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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.09.1998
Aktenzeichen: X ZR 48/97
Rechtsgebiete: VOB/A


Vorschriften:

VOB/A § 26
VOB/A § 26

Bei Aufhebung einer Ausschreibung ohne Vorliegen eines der in § 26 VOB/A genannten Aufhebungsgründe steht dem Bieter, der bei Fortsetzung des Verfahrens und Vergabe des Auftrags den Zuschlag erhalten hätte, grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der mit der Teilnahme am Verfahren verbundenen Aufwendungen zu.

Ein weitergehender Anspruch auf Ersatz auch des entgangenen Gewinns setzt grundsätzlich voraus, daß der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt worden ist.

BGH, Urt. v. 8. September 1998 - X ZR 48/97 - OLG Frankfurt LG Wiesbaden


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 48/97

Verkündet am: 8. September 1998

Welte Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 1998 durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Dipl.-Ing. Frhr. v. Maltzahn, Dr. Broß, Dr. Melullis und Keukenschrijver

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 1997 wird zurückgewiesen.

Von den vor der mündlichen Verhandlung entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5. Die weiteren Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Im Jahre 1991 plante das beklagte Land Hessen den Neubau eines Dienstgebäudes für das Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz. Die Landesregierung stimmte dem Vorhaben vorbehaltlich des Einverständnisses der Staatskanzlei und einer Beteiligung der Personalvertretung zu. Nachdem beide eingeholt waren, betraute die Oberfinanzdirektion F. im Auftrag des Finanzministeriums das Staatsbauamt W. mit der Vorplanung und der Durchführung der Ausschreibung. Bis zu deren Einleitung am 30. Juli 1992 waren Mittel für den Neubau im Haushalt des Landes Hessen nicht eingestellt; auch Entscheidungen des hessischen Landtages über dieses Vorhaben betreffende Verpflichtungsermächtigungen waren nicht ergangen. Eine Verpflichtungsermächtigung wurde auch in der Folge nicht erteilt.

Nach Eingang der Ausschreibungsunterlagen am 7. August 1992 begann die Klägerin mit der Vorbereitung eines Angebots.

In ihrer Sitzung vom 22. September 1992 beschloß die Landesregierung des beklagten Landes in einer Kabinettssitzung, Mittel für den Neubau in den Haushaltsentwurf nicht aufzunehmen. Vorausgegangen waren dem Referentenbesprechungen, bei denen sich eine Deckungslücke im Landeshaushalt in der Größenordnung von 400 Mio. DM ergeben hatte, die nur in Höhe von 300 Mio. DM anderweitig gedeckt werden konnte. Die Lücke hat die Beklagte in erster Linie auf die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und einen darauf beruhenden Rückgang des Steueraufkommens zurückgeführt. Ferner hat sie darauf hingewiesen, daß sich die finanzielle Belastung des Landes Hessen durch die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem früheren Jugoslawien erhöht habe. Das habe zur Schließung der Deckungslücke die Aufgabe einer Reihe von Bauvorhaben notwendig gemacht, zu denen auch der geplante Neubau des Ministeriums gehört habe.

Bei Öffnung der Angebotsunterlagen im Submissionstermin vom 30. September 1992 stellte sich heraus, daß die Klägerin das Angebot mit dem niedrigsten Preis abgegeben hatte.

Unter dem 27. Oktober 1992 teilte das Staatsbauamt W. der Klägerin mit, daß die Durchführung des Bauvorhabens aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht mehr möglich sei und die Ausschreibung deshalb aufgehoben werde.

Gestützt auf diesen Sachverhalt hat die Klägerin Schadensersatz wegen Nichterfüllung mit der Begründung verlangt, daß die Aufhebung der Ausschreibung rechtswidrig gewesen sei und sie bei Fortführung des Verfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen.

Das Landgericht hat die zuletzt auf 775.920,36 DM nebst Zinsen gerichtete. Klage abgewiesen. Auf das Rechtsmittel der Klägerin hat das Berufungsgericht die Klage dem Grunde nach im Rahmen eines geltend gemachten Anspruchs von 155.792,76 DM für gerechtfertigt erklärt und das Verfahren insoweit zur weiteren Aufklärung an das Landgericht zurückverwiesen. Der genannte Betrag von 155.792,76 DM entspricht den behaupteten Aufwendungen der Klägerin für die Erstellung des Angebots.

Wegen der weitergehenden Klage blieb die Berufung ohne Erfolg. Dagegen richtet sich die vom Senat angenommene Revision der Klägerin, mit der diese ihr Begehren auf Ersatz des Erfüllungsinteresses unter Einschluß des entgangenen Gewinns weiterverfolgt. Das beklagte Land Hessen tritt dem Rechtsmittel entgegen. Seine Anschlußrevision, die sich gegen die Verurteilung zum Ersatz der der Klägerin durch die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren entstandenen Aufwendungen wendete, hat der Senat nicht angenommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Revision ist zulässig. Sie richtet sich gegen die Aberkennung eines über die Kosten des Ausschreibungsverfahrens hinausgehenden Ersatzanspruchs. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Berufungsgericht die Abweisung der Klage in Höhe des 155.792,76 DM übersteigenden Betrages durch das Landgericht bestätigt. Damit stellt seine Entscheidung ein Grund- und Teilurteil dar, durch das die Klage in Höhe dieses weitergehenden Betrages endgültig abgewiesen werden sollte. Gegen diese Abweisung wendet sich die Revision der Klägerin.

