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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: X ZR 160/02
Rechtsgebiete: IntPatÜG, EPÜ
Vorschriften:
IntPatÜG Art. 2 § 6 Abs. 1 Nr. 1 | |
EPÜ Art. 138 Abs. 1 lit. a |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 12. Juli 2006
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung gegen das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 22. Januar 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 663 348 (Streitpatents), das unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Voranmeldung vom 13. Januar 1994 am 13. Dezember 1994 angemeldet worden ist.
Patentanspruch 1 lautet:
"Kombination aus einem Schlauchbeutel zur Aufnahme einer fließfähigen Substanz und einer Vorrichtung zu seiner Entleerung, wobei der Schlauchbeutel (15) an seinem Ausbringende einen Ring (17) aufweist und die Vorrichtung ein zylindrisches Gehäuse (1) zur Aufnahme des Schlauchbeutels (15) zwischen einem verschiebbaren Kolben (3) und einer Kappe (2) umfasst, die mit einer eine Ausbringöffnung (9) umgebenden und mit dem Ring (17) des Schlauchbeutels zusammenwirkenden ringförmigen Anlage (12) zur Abdichtung des Ausbringendes des Schlauchbeutels (15) versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Ring (17) einen den Innendurchmesser des Gehäuses (1) überschreitenden Randbereich (19) zur Anlage an einer der Kappe (2) zugewandten Stützfläche (5) des Gehäuses (1) aufweist."
Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der weitergehenden Klage im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Patentansprüche 1 bis 4 in fünf Fassungen verteidigt, bei denen jeweils Patentanspruch 1 wie folgt lauten soll (Abweichungen gegenüber dem erteilten Anspruch kursiv):
Hauptantrag:
"Kombination aus einem eine fließfähige dentale Abformmasse enthaltenden Schlauchbeutel und einer Vorrichtung zu seiner Entleerung, wobei der Schlauchbeutel (15) an seinem Ausbringende einen Ring (17) aufweist und die Vorrichtung ein zylindrisches Gehäuse (1) zur Aufnahme des Schlauchbeutels (15) zwischen einem verschiebbaren Kolben (3) und einer Kappe (2) umfasst, die mit einer eine Ausbringöffnung (9) umgebenden und mit dem Ring (17) des Schlauchbeutels (15) zusammenwirkenden ringförmigen Anlage (12) zur Abdichtung des Ausbringendes des Schlauchbeutels (15) versehen ist, wobei der Ring (17) einen den Innendurchmesser des Gehäuses (1) überschreitenden Randbereich (19) zur Anlage an einer der Kappe (2) zugewandten Stützfläche (5) des Gehäuses (1) aufweist und wobei eine Ausbringtülle (11) am vorderen Ende der Ausbringöffnung (9) gegenüber der Achse der Vorrichtung seitlich versetzt ist."
Hilfsantrag 1:
"Kombination aus einem eine fließfähige dentale Abformmasse enthaltenden Schlauchbeutel und einer Vorrichtung zu seiner Entleerung, wobei der Schlauchbeutel (15) an seinem Ausbringende einen Ring (17) aufweist und die Vorrichtung ein zylindrisches Gehäuse (1) zur Aufnahme des Schlauchbeutels (15) zwischen einem verschiebbaren Kolben (3) und einer auf das Gehäuse (1) aufsteckbaren Kappe (2) umfasst, die mit einer eine Ausbringöffnung (9) umgebenden und mit dem Ring (17) des Schlauchbeutels (15) zusammenwirkenden ringförmigen Anlage (12) zur Abdichtung des Ausbringendes des Schlauchbeutels (15) versehen ist, wobei der Ring (17) einen den Innendurchmesser des Gehäuses (1) überschreitenden Randbereich (19) zur Anlage an einer der Kappe (2) zugewandten Stützfläche (5) des Gehäuses (1) aufweist und wobei eine Ausbringtülle (11) am vorderen Ende der Ausbringöffnung (9) gegenüber der Achse der Vorrichtung seitlich versetzt ist."
