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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 20.07.1999
Aktenzeichen: X ZR 139/96
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 346 Abs. 2
ZPO § 546

War eine Verfahrenstrennung in der Berufungsinstanz nicht willkürlich, kann die Beschwer aus einem Schlußurteil auch dann nicht mit der aus einem Teilurteil zusammengerechnet werden, wenn die getrennten Verfahren in der Revisionsinstanz zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden werden (Fortführung von BGH, Urt. v. 3. Juli 1996 - VIII ZR 302/95, NJW 1996, 3216).

BGH, Urt. v. 20. Juli 1999 - X ZR 139/96 - OLG Düsseldorf LG Kleve


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 139/96

Verkündet am: 20. Juli 1999

Schanz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 1999 durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Dr. Jestaedt, Dr. Melullis, Scharen und Keukenschrijver

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Revision des Klägers, dem wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird, wird das am 24. September 1996 verkündete Teilurteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben, soweit die Klage in Höhe eines Teilbetrags von 33.307,26 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

II. Auf die Revision der Beklagten wird das am 24. September 1996 verkündete Teilurteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben, soweit die Beklagte darin zur Zahlung von 88.035,49 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist.

III. Die Revision der Beklagten gegen das am 19. Oktober 1996 verkündete Schlußurteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich nicht gegen den Ausspruch über die Kosten richtet.

IV. Auf die wechselseitigen Revisionen wird das am 19. Oktober 1996 verkündete Schlußurteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Kostenpunkt aufgehoben.

V. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, der Inhaber eines Containerdiensts und Entsorgungsbetriebs ist, versorgte zunächst auf Grund eines 1986 abgeschlossenen Vertrags die Beklagte, die ein Fernwärmeunternehmen betreibt, mit Brennmaterial aus aufbereitetem Altholz. Außerdem stellte der Kläger der Beklagten Container zur Verfügung, die die Beklagte zur Aufbereitung durch den Kläger mit Altholz befüllte. Der Kläger übernahm auf Grund Vertrags vom 24. Juli 1991 weiter den Umbau der vorhandenen Heizanlage der Beklagten durch Installation von zwei Voröfen vor dem vorhandenen Heißwasserkessel. Im Genehmigungsbescheid für die Änderung der Anlage vom 5. Dezember 1991 ist u.a. eine "Einhausung" genannt. In der Folgezeit wurde die Anlage mit einem Gerüst umkleidet; zwischen den Parteien ist streitig, wer die Kosten hierfür zu tragen hat. Die Parteien ersetzten den im Juli 1991 geschlossenen Vertrag mit Wirkung vom 1. Januar 1991 durch einen neuen Vertrag vom 28. Oktober 1992.

Die Parteien streiten über Forderungen, die der Kläger auf die genannten Verträge stützt; diese sind in insgesamt 27 Rechnungen und einer Gutschrift des Klägers erfaßt, die u.a. Reparaturen, Lohnkosten für den Heizer und "Überleihgebühren" für das Gerüst betreffen. Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn - unter Einschluß kapitalisierter Zinsen - 400.513,72 DM zu zahlen. Die Beklagte ist der Forderung entgegengetreten. Sie hat u.a. mit Ansprüchen aufgerechnet, die wegen behaupteter mangelhafter Brennstofflieferungen entstanden sein sollen.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Betrags von 115.257,80 DM unter Abweisung im übrigen stattgegeben. Gegen das Urteil haben der Kläger Berufung und die Beklagte unselbständige Anschlußberufung eingelegt. Der Kläger hat unter Stellung eines gesonderten Zinsantrags die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 226.231,60 DM begehrt. Mit der Anschlußberufung hat die Beklagte ihre Verurteilung wegen eines Teilbetrags von 55.077,68 DM angegriffen.

Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil auf die Rechtsmittel das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und dahin neu gefaßt, daß die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 237.901,64 DM nebst Zinsen zu zahlen; in Höhe eines Betrags von 100.741,51 DM nebst Zinsen hat es die Klage abgewiesen. Durch Schlußurteil hat es dem Kläger weitere 1.423,13 DM nebst Zinsen sowie weitere Zinsen aus 237.901,64 DM zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen.