II. a) Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist das beklagte Land der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß zum Schadensersatz verpflichtet. Es sei gehalten gewesen, während des gesamten Vergabeverfahrens die dieses betreffenden Vorschriften einzuhalten; deshalb habe die Ausschreibung nur bei Vorliegen eines berechtigenden schwerwiegenden Grundes im Sinne des § 26 Nr. 1 VOB/A aufgehoben werden dürfen. Ein solcher Grund greife hier zugunsten des Landes nicht ein. Aufhebungsgründe im Sinne des § 26 Nr. 1 VOB/A seien nur solche, die nachträglich, d.h. nach Beginn der Ausschreibung bekannt geworden seien. Die im Ergebnis fehlenden Mittel für den Bau stellten einen solchen Grund nicht dar, weil die Finanzierung des Vorhabens schon bei Beginn der Ausschreibung nicht gesichert gewesen sei. Die seitens des beklagten Landes geltend gemachte Verschlechterung der Haushaltslage könne in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Ausschlaggebend sei vielmehr, daß die erforderlichen Mittel bei Beginn der Ausschreibung nicht - wie erforderlich - bereitgestanden hätten. Der laufende Haushalt habe für das Bauvorhaben keinen Titel vorgesehen; ebensowenig sei eine entsprechende Verpflichtungsermächtigung in das Haushaltsgesetz aufgenommen worden; der Landtag habe sie auch in der Folge nicht erteilt. Der Haushalt der Folgejahre, bei dem sich die Ausgaben für das Bauvorhaben hätten auswirken können, sei bei Beginn der Ausschreibung nicht verabschiedet gewesen. Er habe nicht einmal im Entwurf vorgelegen. Ob für das Vorhaben jemals Mittel bereitgestellt würden, sei daher im Zeitpunkt der Ausschreibung in hohem Maße unsicher gewesen. In einem solchen Fall könne das Scheitern des Vorhabens wegen des endgültigen Fehlens der erforderlichen Gelder nicht mehr als ein nach Beginn der Ausschreibung aufgetretener Umstand angesehen werden.

Darüber hinaus habe das beklagte Land seine Sorgfaltspflichten gegenüber der Klägerin auch deshalb verletzt, weil es bei der Ausschreibung nicht auf die ungesicherte Finanzierung hingewiesen habe. Hierzu sei es nach § 16 Nr. 1 VOB/A verpflichtet gewesen. Nach dieser Regelung solle die Ausschreibung erst stattfinden, wenn innerhalb der genannten Fristen mit dem Bau begonnen werden könne. Davon könne bei einer bei Beginn der Ausschreibung ungesicherten Finanzierung keine Rede sein. Hierüber habe die Klägerin als Teilnehmerin am Ausschreibungsverfahren Aufklärung erwarten dürfen.

b) Aufgrund der damit vorliegenden schuldhaften Pflichtverletzung könne die Klägerin schadensersatzrechtlich jedoch nur verlangen, so gestellt zu werden, wie sie ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte. Die Verletzung der die mangelnde Sicherung der Finanzierung betreffenden Aufklärungspflicht könne einen Schaden nur in Höhe der durch die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren entstandenen Kosten ausgelöst haben. Folge einer ausreichenden Aufklärung wäre allenfalls gewesen, daß die Klägerin von einer Teilnahme an diesem Verfahren abgesehen hätte.

Weitergehende Ersatzpflichten begründe auch der auf die unberechtigte Aufhebung der Ausschreibung zu stützende Anspruch nicht. Zwar könne diese, wie die Klägerin im Ansatz zu Recht geltend mache, einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses auslösen. Voraussetzung dafür sei jedoch, daß der Bieter den Auftrag erhalten hätte. Davon könne hier auch dann nicht ausgegangen werden, wenn die Klägerin das preislich günstigste Angebot abgegeben haben sollte. Die Erteilung eines Zuschlags hätte hier auch dann an der fehlenden Bereitstellung der erforderlichen Mittel scheitern müssen. Das habe das beklagte Land an der Vergabe des Auftrags schlechthin gehindert; ohne die Einstellung der für das Bauvorhaben erforderlichen Gelder habe der Auftrag nicht erteilt werden können. Deshalb könne die Klägerin auch insoweit keine über ihren Vertrauensschaden hinausgehende Einbuße erlitten haben.

Auf das negative Interesse sei der Anspruch auch deshalb beschränkt, weil die Ausschreibung wegen der fehlenden Mittel entweder überhaupt nicht oder nur in Verbindung mit einer entsprechenden Aufklärung hätte erfolgen dürfen. Der Vorwurf einer Verletzung vorvertraglicher Pflichten richte sich deshalb letztlich nicht gegen die Aufhebung der Ausschreibung, sondern gegen die fehlerhafte Ausschreibung selbst.

