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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.12.1999
Aktenzeichen: X ZR 128/97
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 62
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES TEILURTEIL

X ZR 128/97

Verkündet am: 14. Dezember 1999

Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und die Richterin Mühlens

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten zu 2 und 3 gegen das am 23. Juli 1997 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht Ansprüche wegen Verletzung des am 8. März 1980 angemeldeten deutschen Patents Nr. ... (Klagepatents) geltend, das eine Abdeckung für den Schreibbereich von Druckern, Schreibmaschinen und Geräten ähnlicher Art betrifft. Die Klägerin hat das Schutzrecht von der ...,

vormals H. AG einschließlich der durch die Verletzung des Patents bereits entstandenen Ansprüche erworben; die Umschreibung auf die Klägerin ist erfolgt.

Mit Beschluß vom 12. Oktober 1987 hat das Bundespatentgericht das Patent im Einspruchsbeschwerdeverfahren mit folgenden Ansprüchen beschränkt aufrechterhalten:

1. Abdeckung für den Schreibbereich von Druckern, Schreibmaschinen oder Geräten ähnlicher Art in Form einer Platte, die abnehmbar auf dem Gerätegehäuse angeordnet und mit einer Abreißkante versehen ist,

dadurch gekennzeichnet,

daß die Platte (3) an ihrer Unterseite Papierführungselemente (10) aufweist, die das Papier um die Schreibwalze führen.

2. Abdeckung nach Anspruch 1,

dadurch gekennzeichnet,

daß die der Schreibwalze (2) unmittelbar gegenüberliegende Unterkante (11) der Papierführungselemente (10) eine Krümmung entsprechend der Schreibwalzenoberfläche aufweist und im Bereich der Abreißkante (14) in einem spitzen Winkel zur Platte (3) ausläuft.

Die Beklagte zu 1, über deren Vermögen am 1. Oktober 1998 das Konkursverfahren eröffnet worden ist, vertrieb unter den Bezeichnungen "..." elektrische Schreibmaschinen, deren Schreibbereich eine abnehmbare Abdeckung in der Form einer (durchsichtigen) Platte aufweist, an deren Unterseite mehrere in Papier- Förderrichtung verlaufende Stege oder Rippen angeordnet sind (angegriffene Ausführungsform). Die Beklagten zu 2 und 3 waren Geschäftsführer der Beklagten zu 1.

Die Klägerin sieht im Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform eine Verletzung des Klagepatents. Sie verlangt von den Beklagten Unterlassung, Rechnungslegung sowie außerdem die Feststellung, daß die Beklagten ihr zum Schadensersatz verpflichtet sind. Sämtliche Merkmale des Haupt- wie auch des Unteranspruchs des Klagepatents seien in der angegriffenen Ausführungsform identisch verwirklicht.

Die Beklagten stellen eine Verletzung des Streitpatents in Abrede.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung, Rechnungslegung und zum Schadensersatz verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung der Klägerin festgestellt, daß die Beklagten nicht nur verpflichtet sind, den Schaden zu ersetzen, der der ..., vormals H. AG, sondern auch denjenigen, der der Klägerin durch die Patentverletzung entstanden ist.

Mit ihrer Revision wenden sich die Beklagten gegen ihre Verurteilung und beantragen die Klageabweisung unter Abänderung der vorinstanzlichen Urteile.

Entscheidungsgründe:

I. Nach der durch die Konkurseröffnung bedingten Unterbrechung des Verfahrens bezüglich der Beklagten zu 1 konnte über die Revision der Beklagten zu 2 und 3 durch Teilurteil entschieden werden. Der Erlaß eines Teilurteils wäre nur dann unzulässig, wenn die Beklagten notwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 ZPO wären. Das ist jedoch nicht der Fall. Bei einfachen Streitgenossen - wie hier - kann auch nicht danach unterschieden werden, ob sie sich mit übereinstimmenden oder unterschiedlichen Einwendungen gegen die Klage verteidigen. Das ist mehrfach entschieden worden für den Fall, daß neben einer Personengesellschaft auch ein persönlich haftender Gesellschafter verklagt wird (BGHZ 54, 251, 254 f.; BGHZ 63, 51, 54 f.; BGH, Urt. v. 10.03.1988 - IX ZR 194/87, NJW 1988, 2113 f.). Nichts anderes kann für den hier gegebenen Fall gelten, daß neben einer juristischen Person (GmbH) deren gesetzliche Vertreter (Geschäftsführer) wegen des gleichen Sachverhalts verklagt werden.