Gegen beide Urteile des Berufungsgerichts haben die Parteien Revision eingelegt. Der Senat, der die Revisionsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat die Annahme der Rechtsmittel teilweise abgelehnt und die Revisionen der Beklagten nur zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen eine Verurteilung in Höhe von insgesamt 88.035,49 DM nebst der darauf ausgeurteilten Zinsen sowie gegen die Kostenentscheidung richten; die Revisionen des Klägers hat er angenommen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage in Höhe eines Teilbetrags von 33.307,26 DM nebst den hierauf verlangten Zinsen sowie gegen die Kostenentscheidung richten.

Im Umfang der Annahme verfolgen die Parteien ihre Anträge auf Verurteilung des Beklagten bzw. Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beiderseitigen Revisionen gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts sind zulässig; dem Kläger ist auf seinen rechtzeitig gestellten und auch in der Sache begründeten Antrag Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung seiner Revision gegen das Teilurteil zu gewähren. Die vom Kläger mit dem gleichen Ziel eingelegte Anschlußrevision ist deshalb ohne Bedeutung.

2. Zulässig sind auch die auf die Kostenentscheidung beschränkte Revision des Klägers gegen das Schlußurteil und die Revision der Beklagten gegen das Schlußurteil, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung richtet (st. Rspr.; vgl. BGHZ 29, 126 f. m.w.N.; BGH, Urt. v. 30. September 1997 - VI ZR 347/96, NJW 1998, 96 = BGHR ZPO § 99 Abs. 1 - Schlußurteil 2).

3. Dagegen ist die Revision der Beklagten gegen das Schlußurteil unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zinszahlung aus der Hauptforderung richtet, da insoweit die Revisionssumme - bei einer Urteilsbeschwer von jedenfalls nicht mehr als 35.000,-- DM - nicht erreicht ist (BGHZ 29, 126, 128). Die Beschwer kann hier nicht mit derjenigen aus dem Teilurteil zusammengerechnet werden (BGH, Beschl. v. 25. April 1989 - VI ZB 13/89, NJW 1989, 2757 = BGHR ZPO § 511a - Wertberechnung 5; Urt. v. 18. September 1996 - XII ZR 144/96, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 - Beschwer 14 m.w.N.). Allenfalls bei willkürlicher Trennung der Verfahren kommt eine Ausnahme von diesem Grundsatz in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 6. Juli 1995 - I ZR 20/93, NJW 1995, 3120 = BGHR ZPO § 145 - Trennungsbeschluß 1; Urt. v. 3. Juli 1996 - VIII ZR 302/95, NJW 1996, 3216 = BGHR ZPO § 346 Abs. 2 - Beschwer 1). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Daß - anders als in dem der letztgenannten Entscheidung zugrundeliegenden Fall - vorliegend sowohl der durch das Teilurteil als auch der durch das Schlußurteil erledigte Verfahrensteil in die Revisionsinstanz gelangt und dort zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, rechtfertigt eine Erhöhung der Beschwer aus dem Schlußurteil schon deshalb nicht, weil die Verfahrenstrennung in der Berufungsinstanz nicht willkürlich war.

II. Soweit die zur Entscheidung angenommenen Revisionen demnach zulässig sind, führen sie zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

A. Revisionen des Klägers:

Der Senat hat die Revisionen des Klägers nur insoweit zur Entscheidung angenommen, als sie sich gegen die Abweisung der Klage hinsichtlich eines Teilbetrags von 33.307,26 DM nebst Zinsen sowie gegen die Kostenentscheidung richten. Insoweit greift die von der Revision erhobene Rüge fehlender Begründung des angefochtenen Urteils (§ 551 Nr. 7 ZPO) durch.

1. Das Teilurteil des Berufungsgerichts stellt fest, daß das Landgericht der Klage in Höhe von 115.257,80 DM stattgegeben hat. Die Beklagte hat ihre Verurteilung in Höhe von 55.077,68 DM angegriffen. Das Berufungsgericht stellt weiter fest, daß der Kläger in der Berufungsinstanz eine weitergehende Forderung in Höhe von 226.231,60 DM verfolgt hat. Somit war vom Berufungsgericht insgesamt über eine Klageforderung in Höhe von 281.309,28 DM zu entscheiden (angefochtene 55.077,68 DM aus 115.257,80 DM Verurteilung durch das Landgericht zuzüglich 226.231,60 DM aus der Berufung des Klägers). Einschließlich der bereits in erster Instanz ausgeurteilten und unangefochten gebliebenen 60.180,12 DM ergab dies einen Betrag von 341.489,40 DM. Das Berufungsgericht hat unter Einschluß des letztgenannten Betrags in seinem Teilurteil über 338.643,15 DM (237.901,64 DM Verurteilung und 100.741,51 DM Klageabweisung) entschieden. In seinem Schlußurteil hat das Berufungsgericht über weitere 2.846,25 DM entschieden; damit ist der Betrag von 341.489,40 DM ausgefüllt.