Hilfsantrag 2:
"Kombination aus einem eine fließfähige dentale Abformmasse enthaltenden Schlauchbeutel und einer Vorrichtung zu seiner Entleerung, wobei der Schlauchbeutel (15) an seinem Ausbringende einen Ring (17) aufweist und die Vorrichtung ein zylindrisches Gehäuse (1) zur Aufnahme des Schlauchbeutels (15) zwischen einem verschiebbaren Kolben (3) und einer auf das Gehäuse (1) axial aufsteckbaren Kappe (2) umfasst, die mit einer eine Ausbringöffnung (9) umgebenden und mit dem Ring (17) des Schlauchbeutels (15) zusammenwirkenden ringförmigen Anlage (12) zur Abdichtung des Ausbringendes des Schlauchbeutels (15) versehen ist, wobei der Ring (17) einen den Innendurchmesser des Gehäuses (1) überschreitenden Randbereich (19) zur Anlage an einer der Kappe (2) zugewandten Stützfläche (5) des Gehäuses (1) aufweist und wobei eine Ausbringtülle (11) am vorderen Ende der Ausbringöffnung (9) gegenüber der Achse der Vorrichtung seitlich versetzt ist."
Hilfsantrag 3:
"Kombination aus einem eine fließfähige dentale Abformmasse enthaltenden Schlauchbeutel und einer Vorrichtung zu seiner Entleerung, wobei der Schlauchbeutel (15) an seinem Ausbringende einen Ring (17) aufweist und die Vorrichtung ein zylindrisches Gehäuse (1) zur Aufnahme des Schlauchbeutels (15) zwischen einem verschiebbaren Kolben (3) und einer auf das Gehäuse (1) aufsteckbaren Kappe (2) umfasst, die mit einer eine Ausbringöffnung (9) umgebenden und mit dem Ring (17) des Schlauchbeutels (15) zusammenwirkenden ringförmigen Anlage (12) zur Abdichtung des Ausbringendes des Schlauchbeutels (15) versehen ist, wobei sich die ringförmige Anlage (12) der Kappe (2) und der Ring (17) des Schlauchbeutels (15) im aufgesteckten Zustand der Kappe berühren, wobei der Ring (17) einen den Innendurchmesser des Gehäuses (1) überschreitenden Randbereich (19) zur Anlage an einer der Kappe (2) zugewandten Stützfläche (5) des Gehäuses (1) aufweist und wobei eine Ausbringtülle (11) am vorderen Ende der Ausbringöffnung (9) gegenüber der Achse der Vorrichtung seitlich versetzt ist."
Hilfsantrag 4:
"Kombination aus einem eine fließfähige dentale Abformmasse enthaltenden Schlauchbeutel und einer Vorrichtung zu seiner Entleerung, wobei der Schlauchbeutel (15) an seinem Ausbringende einen Ring (17) aufweist und die Vorrichtung ein zylindrisches Gehäuse (1) zur Aufnahme des Schlauchbeutels (15) zwischen einem verschiebbaren Kolben (3) und einer auf das Gehäuse (1) aufsteckbaren Kappe (2) umfasst, die mit einer eine Ausbringöffnung (9) umgebenden und mit dem Ring (17) des Schlauchbeutels (15) zur Ausbildung einer schmalen ringförmigen Dichtfläche zusammenwirkenden ringförmigen Anlage (12) zur Abdichtung des Ausbringendes des Schlauchbeutels (15) versehen ist, wobei der Ring (17) einen den Innendurchmesser des Gehäuses (1) überschreitenden Randbereich (19) zur Anlage an einer der Kappe (2) zugewandten Stützfläche (5) des Gehäuses (1) aufweist und wobei eine Ausbringtülle (11) am vorderen Ende der Ausbringöffnung (9) gegenüber der Achse der Vorrichtung seitlich versetzt ist."
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. G. , vormals Inhaber des Lehrstuhls für Verarbeitungsmaschinen und Verarbeitungstechnik der Technischen Universität D. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent im Umfang der im Berufungsverfahren noch angegriffenen Patentansprüche 1 bis 4 zu Recht für nichtig erklärt.
