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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.10.1998
Aktenzeichen: X ZR 56/96
Rechtsgebiete: PatG, EPÜ


Vorschriften:

PatG 1981 § 14
EPÜ Art. 69 Abs. 1
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am: 27. Oktober 1998

Welte Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

X ZR 56/96

in dem Rechtsstreit

Sammelförderer

PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69 Abs. 1

Eine "wortsinngemäße" Patentverletzung, d.h. eine Patentverletzung mit identischen Mitteln, liegt nicht schon dann vor, wenn das bei der angegriffenen Ausführungsform verwendete, weder im Patentanspruch noch in der Beschreibung des Klagepatents ausdrücklich genannte Lösungsmittel dem Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens und seines handwerklichen Könnens zur Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre zur Verfügung steht, ohne daß er sich mit dem Gegenstand der Erfindung näher befassen muß, denn diese Formulierung umfaßt auch Ausführungsformen, die dem Bereich der Äquivalenz zuzuordnen sind.

BGH, Urt. v. 27. Oktober 1998 - X ZR 56/96 - OLG Karlsruhe LG Mannheim


Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 1998 durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Dipl.-Ing. Frhr. v. Maltzahn, Dr. Melullis, Scharen und Keukenschrijver

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. März 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 095 603 (Klagepatents), das am 7. Mai 1983 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 1. Juni 1982 angemeldet worden ist. Das Klagepatent betrifft eine Einrichtung zum Sammeln von gefalteten Druckbogen. Eine gegen dieses Patent erhobene Teilnichtigkeitsklage ist vom Bundespatentgericht abgewiesen worden; die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten zu 1 hat der Senat mit Urteil vom 26. Mai 1998 (Az. X ZR 20/96) zurückgewiesen.

Patentanspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:

"Einrichtung zum Sammeln von gefalteten Druckbogen mit einem endlos umlaufenden, zur rittlingsweisen Aufnahme der Druckbogen bestimmten Sammelförderer (11), entlang welchem eine Anzahl Zuförderer (12, 13) für die Druckbogen (23, 24) angeordnet sind, welche Zuförderer mit ihrem Abgabebereich (18, 19) auf den Sammelförderer (11) ausmünden,

dadurch gekennzeichnet,

daß die Zuförderer (12, 13) im Abstand voneinander an einem endlos umlaufenden Zugorgan befestigte, gesteuerte Greifer (21, 22) aufweisen, die dazu eingerichtet sind, die Druckbogen jeweils an ihrem Falz zu erfassen, wobei zumindest die Abgabebereiche (18, 19) der Zuförderer (12, 13) im wesentlichen gleichsinnig wie die Förderrichtung (14) des Sammelförderers (11) verlaufen, der seinerseits mit einer Anzahl im Abstand hintereinander und quer zu seiner Förderrichtung (14) angeordneten Aufnahmesättel (17) zur Aufnahme der Druckbogen bestückt ist."

Wegen der Unteransprüche 2 bis 7 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.

Die Beklagten vertreiben unter der Bezeichnung "Ultra" einen Sammelheftautomaten. Die Funktion dieses Sammelheftautomaten ist in der europäischen Patentanmeldung 0 551 055 beschrieben, der prinzipielle konstruktive Aufbau der Vorrichtung in den Fig. 1 und 2 dieser Patentanmeldung dargestellt. Im übrigen hat die Klägerin als Anl. K 8 eine Skizze vorgelegt, in der der Ablauf im Zuförderorgan von der Aufnahme der einzelnen Druckbogen bis zur Übergabe auf die Aufnahmesättel des Sammelförderers dargestellt ist.

Die Klägerin erblickt in dem Vertrieb des Sammelheftautomaten "Ultra" eine Verletzung des Klagepatents. Sie ist der Ansicht, bei diesem Sammelheftautomaten werde von allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Klagepatents identisch Gebrauch gemacht. Der verwendete Zuförderer weise insbesondere auch im Abstand voneinander angeordnete, gesteuerte Greifer auf. Diese Greifer beständen aus Scheiben und Gegenrollen und erfaßten die Druckbogen jeweils an ihrem Falz.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung und Rechnungslegung in Anspruch genommen und die Feststellung ihrer Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz begehrt.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt, allerdings den geltend gemachten Rechnungslegungsanspruch insoweit geringfügig eingeschränkt, als die Klägerin auch Auskunft über den Ort des Gebrauchens des Sammelhefters "Ultra" begehrt hat. Das Landgericht ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Klagepatents wortlautgemäß Gebrauch.

