Fachmann entnahm der Streitpatentschrift 1, daß durch die Kombination von zwei Maßnahmen eine verkaufsfähige Formulierung von Omeprazol ermöglicht wird: Zum einen muß der Kern mit geeigneten basischen Hilfsstoffen oder Puffersubstanzen basisch eingestellt werden, um den Wirkstoff Omeprazol ausreichend zu stabilisieren, zum anderen muß eine inerte Zwischenschicht (Basisüberzug) zwischen Kern und dem magensaftresistenten Überzug aufgebracht werden, um Wechselwirkungen zwischen dem alkalischen Kern und den säuregruppenhaltigen magensaftresistenten Überzug zu verhindern und auch so den Wirkstoff im basischen Kern dauerhaft vor dem sauren Magensaft zu schützen. Mit diesen beiden Maßnahmen wird eine voll wirksame, peroral einnehmbare Arzneiform bereitgestellt, die den säureempfindlichen Wirkstoff Omeprazol enthält, magensaftresistent ist und sich im Dünndarm rasch auflöst, aber auch hinreichend gegenüber Feuchtigkeit lagerstabil ist. Der Fachmann entnimmt der Streitpatentschrift 1, daß zur Formulierung einer Arzneiform mit dem Wirkstoff Omeprazol eine Balance zwischen der Magensaftresistenz einerseits und der Auflösung in neutralen bis alkalischen Medien andererseits erzielt werden muß.

Eine gute Stabilität während der Langzeitlagerung bedeutet, daß die Dosisform ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften während der Langzeitlagerung praktisch nicht verändert. Dazu zählen, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt hat, neben der Stabilität gegen Verfärbung u.a. auch die chemische Stabilität des Wirkstoffs, die auch von der Einhaltung anderer Qualitätskriterien, wie z.B. des Wassergehalts, bestimmt wird. Die therapeutische Wirksamkeit wird u.a. nachhaltig beeinflußt von der Stabilität der Magensaftresistenz und der raschen Auflösung in neutralen bis alkalischen Medien. Für die Herstellung der Langzeitstabilität soll der säurelabile Wirkstoff deshalb durch Umgeben mit einem alkalischen Milieu stabilisiert und durch einen Überzug der Arzneiform mit einem magensaftsresistenten Material gegen den Angriff durch den sauren Magensaft geschützt werden. Zur Vermeidung von Inkompatibilitäten des Kerns mit dem umgebenden Material wird der Wirkstoff durch Separieren des alkaliempfindlichen Überzugs durch eine Zwischenschicht geschützt. Bei den gebräuchlichen Überzugsmaterialien handelt es sich nämlich um Polymere, die Carboylgruppen enthalten, die im stark sauren Milieu des Magens Protonen binden und damit dort unlöslich sind; der Überzug löst sich erst nach dem Übertritt der Arzneiform ins alkalische Milieu des Darms, also bei höherem pH-Wert, auf, weil es durch Salzbildung der Carboxylgruppen des Überzugsmaterials zu einer Auflösung des Films kommt. Zur Verhinderung des direkten Kontakts von alkalischem Kern der Arzneiform und dem sauer reagierenden Überzugsmaterial soll zwischen beiden eine inerte Zwischenschicht angeordnet werden, die sich nach Auflösen des Überzugs im Darm ebenfalls sofort löst.

2. a) Das Streitpatent 2 betrifft eine "Verwendung von spezifischem Kernmaterial und Schichten zur Herstellung pharmazeutischer Formulierung, die stabil gegen die Verfärbung von Omeprazol sind". Nach der Streitpatentschrift 2, die fast wörtlich mit der des Streitpatents 1 übereinstimmt, müssen auch hier die Vorgaben, die Omeprazol im Hinblick auf Stabilität und Auflösungsverhalten in sauren oder alkalischen Medien an eine orale Darreichungsform stellt, berücksichtigt werden (deutsche Fassung S. 1 Z. 5 bis S. 2). Aufgabe des Streitpatents ist es daher, für eine enterisch überzogene Dosierungsform von Omeprazol (der im Streitpatent 1 genannten Art) die Verwendung eines Grundüberzugs vorzusehen, wobei die Dosisform gegenüber einer Verfärbung stabil sowie gegenüber einem Lösen in sauren Medien beständig ist, sich rasch in neutralen bis alkalischen Medien löst und eine gute Stabilität bei langfristiger Lagerung aufweist.

b) Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung

1. die Verwendung eines Grundüberzugs auf einem Wirkstoffkern mit

1.1. einer oder mehreren inert reagierenden Grundüberzugsschichten

1.1.1. aus polymeren, wasserlöslichen Filmbildner-Verbindungen,

1.1.2. die gegebenenfalls alkalische pH-Puffer-Verbindungen enthalten, um eine Stabilität gegenüber einer Verfärbung in einer oralen pharmazeutischen Formulierung zu erhalten,

1.2. einem alkalisch reagierenden Kern,

1.2.1. der als aktive Komponente Omeprazol zusammen mit einer alkalisch reagierenden Verbindung enthält,

1.2.2. wobei das Kernmaterial in Form kleiner Kügelchen oder Tabletten vorliegt,

1.3. und einem enterischen Überzug.

2. Der Grundüberzug ist zwischen dem enterischen Überzug und dem alkalischen Kern angeordnet.

3. Die orale pharmazeutische Formulierung ist auch gegenüber dem Lösen in sauren Medien beständig, löst sich in neutralen bis alkalischen Medien rasch und ist bei langfristiger Lagerung stabil.

3. a) Das Streitpatent 3 betrifft ein "Verfahren zur Herstellung eines Omeprazol enthaltenden oralen pharmazeutischen Präparates", bei dem Omeprazol zusammen mit einer alkalisch reagierenden Verbindung enthaltende Kerne zunächst mit wenigstens einem inerten Zwischenüberzug und schließlich mit einem Darmüberzug versehen werden. Nach der Streitpatentschrift sind auch hierbei die besonderen Anforderungen, die Omeprazol an die orale Darreichungsform stellt, zu beachten (Streitpatentschrift S. 4 Z. 9 bis S. 8 Z. 6). Ziel des Streitpatents 3 ist die Herstellung neuer Omeprazol enthaltender beständiger pharmazeutischer Präparate für orale Verwendung.

b) Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung beschreibt ein Verfahren zur Herstellung eines oralen pharmazeutischen Präparates, das Omeprazol enthält, mit folgenden Merkmalen:

1. Die Kerne,

1.1. die Omeprazol zusammen mit wenigstens einer alkalisch reagierenden Verbindung enthalten,

2. werden mit einer oder mehreren inerten Zwischenüberzugsschichten

2.1. aus polymeren, wasserlöslichen, filmbildenden Verbindungen

2.2. sowie gegebenenfalls pH-puffernden alkalischen Verbindungen überzogen

3. und sodann mit einem Darmüberzug versehen.

II. 1. Der von den Klägern gegen Patentanspruch 1 des Streitpatents 1 in der verteidigten Fassung geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ ist gegeben. Es kann dahinstehen, ob ein orales pharmazeutisches Präparat gemäß Patentanspruch 1 neu ist (Art. 54 EPÜ). Jedenfalls beruht sein Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ); dieser ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

a) Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, die insoweit mit den Angaben der von den Parteien vorgelegten Gutachten übereinstimmen und durch Literaturstellen belegt sind (u.a. Rackur et al., 2-((2-Pyridylmethyl)Sulfinyl)Benzimidazoles. Acid Sensitive Suicide Inhibitors of The Proton Transport System in The Parietal Cell, Biochemical and Biophysical Research Communications Vol. 128, No 1, 1985 S. 477 ff.), war dem einschlägigen Fachmann vor dem Prioritätstag der Streitpatente (1986) bekannt, daß das aus dem europäischen Patent 0 005 129 bekannte Omeprazol in hohem Maße feuchtigkeitsempfindlich ist, daß der Wirkstoff sich bei Säurekontakt zeitabhängig verfärbt (gelb bis dunkelviolett) und daß diese Verfärbung als Anzeichen für eine Zersetzung zu werten ist. Auf Grund von Präformulierungsstudien, die jeder Hersteller von Arzneimitteln aus Kostengründen routinemäßig auch schon vor dem Prioritätszeitpunkt durchführte, um die Wechselwirkungen zwischen einem Wirkstoff und seiner Formulierung in seine Überlegungen einbeziehen zu können, kannte der Fachmann die chemischen und physikalischen Eigenschaften eines Wirkstoffs allein und in Kombination mit Hilfsstoffen. Dies bedeutet, daß bereits Daten über die Stabilität von Omeprazol in fester und gelöster Form sowie in Gegenwart von Hilfsstoffen, das pH-Lösungsprofil, das pH-Stabilitätsprofil sowie die Ursachen der raschen Zersetzung des Wirkstoffs bei Hinzutritt von Feuchtigkeit geprüft waren.

