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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.03.2008
Aktenzeichen: X ZR 134/05
Rechtsgebiete: VOB/A
Vorschriften:
VOB/A § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 |
b) Die Aufforderung, Skontoabzüge anzubieten, ist in der Regel dahingehend auszulegen, dass die Bedingungen, namentlich die Fristen, für die Gewährung des Skontoabzugs so beschaffen sein müssen, dass der Ausschreibende sie realistischerweise erfüllen kann.
c) Die Prüfung, ob er die Bedingungen für die Gewährung des Skontos erfüllen kann, ist vom Ausschreibenden vorzunehmen; sie kann im Schadensersatzprozess des übergangenen Bieters nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft werden.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 11. März 2008
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Gröning
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das am 9. August 2005 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte schrieb Anfang Mai 2001 die Baumaßnahme "Umbau des T. -Mühlenwehrs in eine Sohlgleite" öffentlich aus. In den Ausschreibungsunterlagen forderte die Beklagte die Bieter auf, Nachlässe, darunter auch Skonti, anzubieten.
An der Ausschreibung beteiligten sich unter anderem die Klägerin und die B. Baugesellschaft mbH & Co. Die Klägerin bot auf dem von der Beklagten vorbereiteten Angebotsformular 2 % Skonto bei einer Zahlungsfrist von 14 Tagen an. Das Angebot der Klägerin war bei Berücksichtigung des Skontoabzugs weniger als 1 % günstigster als das des nächstgünstigen Bieters B. , ohne Berücksichtigung des Skontoabzugs war das Angebot dieses Unternehmens günstiger. Letzteres erhielt den Zuschlag. Der förmliche Widerspruch der Klägerin mit Schreiben vom 23. Mai 2001 blieb ohne Erfolg.
Die Klägerin macht Schadensersatz geltend. Sie ist der Ansicht, ihr Angebot sei das annehmbarste nach § 25 VOB/A gewesen, weil der angebotene Skontoabzug zu berücksichtigen gewesen sei; die Zahlungsfrist von 14 Tagen sei auskömmlich gewesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag auf Zahlung von 422.509,01 € nebst Zinsen weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist nicht begründet.
1. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin verneint und dies wie folgt begründet:
Die Nichtberücksichtigung des von der Klägerin angebotenen Skontoabzugs bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots i.S. von § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es könne dahinstehen, ob die Zahlungsfrist von 14 Tagen unangemessen kurz gewesen sei. Jedenfalls sei die Entscheidung, die die Beklagte getroffen habe, nicht pflichtwidrig gewesen. Die Beklagte habe abzuwägen gehabt, ob sie das Risiko, die Zahlungen an die Klägerin jeweils innerhalb von 14 Tagen bewirken zu können, habe übernehmen können oder ob es vorzuziehen sei, das Angebot des Bieters B. anzunehmen, das unter Berücksichtigung des von der Klägerin angebotenen Skontos weniger als 1 % teurer gewesen sei. Der Skontoabzug sei für die Beklagte nicht realistisch gewesen; sie habe große Zweifel gehabt, ob sie die gesetzte Zahlungsfrist bei dem überwiegenden Teil der (Abschlag-, Teilschluss- oder Schluss-)Zahlungen auch tatsächlich werde einhalten können. Auch wenn die von der Klägerin angesprochenen Möglichkeiten zur Beschleunigung der internen Abläufe von der Beklagten hätten genutzt werden können, sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, die Prüfung der Rechnungen vorrangig zu behandeln und die Bearbeitung anderer Dienstgeschäfte zurückzustellen. Die Beklagte habe jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt, wenn sie zu der Beurteilung gelangt sei, dass bei einer Baumaßnahme dieser Größenordnung nicht in so kurzen Fristen abgerechnet werden könne. Offengelassen hat das Berufungsgericht, ob der Anspruch der Klägerin bereits daran scheitere, dass sie das Ergänzungsblatt zum Angebot nicht vollständig ausgefüllt habe, indem sie entgegen Nr. 3.4 der Bewerbungsunterlagen nicht angekreuzt habe, ob ihr Skontoangebot für jede einzelne fristgerechte Zahlung habe gelten sollen.
2. Dies hält im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand.
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass Fehler bei Ausschreibung und Zuschlag öffentlicher Aufträge eine Haftung des Auftraggebers gegenüber den Bietern auf Ersatz der ihnen entstandenen Schäden auslösen können (Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, NJW 2000, 661, 664 m.w.N.). Der Klägerin steht ein solcher Schadensersatzanspruch jedoch nicht zu, weil die Entscheidung der Beklagten, den Zuschlag nicht der Klägerin, sondern B. zu erteilen, nicht fehlerhaft war.