III. Diese Beurteilung greift die Revision im Ergebnis ohne Erfolg an.

1. Das angefochtene Urteil geht, wie auch die Revision nicht in Zweifel zieht, im Ansatzpunkt zutreffend von den in höchstrichterlicher Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätzen zur Haftung bei einer öffentlichen Ausschreibung aus. Danach wird zwischen dem Ausschreibenden einerseits und einem interessierten Bieter andererseits spätestens mit der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen durch diesen (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 13. Aufl., Einleitung Rdn. 52) ein auf eine mögliche Auftragserteilung gerichtetes vorvertragliches Vertrauensverhältnis begründet (vgl. dazu im einzelnen Ingenstau/Korbion aaO, Rdn. 53 und Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 8. Aufl., Einl. Rdn. 8 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Bei Verletzung dieses Vertrauensverhältnisses durch den Ausschreibenden können nach den Grundsätzen einer Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) Schadenersatzansprüche des interessierten Bieters nach vertragsrechtlichen Grundsätzen entstehen. Sie sind auf den Ersatz des Schadens gerichtet, den der Bieter dadurch erlitten hat, daß er darauf vertraut hat, die Ausschreibung werde nach den Vorschriften der VOB/A abgewickelt und insbesondere nicht aus einem anderen als den in § 26 VOB/A genannten Gründen aufgehoben. Ein daraus abgeleiteter Anspruch ist im allgemeinen auf einen Ersatz des sog. negativen Interesses, d.h. auf den Ersatz der durch Beteiligung an der Ausschreibung entstandenen Aufwendungen beschränkt, kann in besonderen - seltenen - Fällen aber auch den Ersatz des sogenannten positiven Interesses, insbesondere den durch Nichterteilung des Auftrags entgangenen Gewinn erfassen. (BGHZ 120, 281, 284; weitere Nachweise bei Heiermann/Riedl/Rusam aaO, Rdn. 9 und Ingenstau/Korbion aaO, Rdn. 66).

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts angenommen, daß das beklagte Land eine aus vorvertraglichem Vertrauensverhältnis abgeleitete und insbesondere gegenüber der Klägerin bestehende Aufklärungspflicht schon dadurch schuldhaft verletzt hat, daß es nicht von vornherein auf die ungesicherte Finanzierung des Bauvorhabens hingewiesen hat. Zutreffend weist das Berufungsurteil auf die Bestimmung des § 16 Nr. 1 VOB/A hin, wonach eine Ausschreibung nur dann erfolgen soll, wenn innerhalb der (in den Ausschreibungsunterlagen) angegebenen Fristen mit den Arbeiten begonnen werden kann, was naturgemäß insbesondere auch voraussetzt, daß die Finanzierung im wesentlichen gesichert ist. Aber auch unabhängig davon entspricht es allgemeiner Erfahrung und berechtigter Erwartung der Teilnehmer an einer Ausschreibung, daß vor einer öffentlichen Ausschreibung zunächst Vorsorge für eine zumindest im wesentlichen ausreichende Finanzierung getroffen wird. Da die Finanzierung für die spätere Auftragsvergabe ein wesentlicher Umstand ist, darf jeder Bewerber auch ohne besondere Rückfrage und unabhängig von der Regelung des § 16 Nr. 1 VOB/A erwarten, zusammen mit der Ausschreibung informiert zu werden, wenn die Finanzierung nicht sichergestellt und damit die Durchführung des Vorhabens im Ergebnis noch völlig offen ist. Demgemäß ist der Ausschreibende zur Aufklärung über diesen Umstand verpflichtet; eine Verletzung dieser Verpflichtung kann Ersatzansprüche der betroffenen Unternehmen auslösen. In Konsequenz dessen hat das Berufungsgericht die Beklagte durch das insoweit bereits durch Nichtannahme der Anschlußrevision der Beklagten rechtskräftig gewordene angefochtene Urteil zum Ersatz des negativen Interesses dem Grunde nach verurteilt.

Für einen Ersatz des positiven Interesses kann die unterlassene Information allerdings keine Grundlage geben. Wenn die Klägerin bei zutreffender Information voraussehbar von vornherein nicht an der Ausschreibung teilgenommen hätte, wäre auch eine Auftragserteilung mit entsprechender Gewinnaussicht nicht in Betracht gekommen; ein ersatzpflichtiger weiterer Schaden ist auf diesem Wege nicht zu begründen. Insoweit erhebt auch die Revision keine Rügen.

3. Auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts ist das Berufungsgericht weiter zu dem Ergebnis gekommen, daß die Beklagte sich der Klägerin gegenüber nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen auch insoweit schadenersatzpflichtig gemacht hat, als sie die Ausschreibung ohne Vorliegen eines in der VOB/A vorgesehenen Grundes aufgehoben hat. Die Revision greift diese ihr günstige Beurteilung nicht an.

a) Nach der im angefochtenen Urteil zutreffend referierten ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann sich ein Schadenersatzanspruch aus vorvertraglichem Vertrauensverhältnis (culpa in contrahendo) auch daraus ergeben, daß der öffentliche Auftraggeber im weiteren Verlauf des Ausschreibungs- und Vergabeverfahrens die Vorschriften des öffentlichen Vergaberechts zum Nachteil eines Bieters nicht einhält (vgl. BGHZ 120, 281, 284 m.w.N.). Ein solcher Anspruch kann insbesondere dann entstehen, wenn der öffentliche Auftraggeber eine Ausschreibung aufhebt, ohne daß einer der Aufhebungsgründe nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen gegeben ist (BGH, Urt. v. 26.03.1981 - VII ZR 185/80, BauR 1981, 368; Ingenstau/Korbion, 13. Aufl., § 26 VOB/A Rdn. 8 a.E.; Rusam in Heiermann/ Riedl/Rusam aaO, § 26 VOB/A Rdn. 20).

b) Nach der zutreffenden Beurteilung des angefochtener Urteils hat die Beklagte im vorliegenden Fall die Ausschreibung aufgehoben ohne daß einer der Aufhebungsgründe des § 26 VOB/A gegeben war.

