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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.10.2003
Aktenzeichen: X ZR 218/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 271 Abs. 1
Streiten die Parteien, ob die Schuld fällig ist, nachdem der Gläubiger die Leistung verlangt hat, ist es Sache des Schuldners darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen, daß aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Festlegung oder der Umstände des Falls erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu leisten ist. Dies trifft auch bei Streit zu, wann im konkreten Fall die angemessene Fertigstellungsfrist tatsächlich abgelaufen und deshalb Fälligkeit eingetreten ist.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 218/01

Verkündet am: 21. Oktober 2003

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das am 21. August 2001 verkündete Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als die Widerklage abgewiesen und die Beklagte zur Zahlung von mehr als 24.470,62 DM nebst 9,25 % Zinsen aus 23.158,77 DM seit dem 21. Juni 2000 sowie aus weiteren 1.311,85 DM seit dem 25. Juni 2000 verurteilt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte hatte ein Grundstück erworben, in dessen Boden sich Altlasten befanden. Sie wollte das Grundstück mit Häusern bebauen und diese sodann veräußern. Die Gemeinde war zu einem entsprechenden Bebauungsplan bereit, wenn die Beklagte bis August 2000 den Nachweis über eine Bodensanierung und die Entsorgung des kontaminierten Erdreichs führe.

Im November 1999 beauftragte die Beklagte die Klägerin, den Boden auszubaggern, in Haufen zwischenzulagern, und - nach deren Untersuchung auf die jeweilige Schadstoffbelastung durch ein Labor und nach entsprechender Entsorgungsgenehmigung des Wasserwirtschaftsamts - zu Deponien zu fahren und dort zu entsorgen.

Die Klägerin begann jedenfalls am 25. November 1999 mit den Arbeiten. Der Beklagten ging deren Erledigung nicht schnell genug voran. Sie monierte das in Gesprächen auf der Baustelle und in schriftlicher Form. So verlangte die Beklagte mit Schreiben vom 19. April 2000, den Bodenaustausch bis spätestens 28. April 2000 abzuschließen, weil ein anderes Unternehmen am 2. Mai 2000 mit seinen Arbeiten beginnen wolle. Mit Schreiben vom 16. Mai 2000 stellte sich die Beklagte auf den Standpunkt, daß die Klägerin sich seit dem 28. April 2000 in Verzug befinde, und kündigte an, der Klägerin den durch ihre angeblich schleppende Arbeitsweise entstandenen Schaden in Rechnung zu stellen. Dabei forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Arbeiten unverzüglich mit genügend Personal und Maschineneinsatz fortzusetzen. Es hieß dann weiter: "Sollten Sie bis Freitag den 19. Mai 2000 nicht mit der von uns gewünschten Anzahl von Lkw und Personal auf der Baustelle sein, sehen wir uns gezwungen, eine zweite Firma einzuschalten. Die dadurch entstehenden Mehrkosten werden wir Ihnen in Rechnung stellen. ...".

Mit Schreiben vom 19. Mai 2000 kündigte die Beklagte der Klägerin schließlich fristlos und forderte sie auf, die Baustelle am Montag, dem 22. Mai 2000, zu räumen. Dieser Aufforderung kam die Klägerin nach. Noch im Mai 2000 beauftragte die Beklagte ein anderes Entsorgungsunternehmen.

Die Klägerin hat als Restwerklohn für tatsächlich erbrachte Arbeiten 99.298,15 DM nebst Zinsen eingeklagt. Die Beklagte hat sich demgegenüber auf den Standpunkt gestellt, für die Entsorgung bestimmten Materials insgesamt 24.470,62 DM zuviel an die Klägerin gezahlt zu haben, weil die von dieser insoweit behauptete Preisabsprache nicht zustande gekommen sei. Außerdem sei sie, die Beklagte, durch das zögerliche Arbeiten der Klägerin geschädigt, weil ihr zusätzliche Kosten für die Einschaltung des neuen Entsorgungsunternehmens und im Hinblick auf die Finanzierung des Grundstücksgeschäfts entstanden seien. Die Beklagte meint deshalb, jedenfalls noch 30.000,-- DM von der Klägerin verlangen zu können, und hat wegen dieses Betrags nebst Zinsen Widerklage erhoben.

Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im übrigen in Höhe eines Betrags von 95.079,67 DM nebst Zinsen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Die daraufhin von der Beklagten eingelegte Revision hat der Senat nicht angenommen, soweit die Beklagte zur Zahlung von 24.470,62 DM nebst 9,25 % Zinsen aus 23.158,77 DM seit dem 21. Juni 2000 sowie aus weiteren 1.311,85 DM seit dem 25. Juni 2000 verurteilt worden ist.