2. Insoweit macht der Kläger geltend, zwar habe das Berufungsgericht die Klage wegen eines Betrags von 100.741,51 DM nebst Zinsen abgewiesen. Die einzelnen Positionen, die es dem Kläger in den Entscheidungsgründen des Teilurteils aberkannt habe, ergäben jedoch lediglich 67.434,25 DM, nämlich Telefonkosten in Höhe von 1.150,00 DM, Mehrkosten für Heizöl in Höhe von 26.729,82 DM, Stromkosten für die Zeit von Juli 1992 bis Juli 1993 in Höhe von 28.662,63 DM sowie weitere Stromkosten in Höhe von 10.891,80 DM. Dies trifft zu und wird auch von der Revisionserwiderung nicht in Abrede gestellt. Dem Teilurteil des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die Klage in Höhe des Betrags von 33.307,26 DM abgewiesen worden ist. Damit war dem Begründungserfordernis nach § 551 Nr. 7 ZPO nicht genügt (vgl. BGH, Urt. v. 18. Februar 1993 - IX ZR 48/92, NJW-RR 1993, 706 = BGHR ZPO § 551 Nr. 7 - Gründe 1).

3. Die Beklagte ist der Ansicht, daß das angefochtene Teilurteil nicht auf diesem Mangel beruhe, weil insoweit schon die Berufung als unzulässig hätte verworfen werden müssen, weil sie in diesem Umfang nicht begründet worden sei. Dem kann nicht beigetreten werden. Die Berufung des Klägers war darauf gerichtet, die Beklagte zur Zahlung weiterer 226.231,60 DM nebst Zinsen zu verurteilen; zur Begründung der Berufung waren von der ursprünglichen Klageforderung (aus einem behaupteten Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien) verschiedene Positionen in Abzug gebracht worden; der vom Landgericht dem Kläger zugesprochene Betrag und der mit der Berufung weiter verfolgte sollten der eingeschränkt weiterverfolgten Klageforderung entsprechen. Die ursprünglich aus den in der Klage einzeln aufgeführten 27 Rechnungen abzüglich der Gutschriftsposition 14 zusammengesetzte Klageforderung ergab nach der Berechnung des Klägers nach Abzug der kapitalisierten Zinsen 372.391,57 DM. Hiervon hat der Kläger drei nicht weiter verfolgte Positionen im Gesamtbetrag von 30.902,17 DM (zusammengesetzt aus Einzelpositionen von 16.929,00 DM, 1.531,89 DM und 12.441,28 DM) abgezogen, so daß sich rechnerisch der genannte Betrag von 341.489,40 DM ergab. Diesen hat der Kläger mit seiner Berufung weiter verfolgt; zu den von ihm nicht anerkannten Abzügen hat er ausdrücklich Stellung genommen. Seine Berufungsbegründung geht auch auf alle der Klageforderung im Weg der Aufrechnung entgegengesetzten Forderungen ein. Von einer mangelnden Berufungsbegründung kann daher keine Rede sein.

B. Revisionen der Beklagten:

1. a) aa) Das Berufungsgericht verneint das Bestehen von zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüchen der Beklagten wegen mangelhafter Brennstofflieferungen. Insoweit war das Landgericht nach Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen, daß zumindest einige Holzlieferungen des Klägers mangelhaft gewesen seien und Schäden an der Heizungsanlage verursacht hätten; es sei auszuschließen, daß die Störfälle auf Lieferungen Dritter zurückzuführen seien. Das Berufungsgericht stellt fest, daß die Beklagte zwischen dem 31. Juli und dem 15. Oktober 1990 gut 424 t Brennmaterial von einer Fa. B. bezogen habe; für die Zeit von August bis Oktober 1990 lasse sich deshalb eine Schadensverursachung durch den Kläger nicht nachweisen. Da in der Folgezeit eine Vermischung mit Restmaterial erfolgt sein könne, was das Berufungsgericht durch einen Hinweis auf eingereichte Fotos belegt, lasse sich eine Verursachung "ausschließlich" durch Lieferungen des Klägers für Schäden in den Zeiträumen Oktober/November 1989 nicht sicher nachweisen. Ein solcher Nachweis könne zwar mit Rücksicht auf eine einvernehmliche Handhabung der Schadensabrechnung entbehrlich sein, eine entsprechende Abrede könne aber nur für 1991 gelten.

