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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.09.2005
Aktenzeichen: X ZR 15/02
Rechtsgebiete: PatG, ZPO


Vorschriften:

PatG § 121 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 15/02

Verkündet am: 6. September 2005

in der Patentnichtigkeitssache

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Ambrosius und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 17. Oktober 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 40 38 720 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom 5. Dezember 1990 beruht und dessen Patentansprüche wie folgt lauten:

"1. Obentürschließer mit Gleitschienengestänge und Montageplatte zur Befestigung und einer von einer Federanordnung im Schließsinn betätigbaren Schließerwelle und einem mit dieser wirkverbundenen Dämpfungskolben, sowie mit einem mit der Schließerwelle einerends gekuppelten, schwenkbaren Betätigungsarm, der über ein andererends angeordnetes Gleitstück in eine Führungsschiene faßt, wobei die Schließerwelle eine Hubkurvenscheibe aufweist, deren der Öffnungsrichtung zugehörige Kurvenbahn von einem Federstützglied über wenigstens eine Rolle und deren der Schließrichtung zugehörige Kurvenbahn von einem Dämpfungskolben über eine weitere Rolle beaufschlagt ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Hubkurvenscheibe (22) zwei symmetrisch ausgebildete Kurvenbahnen (24) und (25) hat und die Kraftübertragungsrolle (35) des Dämpfungskolbens (37) und die Kraftübertragungsrolle (26) des Federstützgliedes (28) achsmittig mit der Schließerwelle (23) angeordnet sind und daß die Schließerwelle (23) mit einem Ende (45) innerhalb des Schließergehäuses (16) gelagert ist und das entgegengesetzte Schließerwellenende (Achsaustritt (41)) nach außen ausgeführt ist, und der Betätigungsarm (14), ein gerader, für Rechts- und Linksanschlag verwendbar, Flacharm ist, in dem sich eine Ausnehmung (42) befindet, deren Mittelachse zur Längsachse (43) des Betätigungsarmes (14) um mindestens 3 Winkelgrade in Schließrichtung voreilend ist.

2. Obentürschließer nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zur Montage eine Montageplatte (48) verwendet wird, bei der die Montage des Schließergehäuses (16) mittels dreier Befestigungspunkte (38), (39) und (40) vorgenommen wird, wobei an einer Längsseite des Schließergehäuses (16) zwei Befestigungspunkte (38) und (39) sich befinden und die dritte Befestigungsmöglichkeit (40) sich in der Mitte der gegenüberliegenden Seite befindet.

3. Obentürschließer nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß auf der Montageplatte (48) Montagebolzen vorhanden sind, welche in Ausnehmungen (52) innerhalb des Schließergehäuses (16) eingreifen."

Mit der Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, die Erfindung sei in der Patentschrift nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und der Gegenstand der Erfindung sei nicht patentfähig.

Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie den Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. J. ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein Gutachten vorgelegt, das Prof. Dr.-Ing. J. B. in ihrem Auftrag erstellt hat.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent zu Recht für nichtig erklärt, weil sein Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht und daher nicht patentfähig ist (§§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).

I. Das Streitpatent betrifft einen Obentürschließer mit einer von einer Federanordnung im Schließsinn betätigbaren Schließerwelle.

Die Streitpatentschrift schildert einen in der deutschen Offenlegungsschrift 33 45 004 beschriebenen Obentürschließer als bekannt, mit dem sich eine Schließkraft- und Öffnungskraftcharakteristik wie bei einem Türschließer mit Scherengestänge erzielen lasse. Dabei sei die Dämpfung des Türflügels unabhängig von den in gleichen Drehwinkelbereichen der Schließerwelle anfallenden Schließkräften gestaltet worden. Infolge der unterschiedlichen Gestaltung der Kurvenbahn würden dem Federstützglied und auch dem Dämpfungskolben je nach Türöffnungswinkel bzw. Drehwinkel vorbestimmte, an die Öffnungs- und Schließcharakteristik angepasste Hübe zugeteilt. Dadurch werde der Schließkraftverlauf am Türflügel derart idealisiert, dass in dessen Schließlage ein relativ hohes Schließmoment zum Andruck des Türflügels an die Türdichtung vorhanden sei. Gleichzeitig werde beim Öffnungswinkel des Türflügels von etwa 2° ein stark abfallendes Öffnungsmoment erzielt, das über den weiteren Türöffnungsweg des etwa 180° betragenden Türöffnungswinkels nahezu konstant bleibe und sogar wahlweise weiter abfallend oder auch wieder ansteigend verlaufen könne. Diese Art von Türschließern lasse sich insbesondere an Brandschutztüren einsetzen.