I. Das Streitpatent betrifft eine Kombination aus einem Schlauchbeutel, der eine fließfähige Substanz aufnimmt, und einer Vorrichtung zu seiner Entleerung; nach der im Berufungsverfahren nur noch verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 handelt es sich bei der fließfähigen Substanz um eine dentale Abformmasse. Die Vorrichtung umfasst ein zylindrisches Gehäuse, das den Schlauchbeutel aufnimmt, einen verschiebbaren Kolben, der den Schlauchbeutel zum Auspressen seines Inhalts zusammendrückt, und auf der gegenüberliegenden Seite des Zylinders eine Kappe. Die Kappe enthält eine Ausbringöffnung, die zur Abdichtung des Ausbringendes des Schlauchbeutels mit einer ringförmigen Anlage versehen ist, die mit einem Ring am Ausbringende des Schlauchbeutels zusammenwirkt.
Eine solche Kombination ist, wie die Streitpatentschrift erläutert, aus der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 541 972 (D 1) bekannt, wobei der am Schlauchbeutel angebrachte Ring eine konische Dichtfläche aufweist. Zur Inbetriebnahme des Geräts wird der Schlauchbeutel in das zylindrische Gehäuse von dessen vorderem oder hinterem Ende her eingeschoben, woraufhin das vordere Ende des Gehäuses mit der Kappe verbunden und der Kolben in das hintere Ende eingeführt wird. Die konische Dichtfläche des Rings kommt dabei mit der in der Kappe vorhandenen Anlagefläche in Kontakt, wodurch sichergestellt werden soll, dass sich der außerhalb des Rings abgeschnittene Schlauchbeutel nur durch die Ausbringöffnung der Kappe nach außen entleeren kann, jedoch kein Material in den Raum zwischen Kappe, Schlauchbeutel und Gehäuse gelangt. Da die Dichtkraft aus dem durch den Vorschub des Kolbens erzeugten Ausbringdruck stammt, wird sie zwangsläufig immer dann erhöht, wenn der Ausbringdruck hoch ist.
Die Streitpatentschrift bemängelt, dass sich beim Ankleben des Rings am Ausbringende des Schlauchbeutels Ungenauigkeiten nicht vermeiden ließen und es daher möglich sei, dass der Ring und damit auch seine konische Dichtfläche gegenüber der Achse der Gegenfläche schräg oder exzentrisch sitze; infolgedessen könne es zu einer unvollständigen Abdichtung kommen. Ferner könne sich ein von der Kolbenseite in das Gehäuse eingeführter Schlauchbeutel verklemmen und die Dichtfläche des Rings hierdurch die Gegenfläche in der Kappe nicht erreichen. Das Gleiche könne passieren, wenn der Schlauchbeutel von der Kappenseite zu weit in das Gehäuse eingeschoben werde.
Daraus ergibt sich das der Erfindung zugrunde liegende technische Problem, eine zuverlässigere Abdichtung zwischen Schlauchbeutel und Kappe zu erreichen.
Erfindungsgemäß soll dies durch folgende Merkmalskombination erreicht werden:
[1] Kombination aus
[1.1] einem Schlauchbeutel (15), der eine fließfähige dentale Abformmasse enthält, und
[1.2] einer Vorrichtung zur Entleerung des Schlauchbeutels.
[2] Die Vorrichtung umfasst ein zylindrisches Gehäuse (1) zur Aufnahme des Schlauchbeutels (15) zwischen
[2.1] einem verschiebbaren Kolben (3) und
[2.2] einer Kappe (2).
[3] Der Schlauchbeutel (15) weist an seinem Ausbringende einen Ring (17) auf.
[4] Der Ring (17) hat einen Randbereich (19), der
[4.1] den Innendurchmesser des Gehäuses (1) überschreitet und
[4.2] zur Anlage an einer der Kappe (2) zugewandten Stützfläche (5) des Gehäuses (1) dient.
[5] Die Kappe (2) ist mit einer ringförmigen Anlage (12) versehen, die
[5.1] eine Ausbringöffnung (9) umgibt und
[5.2] mit dem Ring (17) zur Abdichtung des Ausbringendes des Schlauchbeutels (15) zusammenwirkt.
[6] Eine Ausbringtülle (11) ist am vorderen Ende der Ausbringöffnung (9) gegenüber der Achse der Vorrichtung seitlich versetzt.