Das Oberlandesgericht hat die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihr Begehren auf Abweisung der Klage weiterverfolgen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

I. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Klagepatent betrifft eine Einrichtung zum Sammeln von gefalteten Druckbogen. Bei der Herstellung von Druckerzeugnissen (z.B. Zeitschriftenheften) werden die einzelnen Druckbogen an ihrem Falz von innen nach außen aufeinandergelegt, um anschließend geheftet zu werden.

Die Klagepatentschrift beschreibt eine im Stand der Technik bekannte Sammeleinrichtung, bei der die zu sammelnden, gefalteten Druckbogen von einem Stapel jeweils einzeln so abgezogen werden, daß der Falz die nachlaufende Kante des abgezogenen Druckbogens bildet. Der Druckbogen wird dann einem Sammelförderer so zugeführt, daß der Falz in dessen Förderrichtung entweder auf einer mitlaufenden Kette zu liegen kommt oder auf einer ortsfesten Schiene, wo er dann durch angetriebene Mitnehmer weiter verschoben wird (Sp. 1 Z. 10-24).

Da die nachfolgende Bearbeitung ein Überlappen der gesammelten Druckbogen ausschließt, was aber bei einem eine Rotationspresse verlassenden Schuppenstrom der Fall ist, muß die Vorschubgeschwindigkeit des Sammelförderers vergleichsweise hoch sein, um den Ausstoß einer Rotationspresse bewältigen zu können. Bei der bekannten Einrichtung sieht es das Klagepatent als nachteilig an, daß die Druckbogen bei der Übergabe von den Zuförderern eine plötzliche Änderung ihrer Bewegungsrichtung erfahren, wodurch den Geschwindigkeiten der Zu- und Sammelförderer relativ bescheidene obere Grenzen gesetzt seien, die kaum ausreichten, um den Ausstoß von Rotationspressen auch nur annähernd zu bewältigen (Sp. 1 Z. 25-51).

Nach der Lehre des Klagepatents soll eine Einrichtung zum Sammeln gefalteter Druckbogen zur Verfügung gestellt werden, die in der Lage ist, den Ausstoß einer Rotationspresse zu bewältigen, und die gegebenenfalls direkt an eine solche Druckpresse angeschlossen werden kann (Sp. 1 Z. 59-65).

Die patentgemäß vorgeschlagene Einrichtung zum Sammeln von gefalteten Druckbogen wird in der Klagepatentschrift anhand eines in Fig. 2 dargestellten Ausführungsbeispiels erläutert. Unter Berücksichtigung der dort verwendeten Bezugszeichen besteht die Einrichtung aus einem endlos umlaufenden Sammelförderer 11 und mehreren Zuförderern 12, 13. Auf dem Sammelförderer 11 befinden sich Aufnahmesättel 17, auf welche die Druckbogen einer nach dem anderen rittlings aufgelegt werden. Die Aufnahmesättel sind quer zur Förderrichtung ausgerichtet. Die Zuförderung der einzelnen Druckbogen zum Sammelförderer geschieht durch Zuförderer. Für jeden Druckbogen des Druckerzeugnisses wird dabei ein besonderer Zuförderer benötigt. Der über den Zuförderer zum Sammelförderer geförderte gefalzte Druckbogen wird mit einer Öffnungsvorrichtung geöffnet und sodann auf den Aufnahmesattel des umlaufenden Sammelförderers aufgelegt.

Durch Patentanspruch 1 des Klagepatents wird ein Gegenstand geschützt, der in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil wie folgt aufgegliedert werden kann:

a) Einrichtung zum Sammeln von gefalteten Druckbogen (23, 24)

b) mit einem endlos umlaufenden Sammelförderer (11), der zur rittlingsweisen Aufnahme der Druckbogen (23, 24) bestimmt ist;

c) entlang dem Sammelförderer (11) sind eine Anzahl Zuförderer (12, 13) für die Druckbogen (23, 24) angeordnet;

d) die Zuförderer (12, 13) münden mit ihrem Abgabebereich (18, 19) auf den Sammelförderer (11) und

e) die Zuförderer (12, 13) weisen gesteuerte Greifer (21, 22) auf, die im Abstand voneinander an einem endlos umlaufenden Zugorgan befestigt und die dazu eingerichtet sind, die Druckbogen (23, 24) jeweils an ihrem Falz zu erfassen;

f) zumindest die Abgabebereiche (18, 19) der Zuförderer (12, 13) verlaufen im wesentlichen gleichsinnig wie die Förderrichtung (14) des Sammelförderers (11).

g) Der Sammelförderer (11) ist mit einer Anzahl im Abstand hintereinander und quer zur Förderrichtung (14) angeordneten Aufnahmesätteln (17) zur Aufnahme der Druckbogen (23, 24) bestückt.