Wegen der asymmetrisch ausgebildeten Kurvenscheibe ist der bekannte Obentürschließer nicht dazu geeignet, wahlweise für eine rechts- oder linksanschlagende Tür und sowohl in Normalmontage (mit auf dem Türblatt angeordneten Schließer und Gleitschiene auf dem Türrahmen) als auch in Kopfmontage (d.h. in umgekehrter Anordnung) eingesetzt zu werden.

Daraus ergibt sich das der Erfindung zugrundeliegende Problem, einen kostengünstig herstellbaren Gleitschienentürschließer anzugeben, der für alle Montagearten, d.h. für Rechts- oder Linksanschlag auf der Band- oder der Bandgegenseite sowohl in Normal- als auch in Kopfmontage, geeignet ist und in beiden Drehrichtungen gleiche Schließdämpfung und gleichen Drehmomentenverlauf erbringt.

Dieses Problem soll durch einen Türschließer mit folgenden Merkmalen gelöst werden:

1. Es handelt sich um einen Obentürschließer (12) mit

1.1 einer Montageplatte (48) zur Befestigung,

1.2 einem Schließergehäuse (16),

1.3 einer Schließerwelle (23),

1.3.1 die von einer Federanordnung (29) im Schließsinn betätigbar ist,

1.3.2 die mit einem Ende (45) innerhalb des Schließergehäuses (16) gelagert ist und

1.3.3 deren entgegengesetztes Ende (Achsaustritt 41) nach außen herausgeführt ist,

1.4 einem Dämpfungskolben (37), der mit der Schließerwelle (23) wirkverbunden ist, und

1.5 einem Gleitschienengestänge in Gestalt eines schwenkbaren Betätigungsarms (14),

1.5.1 dessen eines Ende mit der Schließerwelle (23) gekuppelt ist und

1.5.2 dessen anderes Ende über ein Gleitstück in eine Führungsschiene faßt.

2. Die Schließerwelle weist eine Hubkurvenscheibe mit zwei Kurvenbahnen auf,

2.1 die symmetrisch ausgebildet sind,

2.2 deren der Öffnungsrichtung zugehörige Kurvenbahn von einem Federstützglied (28) über wenigstens eine Kraftübertragungsrolle (26) beaufschlagt ist und

2.3 deren der Schließrichtung zugehörige Kurvenbahn von dem Dämpfungskolben (37) über eine weitere Kraftübertragungsrolle (35) beaufschlagt ist.

3. Die Kraftübertragungsrollen (26, 35) sind achsmittig mit der Schließerwelle (23) angeordnet.

4. Der Betätigungsarm (14) ist ein gerader Flacharm

4.1 der für Rechts- und Linksanschlag verwendbar ist und

4.2 in dem sich eine Ausnehmung (42) befindet.

5. Die Mittelachse der Ausnehmung (42) ist zur Längsachse (43) des Betätigungsarms (14) um mindestens drei Winkelgrade in Schließrichtung voreilend.