Die nebenstehend wiedergegebene einzige Figur des Streitpatents zeigt ein Ausführungsbeispiel, bei dem der Ring (17) eine konische Dichtfläche (20) aufweist.
Der gegenüber dem Innendurchmesser des Gehäuses vergrößerte Ring (Merkmal 4.1) bewirkt, wie die Streitpatentschrift erläutert, dass sich der Schlauchbeutel nur von der Ausbringseite in das Gehäuse einschieben lässt und dabei nicht zu weit in das Gehäuse eingeführt werden kann. Durch die Anlage an die Stützfläche des Gehäuses (Merkmal 4.2) wird der Ring zwangsläufig ausgerichtet, auch wenn er etwas verkantet am Schlauchbeutel angeklebt sein sollte.
II. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist auch in den im Berufungsverfahren noch verteidigten Fassungen nicht patentfähig, da er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab und somit nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ).
1. In der Praxis befassten sich, wie die ausführliche Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen ergeben hat, im Prioritätszeitpunkt mit Problemen der Verpackungstechnik, wie sie dem Streitpatent zugrunde liegen, typischerweise Fachhochschulingenieure, die entweder einen der speziellen Studiengänge für Verpackungstechnik oder eine allgemeine maschinenbautechnische Ausbildung absolviert hatten und über entsprechende praktische Erfahrung verfügten.
Für den Fachmann, der, weil er Wert auf eine zuverlässige Abdichtung legte, nach Möglichkeiten suchte, die Vorrichtung nach der europäischen Patentanmeldung 541 972 (D 1) zu verbessern, verstand es sich von selbst, dass er nicht nur andere Vorrichtungen zur Abgabe einer dentalen Abformmasse in Betracht zog. Bereits in der D 1 selbst ist allgemein angegeben, dass sie einen Behälter mit Folienschlauch für eine fließfähige Substanz betreffe und dass solche Behälter als Einwegverpackungen beispielsweise für Klebstoffe, Dicht- und Formmassen oder andere aushärtbare Substanzen dienten. Ebenso kamen für fließfähige Lebensmittel verwendete Behälter in Betracht, denn dem Fachmann musste bewusst sein, dass es für die grundsätzliche Eignung bekannter Lösungen für seinen Zweck nicht auf den Verwendungszweck der abzugebenden Substanz, sondern allenfalls auf deren Materialeigenschaften wie etwa den Grad der Viskosität ankommen konnte. Auch die US-Patentschrift 3 815 787 (D 2) bestätigt diese Sichtweise, denn sie befasst sich - ohne sich hierauf zu beschränken - speziell mit einer Abgabevorrichtung für Ketchup, Senf und andere Produkte von ähnlicher Konsistenz, erwähnt jedoch bei der Darstellung des Standes der Technik, dass Vorrichtungen für die Abgabe von fließfähigen Substanzen wie Schmierfett, Politurcreme, Leim, Lack, Zahnpasta, Rasiercreme und dergleichen entwickelt worden seien, und schlägt damit gleichfalls den Bogen zur einer Vielzahl anderer Anwendungen.
Die letztgenannte Entgegenhaltung, deren Figur 3 nebenstehend wiedergegeben ist, beschreibt eine Kombination aus einem einen Schlauchbeutel umfassenden zusammendrückbaren Behältnis (collapsible cartridge or container 14) zur Aufnahme einer fließfähigen Substanz und einer Vorrichtung zu seiner Entleerung (dispensing device 10) [Merkmal 1]. Die Vorrichtung umfasst ein zylindrisches Gehäuse (receptacle 12) zur Aufnahme des Schlauchbeutels zwischen einem verschiebbaren Kolben (carriage 18; in Figur 3 nicht dargestellt) und einer Kappe (cap 64) [Merkmal 2]. Die Kappe weist in Gestalt der Schulter, die im Übergang vom Basisteil (base portion 70) zum Zwischenstück (intermediate portion 72) gebildet ist, einen ringförmigen Ansatz auf, der im Sinne des Merkmals 5.1 die Ausbringöffnung umgibt. Der Schlauchbeutel weist an seinem Ausbringende seinerseits ein die Ausbringöffnung ringförmig [Merkmal 3] umgebendes Deckelteil (top 50) auf, das mit dem ringförmigen Ansatz der Kappe zur Abdichtung des Ausbringendes zusammenwirkt, denn beide Teile werden miteinander verschraubt [Merkmal 5.2]. Dabei kommen die einander zugewandten Flächen des Deckelteils und des ringförmigen Ansatzes zur Anlage (oder können jedenfalls zur Anlage kommen), so dass der Ansatz auch die Funktion einer ringförmigen Anlage im Sinne des Merkmals 5 erfüllt. Schließlich hat der Deckelteil einen Randbereich [Merkmal 4], der den Innendurchmesser des Gehäuses überschreitet [Merkmal 4.1] und zur Anlage an einer der Kappe zugewandten Stützfläche des Gehäuses dient [Merkmal 4.2].