2. a) Die Revision stellt nicht in Abrede, daß bei dem angegriffenen Sammelhefter "Ultra" die Merkmale a bis d sowie f und g vorhanden sind. So ist es auch im Berufungsurteil festgestellt. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht erkennbar.

Der Streit der Parteien geht darum, ob bei der angegriffenen Ausführungsform auch das Merkmal e verwirklicht ist.

b) Bezüglich des Aufbaus und der Funktionsweise des angegriffenen Sammelhefters "Ultra" macht sich das Berufungsgericht die Feststellungen des Landgerichts zu eigen. Danach ist folgendes festgestellt, wobei nachstehend zur Veranschaulichung die von der Klägerin als Anl. K 8 eingereichte Skizze wiedergegeben ist, deren Richtigkeit nach der Feststellung des Berufungsgerichts unbestritten ist; im übrigen wird wegen der Bezugszeichen auf die Fig. 1 und 2 der europäischen Patentanmeldung 0 551 055 verwiesen:

Der Zuförderer zum Sammelförderer besteht aus zwei auf einer horizontalen Drehachse 10 unter gegenseitigem Abstand angeordneten Nabenscheiben 9. Zwischen diesen ist eine Anzahl von Aufnahmetaschen für gefaltete Druckbogen angeordnet. Der Falz der Bogen ist ein wenig außermittig versetzt, so daß die eine Seite um den sogenannten Überfalz 7 über die andere Seite vorsteht. Jede der Aufnahmetaschen besteht aus einer stationären Seitenwand 14 und einer weiteren, beweglichen Seitenwand 16. Die bewegliche Seitenwand ist um eine an ihrem radial inneren Ende angebrachte horizontale Achse 17 verschwenkbar. Die Verschwenkung der beweglichen Seitenwand erfolgt über eine Steuerung, wobei die Aufnahmetaschen wahlweise geöffnet oder geschlossen werden. Im oberen Teil des Zuförderers ist die Aufnahmetasche geöffnet und wird von außen mit einem gefalteten Druckbogen beschickt, wobei der Falz radial innen in der Tasche liegt. Anschließend wird die Aufnahmetasche geschlossen. Der Druckbogen liegt zunächst freibeweglich in der Aufnahmetasche. Durch Drehung des Zuförderers gelangt die Aufnahmetasche in eine tiefere Stellung, wobei der Druckbogen unter dem Einfluß der auf ihn wirkenden Zentrifugal- und Schwerkraft radial nach außen bewegt wird. Die Bewegung wird an einem Anschlag 5 gestoppt. Dieser Anschlag ist in der Scheibe 22 vorgesehen, die am radial äußeren Ende der stationären Seitenwand 14 der Aufnahmetasche angeordnet ist. Bei Annäherung der Aufnahmetasche an den Sammelförderer ergreift eine Klemmvorrichtung 25 den Überfalz 7 des Druckbogens. Die Scheibe 22 wird derart in Drehung versetzt, daß der an ihr festgeklemmte Druckbogen aus der Aufnahmetasche gezogen und zugleich geöffnet wird. Die Öffnung erfolgt dadurch, daß die festgeklemmte Seite des Druckbogens sich an der Oberfläche der Scheibe 22 anlegt, während die andere Seite im wesentlichen unausgelenkt radial nach außen fährt. Nach dem Festklemmen des Überfalzes 7 und der Drehung der Scheibe 22 läuft der an den Anschlag anschließende zylindrische Mantelbereich der Scheibe gegen die frei drehbare Gegenrolle 34 an, die am äußeren radialen Ende der beweglichen Seitenwand angeordnet ist. Die Druckbogen werden schließlich auf quer zur Förderrichtung angeordnete Aufnahmesättel 2 aufgelegt, wobei sie mit den geöffneten Seiten voraus und dem Falz zuletzt aus der Aufnahmetasche herausgleiten und wobei die Förderrichtung des Sammelförderers und die Drehrichtung der Nabenscheibe im Abgabebereich gleichsinnig verlaufen.

c) Ausgehend von diesem festgestellten technischen Sachverhalt ist das Berufungsgericht der Auffassung, das Merkmal e sei bei der angegriffenen Ausführungsform "Ultra" jedenfalls dem "Wortsinn" nach verwirklicht.