Die nachfolgenden Figuren 2 und 3 der Streitpatentschrift zeigen ein Ausführungsbeispiel im Vertikal- und im Horizontalschnitt. Fig. 2

Fig. 3

Die Streitpatentschrift erläutert die Vorteile der erfindungsgemäßen Lösung dahin, dass der Türschließer durch die symmetrisch aufgebaute Hubkurvenscheibe in beiden Drehrichtungen die gleiche Kurvenform zum Eingriff bringen könne. Dadurch würden in beiden Drehrichtungen ein gleicher Drehmomentenverlauf und auch eine gleiche Schließdämpfung erzielt. Durch das nur an einem Ende aus dem Gehäuse des Türschließers herausgeführte Schließerwellenende werde nur eine Achsabdichtung im Bereich der Schließerwelle erforderlich. Am Ende der austretenden Schließerwelle befinde sich ein Mitnehmerschaft, z.B. ein Vierkant, auf den der Betätigungsarm aufgesetzt werde, welcher andererseits in der Führungsschiene seinen Halt finde. Um den notwendigen Zudruck an der Tür zu erreichen, werde der Vierkant im Betätigungsarmhebel um mindestens 3° versetzt. Dadurch werde erreicht, dass die Tür in jedem Fall sicher schließe. Aufgrund der geometrischen Gestaltung des Betätigungsarms (Merkmal 4) könne dieser Hebel in zweierlei Richtungen der jeweiligen Montagesituation für Rechts- und Linksanschlag der Tür entsprechend verwendet werden.

Die Formulierung des Merkmals 3 lässt zwar für sich genommen nicht klar erkennen, was mit der achsmittigen Anordnung der Kraftübertragungsrollen mit der Schließerwelle gemeint ist. Die zeichnerische Darstellung in Figur 3 der Streitpatentschrift verdeutlicht dem Fachmann - einem Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, der über einige Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Türschließeinrichtungen verfügt - jedoch insbesondere im Vergleich mit der entsprechenden Schnittdarstellung in Figur 2 der deutschen Offenlegungsschrift 33 45 004 unmittelbar den Sinngehalt des Merkmals: Die Achsen der drei Elemente müssen in einer Ebene liegen, die durch die Achsmitte des Schließergehäuses geht, um die angestrebte Verwendbarkeit des Obentürschließers für jede Montageart zu gewährleisten. Als selbstverständlich ergänzt der Fachmann dabei, dass die Achsen zueinander parallel verlaufen, da eine andere Lage in der gemeinsamen Ebene einer besonderen technischen Begründung bedürfte.

II. Der Gegenstand des Streitpatents beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da er dem Fachmann am Anmeldetag durch den Stand der Technik nahegelegt war.

1. Dem Fachmann, der sich um einen kostengünstig herstellbaren und universell einsetzbaren Obentürschließer bemühte, stand mit dem Türschließer nach der im Erteilungsverfahren nicht berücksichtigten deutschen Patentschrift 17 08 457 ein Türschließer mit den Merkmalen 1, 1.2 bis 1.5.1, 2 bis 2.3 und (teilweise) 3 zur Verfügung, der ihm aufgrund seines symmetrischen Getriebeaufbaus grundsätzlich für seine Zwecke geeignet erscheinen musste.

Von dem Gehäuse wird in dieser Schrift gesagt, dass es unter dem Fußboden oder am oberen Ende des Türflügels, eventuell auch am Türrahmen angebracht werden kann (Sp. 2 Z. 5-8). Die Schließerachse ist an ihrem oberen Ende mit einem Vierkant versehen, auf dem entweder die Drehscheibe der Tür oder ein geeigneter (nicht zeichnerisch dargestellter) Hebel aufgesetzt werden kann (Sp. 2 Z. 24-27). Dem Fachmann wird damit, wie bereits das Bundespatentgericht zutreffend angenommen hat, erläutert, dass die Vorrichtung als Obentürschließer (Merkmal 1) verwendet werden kann. Die Schließerwelle ist von einer Federanordnung im Schließsinn betätigbar, mit einem (dem unteren) Ende innerhalb des Schließergehäuses (Merkmal 1.2) gelagert und mit dem entgegengesetzten Ende nach außen herausgeführt (Merkmal 1.3). Mit der Schließerwelle ist ferner ein Dämpfungskolben wirkverbunden (Merkmal 1.4). Der Hebel, der auf den Vierkant aufgesetzt werden kann, entspricht insofern Merkmal 1.5, als auch das vom Streitpatent als Gleitschienengestänge bezeichnete Führungsglied lediglich aus einem einarmigen, mit einer Gleitschiene zusammenwirkenden Hebel besteht, den das Streitpatent als Betätigungsarm bezeichnet. Das eine Ende des Hebels ist mit der Schließerwelle gekoppelt (Merkmal 1.5.1). Dagegen lässt die Schrift offen, wie das andere Ende des Hebels geführt wird.