Für den Fachmann, der sich mit der Entgegenhaltung D 2 befasste, war ohne weiteres erkennbar, dass ihm mit der gezeigten Anordnung und Befestigung des ringförmigen Deckelteils zwischen der Stützfläche des Gehäuses und der Kappe eine Möglichkeit zu Gebote stand, wie er die Nachteile der Ringanordnung nach der D 1 vermeiden konnte. Denn er brauchte lediglich Anordnung und Befestigung des ringförmigen Deckelteils aus der D 2 zu übernehmen, um mittels der mit diesem zusammenwirkenden Stützfläche sowohl ein Verkanten des Rings als auch ein Einschieben des Schlauchbeutels von der Kolbenseite oder ein zu weites Einschieben von der Kappenseite zuverlässig zu verhindern. Der Umstand, dass die Abdichtung dort (jedenfalls im Wesentlichen) durch die Verschraubung zwischen Kappe und Deckelteil erzielt wird, stand dem nicht entgegen. Denn Patentanspruch 1 schließt eine solche Verschraubung - auch nach dem zu seiner Auslegung heranzuziehenden Gesamtinhalt der Beschreibung - nicht aus. Ebenso wenig konnte die bei der D 1 gegenüber der Achse der Vorrichtung seitlich versetzte Anordnung der Ausbringtülle den Fachmann an dem Rückgriff auf die D 1 hindern, denn der seitliche Versatz erfolgt erst im Anschluss an die zentrische Ausbringöffnung in der Kappe und war damit unproblematisch mit einem zentrischen unteren Kappenteil vereinbar.
2. In den von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen hat Patentanspruch 1 gleichfalls keinen Bestand. Die Gegenstände dieser Anspruchsfassung ergaben sich für den Fachmann gleichfalls in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Auch insoweit ist daher der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund mangelnder Patentfähigkeit gegeben (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ).
a) In der Fassung des ersten Hilfsantrags kommt zu den Merkmalen 1 bis 6 des Patentanspruchs 1 folgendes Merkmal hinzu:
[7] Die Kappe (2) ist auf das Gehäuse (1) aufsteckbar.
Die Beklagte verteidigt Patentanspruch zulässigerweise mit der Einfügung dieses Merkmals, denn die Streitpatentschrift beschreibt - in Übereinstimmung mit der ihr zugrunde liegenden Anmeldung - bei der Darstellung des Ausführungsbeispiels der Erfindung, dass die Kappe auf das vordere Ende des Gehäuses aufgesteckt wird (Sp. 3 Z. 31-35 = S. 4 Z. 10-15 der Anmeldung).
Der so umschriebene Gegenstand unterscheidet sich mit diesem Merkmal zusätzlich gegenüber der Vorrichtung nach der Entgegenhaltung D 2. Denn bei der bekannten Ausbringvorrichtung wird die Kappe nicht im Sinne des Merkmals 6 auf das Gehäuse aufgesteckt, sondern das Deckelteil des Behältnisses wird in die Kappe eingeschraubt und die Kappe sodann auf das Gehäuse aufgeschraubt (Sp. 4 Z. 12-17, 25-29 und 39-43). Zwar mag man, wie die Klägerin meint, in einem allgemeinen Sinne davon sprechen, dass dem Ineinanderschrauben ein Aufstecken der Kappe auf das Gehäuse vorausgehe. Das Streitpatent schließt jedoch in der verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 ein Einschrauben des Rings des Schlauchbeutels in die Kappe aus. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der Merkmale 5 und 7 mit Merkmal 4, das für die richtige Positionierung des Ausbringendes des Schlauchbeutels zur Kappe sorgen soll. Durch ein bloßes Aufstecken der Kappe (und eine nachfolgende Verriegelung von Gehäuse und Kappe gegeneinander; Sp. 2 Z. 53-56 u. Sp. 4 Z. 42-52 der Streitpatentschrift) soll es möglich sein, den bei der Einführung in das Gehäuse mit seinem Randbereich an der Gehäusestützfläche anliegenden Ring zuverlässig (jedenfalls bei Druckausübung mittels des verschiebbaren Kolbens) mit der ringförmigen Anlage der Kappe zur Abdichtung des Ausbringendes zusammenwirken zu lassen.