Nach § 26 Nr. 1 VOB/A kann eine Ausschreibung aufgehoben werden, wenn kein den Ausschreibungsbedingungen entsprechendes Angebot eingegangen ist, die Verdingungsunterlagen grundlegend geändert werden müssen oder andere schwerwiegende Gründe bestehen. Diese Regelung muß nach ihrem Sinn und Zweck eng ausgelegt werden. Nach ihrer Funktion können die genannten Gründe nur dann eingreifen, wenn sie erst nach Beginn der Ausschreibung eingetreten sind oder dem Ausschreibenden jedenfalls vorher nicht bekannt sein konnten (vgl. BGHZ 120, 281, 286 für die entsprechende Regelung in der VOL/A m.w.N.; ebenso für die VOB/A ausdrücklich BGH, Urt. v. 24.04.1997 - VII ZR 106/95, Betrieb 1997, 2218; Ingenstau/Korbion aaO, Rdn. 8 a.E.; Rusam in Heiermann/Riedl/Rusam aaO, § 26 VOB/A Rdn. 7). Die Vorschrift des § 26 VOB/A trägt dem Vertrauen des Bieters darauf Rechnung, daß das Ausschreibungsverfahren entsprechend seiner Funktion und seinem Regelungszusammenhang normalerweise seinen Abschluß durch den Zuschlag an einen der Teilnehmer, d.h. die Erteilung des Auftrags, sein Ende findet (Ingenstau/Korbion aaO, Rdn. 2).

Der Teilnehmer darf bei einer öffentlichen Ausschreibung darauf vertrauen, daß er eine realistische Chance auf eine Amortisation seiner oft sehr erheblichen Aufwendungen zur Ausarbeitung eines sorgfältig kalkulierten Angebots hat. Die Verletzung dieses Vertrauens bildet den maßgeblichen Grund für die Ersatzpflicht des Ausschreibenden nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo insbesondere bei einer durch § 26 VOB/A nicht gedeckten Aufhebung des Verfahrens (vgl. Rusam in Heiermann/Riedl/Rusam aaO, Rdn. 20; Ingenstau/Korbion aaO, Rdn. 8 a.E.). Sie entfällt demgemäß dann, wenn ein schutzwürdiges Interesse im Hinblick auf die Vergabe des Auftrags - wie in den Fällen des § 26 VOB/A - nicht gebildet werden kann. Das Ausmaß seiner Chancen kann der Teilnehmer in einem gewissen Umfang nach den von der öffentlichen Hand zu beachtenden Bestimmungen des öffentlichen Vergaberechts abschätzen. Diesen, insbesondere der im vorliegenden Fall einschlägigen VOB/A, kann er entnehmen, daß eine Amortisation seiner Aufwendungen überhaupt nur dann in Betracht kommt, wenn es bei einer Wertung aller eingegangenen Angebote nach den im einzelnen zu beachtenden Bestimmungen letztlich zu einem Zuschlag zu seinen Gunsten kommt, weil er das "annehmbarste Angebot" abgegeben hat (§§ 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2, 20 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A). Der Bestimmung des § 26 VOB/A kann er weiter entnehmen, daß es unter den dort genannten besonderen Voraussetzungen zu einer Aufhebung der Ausschreibung kommen kann mit der Folge, daß eine mögliche Amortisation seiner Aufwendungen selbst dann entfallen kann, wenn er das "annehmbarste Angebot" abgegeben hat. Darauf kann und muß er sich einrichten. Insoweit kommen daher ein Vertrauensschutz und ein Ersatzanspruch des Ausschreibenden nicht in Betracht, soweit sie nicht durch andere Pflichtverletzungen begründet werden.

Im Interesse einer fairen Risikobegrenzung verdient der Bieter mit dem "annehmbarsten Angebot" jedoch Vertrauensschutz davor, daß seine Amortisationschance nicht durch zusätzliche Risiken vollständig beseitigt wird, die in den vergaberechtlichen Bestimmungen keine Grundlage finden. Er darf mit Blick auf die mit Kosten und Arbeitsaufwand verbundene Erarbeitung eines Angebots bei einer öffentlichen Ausschreibung regelmäßig erwarten, daß die mit seiner Beteiligung verbundenen Aufwendungen nicht von vornherein nutzlos sind, insbesondere daß der Auftraggeber nicht leichtfertig ausschreibt und die Ausschreibung nicht aus anderen als den in § 26 VOB/A genannten Gründen beendet (Rusam aaO, Rdn. 3). Dieses Vertrauen wird - wie das Berufungsgericht weiter zutreffend ausgeführt hat - gestützt durch § 16 Nr. 1 VOB/A, nach dem der Auftraggeber erst dann ausschreiben soll, wenn alle Verdingungsunterlagen fertiggestellt sind und innerhalb der angegebenen Frist mit der Ausführung - nicht mit der Ausschreibung - begonnen werden kann. Bestätigt wird die Schutzwürdigkeit dieser Erwartung durch § 16 Nr. 2 VOB/A, der eine Ausschreibung für andere Zwecke (z.B. Ertragsberechnungen) ausdrücklich untersagt.