Solche Präformulierungsstudien haben etwa Pilbrant und Cederberg (Development of an oral formulation of omeprazole, Scand. J. Gastroentrol. 1985; 20 (Suppl. 108) S. 113 ff.) durchgeführt. Bei Studium ihrer Publikation erfuhr der Fachmann, daß Omeprazol in Wasser nur sehr wenig, in basischer Lösung dagegen sehr gut löslich ist, daß der Wirkstoff in saurem Milieu hochgradig instabil ist und sich sehr schnell in wäßriger Lösung bei niedrigem pH-Wert zersetzt und daß Feuchtigkeit, Lösungsmittel und saure Substanzen in pharmazeutischen Formulierungen vermieden werden sollten. Ferner verdeutlicht die Publikation, daß bereits das Ausmaß des säure-katalysierten Abbaus des Omeprazols bei unterschiedlichen pH-Werten untersucht war, was in der Abbildung 2 (S. 114) graphisch als Abhängigkeit der Abbaugeschwindigkeits- Konstanten vom pH-Wert dargestellt wird. Die Autoren zeigen, daß die Instabilität des Wirkstoffs in wäßriger Lösung oder Suspension mit abnehmenden pH-Wert zunimmt, d.h. daß Omeprazol gegenüber sauren Medien instabil ist, daß Omeprazol durch eine alkalische Lösung stabilisiert werden kann und alkalisch eingestellte Suspensionen von Omeprazol eine bessere Bioverfügbarkeit besitzen. Nach Pilbrant und Cederberg war es Ziel der Studie, eine stabile orale pharmazeutische Formulierung von Omeprazol in Dosen von 20 bis 60 mg zu entwickeln, die über annehmbare Bioverfügbarkeitscharakteristika verfügt. Daran knüpfte die pharmazeutische Überlegung der Autoren an, daß es für eine alkalische Omeprazol-haltige Lösung nur eine begrenzte Anzahl von Formulierungsmöglichkeiten gibt. Da flüssige Formen nur bedingt geeignet waren, nämlich nur, wenn sie mit großen Mengen von Puffer zusammen verabreicht wurden, fiel die Wahl der beiden Autoren auf zwei feste Arzneiformen, nämlich eine herkömmliche orale Darreichungsform, aus der Omeprazol so rasch absorbiert werden kann, daß ein Abbau im Magen vermieden wird, und eine enterisch beschichtete Darreichungsform, die den Magen passiert und den Wirkstoff für die Absorption erst im Dünndarm freisetzt. Die erste Möglichkeit wurde in einer Pilot-Bioverfügbarkeitsstudie verworfen, weil mehr als die Hälfte des Omeprazols im Magen abgebaut wurde. Die enterisch beschichtete Darreichungsform bot nach Auffassung der Autoren die besten Möglichkeiten, weil diese als Tablette, Kapsel oder Granulat mit einem Polymer beschichtet ist, das in saurem Medium unlöslich, aber in neutralem bis basischen Medium löslich ist. Abhängig von der Wahl des Polymers und der Dicke der Beschichtung kann das pH-Löslichkeitsprofil der enterischen Beschichtung kontrolliert werden. Weiter wird die an sich bekannte Tatsache erwähnt, daß größere Partikel länger im Magen verbleiben als kleinere und daß magensaftresistent umhüllte Granulate oder Pellets (= kugelförmige Granulate) die Arzneiform der Wahl sein müssen, weil der Pylorus-Verschluß des Magens sich nur bei der Weitergabe von Speisen in den Darm öffnet und ansonsten nur Teilchen mit einem Durchmesser < 2 mm den Magen hinreichend schnell durchqueren können. Säurelabile und damit magensaftempfindliche Wirkstoffe werden deshalb in Form von Granulaten oder Pellets mit einer Korngröße < 2 mm verarbeitet, um die Aufnahmezeit im Magen so kurz wie möglich zu halten (vgl. Pilbrant und Cederberg, aaO, S. 115).

b) Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen stellt der Fachmann in Kenntnis der Darlegungen von Pilbrant und Cederberg, wonach der Wirkstoff durch eine alkalische Lösung stabilisiert wird, und in Kenntnis des Umstandes, daß eine alkalische Lösung den Überzug enterisch beschichteter Darreichungsformen von Omeprazol zersetzt, auf der Suche nach einer lagerfähigen Formulierung Überlegungen an, wie er die stabilisierende Wirkung einer alkalischen Umgebung auf den Wirkstoff nutzbar machen und zugleich die schädliche Wechselwirkung zwischen alkalischer Lösung und enterischer Beschichtung minimieren kann. Bei diesen Überlegungen stößt der Fachmann auf die europäische Patentschrift 0 124 495, die ausgehend von seiner Problemstellung eine Stabilisierung durch alkalische Salze von Omeprazol vorsieht. Die Patentschrift weist einleitend darauf hin, daß die Stabilitätscharakteristika von Omeprazol problematisch sind. Bei der Lagerung ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen werde Omeprazol mit einer höheren Geschwindigkeit als wünschenswert abgebaut. Es sei deshalb erstrebenswert, physikalische Formen von Omeprazol zu erhalten, welche eine verbesserte Stabilität zeigen. Der Bedarf an stabileren Formen sei im Hinblick auf die oft beträchtlichen Zeiträume offensichtlich, welche zwischen der Synthese der aktiven Substanzen während ihrer Inkorporierung in pharmazeutischen Präparationen und der Verteilung an Apotheken usw. bis zum Verbrauch durch Patienten lägen. Der festgestellten Empfindlichkeit gegenüber Säuren wird dadurch Rechnung getragen, daß die Kerne alkalisiert werden, indem alkalische Salze von Omeprazol (z.B. Omeprazol-Natriumsalz, deutsche Übersetzung S. 20 i.V.m. S. 23 Abs. 4; oder Omeprazol-Magnesiumsalz, S. 21 i.V.m. S. 22 Abs. 1 und S. 23 Abs. 2) hergestellt werden und die stark alkalischen Wirkstoffkerne anschließend mit einem magensaftresistenten Filmbildner überzogen werden, um sie gegenüber dem sauren Magensaft zu schützen bzw. zu isolieren. Da sich die hierbei erforderlichen und angewandten magensaftresistenten Filmbildner bestimmungsgemäß im schwach alkalisch reagierenden Darmsaft lösen müssen, besitzen sie saure Carboxylgruppen. Es handelt sich in der Regel um polymere Polycarbonsäuren (z.B. Cellulose-Acetat-Phthalat (CAP), Hydroxypropyl-Methyl-Cellulose-Phtalat (HPMCP) oder anionische Poly(meth)acrylate (Eudragit L und S)). In der europäischen Patentschrift 0 124 495 wird nachgewiesen, daß die enterisch überzogenen alkalischen Salze eine höhere Lagerstabilität als der neutrale Wirkstoff besitzen. Zugleich ist dem Fachmann, der die Veröffentlichung von Pilbrant und Cederberg kennt, deutlich, daß durch die bessere Löslichkeit des Wirkstoffs in alkalischem Milieu eine höhere Lösungsgeschwindigkeit nach dem Auflösen des enterischen Überzugs zu erwarten ist, wenn der Kern selbst alkalisch eingestellt wird.