Die Beklagte verfolgt im übrigen ihren Klageabweisungs- und Widerklageantrag weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel der Beklagten entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision der Beklagten hat im Umfang der Annahme der Revision Erfolg. Sie führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die Abweisung der Widerklage und die Verurteilung der Beklagten, soweit sie nicht durch Nichtannahme der Revision rechtskräftig ist, beruhen darauf, daß das Berufungsgericht die von der Klägerin geschuldete Werkherstellung als nicht verspätet angesehen hat, weil die Leistungspflicht noch nicht fällig gewesen sei, als die Klägerin der Aufforderung der Beklagten nachkam und die Baustelle räumte. Im Hinblick auf die Fälligkeit hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Parteien hätten weder ursprünglich noch nachträglich bestimmte oder bestimmbare Fristen für die Fertigstellung bzw. eine teilweise Fertigstellung des Vorhabens vereinbart. Die von der Klägerin zu erbringende Leistung sei auch nicht nach den Umständen des Falles fällig geworden. Hierzu habe die Beklagte nämlich nicht substantiiert vorgetragen. Die Beklagte hätte vortragen müssen, wann mit ordentlichem, aber nicht überdurchschnittlichem Einsatz der Klägerin nach objektiven Erfahrungswerten üblicherweise die Arbeiten hätten abgeschlossen sein müssen. Dazu hätte insbesondere Vortrag gehört, mit wieviel Personaleinsatz und mit wie vielen Lkw hätte gearbeitet werden müssen.

2. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Tragweite von § 271 Abs. 1 BGB verkannt.

a) § 271 Abs. 1 BGB betrifft die Zeit für die Leistung. Gemeint ist damit der Tag oder ein anderer bestimmter Zeitpunkt, an dem der Gläubiger die Leistung verlangen und der Schuldner sie bewirken kann. Die Vorschrift ordnet insoweit an, daß dies sofort geschehen kann, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. § 271 Abs. 1 BGB enthält damit eine zur sofortigen Fälligkeit und Erfüllbarkeit führende Regel, die so lange anzuwenden ist, bis feststeht, daß - sieht man Fällen einer gesetzlichen Bestimmung der Leistungszeit ab - ein bestimmter anderer Leistungszeitpunkt rechtsgeschäftlich bestimmt ist oder sich sonstwie aus den Umständen des Falls ergibt. Dementsprechend braucht der Gläubiger zur Fälligkeit der geltend gemachten Forderung nicht besonders vorzutragen; es ist vielmehr Sache des Schuldners, der sich auf Fehlen der Fälligkeit beruft, darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen, daß aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Festlegung oder der Umstände des Falls erst zu einem bestimmten anderen späteren Zeitpunkt zu leisten war bzw. ist (MünchKomm.BGB/Krüger, 4. Aufl., § 271 Rdn. 37 m.w.N.; Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., S. 301).

Bei Anwendung dieser unmittelbar aus § 271 Abs. 1 BGB folgenden Grundsätze ist allerdings zu berücksichtigen, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Werkvertragsrecht der Unternehmer im Zweifel nach Vertragsschluß mit der Herstellung alsbald zu beginnen und sie in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen hat, wobei die für die Herstellung notwendige Zeit in Rechnung zu stellen ist (Urt. v. 08.03.2001 - VII ZR 470/99, MDR 2001, 846 m.w.N.). Diese Erkenntnis enthebt den Schuldner jedoch nur von Vortrag, daß das Werk überhaupt erst zu einem späteren, nach dem Entstehen der Schuld liegenden Zeitpunkt fertigzustellen ist. Bei Streit, wann im konkreten Fall die angemessene Fertigstellungsfrist tatsächlich abgelaufen ist und deshalb Fälligkeit eintritt, bleibt der Schuldner aber für die insoweit maßgeblichen Umstände darlegungs- und beweispflichtig.

b) Auf den Streitfall angewendet bedeutet das, daß das angefochtene Urteil, soweit die Revision angenommen worden ist, keinen Bestand haben kann. Das Berufungsgericht hat - unbeanstandet durch die Revision und die Revisionserwiderung - festgestellt, daß die Parteien eine Fälligkeitsregelung nicht getroffen haben. Es kommt danach darauf an, wann nach den Umständen des Streitfalls die angemessene Fertigstellungsfrist abgelaufen ist. Hierzu hat das Berufungsgericht Feststellungen jedoch nicht getroffen, weil es die Beklagte für insoweit darlegungspflichtig angesehen hat, obwohl sie Gläubiger der Werkleistung ist und deshalb für sie die Regel des § 271 Abs. 1 BGB streitet.

c) Das Berufungsgericht wird deshalb die Fälligkeitsfrage erneut zu entscheiden haben, und zwar auf der Grundlage dessen, was die Klägerin als Schuldnerin der Werkleistung zu den Umständen vorgebracht hat und möglicherweise ergänzend vorbringt, die eine sachgerechte Bewertung zulassen, wann im Streitfall die angemessene Fertigstellungsfrist ablief bzw. abgelaufen wäre. Läßt sich nicht die für einen Beweis erforderliche Überzeugung gewinnen, daß diese Frist erst zu einem Zeitpunkt endete, der nach einer Mahnung der Klägerin durch die Beklagte liegt, kommt ein Schadensersatzanspruch gemäß § 326 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung (a.F.) in Betracht, den die Beklagte der Klageforderung entgegensetzen und der die Widerklage rechtfertigen kann. Eine Mahnung durch die Beklagte hätte dann nämlich verzugsbegründende Wirkung. Ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß § 326 Abs. 1 BGB a.F. in Fällen, in denen es wie hier zu einer Abnahme des Werks nicht gekommen ist, wäre auch nicht durch §§ 634 ff. BGB a.F. ausgeschlossen (Sen.Urt. v. 26.09.1996 - X ZR 33/94, NJW 1997, 50). Auch eine nachträgliche Kündigung des Werkvertrages hinderte Entstehung und Fortbestand eines solchen Anspruchs nicht.



Ende der Entscheidung

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