Bei der Wertung der Angebote sind gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A alle dort genannten Gesichtspunkte zu berücksichtigen; der Zuschlag soll auf das Angebot erteilt werden, das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte als das wirtschaftlichste erscheint. Ein öffentlicher Auftraggeber hat zunächst zu prüfen, ob die Angebote in technischer, gestalterischer und funktionsbedingter Hinsicht gleichwertig sind. Sind sie es, so gewinnt der im Angebot genannte Preis für die Vergabeentscheidung ausschlaggebende Bedeutung (Sen.Urt. v. 16.10.2001 - X ZR 100/99, WM 2002, 305, 306; Urt. v. 26.10.1999 aaO). Der öffentliche Auftraggeber muss in einem solchen Fall dem Bieter den Zuschlag erteilen, der das Gebot mit dem niedrigsten Preis unterbreitet. Dies entspricht auch europäischem Vergaberecht.
Zu den wirtschaftlichen Umständen des Angebots, die in die Wertung einzubeziehen sind, können jedenfalls dann, wenn die Bieter in der Ausschreibung aufgefordert worden sind, solche anzubieten, wie dies hier der Fall war, auch Skontoabzüge gehören. Es ist dann nämlich für jeden Bieter erkennbar, dass die angebotenen Skontoabzüge in die Wertung einbezogen und als weiteres Kriterium im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung herangezogen werden sollen. Dies verlangt jedoch zur Wahrung der Transparenz und zur Vermeidung von Manipulationen eine Bekanntgabe der Vergabebedingungen, die die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Skontos klar und eindeutig umschreibt. Das ist hier der Fall. Die Aufforderung der Beklagten ist aus der Sicht der Bieter dahin zu verstehen, dass nur solche Skonti berücksichtigungsfähig sind, deren Voraussetzungen der Ausschreibende realistischerweise erfüllen kann (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, OLGR Naumburg 2001, 191; Thüringer Oberlandesgericht NZBau 2001, 39; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.10.2003 - II Verg 45/03; Heyermann/Riedl/Rusam, VOB-Kommentar, 10. Aufl., § 25 Rdn. 165; Motzke/Pietzcker/Prieß/Brinker/Ohler, VOB/A, § 25 Rdn. 82). Nur bei diesem Verständnis legen die Bedingungen die Anforderungen für die Gewährung des Skontoabzugs bei einer in dem gebotenen Umfang vorhersehbaren Weise fest und genügen so den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Ausschreibung zu stellen sind. Wird der Nachlass an von dem Ausschreibenden nicht in diesem Sinne erfüllbare Voraussetzungen geknüpft, stellt er keinen einem niedrigeren Preis entsprechenden wirtschaftlichen Vorteil dar. Der Bieter stellt dann lediglich für den Fall der verfrühten Zahlung einen Teilerlass in Aussicht (OLG München, Beschl. v. 29.11.2007 - Verg 13/07). Ein solches Angebot entspricht nicht den Anforderungen der Ausschreibung; der Bieter kann es allenfalls als Nebenangebot unter den für ein solches geltenden rechtlichen Voraussetzungen abgeben (vgl. OLG Köln, NZBau 2003, 377).
Die Prüfung, ob das Angebot eines Skontoabzugs so beschaffen ist, dass der Ausschreibende realistischerweise die angebotenen Bedingungen erfüllen kann und damit das Angebot dasjenige mit dem günstigen Preis ist, hat der Ausschreibende vorzunehmen. Er hat dabei Risiken und Vorteile abzuwägen, die ihm die Vereinbarung des Skontoabzugs bringt. Nur er ist dazu in der Lage zu beurteilen, ob innerhalb des angebotenen Zeitraums die Prüfung der Berechtigung und die anschließende Erfüllung der Forderung möglich sind. Diese Wertung kann im Schadensersatzprozess nicht durch die Entscheidung des Gerichts ersetzt werden, sondern sie kann nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft werden, wobei der Bieter die Unvertretbarkeit der Entscheidung des Ausschreibenden als Voraussetzung seines Schadensersatzanspruchs zu beweisen hat. Dabei sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen, die indizielle Bedeutung für die Frage der Realisierbarkeit der Bedingungen haben, an die die Gewährung des Skontos geknüpft ist; unter Umständen auch der weitere tatsächliche Verlauf. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin jedoch nicht geltend, dass die Entscheidung der Beklagten unvertretbar gewesen sei. Solche Gründe sind angesichts des Umfangs des ausgeschriebenen Werks auch nicht zu erkennen.
War die Entscheidung der Beklagten, den Skontoabzug in den Wertungsspielraum nicht einzubeziehen, aber vertretbar, so kommen Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Ende der Entscheidung
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