Schließkolben und Dämpfungskolben werden über Rollen an einen Nocken mit etwa herzförmiger Gestalt angedrückt, der zwei symmetrische konvexe, dem Dämpfungskolben zugewandte Kurvenabschnitte und einen diese verbindenden mäßig konkaven, dem Schließkolben zugewandeten Abschnitt aufweist. Infolge dieser Ausgestaltung des Nockens kann der Türschließer bei kompaktem Aufbau als Universaltürschließer für Rechts- und Linkstüren und auch für Pendeltüren Verwendung finden (Sp. 1 Z. 56-60). Entsprechend Merkmal 2 weist die Schließerwelle somit eine Hubkurvenscheibe mit zwei Kurvenbahnen auf, die symmetrisch ausgebildet sind (Merkmal 2.1), deren der Öffnungsrichtung zugehörige Kurvenbahn von einem Federstützglied über wenigstens eine Kraftübertragungsrolle beaufschlagt ist (Merkmal 2.2) und deren der Schließrichtung zugehörige Kurvenbahn von dem Dämpfungskolben über eine weitere Kraftübertragungsrolle beaufschlagt ist (Merkmal 2.3).

Merkmal 3, nach dem die Kraftübertragungsrollen "achsmittig" mit der Schließerwelle angeordnet sind, ist insofern erfüllt, als die Achsen der Schließerwelle und der dem Dämpfungskolben zugeordneten Rolle im dargestellten Sinne in der Achsmittelebene des Gehäuses liegen. Dem Schließkolben sind hingegen zwei Rollen zugeordnet, deren Achsen infolgedessen außerhalb dieser Ebene, jedoch symmetrisch zu ihr liegen.

2. Um den bekannten Türschließer als Obentürschließer an einer Tür verwenden zu können, muss der Fachmann diesen mit Öffnungen für Gewindeschrauben versehen. Je nach dem bei der zur Anbringung vorgesehenen Tür vorhandenen Lochbild ist gegebenenfalls eine Montageplatte erforderlich, die zudem die Montage erleichtert. Die Verwendung einer solchen Montageplatte (Merkmal 1.1) ist in Abschnitt 7 der DIN 18 263, Teil 2 (Anl. 3) ausdrücklich vorgesehen und entsprach, wie das Bundespatentgericht und der gerichtliche Sachverständige übereinstimmend angenommen haben, üblichem Fachwissen.

Entsprechendes gilt für die notwendige Führung des der Schließerwelle abgewandten Endes des Betätigungsarms. Dafür standen dem Fachmann jedenfalls zwei gleichwertige Standardmöglichkeiten zur Verfügung, nämlich zum einen die Führung einer Rolle, zum anderen die Merkmal 1.4.2 entsprechende Verwendung eines Gleitstücks, das in einer Führungsschiene gleitet. Beide Möglichkeiten erwähnt etwa die deutsche Offenlegungsschrift 33 45 004 (S. 6 Z. 3-11 der Beschreibung).

3. Dem Fachmann, der einen universell einsetzbaren Obentürschließer bereitstellen wollte, erschloss sich unmittelbar die Möglichkeit, das mit dem Schließkolben zusammenwirkende Rollenpaar der deutschen Patentschrift 17 08 457 durch eine einzelne "achsmittig" angeordnete Rolle zu ersetzen, wie sie Merkmal 3 vorschreibt.