Für den Fachmann war es jedoch naheliegend, bei der Vorrichtung nach der D 2 von einer Gewindeverbindung zwischen Behälterdeckelteil und Kappe abzusehen. Bei der Vorrichtung nach der D 2 ist das Deckelteil zwischen dem Gehäusekörper und der Kappe angeordnet. Es ist in die Kappe eingeschraubt, die ihrerseits mit der Gehäusekörperwandung durch eine Schraubverbindung verbunden ist. Es gehört zum geläufigen Wissen eines Technikers, dass er bei einem solchen "Zwischenteil" auf die erste Schraubverbindung verzichten und Deckel- und Zwischenteil ineinanderstecken kann, wenn er sodann durch die zweite Schraubverbindung dafür sorgt, dass die ineinandergesteckten Teile in dieser Position fixiert werden.
Die Schraubverbindung zwischen Kappe und Gehäuse steht zur technischen Lehre des verteidigten Patentanspruchs 1 nicht in Widerspruch. Denn der Patentanspruch lässt es offen, wie die auf das Gehäuse aufgesteckte Kappe in dieser Position fixiert wird. In der Beschreibung wird erwähnt, dass die notwendige Verriegelung dadurch erfolgen könne, dass das Gehäuse (Kartusche) samt Kappe und Schlauchbeutel in ein entsprechend gestaltetes Gerät eingelegt werde, das einen Antrieb für den Kolben aufweise; ein solches Gerät sei in der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 492 413 beschrieben (Sp. 4 Z. 46-52). Die Verriegelung kann aber auch dadurch erfolgen, dass Kappe und Gehäuse miteinander verschraubt werden.
b) In der Fassung des zweiten Hilfsantrags ist die aufsteckbare Kappe näher dahin qualifiziert, dass die Kappe axial auf das Gehäuse aufsteckbar sein soll. Es kann dahinstehen, ob hierdurch eine Schraubverbindung zwischen Kappe und Gehäuse ausgeschlossen wird. Denn jedenfalls stand dem Fachmann ohne Weiteres die Möglichkeit zu Gebote, die Schraubverbindung, wie sie die D 2 vorsieht, durch eine anderweitige leicht lösbare Verbindung wie eine Schnapp- oder Spannverbindung zu ersetzen, bei der eine Drehbewegung nicht erforderlich ist, sondern eine rein axiale Zuführung erfolgt.
c) Auch der Gegenstand des dritten Hilfsantrags ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Dieser Gegenstand unterscheidet sich von Hilfsantrag 1 durch das weitere Merkmal, dass sich ringförmige Anlage der Kappe und Ring des Schlauchbeutels in aufgestecktem Zustand der Kappe berühren. Dies ist jedoch ebenso bei der Vorrichtung nach der D 2 der Fall, wenn bei dieser Deckelteil und Kappe ineinandergesteckt werden.
d) Schließlich verhilft auch der vierte Hilfsantrag der Verteidigung der Beklagten nicht zum Erfolg.
Allerdings ist der vierte Hilfsantrag entgegen der Auffassung der Klägerin zulässig. Er unterscheidet sich vom ersten Hilfsantrag durch die Angabe, dass die ringförmige Anlage der Kappe mit dem Ring des Schlauchbeutels "zur Ausbildung einer schmalen ringförmigen Dichtfläche" zusammenwirkt. Ein so definierter Gegenstand der Erfindung geht über den Inhalt der der Anmeldung zugrunde liegenden Unterlagen nicht hinaus.
