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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.11.2002
Aktenzeichen: X ZR 136/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 406 Abs. 2
ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ZR 136/99 vom

5. November 2002

in der Patentnichtigkeitssache

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

am 5. November 2002

beschlossen:

Tenor:

Das Gesuch der Beklagten, den gerichtlichen Sachverständigen Prof. F. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird für unbegründet erklärt.

Gründe:

I. Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 0 344 815, das ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut, insbesondere Stückgutstapeln, mit einer Stretchfolienhaube betrifft. Die Klägerin hat Nichtigkeitsklage erhoben. Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen.

Im Berufungsverfahren hat der Senat Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet und Prof. F. , , zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Mit Schriftsatz vom 14. August 2002 hat die Beklagte den gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Die Klägerin wurde zu dem Ablehnungsgesuch gehört. Sie hält es für verspätet und im übrigen für unbegründet.

II. Das Ablehnungsgesuch der Beklagten ist nicht begründet.

1. Es kann dahinstehen, ob der Befangenheitsantrag bereits deshalb abzulehnen ist, weil er nicht gemäß § 406 Abs. 2 ZPO binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des gerichtlichen Sachverständigen gestellt worden ist und die Beklagte nicht glaubhaft gemacht hat, daß sie ohne ihr Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen.

2. Der Antrag der Beklagten auf Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen scheitert jedenfalls daran, daß ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit nicht vorliegt.

Nach § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Für die Besorgnis der Befangenheit kommt es nicht darauf an, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige tatsächlich parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend Gründe vorhanden sind, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen (Sen.Urt. v. 15.5.1975 - X ZR 52/73, GRUR 1975, 507 - Schulterpolster; Sen.Beschl. v. 13.1.1987 - X ZB 29/86, GRUR 1987, 350 - Werkzeughalterung; Sen.Beschl. v. 25.2.1997 - X ZR 137/94; Sen.Beschl. v. 4.12.2001 - X ZR 199/00, GRUR 2002, 69 - Sachverständigenablehnung). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Sachverständige in näherer Beziehung zu einer der Parteien steht (vgl. Sen.Beschl. v. 11.7.1995 - X ZR 99/93). Dagegen wurde es als die Ablehnung nicht rechtfertigend angesehen, wenn der Sachverständige vor längerer Zeit für einen am Verfahren nicht beteiligten Konkurrenten auf gleichem Gebiet tätig war (Sen.Beschl. v. 11.7.1995 - X ZR 99/93).

Die Besorgnis der Befangenheit tragende Gründe in diesem Sinne hat die Beklagte nicht vorgebracht.

a) Die Beklagte kann nicht mit Erfolg geltend machen, der gerichtliche Sachverständige sei nicht ausreichend sachkundig, wie sich aus dem vorgelegten Gutachten vom Oktober 2001 ergebe; er habe als Leiter des Arbeitsbereichs Konstruktionstechnik 1 der Technischen Universität ... und ausweislich den Angaben seiner persönlichen Homepage zu der dem Streitpatent zugrundeliegenden Technologie der Stretchfolienverpackung keine Berührungspunkte.

Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit mögen das Gutachten entwerten, rechtfertigen für sich allein aber nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit.

b) Ebensowenig kann sich die Beklagte darauf berufen, der Sachverständige sei entgegen seiner dem Senat am 19. Januar 2000 vor seiner Bestellung erteilten Auskunft als Beirat in drei Unternehmen im ... Raum tätig gewesen bzw. tätig, und zwar bis 1988 bei der H. GmbH, , seit 1989 bei der Firmengruppe F. /H. und seit 1993 bei der S. GmbH, ; die H. befasse sich u.a. mit der Herstellung von Folieneinschlagautomaten für Palettenladungen und ihre Tochter, die Fö. H. , biete Folienumhüllungen zum Stretchen sowie Folienhaubenschrumpfgeräte an.

Die Beklagte hat nicht dargelegt, ob und wie weit die Tätigkeit des Sachverständigen als Beirat bei der H. GmbH und der S. GmbH geeignet sein könnte, dessen Unparteilichkeit bei der Erstattung des Gutachtens in der vorliegenden Sache überhaupt in Frage zu stellen. Sie hat nicht einmal behauptet, daß diese Unternehmen Wettbewerber der Beklagten sind.

Zu seiner Tätigkeit als Beirat bei H. hat der gerichtliche Sachverständige glaubhaft ausgeführt, er habe auf die Anfrage des Senats mit Schreiben vom 19. Januar 2000 wahrheitsgemäß dargelegt, er habe keine unmittelbaren Beziehungen zu einer Partei oder ihren Vertretern, die Zweifel an seiner Unbefangenheit als Gutachter begründen könnten. Er habe darauf hingewiesen, daß er als Beirat für ein Unternehmen arbeite, das in der Vergangenheit Systeme der Fördertechnik hergestellt und vertrieben habe. Produkte des Unternehmens seien Palettieranlagen und Faßabfüllungsanlagen gewesen. Bei der Lieferung von Systemen seien auch Verpackungsmaschinen angeboten und geliefert worden, die nicht selbst hergestellt, sondern als Fertigprodukte zugekauft worden seien. Die H. habe den Geschäftszweig Fördertechnik 1996 im Rahmen einer Bereinigung der Angebotspalette des Unternehmens und der Konzentration auf das Kerngeschäft der Schiffsausrüstung abgegeben. Er, der Sachverständige, sei seit vielen Jahren nicht mehr mit dem Geschäft der F.H. befaßt gewesen. Ende 2000 sei er aus dem Beirat der H. ausgeschieden.

Damit hat der Sachverständige zwar bestätigt, als Beirat ein Unternehmen beraten zu haben, das sich auch mit Produkten aus dem dem Streitpatent zugrundeliegenden technischen Bereich der Stretchfolienverpackung befaßte. Er hat aber deutlich gemacht, daß sich das von ihm beratene Unternehmen bereits 1996 von diesem Geschäftsbereich trennte, er zumindest seit dieser Zeit nicht mehr in diesem Rahmen beratend tätig war und daß er selbst seit Ende 2000 aus dem Beirat des Unternehmens ausgeschieden ist und damit zum Zeitpunkt der Erstellung des vorgelegten Gutachtens nicht mehr als Beirat bei H. tätig war. Eine beratende Tätigkeit für einen nicht am Verfahren Beteiligten, der seine Geschäftstätigkeit auf gleichem Gebiet fünf Jahre vor Erstattung des Gutachtens aufgegeben hat, kann bei der gebotenen parteiobjektiven Betrachtungsweise nicht als ausreichend angesehen werden, Mißtrauen gegen die Objektivität des Sachverständigen zu erregen. Die Besorgnis der Befangenheit kann bei der hier gegebenen Sachlage bei objektiver und vernünftiger Betrachtung um so weniger für begründet angesehen werden, als Hochschullehrer an Technischen Universitäten üblicherweise erst aufgrund einer erfolgreichen einschlägigen Tätigkeit in der Industrie berufen werden und sie auch in der Folgezeit auf einen fachspezifischen Gedankenaustausch in Beiräten entsprechender Unternehmen angewiesen sind.

Ende der Entscheidung

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