Diese dem § 26 Nr. 1 VOB/A zugrundeliegende Wertung der Interessen des öffentlichen Auftraggebers einerseits und der Teilnehmer an der Ausschreibung andererseits schließt die Heranziehung von Gründen, die dem Ausschreibenden vor der Einleitung des Verfahrens bekannt waren und mit deren Vorliegen oder Eintritt bei der Vergabeentscheidung er rechnen mußte, zur Rechtfertigung einer Aufhebung grundsätzlich aus. Das gilt jedenfalls dann, wenn in der Ausschreibung auf diese Besonderheit nicht hingewiesen wurde. Ein Bieter darf darauf vertrauen, daß seine Teilnahme nicht aus einem dem Ausschreibenden bereits bekannten, ihm aber verschwiegenen Grund unterbleibt (Ingenstau/Korbion aaO, Rdn. 8 a.E.).

c) Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß der von der Beklagten für die Aufhebung der Ausschreibung angeführte Grund nicht nachträglich eingetreten ist, sondern bereits bei Beginn der Ausschreibung vorlag. Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß sich mit dem Fehlen der für den Bau erforderlichen Mittel lediglich ein von Anfang an bestehender Mangel verfestigt hat. Nach den auf dem unstreitigen Vorbringen der Parteien beruhenden Feststellungen des Berufungsgerichts war die Finanzierung des Vorhabens zu keinem Zeitpunkt gesichert. Bereitgestellt werden konnten die Mittel lediglich durch den Landtag des Landes Hessen, der vor der Ausschreibung in dieser Hinsicht keinerlei Entscheidung getroffen hatte. Weder waren in den bei der Ausschreibung gültigen Haushaltsplan Mittel eingestellt worden noch lag eine Verpflichtungsermächtigung vor, die die Landesregierung und die Verwaltung zum Eingehen von Verbindlichkeiten ermächtigt hätte. Daß anderweit Mittel zur Finanzierung des Neubaus zur Verfügung gestanden haben, ist nicht dargelegt und mit Blick auf das verfassungsrechtlich gesicherte alleinige Recht des Haushaltsgesetzgebers, über die Verwendung der zur Verfügung stehenden Einnahmen und Vermögenswerte zu entscheiden, auch auszuschließen. Das Fehlen der für die Ausführung des Vorhabens erforderlichen Mittel stellte dabei ein der Beklagten bereits bei Einleitung des Verfahrens bekanntes Hindernis für die Auftragsvergabe dar, von dem sie lediglich angenommen hat, daß es zu einem späteren Zeitpunkt wegfallen würde. Die Enttäuschung dieser Erwartung stellt - wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat - kein nachträgliches Ereignis dar, auf das die Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 VOB/A gestützt werden kann.

Die Verneinung eines schwerwiegenden Grundes im Sinne des § 26 Nr. 1 lit. c VOB/A im Fall ursprünglich fehlender Mittel zur Finanzierung des Vorhabens wird nicht davon berührt, daß - wie das beklagte Land geltend macht - das Vergabehandbuch Ausnahmen von der grundsätzlichen Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zuläßt, die Ausschreibung erst nach Bereitstellung der erforderlichen Mittel einzuleiten. Die Regelungen in diesem Handbuch können das durch § 16 VOB/A begründete berechtigte Vertrauen der Teilnehmer an einer Ausschreibung nicht berühren. Dabei kann dahinstehen, ob dem Handbuch überhaupt für eine Ausschreibung Bedeutung zukommt, die - wie hier - nicht durch die Bundesrepublik Deutschland, sondern durch ein Land vorgenommen wird. Auch wenn dessen Regelungen insoweit heranzuziehen sein sollten, können sie den Teilnehmern einer Ausschreibung schon deshalb nicht entgegengehalten werden, weil es sich - wie auch die beklagte Partei nicht verkennt - lediglich um Verwaltungsvorschriften handelt. An die Anwendung des § 16 VOB/A ist der öffentliche Auftraggeber gebunden. Für das geltende Recht ist dies in § 3 Abs. 1 der Verordnung über die Vergabebestimmungen für öffentliche Aufträge (Vergabeverordnung - VGV) vom 22. Februar 1994 (BGBl. I, S. 323) in Verbindung mit § 57 Abs. 1 des HaushaltsgrundsätzeG vom 19. August 1969 (BGBl. I, S. 1273) mit Änderungen durch Gesetz vom 26. November 1993 (BGBl. I, S. 1928) ausdrücklich bestimmt. Für die Zeit vor Inkrafttreten dieser Regelungen gilt in der Sache nichts anderes. Indem er ein Vorhaben nach Maßgabe der Verdingungsordnung für Bauleistungen ausschreibt, legt der öffentliche Auftraggeber zugleich den rechtlichen Rahmen für das Ausschreibungsverfahren fest. Damit kommt der Vorschrift für das Verhältnis zwischen ihm und den Teilnehmern an der Ausschreibung schon aus diesem Grunde Rechtssatzqualität zu; eines Eingehens auf die Frage, ob dieses Verständnis darüber hinaus auch im Hinblick auf die Vorgaben der einschlägigen EG-Richtlinie (Bau-Koordinierungs-Richtlinie 71/305/EWG v. 26.07.1971, in der Fassung der Richtlinie v. 18.07.1989 - ABl. EG L 210/1 v. 21.07.1989) geboten ist, bedarf es daher an dieser Stelle nicht. Angesichts dieser rechtlichen Außenwirkung können die Regelungen durch Verwaltungsvorschrift nicht geändert werden. Eine Verwaltungsvorschrift ist keine Rechtsnorm mit eigener Rechtsqualität, sondern bindet die Verwaltung nur unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) in dem Sinne, in dem sie mit Billigung oder Duldung ihres Urhebers tatsächlich angewandt wurde (BVerwGE 58, 45, 51; BVerwG, Urt. v. 07.05.1981 - 2 C 5.79, Buchholz 232, § 25 BGB Nr. 1). Sie enthält lediglich eine von der Behörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit im voraus bekanntgegebene Verwaltungspraxis (BVerwG, Urt. v. 16.05.1991 - 2 A 1.91, Buchholz 261, § 15 BKKG Nr. 4; Urt. v. 08.04.1997 - 2 C 6.95, Gewerbearchiv 1997, 365 jew. m.w.N.). Ihre Wirkung beschränkt sich auf eine Selbstbindung der Verwaltung im Rahmen eines ihr eingeräumten Ermessens. Das schließt eine Abänderung von Rechtssätzen im eigentlichen Sinne aus. Hinzu kommt, daß die Regelung als Sollvorschrift ausgestaltet ist, die eine Ermessensentscheidung des öffentlichen Auftraggebers nur in atypischen, von der Regel abweichenden Sonderfällen gestattet, im übrigen jedoch eine dem zwingenden Recht vergleichbare Wirkung entfaltet. Für einen Sonderfall in diesem Sinne ist hier nichts dargetan oder sonst ersichtlich.

