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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.11.2004
Aktenzeichen: X ZR 166/03
Rechtsgebiete: BGB, GKG
Vorschriften:
BGB § 477 Abs. 2 | |
BGB § 639 Abs. 1 | |
GKG § 8 Abs. 1 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 30. November 2004
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. November 2004 im schriftlichen Verfahren durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. Oktober 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz für Mängelbeseitigungsarbeiten aus einem Werkvertrag vom 17. Dezember 1992, den die N. GmbH mit der A. AG geschlossen hat. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der A. AG, die Klägerin trägt vor, sie sei Rechtsnachfolgerin der N. GmbH.
Durch den Werkvertrag verpflichtete sich die A. AG zur Lieferung und zum Einbau eines Prozeßleitsystems für die automatische Steuerung und Überwachung der Kläranlage G. . Nach dem schriftlichen Vertrag beträgt die Verjährungsfrist für die Gewährleistung "zwei Jahre maximal 8.800 Betriebsstunden".
Gemäß Abnahmeprotokoll vom 14. März 1995, dem eine Mängelliste anlag, und das der Zeuge R. für die Klägerseite unterzeichnet hat, wurden die Arbeiten abgenommen. In dem Abnahmeprotokoll heißt es: "Die Gewährleistung beginnt am 14. März 1995 und endet am 13. März 1997."
Im Zuge des zweiten Bauabschnitts traten Probleme bei der Systemsteuerung auf, die die Klägerin mit Schreiben vom 20. Juni 1996 der A. AG anzeigte. Am 23. Dezember 1996 leitete die Klägerin ein selbständiges Beweisverfahren ein. Inzwischen hat die Klägerin ein anderes Prozeßleitsystem installieren lassen. Auf der Basis eines im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens eingeholten Sachverständigengutachtens beziffert die Klägerin die Kosten für die Mängelbeseitigung auf rund 800.000,-- DM und verlangt von der Beklagten diesen Betrag als Schadensersatz.
Die Parteien haben darüber gestritten, ob die Klägerin aktivlegitimiert sei und darüber, ob Ansprüche der Klägerin verjährt seien.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Berufungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Parteien entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung; die Parteien hatten Gelegenheit, bis zum 26. Oktober 2004 Schriftsätze einzureichen.
Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten der Revision, an das Berufungsgericht.
Das Berufungsgericht, das die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht hat, hat offengelassen, ob die von der Klägerin behaupteten Mängel vorgelegen haben. Schadensersatzansprüche der Klägerin seien jedenfalls verjährt, da die Verjährungsfrist entsprechend dem schriftlichen Vertrag nach 8.800 Betriebsstunden, die 366,67 Tagen entsprächen, am 17. März 1996 abgelaufen sei. Die vertragliche Regelung, nach der die Verjährungsfrist zwei Jahre, maximal 8.800 Betriebsstunden, habe betragen sollen, sei eindeutig. Es sei nicht erwiesen, daß der Zeuge R. das Abnahmeprotokoll mit dem Willen einer Änderung dieser vertraglichen Gewährleistungsfrist unterzeichnet habe. Daß die Parteien über eine Änderung der in dem ursprünglichen Vertrag vereinbarten Gewährleistungsfrist gesprochen oder gar verhandelt hätten, behaupte die Klägerin auch nach diesbezüglichem Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 13. August 2003 nicht. Deshalb komme es nicht darauf an, ob der Zeuge R. zu einer entsprechenden Vertragsänderung bevollmächtigt gewesen sei. Eine Beweiserhebung sei danach nicht erforderlich gewesen.
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Feststellung, die Parteien hätten keine zweijährige, bis zum 13. März 1997 laufende Verjährungsfrist vereinbart, ist nicht verfahrensfehlerfrei getroffen. Mit Recht rügt die Revision, der vom Berufungsgericht vermißte Vortrag sei in der Akte dokumentiert und vom Berufungsgericht unter Verletzung ihres Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) nicht zur Kenntnis genommen worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. August 2003 hat das Berufungsgericht, wie sich aus dem Verhandlungsprotokoll ergibt, die folgende Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin beurkundet: "Rechtsanwalt Lamb bittet um Frist, um zu dem in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Punkt 'Vereinbarungen' - im Hinblick auf den die Verjährung betreffenden Vermerk im Abnahmeprotokoll." Daraufhin hat das Berufungsgericht beiden Parteien Schriftsatznachlaß bis zum 3. September 2003 eingeräumt. Mit Schriftsatz von diesem Tage, an diesem Tage eingegangen, hat die Klägerin vorgetragen, wie es zu der Formulierung der Verjährungsregelung gekommen sei und daß spätere Verhandlungen zwischen den Vertretern der Klägerin und der Beklagten zu der Formulierung im Abnahmeprotokoll geführt hätten.
Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen. Dies ergibt sich aus den Stellungnahmen der Richter, die an dem angefochtenen Urteil mitgewirkt haben, zum Ablehnungsgesuch der Klägerin. In dem daraufhin ergangenen Beschluß wird davon ausgegangen, daß der Schriftsatz vom 3. September 2003 nicht Gegenstand der dem Urteil zugrundeliegenden Beratung war.
Danach kann an einer Verletzung des rechtlichen Gehörs kein Zweifel bestehen. Die Richter, die an dem Berufungsurteil mitgewirkt haben, haben das Vorbringen in dem Schriftsatz vom 3. September 2003 nicht zur Kenntnis genommen. Sie hatten zuvor in der mündlichen Verhandlung und haben auch im Berufungsurteil darauf hingewiesen, daß Vortrag dazu erforderlich gewesen sei, ob die Parteien über eine Änderung der in dem ursprünglichen Vertrag vereinbarten Gewährleistungsfrist gesprochen oder verhandelt hätten, und der Klägerin eine Schriftsatzfrist eingeräumt, um Vortrag dazu nachzuholen.
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung des Senats kommt nicht in Betracht, da eine bis zum 13. März 1997 laufende Verjährungsfrist jedenfalls durch die Beantragung des selbständigen Beweisverfahrens unterbrochen worden wäre (§§ 639 Abs. 1, 477 Abs. 2 BGB in der im Streitfall anwendbaren, bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung).
Der Rechtsstreit ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die fehlenden Feststellungen zur vereinbarten Verjährungsfrist nachholen kann.
Der Verzicht auf die Erhebung von Gerichtskosten für das Revisionsverfahren erfolgt wegen der unrichtigen Sachbehandlung durch das Berufungsgericht (§ 8 Abs. 1 Satz 1 GKG in der nach § 72 Nr. 1 GKG 2004 weiterhin anwendbaren, bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung).
Ende der Entscheidung
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