c) Aufgrund dieser ihm durch den Beitrag von Pilbrant und Cederberg sowie die europäische Patentschrift 0 124 495 vermittelten Kenntnisse hatte der Fachmann auch Veranlassung, nach Alternativen zu suchen und weitere pharmazeutische Überlegungen anzustellen, um eine verbesserte Lagerfähigkeit von Omeprazol-Präparationen sicherstellen zu können. Daß die bekannten Stabilisierungsmaßnahmen durch Lösungen oder Salze für die Fachwelt nicht zufriedenstellend waren, ergibt sich bereits aus der Streitpatentschrift 1. In ihr wird nämlich daraufhin gewiesen, daß die im Stand der Technik vorgeschlagenen Arzneiformen, einschließlich der in der europäischen Patentschrift 0 124 495 beschriebenen enterisch überzogenen Granulate oder Pulver, welches in harte Gelantine gefüllt wird, oder einer Lösung, die in weiche Kapseln gefüllt wird, die Beständigkeit gegen Feuchtigkeit und damit die Lagerbeständigkeit nicht gewährleisteten (deutsche Übersetzung S. 2 Abs. 4 i.V.m. S. 4 Abs. 3). Wie das fachkundig besetzte Bundespatentgerichts zutreffend ausgeführt hat, weisen nämlich die gemäß der Lehre der europäischen Patentschrift hergestellten mit einer enterischen Beschichtung versehenen Omeprazol-Salze ausweislich der in der Streitpatentschrift 1 dargestellten Beispiele IV und V (Tabelle 5, S. 22 der deutschen Übersetzung) entweder keine genügende Säurebeständigkeit auf (Beispiel IV: Omeprazol-Natriumsalz im Kernmaterial, S. 20 i.V.m. S. 23 Abs. 4 der deutschen Übersetzung) oder verfärben sich bereits während des enterischen Überzugsverfahrens (Beispiel V: Omeprazol-Magnesiumsalz im Kernmaterial, S. 21, 22 letzter Abs. und S. 23 Abs. 2). Auch die gemäß der Literaturstelle Pilbrant und Cederberg hergestellten enterisch beschichteten Präparate mit Omeprazol in einem nicht alkalisch eingestellten Kernmaterial zeigen eine starke Tendenz zur Verfärbung (deutsche Übersetzung S. 9 bis 11, Beispiel 1, insb. Tabelle 3, Kernmaterial 1 und Überzugsschicht I i.V.m. Tabelle 1, Formulierung Nr. 1 und Tabelle 2, Formulierung Nr. 1). Bei diesen von den Erfindern des Streitpatents 1 beschriebenen Beispielen handelte es sich, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, um Standardversuche im Rahmen einer ohnehin erforderlichen Präformulierungsstudie, die jeder Fachmann in Kenntnis und veranlaßt durch die Publikation von Pilbrant und Cederberg sowie die europäische Patentschrift 0 124 495 durchgeführt hätte.

Es war aber nicht nur die in der Streitpatentschrift 1 zum Ausdruck kommende Unzufriedenheit, welche die Fachwelt veranlaßte, über Alternativen zu den im Stand der Technik vorgefundenen Lösungen nachzudenken. Hinzutrat vielmehr die Erkenntnis, daß die in der europäischen Patentschrift 0 124 495 beschriebenen alkalischen Salze von Omeprazol nur schwer darzustellen sind und daß das Herstellungsverfahren mehrere und aufwendige Schritte erfordert, daß die beschriebenen Salze demnach nicht ohne weiteres zur Verfügung standen. Die Beklagte hat dies in der mündlichen Verhandlung bestätigt. War dem so, so war der Fachmann darauf verwiesen, granulierte Salze von Omeprazol als Kernmaterial zu vermeiden und statt dessen die erforderliche Stabilisierung des Wirkstoffs auf anderem Wege in Erwägung zu ziehen. Da der Durchschnittsfachmann nach der Charakterisierung durch den gerichtlichen Sachverständigen über ein umfassendes Wissen und Können auf seinem Fachgebiet verfügt, lag es für ihn nahe, seine Präformulierungstests nicht auf Lösungen und Salze von Omeprazol zu beschränken, deren Nachteile bereits bekannt waren, sondern auch Alkalien in fester Form in seine Überlegungen einzubeziehen und eine Stabilisierung des Wirkstoffs durch ein Gemisch mit Alkalien zu versuchen. Durch einen solchen Versuch, der, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, im Rahmen des Standards lag, konnte der Fachmann zu der Erkenntnis gelangen, daß er zur Herbeiführung der erforderlichen Stabilisierung auf die nur schwer herstellbaren Salze verzichten und daß er statt dessen ein Gemisch von Omeprazol und alkalisch reagierenden Verbindungen verwenden konnte, das gegenüber den Lösungen den Vorteil der besseren Lagerfähigkeit und gegenüber den Salzen den der Verfügbarkeit bot.

