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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.10.2004
Aktenzeichen: X ZR 2/03
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 528 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 19. Oktober 2004
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das am 12. Dezember 2002 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte ist der Sohn und Alleinerbe der am 25. März 1998 verstorbenen L. S. (im folgenden: Erblasserin). Der Kläger verlangt als Träger der Sozialhilfe aus übergeleitetem Recht vom Beklagten die Zahlung von 7.365,67 € (14.406,-- DM).
Mit notariellem Vertrag vom 31. März 1992 übertrug die Erblasserin dem Beklagten "im Wege vorweggenommer Erbfolge" das Eigentum an der 1.389 qm großen Hof- und Gebäudefläche B. ... straße in Z. . Auf diesem Grundstück war im Jahre 1960 ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 85 qm errichtet worden, das die Erblasserin und der Beklagte gemeinsam bewohnten.
Für die Zeit vom 14. Juli 1993 bis 31. März 1995 gewährte der Kläger der Erblasserin Hilfe zur häuslichen Pflege in Höhe von insgesamt 14.406,-- DM. Der Kläger leitete mit Bescheid vom 14. September 1998 Rückgewähransprüche der Erblasserin gegen den Beklagten aus § 528 BGB gem. § 90 BSHG auf sich über. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage des Beklagten beim Verwaltungsgericht blieb ohne Erfolg.
Der Beklagte macht gegenüber der Klageforderung im wesentlichen geltend, das ihm übertragene Grundstück habe zum Schonvermögen nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG seiner Mutter gehört. Nach dieser Vorschrift sei der Erblasserin eine entgeltliche Veräußerung nicht zumutbar gewesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet gehalten und ausgeführt, die Erblasserin habe dem Beklagten das Eigentum an dem Grundstück geschenkt. Die Erblasserin sei nach Vollziehung der Schenkung, nämlich in der Zeit vom 14. Juli 1993 bis zum 31. März 1995, unstreitig außer Stande gewesen, ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten, und habe deswegen vom Kläger Sozialhilfe erhalten. Der Rückforderungsanspruch der Erblasserin gegen den Beklagten sei auf Zahlung regelmäßig wiederkehrender Unterhaltsbeiträge gerichtet gewesen, bis der Wert des Schenkungsgegenstandes erschöpft gewesen sei. Den Rückforderungsanspruch der Erblasserin habe der Kläger wirksam auf sich übergeleitet. Der Zahlungsanspruch des Klägers könne nicht mit dem Argument verneint werden, daß die Sozialhilfeleistung an den Schenker nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG nicht von der Verwertung des geschenkten Gegenstandes hätte abhängig gemacht werden dürfen. Diese Vorschrift betreffe nicht das Verhältnis zwischen Schenker und Beschenktem, sondern allein das Verhältnis zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Schenker. Die Vorschrift betreffe daher die Frage, ob der Träger der Sozialhilfe einen Anspruch des Schenkers auf Rückübertragung eines Grundstückes auf sich überleiten könne. Die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der Überleitung sei aber nicht von den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu prüfen, die insoweit an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gebunden seien.
II.
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß dem Kläger Ansprüche aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG zustehen.
1. Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, daß die Erblasserin dem Beklagten das Grundstück im Wege der Schenkung zugewendet hat, läßt dies einen Rechtsfehler nicht erkennen; davon geht auch die Revision aus.
2. Es entspricht weiter ständiger Rechtsprechung, daß der Anspruch auf Herausgabe des Geschenks gem. §§ 528 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB in dem Umfang besteht, in welchem der Schenkungsgegenstand zur Deckung des angemessenen Unterhalts des Schenkers erforderlich ist, so daß er bei einem nicht teilbaren Geschenk wie ein Grundstück von vornherein auf die wiederkehrende Zahlung eines der jeweiligen Bedürftigkeit des Schenkers entsprechenden Wertanteils gerichtet ist, bis der Wert des Geschenks erschöpft ist (BGHZ 94, 141, 144; BGHZ 96, 380, 382; BGHZ 125, 283, 284; BGHZ 155, 57). Auch hiervon geht die Revision aus.
3. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, daß die Erblasserin nicht außer Stande gewesen sei, ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten, weil ihr Unterhalt aufgrund der ihr gewährten Sozialhilfe sichergestellt gewesen sei. Die Frage, ob ein Schenker nach Vollziehung der Schenkung außer Stande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten, ist nach den Vorgaben des Unterhaltsrechts zu entscheiden, auf deren Begrifflichkeit § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB Bezug nimmt (Senat, Urt. v. 05.11.2002 - X ZR 140/01, NJW 2003, 1384, 1386). Der Unterhaltsberechtigte ist danach außer Stande, sich selbst zu unterhalten, wenn er seinen Bedarf weder aus Einkommen noch aus der Verwertung von Vermögen decken kann (Senat aaO m.w.N.). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Erblasserin in der Zeit, für die ihr der Kläger Sozialhilfe gewährt hat, hierzu außer Stande und damit unterhaltsbedürftig nach den Vorgaben des Unterhaltsrechts.
4. Die Frage, ob die Erblasserin in demselben Maße hilfsbedürftig gewesen wäre, wenn sie das Hausgrundstück nicht auf den Beklagten übertragen hätte, ist nicht entscheidend. Für die Beurteilung der Bedürftigkeit des Schenkers kommt es allein auf dessen Einkommens- und Vermögenslage im Zeitpunkt der Bewilligung der Sozialhilfe an, wenn ein Sozialhilfeträger aus übergeleitetem Recht den Anspruch des Schenkers aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen den Beschenkten geltend macht. Deshalb kann sich der Beschenkte in diesen Fällen gegenüber der Inanspruchnahme aus dem übergeleiteten Anspruch auch nicht damit verteidigen, daß der Schenker nach Beantragung und Gewährung von Sozialhilfe wieder über Einkommen oder Vermögen verfügt hat (Senat, BGHZ 155, 57,59).
5. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß es für die Überleitung eines Rückforderungsanspruchs wegen Notbedarfs des Schenkers nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB unbeachtlich ist, ob das geschenkte Grundstück im Eigentum des Schenkers Schonvermögen gewesen wäre (BGHZ 125, 283, 287). Die Überleitungsanzeige nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG bewirkt, daß der Sozialhilfeträger hinsichtlich der übergeleiteten Ansprüche in die Gläubigerposition des Schenkers eintritt. Der Rückgewähranspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB ist aber nicht durch Regelungen beschränkt, die denjenigen des Bundessozialhilfegesetzes vergleichbar wären (vgl. BVerwGE 90, 245, 249; MünchKomm./Kollhosser, 3. Aufl. 1995, § 528 BGB Rdn. 18; Brähler-Boyan/Mann, NJW 1995, 1866, 1869).
6. Der Revision kann auch nicht darin gefolgt werden, daß ein Rückforderungsanspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB nur dann zu bejahen sei, wenn die Bedürftigkeit des Schenkers Folge der Schenkung sei. "Nach" im Sinne von § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB beinhaltet eine zeitliche Abgrenzung zur Erfüllungsverweigerungseinrede des § 519 Abs. 1 BGB. Sie bedeutet nicht, daß die Bedürftigkeit Folge der Schenkung sein muß. Eine Beschränkung des Rückforderungsrechtes dergestalt, daß die Bedürftigkeit gerade durch die Schenkung verursacht worden sein muß, läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen (Staudinger/Cremer 1995, § 528 BGB Rdn. 2, 3; RGRK/Mezger, 12. Aufl., § 528 BGB Rdn. 3). Anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 1996 (IV ZR 184/94, NJW 1996, 287 f.). Nach dieser Entscheidung steht die Anwendbarkeit des § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht dadurch in Frage, daß die Schenkerin schon vor Übertragung des Schenkungsgegenstandes Sozialhilfeleistungen erhalten hat, die Bedürftigkeit mithin schon vor dem Vollzug der Schenkung vorlag. Diese Entscheidung verdeutlicht damit im Gegenteil, daß es auf einen kausalen Zusammenhang zwischen der Schenkung und dem Eintritt der Bedürftigkeit nicht ankommt.
7. Das Ergebnis ist nach dem vom Senat zu beurteilenden Sachverhalt auch nicht unbillig. Es beruht darauf, daß das Schenkungsrecht einerseits und das Sozialhilferecht andererseits in sich geschlossene Rechtssysteme mit unterschiedlich ausgestalteten und an unterschiedlichen Maßstäben ausgerichteten Billigkeitsregelungen bilden. Das Schenkungsrecht bietet in § 529 Abs. 2 BGB eine solche Regelung. Danach ist der Anspruch auf Herausgabe des Geschenks ausgeschlossen, soweit der Beschenkte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, das Geschenk herauszugeben, ohne daß sein standesgemäßer Unterhalt oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflicht gefährdet wird. Hierfür sind jedoch im vorliegenden Fall Anhaltspunkte nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Ende der Entscheidung
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