Die Revision der Beklagten zu 2 und 3 ist nicht begründet.

II. Das Klagepatent betrifft nach den einleitenden Ausführungen der Patentschrift eine Abdeckung für den Schreibbereich von Druckern, Schreibmaschinen oder Geräten ähnlicher Art. Solche Abdeckungen werden als an sich bekannt vorbekannt bezeichnet; ebenso auch besondere Führungselemente für das Papier. Als nachteilig wird es jedoch bezeichnet, daß diese zuvor einzeln hergestellt und montiert werden mußten. Dazu wird beispielsweise auf die DE-... verwiesen.

Hiervon ausgehend wird das der Erfindung zugrundeliegende Problem (in der Patentbeschreibung als "Aufgabe" bezeichnet) darin gesehen, daß Handhabung und Ausführung der die Papierführung bewirkenden Elemente im Bereich der Abdruckstelle vereinfacht werden sollen.

Davon geht auch das angefochtene Urteil aus. Die Lösung besteht nach der weiteren Erläuterung der Patentschrift (Sp. 1 Z. 43 ff.) im wesentlichen darin, daß die Papierführungselemente an die Abdeckung angeformt sein bzw. mit dieser ein einziges Bauteil bilden sollen.

Die in den Patentansprüchen des Klagepatents unter Schutz gestellte erfindungsgemäße Lösung kann in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil in eine Kombination folgender Merkmale aufgegliedert werden:

a) Es handelt sich um eine Abdeckung für den Schreibbereich von Druckern, Schreibmaschinen oder Geräten ähnlicher Art;

b) die Abdeckung hat die Form einer Platte,

c) die abnehmbar auf dem Gerätegehäuse angeordnet

d) und mit einer Abreißkante versehen ist;

e) die Platte weist an ihrer Unterseite Papierführungselemente auf,

f) die das Papier um die Schreibwalze führen.

Anspruch 2 sieht zusätzlich vor,

g) daß die der Schreibwalze unmittelbar gegenüberliegende Unterkante der Papierführungselemente eine Krümmung entsprechend der Schreibwalzenoberfläche aufweist

h) und im Bereich der Abreißkante in einem spitzen Winkel zur Platte ausläuft.

Insoweit erhebt auch die Revision keine Rügen.

III. Es ist unstreitig, daß die von der Beklagten zu 1 vertriebene Schreibmaschine mit einer Abdeckung versehen ist, die die Merkmale a bis c erfüllt. Streitig ist, ob die Abdeckplatte auch die Merkmale d bis f und die Merkmale g und h des Anspruchs 2 verwirklicht.

Beide Vorinstanzen sind zu dem Ergebnis gekommen, daß die angegriffene Ausführungsform auch hinsichtlich der streitigen Merkmale von der Lehre der Schutzansprüche 1 und 2 identisch Gebrauch macht. Das wird von der Revision als rechtsfehlerhaft angegriffen.

IV. Beide Vorinstanzen haben das Vorhandensein einer Abreißkante (Anspruch 1 Merkmal d) bejaht.

Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, die Beklagten hätten die Feststellung des Landgerichts nicht angegriffen, daß die Kante bei der angegriffenen Ausführungsform zum Abreißen von Papier geeignet sei. Ob sie tatsächlich dazu benutzt werde, sei unerheblich, da das Klagepatent ein Erzeugnis- oder Sachpatent sei. Der Schutz eines derartigen Patents erstrecke sich auf alle Funktionen, Wirkungen, Brauchbarkeiten und Vorteile der Vorrichtung, und zwar unabhängig davon, ob die angegriffene Ausführungsform zu den im Schutzanspruch genannten Verwendungszwecken genutzt werde und dieselbe Wirkung und Funktion habe wie die unter Schutz gestellte Lösung. Das Berufungsgericht nimmt dazu bezug auf die Rechtsprechung des Senats (Sen.Urt. v. 12.07.1990 - X ZR 121/88, GRUR 1991, 436 ff. - Befestigungsvorrichtung II).

Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Prüfung unterlassen, wie der Fachmann den Begriff "Abreißkante" verstehe. Unter Berücksichtigung des Ausführungsbeispiels des Klagepatents und des in Bezug genommenen Standes der Technik hätte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen müssen, daß der Fachmann unter dem streitigen Begriff nicht eine beliebige Kante, sondern nur eine solche verstehe, die aufgrund einer besonderen Gestaltung einen sauberen geraden Abriß ermögliche. In dieser Hinsicht habe das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen.

Diese Rüge bleibt ohne Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, daß dem Berufungsgericht bei seinem Verständnis des Klagepatents ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Die Revision weist einleuchtend darauf hin, daß für eine dem Wortsinn der Abreißkante entsprechende Funktion im allgemeinen nur dann ein Bedürfnis besteht, wenn mit Endlospapier gearbeitet wird, was bei Schreibmaschinen der mit der Klage angegriffenen Art in aller Regel nicht der Fall ist. Wenn im Streitpatent gleichwohl auch in bezug auf übliche Schreibmaschinen ohne weitere Präzisierung von einer Abreißkante gesprochen wird und die konkrete Gestaltung der Kante nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift keinen erkennbaren Zusammenhang mit der patentgemäßen Problemstellung hat, so kommt darin zum Ausdruck, daß es in erster Linie um einen Hinweis auf den Ort geht, zu dem das Papier geführt werden soll. Unter diesen Umständen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht es zur Verwirklichung des Merkmals d hat genügen lassen, daß an der Kante im Bedarfsfall überhaupt ein einigermaßen brauchbarer Abriß möglich ist, auch wenn dies einem sauberen geraden Schnitt nicht gleichwertig ist.

V. Beide Vorinstanzen sind weiter zu dem Ergebnis gelangt, daß die angegriffene Ausführungsform Papierführungselemente aufweise, die das Papier um die Schreibwalze führen (Anspruch 1 des Klagepatents, Merkmale e u. f).

Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, das Klagepatent umschreibe die Ausgestaltung der Papierführungselemente durch die Angabe ihrer Funktion und Wirkung. Die Papierführungselemente seien danach an der Unterseite der Abdeckplatte so anzuordnen, daß sie das Papier um die Schreibwalze zum Austrittsschlitz führten. Hinsichtlich der Dimensionierung vermittele die Beschreibung dem Fachmann die Erkenntnis, daß die Papierführungselemente von der Abdeckplatte nach unten in den Bereich der Schreibwalze ragen, daß sie aber oberhalb der Abdruckstelle enden müßten. Dagegen sei das Patent seinem Wortlaut nicht auf die Maßverhältnisse des Ausführungsbeispiels beschränkt. Aus der Formulierung der Aufgabenstellung sowie aus der Schilderung der Nachteile des Standes der Technik gehe hervor, daß die erfindungsgemäße Lösung gesonderte Bauteile, die der Papierführung dienten, wie etwa die aus der DE-... bekannten Führungsrollen entbehrlich machen sollten. Diese Führungsrollen seien oberhalb der Abdruckstelle angeordnet. In den gleichen Bereich sollten auch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 beanspruchten Papierführungselemente hineinragen. Sie sollten gewährleisten, daß das von der Abdruckstelle um die Schreibwalze geführte Papier sicher den Austrittsschlitz zwischen Gehäuse und Abdeckplatte durchlaufen könne. Dagegen sei es nicht erforderlich, daß das Papier durch die an der Abdeckplatte angeformten Elemente unmittelbar im Bereich der Abdruckstelle oder gar in dem darunterliegenden Bereich geführt werde. Die technische Lehre der Erfindung gehe dahin, das bedruckte bzw. beschriebene Papier mittels entsprechend ausgestalteter und dimensionierter Führungselemente aus dem Bereich der Abdruckstelle um die Schreibwalze zum Austrittsspalt zu führen.

Gegen diese Auslegung ist nichts einzuwenden.

