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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.08.2006
Aktenzeichen: X ZR 275/02 (1)
Rechtsgebiete: PatG, ZPO


Vorschriften:

PatG § 93 Abs. 1
PatG § 99 Abs. 1
ZPO § 411 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ZR 275/02

vom 15. August 2006

in der Patentnichtigkeitssache

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. August 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Kirchhoff

beschlossen:

Tenor:

Die Anhörungsrüge der Klägerin wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I. Mit Urteil vom 11. April 2006 hat der Senat die Berufung der Klägerin gegen das am 1. Oktober 2002 verkündete Urteil des Bundespatentgerichts zurückgewiesen. Mit ihrer am 22. Juni 2006 erhobenen Anhörungsrüge macht die Klägerin geltend, die Entscheidung des Senats verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, weil der zum Termin verhinderte gerichtliche Sachverständige von ihr in der mündlichen Verhandlung nicht habe befragt werden können und das Urteil des Senats auf einem Fehlverständnis der gutachtlichen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zur Merkmalsgruppe 3.2 des Streitpatents beruhe; zudem legten Aussagen des Senats in seiner Entscheidung den Schluss nahe, dass von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Fotografien bei der Entscheidungsfindung eine maßgebliche Rolle gespielt hätten, zu denen der gerichtliche Sachverständige nicht habe Stellung nehmen können. Schließlich meint die Klägerin, bei dem Urteil des Senats handele es sich um eine Überraschungsentscheidung, da für die Klägerin nicht erkennbar gewesen sei, dass das Streitpatent mit der dem Urteil zugrunde liegenden Auslegung der Merkmalsgruppe 3.2 aufrecht erhalten werden könnte; die Klägerin habe sich deshalb zu dieser Auslegung nicht äußern können.

Die Klägerin beantragt, das Berufungsverfahren fortzuführen.

Der Beklagten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

II. Die statthafte (§ 321 a Abs. 1 ZPO, § 122 a PatG) und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge erweist sich als unbegründet. Sie könnte nur dann Erfolg haben, wenn der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden wäre. Daran fehlt es. Eine Verletzung allein der gerichtlichen Aufklärungspflicht gemäß §§ 93 Abs. 1, 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 411 Abs. 2 ZPO kann, auch wenn sie vorliegen sollte, mit der Gehörsrüge nicht geltend gemacht werden; auf den entsprechenden Vortrag der Klägerin ist deshalb nicht einzugehen.

Das Urteil des Senats vom 11. April 2006 beruht auf seiner Auslegung des Patents. Nach dessen Merkmal 3.2 wird die Zündspitze bei der patentgemäßen Zündkerze mittels einer ringförmigen Laserschweißnaht befestigt, die eine Vielzahl einander überlappender, benachbarter Schweißpunkte umfasst. Der Senat hat auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, dass jedenfalls im Hinblick auf dieses Merkmal der Gegenstand des Patents neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

Die Gehörsrüge der Klägerin wäre deshalb nur begründet, wenn der Senat sein Verständnis der Beschaffenheit der patentgemäßen Schweißnaht unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin gewonnen hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör ist nicht dadurch verletzt worden, dass ihr der Senat keine Möglichkeit eingeräumt hat, den Sachverständigen mündlich zur Bedeutung der Merkmalsgruppe 3.2 zu befragen und auf diese Weise das nach Ansicht der Klägerin beim Senat aufgetretene, entscheidungserhebliche Fehlverständnis dieser Merkmalsgruppe zu vermeiden.

Der gerichtliche Sachverständige hat auf Seite 6 seines Gutachtens ausgeführt:

"Die Schweißnaht besteht aus einer Vielzahl sich überlappender und benachbarter Schweißpunkte. Diese Aussage halte ich für eine äußerst ungewöhnliche Beschreibung einer ganz gewöhnlichen Schweißnaht. ...

Oder sollte mit der Aussage '... einer Vielzahl sich überlappender und benachbarter Schweißpunkte' folgender Arbeitsablauf festgelegt werden:

Man setzt einen Schweißpunkt, d.h. die zu verschweißenden Materialien werden aufgeschmolzen. Dann bewegt man das Werkzeug um einen definierten Weg. In der Zwischenzeit ist die Schmelze erstarrt. Mit der nächsten Schweißung wird der schon erstarrte Schweißpunkt zum Teil, da überlappend, wieder aufgeschmolzen.

Dieser Ablauf wäre eine kostenintensive und unkonventionelle Schweißtechnik."

Der Sachverständige hat hier klar und widerspruchsfrei ausgeführt, dass das Merkmal 3.2 zwei Bedeutungen haben könne. Welche dieser Bedeutungen die für das Patent maßgebliche ist, ist eine Frage der Auslegung des Patents. Zu dieser ist allein der Senat berufen. Von einer mündlichen Erläuterung durch den Sachverständigen oder dessen Befragung war dazu kein weiterer Aufschluss zu erwarten. Aus der dem Senat vorbehaltenen Auslegung des Patents ergibt sich insbesondere, dass bei der patentgemäßen Schweißnaht anders als bei einer herkömmlichen Schweißnaht einzelne Schweißpunkte unterschieden werden können. Soweit die Klägerin dies für fehlerhaft hält, will sie nur ihre eigene Auslegung an die Stelle derjenigen des Senats setzen. Damit kann eine Gehörsrüge nicht begründet werden.

Die Auslegung des Senats stützt sich, wie sich aus den Seiten 12 f. des Urteils ergibt, auf die Angaben zur Erzeugung der Schweißnaht in der Beschreibung und in Figur 3 des Patents. Auf die in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten vorgelegten Fotos hat sich der Senat in seinem Urteil nicht bezogen. Vielmehr hat er zur Auslegung ausweislich des Urteils nur Unterlagen herangezogen, zu denen sich die Parteien ausführlich äußern konnten. Diese Unterlagen sprachen dafür, die vom Sachverständigen als unkonventionell beschriebene Schweißtechnik als Element der Lehre des Patents anzusehen. Demgegenüber gibt es keine Auslegungsregel, dass Patenten kein Sinn beigelegt werden darf, der eine vergleichsweise kostenintensive Herstellung erfordert. Wirtschaftlichkeit ist keine Voraussetzung der Patentfähigkeit, sondern nur oft entscheidend für den Erfolg eines Patents. Entgegen der Meinung der Klägerin bestand daher für den Senat kein Grund, die Technik, die der gerichtliche Sachverständige als unkonventionell bezeichnete, für die Auslegung des Patents als abwegig zu verwerfen.

Die Gehörsrüge erweist sich auch nicht unter dem Aspekt der Überraschungsentscheidung als begründet. Die Klägerin trägt selbst vor, dass der Senat der Beklagten kritische Fragen zur Merkmalsgruppe 3.2, insbesondere zur Beschaffenheit der Schweißnaht, gestellt hat. Aus der Sicht der Klägerin war dann damit zu rechnen, dass der Senat diesem Punkt für sein Urteil entscheidende Bedeutung beimessen konnte. Die Klägerin konnte sich dazu äußern und hat dies auch getan. Das ergibt sich anschaulich bereits aus dem mit der Anhörungsrüge vorgetragenen Hinweis der Klägerin auf ihr Plädoyer. Das schließt eine Überraschungsentscheidung aus.

Ende der Entscheidung

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