Denn die Verwendung eines Rollenpaares ist bei einer Pendeltür sinnvoll, die hierdurch eine stabile Nullage erhält. War dem Fachmann nicht daran gelegen, die von der vorbekannten Lösung eröffnete Möglichkeit zu nutzen, den Türschließer (auch) für eine Pendeltür zu verwenden, bot es sich an, nur mit einer - auf der Symmetrieachse angeordneten - Rolle zu arbeiten. Bei einer nicht pendelnden Tür steht nach der Montage ohnehin immer nur eine Rolle unter Federbelastung, während die andere frei ist (deutsche Patentschrift 17 08 457, Sp. 2 Z. 55-57). Die Verwendung eines Rollenpaares begrenzt zudem den Öffnungswinkel der Tür, da die Spitze der Hubkurvenscheibe bei einer Öffnung um 180° in den Spalt zwischen dem Rollenpaar eintauchen würde. Das ist bei einer Pendeltür, für die ein geringerer Öffnungswinkel ausreicht, unschädlich; wollte der Fachmann einen Universaltürschließer (nur) für Rechts- und Linkstüren, gab es für ihn keinen Grund, diesen Nachteil eines Rollenpaares in Kauf zu nehmen. Er hätte sich daher dafür entschieden, statt der beiden Rollen eine einzige vorzusehen. Deren Lage auf der Mittelebene ergab sich dann ohne weiteres und zwingend aus der angestrebten universellen Einsetzbarkeit des Obentürschließers.

4. War es für den Fachmann somit naheliegend, einen den Merkmalen 1 bis 3 entsprechenden und damit universell einsetzbaren Obentürschließer bereitzustellen, musste er sich nur noch mit der Frage befassen, ob er auch den Betätigungsarm so ausgestalten und anordnen konnte, dass dieser sich ebenfalls für sämtliche Montagearten verwenden lässt. Die der Lösung dieses Teilproblems dienenden Anweisungen der Merkmale 4 und 5 ergaben sich für ihn ebenfalls ohne erfinderisches Bemühen aus dem Stand der Technik und dem Anforderungsprofil eines für alle Montagearten geeigneten Obentürschließers.

Die Verbindung zwischen Schließerwelle und Betätigungsarm wird durch den Vierkant am oberen Ende der Schließerwelle nach der deutschen Patentschrift 17 08 457 vorgegeben, die eine entsprechende Ausnehmung im Betätigungsarm verlangt. Dem Fachmann war bekannt, dass die Ausnehmung im Betätigungsarm gegenüber der Ruhestellung der Schließerwelle um einen gewissen Winkelbereich verdreht sein muss, damit die Andruckrolle nur von einer der beiden Hubkurven beaufschlagt und eine Zuhaltekraft bei geschlossener Tür erreicht wird. Eine solche um 15° "verdrehte" Ausnehmung wies etwa der in der Zeichnung 2031211-100 der Klägerin (Anl. X 3) dargestellte Schwinghebel auf, der, wie auch die Beklagte nicht bezweifelt, vor dem Anmeldetag des Streitpatents vertrieben und mit dem als Anl. 4 vorgelegten Prospekt "Türschienen, Zapfenbänder und Abdeckkappen für Anschlagtüren" beworben worden ist. Den geeigneten Winkelgrad der Voreilung konnte der Fachmann rechnerisch oder experimentell ermitteln; auch das Streitpatent, das in Merkmal 5 nur das für eine überhaupt wirksame Vorspannung erforderliche Mindestmaß vorgibt, enthält hierzu keine näheren Angaben.