d) Aus den bereits genannten Beispielen der europäischen Patentschrift 0 124 495 wird zugleich aber auch das Problem der Wechselwirkungen (Inkompatibilitäten) zwischen einem alkalisch eingestellten Kernmaterial und einem magensaftresistenten sauren Überzug deutlich. Inkompatibilitäten zwischen Formulierungsbestandteilen sind ein grundlegendes, seit Jahrzehnten bekanntes pharmazeutisches Problem. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen weiß jeder Pharmazeut oder Chemiker, daß es zu einer Reaktion kommt, sobald Stoffe mit saurem und alkalischem Charakter zusammengebracht werden, und daß die Reaktionen vor allem in Gegenwart von Wasser oder Feuchtigkeit heftiger sein werden, da chemische Reaktionen in Lösungen schneller ablaufen als in wasserfreien Systemen. Eine offene Frage kann nur das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Reaktion sein, weil diese hauptsächlich vom Energieinhalt bzw. von deren Differenz zwischen den Reaktanden abhängt. Für den Fachmann, der die Publikation von Pilbrant und Cederberg sowie die europäische Patentschrift 0 124 495 kennt und der mit Omeprazol oder anderen Pyridylsulfinylbenzimidazol-Derivaten die für deren Qualitätsprüfung erforderlichen analytischen Vorarbeiten durchgeführt hat, konnte es deshalb keine Überraschung sein, daß die enterischen Überzugsmaterialien mit den alkalisch reagierenden Omeprazol-haltigen, säureempfindlichen Kernen reagieren, sobald sie miteinander in Berührung kommen. Da alle magensaftresistenten Überzüge sich im neutralen bis alkalischen Milieu des Darms durch Salzbildung der Carboxylgruppen des Überzugsmaterials auflösen, konnte der Fachmann erwarten, daß auch die in alkalischem Milieu löslichen, magensaftresistenten Überzugsmaterialien mit dem alkalisch reagierenden Kernmaterial bereits in Gegenwart geringer Feuchtigkeitsmengen, mit denen schon aufgrund der unvermeidlichen, für das Pressen der Tablette benötigten Restfeuchte zu rechnen ist, an der Grenze zwischen Kern und Überzug reagieren können. Diese Erkenntnis wird der Fachmann auf das gleichgelagerte Problem bei der Langzeitlagerung des Wirkstoffes übertragen. Deshalb wird der Fachmann Überlegungen anstellen, wie er unter Beibehaltung der Vorteile des üblichen magensaftresistenten Überzugs aus Polymeren und des Wirkstoffgemischs mit Alkalien unbeabsichtigte und unerwünschte Reaktionen zwischen beiden beim Eindringen von Feuchtigkeit und damit ein Auflösen des magensaftresistenten Überzugs von innen her unterbinden kann.

Eine naheliegende Maßnahme zur Vermeidung solcher Reaktionen war die räumliche Trennung von Überzug und Gemisch. Hier nicht über das Anbringen einer trennenden Schicht nachzudenken, sei, so der gerichtliche Sachverständige, für galenisch tätige Personen fast als Kunstfehler einzustufen. Ein solches Vorgehen bei der Formulierung eines Wirkstoffs gehöre zu den Standardkenntnissen des Durchschnittsfachmanns, der sich mit der Entwicklung und der Herstellung von Arzneimitteln auseinandersetze. Die Umhüllung von Arzneimittelzubereitungen mit einer Basisüberzugsschicht zur Vermeidung von Inkompatibilitäten war in der Fachliteratur vorbeschrieben. Von K.H. Bauer (Übersicht über Inkompatibilitätsmöglichkeiten, insbesondere bei der Umhüllung von Arzneizubereitungen, Deutsche Apotheker Zeitung 1978 S. 125 ff., 129) wird beispielsweise ausgeführt, Reaktionsmöglichkeiten zwischen Hülle und Kern ließen sich auf ein Minimum beschränken, wenn auf saubere Trennung oder auf einwandfreie Isolation potentieller unverträglicher Partner geachtet werde. Als Problemlösung biete sich eine Kernisolation mit Hydroxypropylen-methylcellulose (HPC) an. Dieser wasserlösliche Überzug könne wasserfrei in organischen Lösungsmitteln gelöst aufgetragen werden. Er schütze die hygroskopischen Kerne beim anschließenden Auftragen der wässrigen Schichten, da er sich im Unterschuß von Wasser nicht löse, sondern nur quelle und auf diese Weise alle Poren schließe.

