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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.02.2000
Aktenzeichen: X ZR 127/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO vor § 1/Rechtsmittel
ZPO vor § 1/Rechtsmittel

Urteilsbeschwer bei Stufenklage

Für den Wert der Beschwer ist bei einer Stufenklage allein der Auskunftsanspruch maßgebend, wenn das Urteil lediglich über diesen entscheidet und die Sache wegen des Zahlungsanspruchs an die Vorinstanz zurückverweist.

BGH, Beschluß vom 15. Februar 2000 - X ZR 127/99 - OLG Frankfurt am Main LG Frankfurt am Main


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ZR 127/99

vom

15. Februar 2000

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Dr. Jestaedt, Dr. Melullis, Scharen und Keukenschrijver

am 15. Februar 2000

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,- DM.

Gründe:

I. Der Kläger, der bis 1993 Arbeitnehmer der Beklagten war, hat die Beklagte auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung weiterer Erfindervergütung für eine von ihm zusammen mit zwei Miterfindern am 27. April 1990 gemeldete Erfindung "..." sowie zu entsprechender Auskunftsleistung verklagt. Die Beklagte hat sich damit verteidigt, daß die gemeldete Erfindung als Rechenregel von der Patentierung ausgeschlossen sei, daß der Kläger durch eine Vereinbarung vom 6./7. Juni 1990, auf Grund derer er einen Betrag von 633,-- DM erhalten hat, abgefunden sei und daß er in einem Schreiben vom 9. Juni 1993 auf weitere Ansprüche verzichtet habe; der Kläger hat sich demgegenüber darauf berufen, daß er sich bei Abgabe dieser Erklärung in einem die Handlungsfähigkeit ausschließenden Zustand der Störung der Geistestätigkeit befunden habe. Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Im Berufungsverfahren ist der Kläger im Weg der Anschlußberufung auf eine Stufenklage übergegangen; er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm über die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ... "..." seit Aufnahme der Fabrikation und des Vertriebs Angaben zu machen und Rechnung zu legen über die Art der Nutzung bei der Beklagten selbst, verbundenen Konzernunternehmen und außerbetrieblichen Verwertungshandlungen, insbesondere durch Lizenzvergabe, Austausch oder Verkauf der Erfindungsrechte im In- und Ausland, weiter über den Umfang der Verwertung, insbesondere Herstellungs- und Liefermengen, Herstellungskosten und Lieferpreise bzw. Verkaufspreise, Lieferzeiten und Abnehmer, Lizenzeinnahmen, Einnahmen aus Kauf- oder Austauschverträgen sowie Angaben über sonstige Vermögensvorteile sowie die bisherige Nutzungsdauer; weiter hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, auf der Grundlage der erteilten Auskunft und Rechnungslegung für die Benutzung der Erfindung eine angemessene, vom Gericht zu bestimmende Vergütung zu zahlen. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten nach dem mit der Anschlußberufung gestellten Antrag zu Auskunft und Rechnungslegung erkannt und den Rechtsstreit zur Entscheidung über den in zweiter Instanz anhängig gewordenen Zahlungsanspruch und die Kosten an das Landgericht zurückverwiesen. Den Wert der Beschwer der Beklagten hat es auf 10.000,-- DM festgesetzt. Die Beklagte hat gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt, die sie noch nicht begründet hat. Sie beantragt zunächst, den Wert der Entscheidungsbeschwer durch das angefochtene Urteil auf über 60.000,-- DM festzusetzen.

II. Dem nach §§ 546 Abs. 2 Satz 2, 554 Abs. 4 ZPO zulässigen Antrag (vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 16.6.1988 - III ZR 65/88, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Satz 2 - Grundstücksherausgabe 1) kann der Erfolg nicht versagt bleiben.

1. An den vom Berufungsgericht auf 10.000,-- DM festgesetzten Wert der Beschwer für die Beklagte ist der Senat nicht gebunden (§ 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO; vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 10.10.1983 - III ZR 87/83; NJW 1984, 371).

2. a) Die Beklagte macht geltend, dem Berufungsgericht könne nicht dahin gefolgt werden, daß der Zahlungsantrag in zweiter Instanz nicht angefallen sei. Der Antrag sei gestellt und über ihn sei auch in der Weise entschieden worden, daß insoweit die Sache - wenngleich nach Auffassung der Beklagten in unzulässiger Weise - an die erste Instanz zurückverwiesen worden sei.