Die Revision hält durch diese Auslegung wesentliche Angaben der Patentschrift für übergangen. Die Merkmale e und f seien so auszulegen, daß die Papierführungselemente das Papier an der Abdruckstelle um die Walze führten, die Papierführung zum Austrittsspalt gehöre dagegen nicht zur Aufgabenstellung und zum Gegenstand des Anspruchs 1. Die Führungselemente sollten dabei in demselben Bereich wie die Führungsrollen 7 und 8 der DE-... das Papier um die Walze herum, insbesondere auch im Bereich der Abdruckstelle, führen und flächig an die Walze anlegen.

Die von der Revision vorgenommene Auslegung findet im Anspruchsinhalt keine Stütze. Dieser besagt nichts über die Distanz zwischen den Papierführungselementen und der Schreibwalze, insbesondere ist ihm nicht zu entnehmen, daß das Papier im Bereich der Abdruckstelle an die Walze angelegt wird. Soweit das Ausführungsbeispiel dies zeigt, ist der Anspruch in seinem Wortlaut nicht auf dieses Beispiel beschränkt.

VI. Das Berufungsgericht kommt zu dem Ergebnis, daß die von der Beklagten zu 1 vertriebene Schreibmaschine von den Merkmalen e und f wortlautgemäß, wenn auch möglicherweise in verschlechterter Ausführung, Gebrauch macht. Nach dem Passieren des Zeilenrichters stoße die Oberkante des Papiers an rippenartig ausgebildete Vorsprünge, die von der Abdeckplatte der Schreibmaschine nach unten bis in den Bereich der Schreibwalze ragten. Von den Rippen werde das Papier um die Schreibwalze in Richtung des Auslaufspalts geführt. Dieser Ablauf werde von den Beklagten im tatsächlichen nicht in Abrede gestellt.

Auch dies greift die Revision ohne Erfolg an. Sie rügt, daß das Berufungsgericht keine konkreten Feststellungen dazu getroffen habe, wie das Papier nach dem Passieren des Zeilenrichters von den Rippen um die Schreibwalze in Richtung des Auslaufspalts geführt werde. Unterschiede bestünden im wesentlichen in der Stelle, an welcher der Bogen mit seiner Vorderkante an die Rippen anstoße, und durch den Winkel, in den der Bogen durch die Rippen abgelenkt werde.

Auf diesen Unterschied kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß die Papierführungselemente das Papier entgegennehmen und in sanfter Kurve auf den Austrittsschlitz zuleiten. Zusätzliche Führungselemente in der Art der im Stand der Technik (DE-... ) vorgesehenen und in der Beschreibung des Klagepatents als nachteilig bewerteten Führungsrollen weist die angegriffene Ausführungsform unstreitig nicht auf; darauf konnte wegen der Führungsfunktion der an der Unterseite der Abdeckung angebrachten Rippen verzichtet werden. Die zusätzliche Führung durch den Zeilenrichter ist demgegenüber unerheblich, da die Lehre des Streitpatents nicht auf den Wegfall des üblichen Zeilenrichters zielt, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt hat.

VII. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch die Verwirklichung des Patentanspruchs 2 festgestellt. Hinsichtlich des Merkmals h erhebt die Revision keine konkrete Rüge. Hinsichtlich des Merkmals g wendet die Revision sich nicht gegen die Feststellung der Vorinstanzen, daß der Krümmungsradius der Führungselemente bei der angegriffenen Ausführungsform zumindest teilweise mit demjenigen der Schreibwalzenoberfläche übereinstimmt. Entgegen der von der Revision erhobenen Rüge nimmt das Berufungsgericht zu Recht an, daß der Patentanspruch 2 nicht mehr verlangt. Das ergibt sich schon aus dem Merkmal h und der Darstellung des Ausführungsbeispiels, wonach die Krümmung mit verändertem Krümmungsradius in eine spitzwinklig zur Abdeckung stehenden Linie auslaufen soll.

VIII. Da es sich um einen technisch einfach gelagerten Sachverhalt handele, bedurfte das häufig mit Patentsachen befaßte Berufungsgericht entgegen der Rüge der Revision auch nicht der Beratung durch einen technischen Sachverständigen.

Ende der Entscheidung

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