Wollte der Fachmann zudem den Türschließer nach der deutschen Patentschrift 17 08 457, wie dort angegeben, als Obentürschließer in unterschiedlichen Montagearten verwendbar gestalten, so musste er den Betätigungsarm wendbar ausgestalten, damit die Voreilung jeweils in der richtigen Richtung wirkt. Das erforderte einen geraden und zu seiner horizontalen Mittelebene symmetrischen Arm, wie er mit dem vorbekannten Schwinghebel der Klägerin auch in dieser Ausgestaltung bereits zur Verfügung stand und sich daher für die Zwecke des Fachmanns unabhängig davon anbot, dass der vorbekannte Schwinghebel offenbar nur für Bodentürschließer bestimmt war. Denn der symmetrische Aufbau des Schließers legte, wie die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen ergeben hat, einen gleichfalls symmetrischen Hebel unmittelbar nahe, dessen Wenden die einfachste Möglichkeit der Berücksichtigung der unterschiedlichen Einbaulagen darstellt.

Es kann offenbleiben, ob dem Fachmann damit bereits ein Flacharm im Sinne des Merkmals 4 zur Verfügung stand oder ob dem entgegensteht, dass im Stand der Technik und auch bei dem Schwinghebel der Klägerin die Kraftaufnahmestellen jedenfalls in der Regel verstärkt sind, während zumindest das Ausführungsbeispiel des Streitpatents einen Betätigungsarm zeigt, der auf seiner gesamten Länge gleiche Materialstärke aufweist. Denn entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung der Beklagten lässt sich daraus nicht ableiten, dass das Streitpatent ein Vorurteil der Fachwelt überwunden hätte, dass im Bereich der Ausnehmung stets eine Materialverstärkung erforderlich sei. Für die Überwindung eines Vorurteils genügt die Abweichung von einer gängigen Praxis der Fachwelt nicht, solange dieser keine allgemeine eingewurzelte technische Fehlvorstellung zugrundeliegt, die durch die Erfindung widerlegt wird (BGHZ 133, 57, 67 - Rauchgasklappe). Es liegt indessen für den Fachmann auf der Hand, dass die Notwendigkeit einer Materialverstärkung im Bereich der Krafteinleitungsstelle davon abhängt, ob der Arm im übrigen diejenige Stärke und Festigkeit aufweist, die für den Bereich der Krafteinleitungsstelle erforderlich ist. Insoweit enthält jedoch das Streitpatent mit der Angabe, dass der Arm flach sein soll, keine näheren Angaben, welchen Anforderungen die Ausbildung des Betätigungsarms genügen soll. Es bleibt vielmehr dem Fachmann überlasen, den Arm so auszubilden, wie es die aufzunehmenden Kräfte erfordern. Dass er hierbei den Betätigungsarm gegebenenfalls in einheitlicher (mehr oder weniger geringer) Materialstärke ausbilden konnte, war für den Ingenieur eine gängige Erwägung. Auch die Berücksichtigung des Grundsatzes, dass eine Abkehr von eingefahrenen Wegen bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit mit heranzuziehen ist (Sen.Urt. v. 12.5.1998 - X ZR 115/96, GRUR 1999, 145, 148 - Stoßwellen-Lithotripter), vermag daher nichts daran zu ändern, dass der Fachmann ohne erfinderisches Bemühen einen Obentürschließer, wie er in der deutschen Patentschrift 17 08 457 beschrieben ist, entsprechend dem erfindungsgemäßen Lösungsvorschlag ausbilden konnte.

5. Auch der Gegenstand der Patentansprüche 2 und 3 war am Anmeldetag nahegelegt.

Die Ausgestaltung einer Montagehilfe als Dreipunktbefestigung, wie sie Patentanspruch 2 lehrt, ist für den Ingenieur, wie der Sachverständige bestätigt hat, eine alltägliche Maßnahme. Es liegt auf der Hand, dass das symmetrische Lochbild ein Wenden des Schließergehäuses um eine vertikale Achse gestattet, um die Montage an rechts- und linksangeschlagenen Türen zu ermöglichen.

Ebenso gehörte, wie bereits das Bundespatentgericht angenommen hat, die in Patentanspruch 3 vorgeschlagene Erleichterung der Montage durch Montagebolzen, die in Ausnehmungen des Schließergehäuses greifen, zum "Handwerkzeug" des Fachmanns. Auch die Beklagte macht insoweit nichts Gegenteiliges mehr geltend.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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