d) Die in der mithin auf § 26 VOB/A nicht zu stützenden Aufhebung liegende Verletzung des schutzwürdigen Vertrauens der Klägerin hat das beklagte Land Hessen zu vertreten (§ 276 BGB). Ein Verschulden trifft es hier schon deshalb, weil es die Ausschreibung in Kenntnis der mangelnden Sicherstellung der für die Ausführung des Vorhabens erforderlichen Mittel begonnen hat. Auch insoweit ist unerheblich, ob das Land Hessen bei Einleitung des Verfahrens erwartet hat, die Finanzierung des Bauvorhabens werde in den Haushalt der Folgejahre aufgenommen. Da die Haushaltshoheit nicht bei den für die Ausschreibung zuständigen Verwaltungsbehörden des Beklagten, sondern allein beim parlamentarischen Gesetzgeber liegt, durfte das Land jedenfalls im Verhältnis zu den Teilnehmern der Ausschreibung die Finanzierung nicht als gesichert ansehen. Es konnte allenfalls darauf hoffen, daß das Parlament dem Haushaltsentwurf der Verwaltung zustimmen werde. In dem erforderlichen Umfang sichergestellt war die Finanzierung damit jedoch nicht.

4. Ein über den Ersatz des bereits rechtskräftig beschiedenen negativen Interesses hinausgehender Anspruch läßt sich auch aus der Haftung wegen Aufhebung der Ausschreibung im vorliegenden Fall nicht herleiten, weil das beklagte Land die ausgeschriebenen Arbeiten nicht vergeben hat und dazu nach den zu beachtenden Rechtsgrundsätzen auch nicht verpflichtet war. Die angefochtene Entscheidung ist daher zumindest im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Dabei kann offenbleiben, ob der Klägerin - wie sie meint - ein Zuschlag bei Vergabe des Auftrags bereits deshalb hätte erteilt werden müssen, weil ihr Angebot den niedrigsten Preis auswies, oder ob es darüber hinaus weitergehender Feststellungen bedurft hätte, die erst in ihrer Gesamtheit das von der Klägerin ausgehende Angebot als das objektiv günstigste und damit annehmbarste im Sinne des § 25 Nr. 3 VOB/A hätten erscheinen lassen.

Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des entgangenen Gewinns setzt voraus, daß sie infolge der Teilnahme an dem Ausschreibungsverfahren darauf hätte vertrauen dürfen, daß dieses - soweit nicht einer der Aufhebungsgründe des § 26 Nr. 1 VOB/A eingreift - in jedem Fall mit der Erteilung eines Zuschlags und damit der Vergabe des Auftrags endet. Diese Voraussetzung ist nach dem begrenzten Regelungszweck der VOB/A im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Der VOB kann nach ihrem Wortlaut und Regelungszusammenhang ein allgemeiner Anspruch auf Erteilung des Zuschlags in allen Fällen, in denen ein Aufhebungsgrund nach § 26 Nr. 1 VOB/A nicht gegeben ist, nicht entnommen werden. Die Ausschreibung löst einen solchen Anspruch nicht aus (vgl. Heiermann in Heiermann/Riedl/Rusam aaO, § 9 VOB/A Rdn. 45; vgl. auch Ingenstau/Korbion aaO, § 26 VOB/A Rdn. 2). Daß der öffentliche Auftraggeber das einmal eingeleitete Verfahren nur aus den in § 26 Nr. 1 VOB/A genannten Gründen aufheben darf, bedeutet zunächst nur, daß er bei einer Aufhebung aus anderen Gründen zum Schadensersatz verpflichtet sein kann. Aus der Regelung kann hingegen nach ihrem systematischen Zusammenhang und ihrer Entstehungsgeschichte nicht im Umkehrschluß abgeleitet werden, daß der Ausschreibende bei Fehlen eines solchen Grundes stets zur Erteilung des Auftrags verpflichtet wäre. Eine Regelung, die eine solche Verpflichtung ausdrücklich anordnet, findet sich in der Verdingungsordnung für Bauleistungen nicht; sie kann dieser auch im Wege der Auslegung nicht entnommen werden.