bb) Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern (§ 559 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Zunächst trifft das Teilurteil keine Feststellungen darüber, ob die ab September 1989 erfolgten Lieferungen des Klägers mangelfrei waren. Für das Revisionsverfahren ist daher von der Behauptung der Beklagten auszugehen, daß sie mangelbehaftet und geeignet waren, Schäden an der Anlage herbeizuführen. War dies aber der Fall, entlastet es den Kläger nicht, wenn auch noch andere Lieferungen als schadensverursachend in Betracht kamen.

b) aa) Das Berufungsgericht läßt einen Ersatzanspruch weiter daran scheitern, daß die Beklagte ein so weit überwiegendes Mitverschulden treffe, daß die Haftung des Klägers zurücktrete. Der Beklagten habe eine Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 HGB oblegen, Mangelanzeigen seien nicht erfolgt. Dies führe zwar nicht von vornherein zu einem Anspruchsverlust hinsichtlich der Schäden an anderen Rechtsgütern, dränge die Annahme eines Mitverschuldens aber geradezu auf, nachdem die Beklagte ihre Beanstandungen über Jahre gesammelt habe. Den vorgelegten Unterlagen sei nur die Beanstandung einer einzigen möglicherweise schadensverursachenden Schlechtlieferung im Sinn eines "Ausreißers" zu entnehmen.

bb) Die Revision der Beklagten rügt als Verletzung des Beibringungsgrundsatzes, der Kläger habe sich nicht auf § 254 BGB berufen. Das Berufungsgericht habe ein Mitverschulden daher nicht berücksichtigen dürfen. Der Kläger habe nicht einmal entsprechende Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Im übrigen begründe eine verzögerliche Geltendmachung der Schadensersatzansprüche nicht ein Mitverschulden, sondern sei allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung zu prüfen; der Verwirkungseinwand sei ebenfalls nicht erhoben worden.

Der Kläger verweist demgegenüber auf entsprechenden eigenen Tatsachenvortrag sowie weiter darauf, daß § 254 BGB von Amts wegen zu berücksichtigen sei. Dem ist jedenfalls im Ausgangspunkt beizutreten. Daß die Regelung in § 254 BGB auch ohne entsprechenden Einwand berücksichtigt werden darf, folgt schon daraus, daß diese Bestimmung eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist (vgl. z.B. BGHZ 34, 355, 363 f; Sen.Urt. v. 12. Januar 1993 - X ZR 87/91, WM 1993, 652 = BGHR BGB § 254 Abs. 1 - Beauftragter Schädiger 3).

Es begegnet allerdings durchgreifenden Bedenken, daß das Berufungsgericht die Verantwortung des Klägers ganz zurücktreten lassen will. Das Berufungsgericht hat dabei außer Betracht gelassen, daß nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge auch bei frühzeitiger Anzeige Mängelbeseitigungskosten entstanden wären, wenn auch in geringerer Höhe. Auf dieser Grundlage hätte sich jedenfalls eine Haftungsquote für den Kläger schätzen lassen. Zwar liegt die Abwägung der Mitverschuldensanteile im wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet, im Revisionsverfahren überprüfbar ist allerdings die Frage, ob der Streitstoff ausgeschöpft ist (st. Rspr., u.a. BGHZ 51, 275, 279 f.; Sen.Urt. v. 25. Juni 1991 - X ZR 103/89, NJW-RR 1991, 1240 = BGHR BGB § 254 Abs. 1 Werkvertrag 1). Einer besonderen Rüge bedarf es insoweit nicht (vgl. BGH, Urt. v. 14. Oktober 1994 - V ZR 196/93, NJW 1995, 45 = BGHR ZPO § 559 Abs. 2 - Auslegungsgrundsätze 2, zum Fall der Nichtberücksichtigung von Auslegungsstoff). Die Höhe der demnach rechtsfehlerhaft vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten Aufrechnungsforderungen beträgt 64.148,34 DM.

Die Revision der Beklagten rügt aus denselben Gründen mit Erfolg auch die Zurückweisung ihrer Anschlußberufung hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung wegen Lieferung mangelhafter Brennstoffe in Höhe von 16.132,95 DM. Hieraus ergeben sich mit der gegebenen Begründung fehlerhaft unberücksichtigt gebliebene Aufrechnungsforderungen in Höhe von insgesamt 80.281,53 DM.