Auf der Suche nach einem geeigneten Material für eine solche Trenn- oder Isolierschicht werde der Fachmann, so der gerichtliche Sachverständige weiter, fast zwangsläufig zu einem inerten wasserlöslichen Stoff greifen, wofür sich Polymere verschiedener Art anböten. Anforderungen an diesen Stoff seien, daß die Trennschicht den sauren Überzug sicher von dem alkalisch eingestellten Kern trennen könne und damit zur Verbesserung der Lagerfähigkeit des Wirkstoffs das Eindringen auch nur geringer Feuchtigkeitsmengen durch den Überzug unterbunden werde und daß sich die Trennschicht in einem wässrigen Milieu rasch auflöse, um die Freisetzung der Arzneiform im Darm möglichst nicht zu beeinträchtigen. Die genannte Publikation von Bauer zeigt, daß die Verwendung von wasserlöslichen/wasserquellbaren Polymeren als Feuchtigkeitsschutz und Isolation bekannt war. Ihre Funktion war so zu verstehen, daß der magensaftresistente Überzug nur so wenig Feuchtigkeit diffundieren läßt, daß die wasserlösliche Trennschicht nur etwas quillt, sich aber nicht auflösen kann, insbesondere, weil sie durch den Überzug an einer freien Bewegung gehindert wird. Durch den Quellungsvorgang werden alle Poren gut verschlossen. Erst nachdem sich die magensaftresistente Schicht im Dünndarm gelöst hat, können sich die Bestandteile der Unterschicht im Überschuß eines wässrigen Milieus voneinander lösen und so das von ihnen umschlossene Material freigeben. Auf diese Weise ergeben sich keine Wirkungsverzögerungen. Damit regte die Publikation von Bauer den Fachmann zumindest an, inerte wasserlösliche Polymere als Trennschicht auszuprobieren. Angesichts dessen bereitete es dem Galeniker keine sein handwerkliches Können übersteigende Schwierigkeiten, geeignete wasserlösliche Materialien für die Trennschicht zu finden.

e) Auch durch die von der Beklagten geltend gemachten sogenannten Beweisanzeichen wird das Naheliegen des Omeprazol-Präparates gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents 1 in der verteidigten Fassung nicht in Frage gestellt. Das Bundespatentgericht hat mit Recht ausgeführt, daß der umfangreiche in das Verfahren eingeführte druckschriftliche Stand der Technik auf das Bemühen aller Beteiligten zurückzuführen ist, vorgetragene Sachverhalte und Zusammenhänge zu belegen. Das Naheliegen der Lehre des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung folgt aus der europäischen Patentschrift 0 124 495 und dem wissenschaftlichen Beitrag von Pilbrand und Cederberg (aaO) in Verbindung mit dem auch druckschriftlich belegten Fachwissen des Galenikers, das der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt hat.

Zur Auffindung der Lehre des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung waren keine besonderen Schwierigkeiten zu überwinden. Entgegen der Auffassung der Beklagten wurden solche weder durch die Sensibilität des Wirkstoffs begründet, noch waren in Anbetracht des technischen Problems, den Wirkstoff vor Zersetzung zu schützen und zugleich eine rasche Freisetzung nach Passieren des Magentrakts zu gewährleisten, Maßnahmen erforderlich, die über das Können des Fachmanns hinausgingen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem europäischen Patent 0 237 200 (Takeda), dessen Priorität nur zwei Monate vor dem Prioritätstag des Streitpatents 1 liegt. Zu Unrecht folgert nämlich die Beklagte aus dem Umstand, daß Takeda, ein Wettbewerber der Beklagten, lediglich eine magensaftresistente Beschichtung des Wirkstoffs ohne Trennschicht vorgeschlagen hat, um bei Säureempfindlichkeit Außeneinflüsse abzuschirmen, daß in dieser Entgegenhaltung die Schwierigkeiten nicht gesehen, jedenfalls nicht überwunden worden seien. Die europäische Patentschrift 0 237 200 ist bei der Formulierung einer festen Omeprazol-haltigen Dosisform einen anderen Weg gegangen. Daß diese Entgegenhaltung in der Lage ist, das Doppelproblem der Lagerstabilität und der Magensaftresistenz zu meistern, zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel. Gleiches gilt für die weiteren, von der Beklagten vorgelegten Druckschriften, mit denen sie die Überwindung besonderer Schwierigkeiten durch das Streitpatent 1 untermauern will. Die Tatsache, daß Wettbewerber der Beklagten andere Formulierungen gefunden haben, unterstreicht möglicherweise, daß es sich bei der Formulierung von Arzneimitteln um eine stark empirisch geprägte Arbeitsweise handelt, für die es keine allgemeingültigen Vorschläge und Lösungen gibt. Sie rechtfertigt aber nicht die Annahme, daß für das Auffinden der Lösung nach dem Streitpatent über ein bloß handwerkliches Können hinaus ein erfinderisches Bemühen des Fachmanns erforderlich war.