Ihrer ursprünglichen Funktion nach sind die Regelungen der VOB/A wie der übrigen Teile der VOB die in Form einer Verwaltungsanweisung niedergelegten, von der öffentlichen Hand unter maßgeblicher Beteiligung der interessierten Kreise aus der Wirtschaft, insbesondere der Bauwirtschaft, entwickelten allgemeinen Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge (vgl. dazu Ingenstau/Korbion aaO, Einl. Rdn. 6 ff, 18). Eine die öffentliche Hand bindende Wirkung konnten diese Regeln - wie jede interne Anweisung der Verwaltung - in erster Linie über das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot entfalten; dafür war ihre tatsächliche Handhabung durch die öffentliche Hand ausschlaggebend. Aus deren Sicht bestand ein Regelungsbedarf nur hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen sie sich ohne Ersatzpflicht von einer bereits eingeleiteten Ausschreibung lösen konnte. Zur Übernahme einer Verpflichtung zur Erteilung des Auftrags bei Fehlen dieser Voraussetzungen bestand demgegenüber für sie kein Anlaß; hiervon mußten auch die Vertragspartner der öffentlichen Auftraggeber ausgehen. Die Ausschreibung betrifft die Stadien im Vorfeld der Auftragsvergabe, in dem es jedem Beteiligten nach allgemeinem Zivilrecht unbenommen bleibt, von der Vergabe des in Aussicht genommenen Auftrags abzusehen (vgl. Ingenstau/Korbion aaO, § 26 VOB/A Rdn. 2). Daß diese Freiheit durch die Regelungen der VOB/A vollständig entfallen sollte, ist nicht zu erkennen, zumal sie bei diesem Verständnis gegen zwingendes Haushaltsrecht verstoßen hätten. Danach ist die öffentliche Hand im Interesse einer sachgerechten und zweckmäßigen Verwendung der von den Bürgern aufgebrachten Steuern zur sparsamen und effizienten Verwendung der Haushaltsmittel verpflichtet (vgl. für das derzeitige Recht § 90 BHO und § 6 HaushaltsgrundsätzeG). Mit diesem Grundsatz wäre eine Verpflichtung zur Vergabe von Aufträgen, für deren Durchführung ein öffentliches Interesse nicht mehr besteht, unvereinbar; sie könnte in einer die öffentliche Verwaltung bindenden Weise in eine Verwaltungsanweisung nicht aufgenommen werden. Das Gleiche gilt für eine Regelung, die die Verwaltung auch daran hindert, von Vorhaben aus sachlichen und willkürfreien Erwägungen, etwa bei geändertem Bedarf oder infolge veränderten Steueraufkommens fehlender Mittel, Abstand zu nehmen. Rechtswidrig wäre ferner die Vergabe eines Auftrags, für den der Haushaltsgesetzgeber die erforderlichen Mittel nicht oder nicht in der erforderlichen Höhe bereitgestellt hat. Der Entscheidung des nach Verfassungs- und Haushaltsrecht allein berufenen Gesetzgebers darf die Verwaltung durch die geschäftliche Übernahme von Verpflichtungen nicht vorgreifen; es ist allein Sache der dafür berufenen Parlamente, über die Verteilung der vorhandenen Haushaltsmittel zu befinden; sie könnte ebenfalls durch eine allein auf der Ebene der Verwaltung getroffene Regelung nicht begründet werden. Vor diesem Hintergrund kann zwar das Vertrauen der Teilnehmer einer Ausschreibung an der Einhaltung der in der VOB enthaltenen Regelungen schutzwürdig erscheinen, ohne Hinzutreten weiterer, die Schutzwürdigkeit erst begründender Umstände hingegen nicht die Erwartung, daß der Auftrag in jedem Fall erteilt werde.

Als Regelungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge sind die Vorschriften der VOB/A in das öffentliche Haushaltsrecht eingebettet. Für das geltende Recht kommt dies durch die Regelung des Vergaberechts im Haushaltsgrundsätzegesetz zum Ausdruck, das insoweit lediglich seine systematische Zugehörigkeit aufgreift. Bei diesem systematischen Zusammenhang können eine Verpflichtung der öffentlichen Hand zur Vergabe des Auftrags bei einer Ausschreibung, bei der die Voraussetzungen des § 26 Nr. 1 VOB/A nicht erfüllt sind, oder ein hierauf gerichtetes schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der Bieter nicht angenommen werden. Eine solche Bindung hätte einen Widerspruch zu wesentlichen Grundsätzen des öffentlichen Haushaltsrechts zur Folge. Hiervon geht auch das spätere Recht zur Umsetzung der Richtlinie 71/305/EWG über die Koordination der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge in der hier maßgeblichen Fassung der Richtlinie vom 18. Juli 1989 (ABl. EG L 210/1 v. 21.07.1989) aus. Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber bei der Einführung nach den §§ 57 ff. HaushaltsgrundsätzeG in Abkehr von wesentlichen bisherigen Prinzipien des Haushaltsrechts eine Verpflichtung der öffentlichen Hand zur Vergabe von Aufträgen über nicht mehr benötigte Vorhaben begründen wollte, sind nicht zu erkennen. Für derart weitreichende Eingriffe in das nationale Haushaltsrecht findet sich auch in der Richtlinie keine Grundlage, die sich allein mit dem Verfahren zur Auswahl unter den Bietern und den Auswahlkriterien befaßt. Eine Regelung, die den öffentlichen Auftraggeber zur Vergabe zwingt, enthält sie nicht.