b) Diesem Angriff muß der Erfolg versagt bleiben. Da die Verurteilung zur Auskunft für die Entscheidung über den Zahlungsanspruch nicht präjudiziell ist und sich demzufolge die Beschwer der zur Auskunft verurteilten Partei nur nach dem mit der Auskunft verbundenen Aufwand bemißt (vgl. BGH, Beschl. v. 22.4.1997 - XI ZB 10/97; BGHR ZPO § 3, Rechtsmittelinteresse 37; vgl. auch BGH, Beschl. v. 3.7.1959 - I ZR 169/55, GRUR 1959, 552, 553 - Bundfitsche; Beschl. v. 12.3.1992 - I ZR 296/91, GRUR 1992, 562 f., zum Fall der Abweisung der Stufenklage insgesamt), hat das Berufungsgericht zutreffend allein auf den Wert des Auskunftsanspruchs abgestellt. Die von der Beklagten angezogenen Entscheidungen (BGH, Urt. v. 2.12.1964 - VIII ZR 260/63, NJW 1964, 441 f.; Urt. v. 27.3.1972 - VIII ZR 184/70, MDR 1972, 601) betreffen lediglich die Frage der Beschwer bei Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz, nicht aber die im Fall einer Stufenklage zu beachtenden besonderen Gesichtspunkte.

3. a) Die Beklagte beanstandet weiter, daß der Wert des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs unzutreffend angesetzt worden sei. Sie macht geltend, daß der zur Erfüllung dieses Anspruchs erforderliche Aufwand allein die Revisionssumme von 60.000,-- DM bei weitem übersteige. Der Konzern, dem die Beklagte angehöre, umfasse weltweit ca. 620 Unternehmen, von denen rund 50 für die Entwicklung oder Produktion von Getrieben in Betracht kämen. Die Zahl der mit dem Verkauf der Getriebe befaßten Unternehmen belaufe sich auf einige Hundert. Die zum Umfang der Verwertung geforderten Angaben verursachten einen weit über 60.000,-- DM hinausgehenden Arbeits-, Reise- und Kommunikationsaufwand, zumal es den Getrieben nicht anzusehen sei, ob von der Lehre der in Anspruch genommenen Erfindung Gebrauch gemacht werde. Es sei allein mit Personalkosten von rund 144.000,-- DM zu rechnen, insgesamt belaufe sich der Aufwand voraussichtlich auf 840.000,-- DM.

b) Diesem Angriff kann der Erfolg nicht versagt bleiben.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels maßgebliche Beschwer die von der Verurteilung ausgehende Belastung für den Rechtsmittelkläger. Dementsprechend bestimmt sich die Beschwer der Beklagten bei einer Verurteilung zu Auskunft und Rechnungslegung nach deren Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen (Großer Senat in Zivilsachen BGHZ 128, 85, 87; BGH, Urt. v. 24.6.1999 - IX ZR 351/98, GRUR 1999, 1037 - Wert der Auskunftsklage). Für dessen Ermittlung bilden neben dem Wunsch des Auskunftsschuldners, die von der Auskunft erfaßten Tatsachen vor dem Prozeßgegner geheimzuhalten (vgl. dazu BGH, Urt. v. 20.6.1991 - I ZR 13/90, GRUR 1991, 873 f. - eidesstattliche Versicherung; Urt. v. 27.11.1991 - VIII ZR 37/91, NJW-RR 1992, 697 f.), einen wesentlichen Anhaltspunkt der Aufwand und die Kosten, die er für die Erteilung der Auskunft aufwenden müßte (u.a. BGH, Beschl. v. 13.4.1994 - XII ZB 33/94, NJW-RR 1994, 898; Sen.Beschl. v. 24.11.1998 - X ZB 18/98, Umdruck S. 4). Zu den berücksichtigungsfähigen Kosten gehören neben dem Eigenaufwand einschließlich der Ausgaben für Hilfskräfte (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.1994 - VII ZR 77/93, MDR 1994, 507) auch die Ausgaben für die Inanspruchnahme fachkundiger Dritter, auf deren Hilfe der Verpflichtete zur Vorbereitung einer nicht ohne weiteres zu leistenden Auskunft zurückgreifen darf (BGH, Urt. v. 2.6.1993 - IV ZR 211/92, NJW-RR 1993, 1154).

bb) Angesichts dieser Rechtslage muß auf Grund der Angaben der Beklagten unabhängig von der Frage, ob die Angaben zum erforderlichen Aufwand, zu denen sich der Kläger bisher nicht geäußert hat, in jeder Hinsicht zutreffen, davon ausgegangen werden, daß der zur Erfüllung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs erforderliche Aufwand jedenfalls einen Betrag von 60.000,-- DM übersteigt. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts beruht nicht auf tatsächlichen Feststellungen zum Umfang des mit der Auskunft verbundenen Aufwands. Das Berufungsgericht hat seine Bewertung allein auf Grund der Angabe des Klägers und des sonstigen Akteninhalts vorgenommen.

Diese Bewertung kann gegenüber den ausreichend detaillierten Angaben keinen Bestand haben (vgl. Sen.Beschl. v. 24.11.1998 - X ZB 18/98, Umdruck S. 5).

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