2. Begründet ist die Revision der Beklagten weiter hinsichtlich der Aufrechnungsforderung betreffend die "Überleihgebühren" für ein die Heizanlage schützendes Gerüst, die in den Rechnungen 7, 8, 10, 12 und 15 des Klägers in Höhe von 6.383,20 DM und in entsprechendem Umfang in der Verurteilung der Beklagten durch das Berufungsgericht enthalten sind.

a) Das Landgericht hatte die diesbezüglichen Forderungen des Klägers als unbegründet angesehen. Dagegen hat das Berufungsgericht sie - mit einer geringfügigen Aufrechnungsdifferenz - als gerechtfertigt erachtet. Es hat insoweit einen Erstattungsanspruch des Klägers aus Geschäftsführung ohne Auftrag angenommen. Zwar habe die durch das Gerüst geschützte ("eingehauste") Anlage im Eigentum des Klägers gestanden und deren Schutz habe deshalb auch in seinem Interesse gestanden; nach dem Genehmigungs- und Erlaubnisbescheid sei es jedoch Sache der Beklagten gewesen, die Einhausung zu erstellen. Nach dem Zusammenbruch eines Provisoriums habe zunächst die Beklagte die Kosten für das Gerüst getragen. Nach dem Vortrag des Klägers habe ohne das Gerüst Stillegung der Anlage gedroht; die Beklagte sei dem nicht substantiiert entgegengetreten. Der Kläger habe somit auch ein Geschäft der Beklagten geführt. Ergänzend hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, daß die Beklagte zunächst die Kosten getragen und im Dezember 1992 die Kosten einer dauerhaften Einhausung übernommen habe. Aus dem Vertrag vom 28. Oktober 1992 ergebe sich nichts anderes.

b) Die Revision macht geltend, daß das Berufungsgericht das Wesen des genannten Vertrags nicht erkannt habe. Nach dem Vertrag träfen den Kläger die Kosten der Anlage; das Einhausen der Voröfen sei nach dem Genehmigungsbescheid Teil der Anlage.

Eine Erstattungspflicht aus dem Vertrag hat das Berufungsgericht allerdings geprüft und in im Revisionsverfahren grundsätzlich hinzunehmender tatrichterlicher Würdigung verneint.

c) Nicht frei von Rechtsfehlern ist die Begründung, mit der das Berufungsgericht Ansprüche des Klägers aus Geschäftsführung ohne Auftrag in der geltend gemachten Höhe bejaht hat.

aa) Ansprüche auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 683 BGB setzen zunächst die Führung eines objektiv fremden Geschäfts voraus; ein zugleich eigenes, aber auch fremdes Geschäft, auf das das Berufungsgericht hier abgestellt hat, erfüllt grundsätzlich diese Voraussetzung (u.a. BGHZ 40, 28, 31; BGHZ 110, 313, 315 m.w.N.). Das Vorliegen eines in diesem Sinn auch fremden Geschäfts hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht; seine Feststellungen tragen das Ergebnis, daß die Einhausung jedenfalls auch im Interesse der Beklagten erstellt wurde.

bb) Allerdings muß die Führung eines zugleich auch fremden Geschäfts nicht notwendig Ansprüche aus §§ 683, 670 BGB begründen. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz besteht grundsätzlich nur, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprach (§ 683 Satz 1 BGB). Hierzu enthält des Berufungsurteil keine näheren Feststellungen und hiervon kann nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Allerdings kommt der Anspruch auf Aufwendungsersatz unter besonderen Umständen auch dann in Betracht, wenn die Geschäftsübernahme zu dem Willen des Geschäftsherrn im Widerspruch stand, sofern ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden könnte (§ 683 Satz 2 BGB i.V.m. § 679 2. Alt. BGB). Daß das Berufungsgericht dies in tatrichterlicher Würdigung so gesehen hat, kann dem Berufungsurteil durch dessen Bezugnahme auf den Genehmigungsbescheid noch entnommen werden. Dem Vertrag vom 28. Oktober 1992 mußte das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten nicht zwingend eine andere Verteilung der Verantwortlichkeit entnehmen.

cc) Das Berufungsgericht hat allerdings nicht beachtet, daß bei zugleich auch fremden Geschäften der Umfang des Anspruchs auf Aufwendungsersatz regelmäßig eingeschränkt ist. In solchen Fällen kommt, wenn eine gegenständliche Abgrenzung der Aufwendungen nicht möglich ist, eine Verteilung der Kosten nach dem Maß der Verantwortlichkeit und dem Gewicht der Interessen der Beteiligten in Betracht, soweit nicht der Geschäftsführer die Aufwendungen kraft seiner besonderen Verpflichtung selbst tragen soll (BGHZ 40, 28, 32; BGHZ 98, 235, 242). Unter diesem Gesichtspunkt wird das Berufungsgericht die Frage der Kostenverteilung in seine Erwägungen einzubeziehen haben. Es wird dabei auch zu prüfen haben, ob der Vereinbarung der Parteien Hinweise für die Kostenverteilung entnommen werden können.

