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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.11.2002
Aktenzeichen: X ZR 176/01
Rechtsgebiete: PatG 1981, ZPO
Vorschriften:
PatG 1981 § 86 Abs. 2 | |
ZPO § 42 |
Entscheidung wurde am 08.04.2003 korrigiert: unter I. Satz 1 müssen die Worte "mit der Berufung" und in Satz 2 die Worte "und vom Bundespatentgericht zurückgewiesene" gestrichen werden
b) Bei der Bestimmung des Schutzbereichs eines Patents mit Rücksicht auf den zur Zeit seiner Anmeldung bestehenden Stand der Technik handelt es sich um eine im Rahmen des Verletzungsverfahrens typisch auftretende Art der Vorbefassung mit Rechtsfragen, die für sich eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht rechtfertigt.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
12. November 2002
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Asendorf
beschlossen:
Tenor:
Das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 24. Mai 2002 gegen den Richter am Bundesgerichtshof M. wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Klägerin begehrt die Nichtigerklärung des Streitpatents. Sie hat die vorliegende Nichtigkeitsklage erhoben, nachdem sie vor dem Landgericht D. wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen und verurteilt worden ist. An der Entscheidung hat der abgelehnte Richter mitgewirkt, der zum Zeitpunkt der Entscheidung im Verletzungsprozeß Vorsitzender Richter der für den Verletzungsstreit zuständigen Patentstreitkammer war.
II. Der abgelehnte Richter ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht bereits kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramts im vorliegenden Nichtigkeitsberufungsverfahren ausgeschlossen.
1. Es kann offenbleiben, ob für die Ausschließung von Richtern von der Ausübung des Richteramts im Nichtigkeitsberufungsverfahren unmittelbar oder über § 86 PatG in entsprechender Anwendung auf die §§ 41 bis 44, 47 bis 49 ZPO zurückzugreifen ist. Auch dann scheidet eine Ausschließung des abgelehnten Richters aus; andere Rechtsgrundlagen für eine Ausschließung sind nicht ersichtlich. Nach der hier allein in Betracht zu ziehenden Regelung in § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen, wenn er in einem früheren Rechtszug bei dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht die Entscheidung im Verletzungsprozeß, sondern die Entscheidung des Bundespatentgerichts im Patentnichtigkeitsverfahren. Da der abgelehnte Richter an der Entscheidung des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren nicht mitgewirkt hat, ist er nicht nach § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung des Richteramts im vorliegenden Nichtigkeitsberufungsverfahren ausgeschlossen.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der Ausschlußgrund des § 86 Abs. 2 Nr. 2 PatG nicht auf die Beteiligung eines Richters in einem Patentverletzungsverfahren ausgedehnt werden. Das Patentverletzungsverfahren ist durch die Bindung des Richters an das erteilte Patent gekennzeichnet. Es ist daher kein Verfahren, in dem der Richter wie im Erteilungs- oder Einspruchsverfahren mit der Frage des Bestands des Patents befaßt wird. Daß im Verletzungsverfahren gegebenenfalls im Rahmen einer Prognose über die Aussichten des Nichtigkeitsverfahrens zu entscheiden sein kann, wenn es - wie hier - um eine Aussetzung des Verfahrens geht, führt zu keiner anderen Beurteilung.
III. Das Ablehnungsgesuch ist auch unbegründet, soweit die Klägerin den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt. Die Klägerin legt keinen Grund dar, der Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters rechtfertigen könnte (§ 42 ZPO, § 86 PatG).
Allein aus dem Umstand, daß die Klägerin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters im erstinstanzlichen Verletzungsprozeß mit ihrem Vorbringen zum Stand der Technik und daraus resultierend mit ihrem Vorbringen zum Schutzbereich des Streitpatents nicht durchgedrungen ist, läßt sich ein Ablehnungsgrund nicht herleiten. Die prozeßrechtlich typische Mitwirkung des Richters an einem früheren Verfahren, das zu einer der Partei ungünstigen Entscheidung geführt hat, rechtfertigt für sich die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 42 Rdn. 15). Bei der Bestimmung des Schutzbereichs eines Patents mit Rücksicht auf den zur Zeit seiner Anmeldung bestehenden Stand der Technik handelt es sich um eine im Rahmen des Verletzungsverfahrens typisch auftretende Art der Vorbefassung mit Rechtsfragen, die nicht nur Gegenstand des Verletzungsverfahrens, sondern auch Gegenstand eines Nichtigkeitsverfahrens sind oder werden können (vgl. Sen.Beschl. v. 30.1.1986 - X ZR 70/84, GRUR 1986, 731 - Mauerkasten I). Ein Fall prozeßrechtlich atypischer Vorbefassung (dazu Zöller/Vollkommer, aaO, § 42 ZPO Rdn. 17), wie er im Bereich des Verfahrens vor dem Patentgericht durch § 86 Abs. 2 PatG geregelt wird, liegt - wie bereits ausgeführt - nicht vor.
Anhaltspunkte, die aus dem persönlichen Verhalten des Richters im Verletzungsverfahren aus der Sicht einer vernünftigen Prozeßpartei einen Grund zur Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten, legt die Klägerin nicht dar.
Ende der Entscheidung
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