Zwar ist die "schmale ringförmige Dichtfläche", wie die Klägerin insoweit zu Recht geltend macht, nach der dem Streitpatent zugrunde liegenden Anmeldung wie nach der Streitpatentschrift das Resultat der in Patentanspruch 5 vorgesehenen Kombination einer am Ring vorgesehenen konischen Dichtfläche (20) und einer ringförmigen Kante, welche die in der Kappe vorgesehene Anlage für die konische Dichtfläche des Rings bildet. Von dieser Kombination wird bemerkt, dass sie aufgrund der geringen Kontaktfläche zwischen Ring und Kappe in einem hohen Dichtungsdruck resultiere (Veröffentlichung der Patentanmeldung Sp. 3 Z. 18-21 = Sp. 3 Z. 24-26 der Streitpatentschrift). Auch das einzige beschriebene Ausführungsbeispiel, von dem es heißt, dass das hintere Ende des Einlasses (10) von einer ringförmigen, zur Achse der Kartusche koaxialen Dichtkante (12) gebildet werde, die in der Praxis eine schmale Dichtfläche darstelle (Veröffentlichung der Patentanmeldung Sp. 3 Z. 47-51 = Sp. 3 Z. 50-53 der Streitpatentschrift), entspricht der Lehre des Patentanspruchs 5. Eine konkrete Möglichkeit, auch ohne konische Dichtfläche am Schlauchbeutelring eine schmale ringförmige Dichtfläche verwirklichen zu können, ist nicht offenbart.
Das steht jedoch der Beschränkung auf den Gegenstand des Hilfsantrags 4 nicht entgegen. Denn der Anmelder oder Patentinhaber, der nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der Erfindung Schutz begehrt, ist nicht genötigt, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzunehmen. Die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist zulässig, wenn dadurch die zunächst weiter gefasste Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war (BGHZ 111, 21, 25 - Crackkatalysator I; Sen.Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; Sen.Urt. v. 7.12.1999 - X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 592 - Inkrustierungsinhibitoren; Sen.Beschl. v. 11.9.2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung). Dienen mehrere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt; in dieser Hinsicht können dem Patentinhaber keine Vorschriften gemacht werden (BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer).
Den angegebenen Stellen der Beschreibung ist zu entnehmen, dass eine Kombination aus Schlauchbeutel und Entleerungsvorrichtung mit schmaler ringförmiger Dichtfläche wegen des hierdurch ermöglichten hohen Dichtungsdrucks eine vorteilhafte Ausführungsform der Erfindung darstellt. Durch Patentanspruch 5 wird dem Fachmann eine Möglichkeit aufgewiesen, wie er eine solche schmale ringförmige Dichtfläche erzielen kann. Ihm ist damit jedenfalls ein Weg beschrieben, wie er den Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 bereitstellen kann. Das genügt für die Zulässigkeit dieses Anspruchs.
Auch der so beschränkte Gegenstand der Erfindung war jedoch durch den Stand der Technik nahegelegt.
Denn die aus der Entgegenhaltung D 2 bekannte Kombination aus Schlauchbeutel und Entleerungsvorrichtung weist bereits eine (relativ) schmale ringförmige Dichtfläche auf, die sich aus dem Zusammenwirken von Deckel- und Kappenteil ergibt. Dass die Dichtfläche nur so schmal sein soll, dass es nur zu einer annähernd linienförmigen Berührung zwischen den Teilen kommt, ist der mit dem Hilfsantrag 4 verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1, die anders als Patentanspruch 5 gerade keine konische Ausbildung eines der beiden zur Abdichtung zusammenwirkenden Teile verlangt, auch unter Berücksichtigung der Beschreibung nicht zu entnehmen. Hilfsantrag 4 ist daher im Ergebnis nicht anders zu beurteilen als Hilfsantrag 1.
III. Die Unteransprüche 2 bis 4 geben zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands des Patentanspruchs 1 an und können eine erfinderische Tätigkeit gleichfalls nicht begründen; auch die Beklagte macht insooweit nichts anderes gelten.
Ende der Entscheidung
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