Sie ist auch ihrem Sinnzusammenhang nicht zu entnehmen, zumal für eine Verpflichtung zur Vergabe auch für den Fall, daß sachliche Gründe gegen eine Vergabe sprechen, nach der Interessenlage ein Bedarf nicht zu erkennen ist.

Um die Vergabe öffentlicher Aufträge im Interesse einer nachprüfbaren Gleichbehandlung aller Bewerber durchsichtig, überschaubar und justitiabel zu machen, bedarf es der Begründung von Ansprüchen auf Erteilung des Zuschlages für Bauvorhaben, von denen die öffentliche Hand aus sachlichen, willkürfreien Erwägungen Abstand nehmen will oder für die die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen aus anderen Gründen nicht oder nicht mehr gegeben sind, nicht. Ebensowenig ist eine solche Ersatzpflicht mit Blick auf schutzwürdige Interessen der Teilnehmer der Ausschreibung geboten. Diesen steht jedenfalls dann, wenn - wie hier nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts - der Auftrag endgültig nicht vergeben wird, nicht mehr als ein Ausgleich für die nutzlosen Aufwendungen zu. Damit wird den berechtigten und in einem solchen Fall allein schutzwürdigen Erwartungen des nicht zum Zuge gekommenen Bieters genügt, die mit seiner Teilnahme an der Ausschreibung verbundenen Unkosten nicht von vornherein nutzlos aufgewendet zu haben.

Soweit die Revision darauf verweist, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei auch in einem solchen Fall ein Anspruch auf das positive Interesse gegeben, kann dem nicht beigetreten werden. Der Entscheidung des VIII. Zivilsenats in BGHZ 120, 281 f. ist für einen derartigen Umfang der Ersatzpflicht nichts zu entnehmen. Mit der Frage, ob der öffentliche Auftraggeber zum Vertragsschluß verpflichtet ist oder der Bieter auf einen Abschluß vertrauen darf, wenn die Voraussetzungen einer Aufhebung nach § 26 Nr. 1 VOB/A nicht gegeben sind, befaßt sich diese Entscheidung nicht. Sie betrifft den Fall, daß der Auftrag zwar tatsächlich erteilt wurde, aber nicht demjenigen Bieter, der das annehmbarste Gebot abgegeben hatte und der demgemäß nach Maßgabe des Vergaberechts der VOB/A den Auftrag hätte erhalten müssen. In einem solchen Fall erscheint es gerechtfertigt, den unter Verletzung der Vergabevorschriften übergangenen Teilnehmer an der Ausschreibung nicht lediglich auf einen Ersatz seiner im Ergebnis nutzlosen Aufwendungen für die Erstellung des Angebots und die Teilnahme am Verfahren zu verweisen, sondern ihm einen Anspruch auf den infolge des zu Unrecht vorenthaltenen Auftrags entgangenen Gewinn zuzusprechen.

Mit dem vorliegenden Sachverhalt, in dem die Vergabe des Auftrags schlechthin unterblieb, ist dieser Fall nicht zu vergleichen. Für Fälle dieser Art ist schon der bisher für das Vergaberecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in seiner Rechtsprechung davon ausgegangen, daß die Beschränkung der Aufhebungsgründe in § 26 Nr. 1 VOB/A eine Aufhebung des Verfahrens aus anderen Gründen nicht schlechthin ausschließt, sondern nur Ersatzansprüche zugunsten der Teilnehmer an der Ausschreibung auslösen kann, die einen Ersatz auch des entgangenen Gewinns allenfalls dann einschließen, wenn der Auftrag tatsächlich erteilt wurde und ihn der übergangene Bewerber erhalten hätte (BGH, Urt.v. 24.04.1997 - VII ZR 106/95, Betrieb 1997, 2218, 2219). Bei diesen Einschränkungen kommt ein schutzwürdiges Interesse darauf, daß bei einem Fehlen der in § 26 Nr. 1 VOB/A genannten Gründe stets mit der Erteilung eines Auftrags gerechnet werden kann und daher bei rechtmäßigem Verhalten auch die Erzielung des damit verbundenen Gewinns auf seiten des Empfängers des Zuschlags zu erwarten ist, nicht in Betracht.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Bis zur Entscheidung über die Annahme von Revision und Anschlußrevision sind die Kosten dabei im Verhältnis der Streitwerte zu teilen. Im übrigen sind die Kosten der Klägerin mit Rücksicht auf die Zurückweisung ihres Rechtsmittels aufzuerlegen.

Ende der Entscheidung

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