Ebenso wenig spricht der Abstand der Erfindung von vorbekannten Lösungen für erfinderische Tätigkeit. Der Abstand von rund 8 Jahren zwischen der Priorität des "Omeprazol-Grundpatents" (europäisches Patent 0 005 129) und der Priorität des Streitpatents 1 kann hierfür nicht herangezogen werden. Solange Patentschutz für die Substanz bestand, war das Interesse der Mitbewerber an der Entwicklung von Darreichungsformen erfahrungsgemäß eher begrenzt, zumal auch solche Versuche als Patentverletzung hatten erscheinen können. Wesentliche Erkenntnisse über die Stabilität im alkalischen Bereich wurden zudem erst in den Jahren 1984 und 1985 mit der europäischen Patentschrift 0 124 495 und mit dem Beitrag von Pilbrant und Cederberg veröffentlicht. Angesichts dieser Druckschriften kommt es auch nicht auf den Abstand zu dem europäischen Patent 0 237 200 an. Die Lehre des Streitpatents 1 hat den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zufolge auch keinen unerwarteten Fortschritt gebracht. Die generelle Problematik des Säureschutzes eines Wirkstoffs und der Inkompatibilität zwischen alkalischem Kern und Überzugsmaterial sowie Maßnahmen zur Vermeidung dieser Inkompatibilität waren bereits hinreichend bekannt. Ein in der Fachwelt seit langer Zeit ungelöstes Bedürfnis war nicht vorhanden. Der besondere wirtschaftliche Erfolg und die Markteinführung von Omeprazol-Präparaten durch mehrere Wettbewerber erklären sich zwanglos aus der unbestritten ungewöhnlich guten Wirkung des Wirkstoffes selbst.

2. Der verteidigte Patentanspruch 1 des Streitpatents 1 hat daher mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand. Für die Gegenstände der mittelbar und unmittelbar auf diesen zurückbezogenen Ansprüche ist ein eigenständiger erfinderischer Gehalt nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich; sie fallen daher mit Anspruch 1.

III. Der verteidigte Patentanspruch 1 des Streitpatents 2 betrifft den als Verwendungsanspruch formulierten technischen Sachverhalt gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents 1 in der verteidigten Fassung. Er ist wie jener mangels erfinderischer Tätigkeit nicht rechtsbeständig (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, 56 EPÜ). Mit ihm haben die Unteransprüche keinen Bestand, da für ihre Gegenstände ein eigenständiger erfinderischer Gehalt nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich ist.

IV. Mangels erfinderischer Leistung ist schließlich auch das Streitpatent 3 für nichtig zu erklären (§§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i.V.m. §§ 4 Abs. 1, 5 Satz 2 ErstrG, § 5 PatG DDR 1983 i.V.m. Anlage I Kap. III Sachgebiet E Abschnitt II Nr. 1 § 3 Abs. 1 Einigungsvertrag). Dabei kann offen bleiben, ob der Gegenstand des Streitpatents 3 im Sinne von § 5 Abs. 1 PatG DDR 1983, das hier Anwendung findet (Benkard, PatG, 9. Aufl., § 3 Rdn. 3; Schulte, PatG, 6. Aufl., ErstrG Anhang 4 Fn. 2) neu, industriell anwendbar und technisch fortschrittlich ist. Jedenfalls beruht die Lösung des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil sie offensichtlich aus dem bekannten Stand der Technik herzuleiten war.

Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung betrifft ein Verfahren zum Herstellen eines Präparates mit den Merkmalen des verteidigten Patentanspruch 1 des Streitpatents 1. Ihm liegt somit ebenfalls ein dem bereits dargestellten und abgehandelten vergleichbarer technischer Sachverhalt zugrunde.

Mit ihm haben auch die übrigen mittelbar und unmittelbar hierauf bezogenen Patentansprüche keinen Bestand, da für deren Gegenstände weder geltend gemacht wurde noch ersichtlich ist, daß sie einen eigenständigen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit liefern.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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