3. a) In der als Position 28 geltend gemachten Rechnung hat die Beklagte der Forderung des Klägers eine Schadensersatzforderung in Höhe von 1.371,00 DM entgegengesetzt. Das Landgericht hat hierin ersichtlich eine Aufrechnungserklärung gesehen. Es hat ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen H. und B. habe sich die Behauptung der Beklagten bestätigt, daß der Elektromotor des Kettenbandes der Anlage durchgebrannt sei, weil in dem vom Kläger gelieferten Brennmaterial größere Stücke Brennmaterial enthalten gewesen seien. Die einschlägige Reparaturrechnung ist erst nach Vernehmung der Zeugen durch das Landgericht auf Grund einer gerichtlichen Auflage vorgelegt worden.

b) Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Position 28 ausgeführt, der Beklagten sei der Nachweis nicht gelungen, daß ihr ein Gegenanspruch wegen einer Reparatur zustehe, die durch eine Belieferung mit mangelhaftem Brennmaterial notwendig geworden sei, denn die in Bezug genommene Rechnung sei erst nach Vernehmung der Zeugen vorgelegt worden. Die Zeugen H. und B. hätten sich insoweit zu falschen Rechnungen geäußert, andere Zeugenaussagen sowie die Rechnung selbst reichten zum Nachweis nicht aus.

c) Die Revision der Beklagten rügt insoweit mit Erfolg eine Verletzung der Bestimmung des § 398 ZPO. Aufrechenbare Schadensersatzansprüche kommen hier insbesondere - auch soweit Kaufrecht zugrunde zu legen ist - aus Mangelfolgeschäden wegen positiver Vertragsverletzung in Betracht. Das Landgericht hat auf Grund seiner Würdigung der Aussagen der Zeugen H. und B. für den Schaden ursächlich gewordene mangelhafte Brennstofflieferungen des Klägers als erwiesen angesehen. Über dieses Beweisergebnis durfte sich das Berufungsgericht nicht hinwegsetzen, ohne diese beiden Zeugen nochmals zu hören. Das Landgericht ist den Aussagen der Zeugen gefolgt, obwohl diesen die richtige Reparaturrechnung nicht vorgehalten wurde, es hat damit die Zeugen insoweit für glaubwürdig und ihre Bekundungen für glaubhaft gehalten. Wenn das Berufungsgericht allein aus dem Nichtvorliegen der Rechnung bei der Vernehmung ableiten wollte, daß mit den Zeugenaussagen der Nachweis der Schadensverursachung durch die Brennstofflieferungen nicht geführt werden konnte, mußte es mithin die Glaubwürdigkeit dieser Zeugen oder die Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen anders bewerten als das Erstgericht. In einem solchen Fall ist ein Ermessen des Berufungsgerichts, von der erneuten Vernehmung dieser Zeugen abzusehen, nicht mehr eröffnet (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 12. November 1991 - VI ZR 369/90, NJW 1992, 741 = BGHR ZPO § 398 Abs. 1 - Ermessen 13). Zwar ist es dem Berufungsgericht nicht verwehrt, die Aussage erstinstanzlich vernommener Zeugen ohne deren wiederholte Vernehmung entgegen der Würdigung des Erstrichters für nicht zur Beweisführung ausreichend zu erachten, dies gilt aber nur, sofern sich nicht auch insoweit die Pflicht zu erneuter Vernehmung aus Zweifeln über die Vollständigkeit und Richtigkeit der protokollierten Aussage ergibt (BGH, Urt. v. 30. September 1992 - VIII ZR 196/91, NJW 1993, 64, insoweit nicht in BGHZ 119, 283); letzteres war hier aber der Fall.

Mangels abweichender tatsächlicher Feststellungen ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen, daß die weiteren Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch vorliegen.

III. Im Umfang der Aufhebung des angefochtenen Urteils kann auch die Entscheidung über die Zinsen keinen Bestand haben.

Ende der Entscheidung

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