c1) Das Berufungsgericht führt aus, der angegriffene Sammelförderer verfüge über "gesteuerte Greifer" im Sinne des Merkmals e, die dazu geeignet seien, "die Druckbogen jeweils an ihrem Falz zu erfassen". Diese Greifer beständen aus dem zylindrischen Außenumfang der drehbaren Scheiben 22 und den Gegenrollen 34 der beweglichen Seitenwand 16. Scheibe und Gegenrolle würden im Betrieb aufeinander zu- und voneinander wegbewegt und damit gesteuert. Die Greifer seien auch dazu eingerichtet, die Druckbogen im Bereich ihres Falzes "zu erfassen". Bereits die Wortwahl "erfassen" mache deutlich, daß die Druckbogen nicht während des gesamten Zufördervorganges, d.h. von der Aufnahme der Druckbogen von der Schuppenformation der Druckpresse bis zur Übergabe auf den Sammelförderer vom Greifer festgehalten werden müßten, sondern daß es ausreiche, wenn sie von den Greifern zeitweilig gehalten würden. Das aber geschehe auch bei der angegriffenen Ausführungsform, weil die Druckbogen unmittelbar vor dem Ablegen auf dem Sammelförderer mit ihrem Falz zwischen der Scheibe 22 und der Gegenrolle 34 eingespannt seien und folglich während dieses Verfahrensabschnitts von dem aus Scheibe und Gegenrolle gebildeten Greifer "erfaßt" würden. Die Druckbogen würden von den gesteuerten Greifern auch jeweils "an ihrem Falz" erfaßt, weil sie beim Hinausfördern aus der Aufnahmetasche auch mit ihrem Falz zwischen Scheibe 22 und Gegenrolle 34 gerieten und dabei - wie sich aus der europäischen Patentanmeldung 0 551 055 (vgl. dort Sp. 4 Z. 13-15) ergebe - zwischen Scheibe und Gegenrolle eingespannt seien.

Die Revision rügt, die angegriffene Vorrichtung verfüge nicht über "Greifer", die am umlaufenden Zugorgan des Zuförderers befestigt und dazu eingerichtet seien, "die Druckbogen jeweils an ihrem Falz zu erfassen". Das Berufungsurteil enthalte keine Feststellung, was der einschlägige Fachmann, ein Maschinenbauer mit Kenntnissen und Erfahrungen in der Entwicklung papierverarbeitender Maschinen, unter einem "Greifer" im Sinne des Merkmals e verstehe. In der Klagepatentschrift werde der Begriff "Greifer" mehrfach verwendet und dessen Funktion erläutert. Die an den Zuförderern vorgesehenen Greifer 21, 22 beschreibe die Klagepatentschrift als Einrichtungen, die den Druckbogen während des Transportvorganges am Falz hielten und freigäben, wenn der geöffnete Druckbogen sich über dem Aufnahmesattel befinde (Sp. 2 Z. 58-60, Sp. 3 Z. 43-47, Fig. 2). Bezüglich der Greifer 29, 30 am Greiferband der Öffnungsvorrichtung führe die Klagepatentschrift aus, daß diese die nachlaufenden Endkanten der längeren Teile der gefalzten Druckbogen während des Öffnungsvorganges zeitweilig festhielten (Sp. 3 Z. 12 ff., Sp. 3 Z. 20-22, Fig. 2). In beiden Fällen bezeichne die Klagepatentschrift als "Greifer" ein zangenartiges Gebilde, das den Druckbogen während eines Transport- oder Bearbeitungsvorganges zeitweilig festhalte, wobei der Bogen von der Kante her oder vom Falz her übergriffen werde.

Ein Greifer im Sinne des Merkmals e sei danach eine Einrichtung, die den gefalteten Bogen am Falz festhalte, während der Zuförderer den Druckbogen befördere. Für den die Klagepatentschrift lesenden und den technischen Zusammenhang der Lehre des Klagepatents erfassenden Fachmann sei völlig eindeutig, daß mit den am Zuförderer befestigten Greifern Vorrichtungen gemeint seien, die den jeweiligen Druckbogen an ihrem Falz erfassen und ihn nach dem Erfassen während des Weitertransports festhalten müssen, bis er jeweils den Abgabebereich des Zuförderers erreicht habe. Über einen solchen "Greifer", der den Druckbogen jeweils an seinem Falz erfasse und bis zur Freigabe am Aufnahmesattel des Sammelförderers festhalte, verfüge die angegriffene Ausführungsform nicht.

Die Rüge ist begründet.

Die Auslegung des Klagepatents durch den Tatrichter unterliegt der vollen Nachprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., vgl. Benkard, PatG/GebrMG, 9. Aufl., PatG § 139 Rdn. 144 u. 139 a.E. jeweils m.N.). Da sich Patentschriften an Fachleute wenden, ist auf deren Sicht und Verständnis abzustellen, was indes nicht bedeutet, daß ein in Patentverletzungssachen erfahrenes Gericht sich bei der Auslegung einer Patentschrift stets sachverständiger Hilfe bedienen müßte. Dieser Hilfe muß sich ein Gericht allerdings dann versehen, wenn zweifelhaft ist, wie der einschlägige Fachmann im Patentanspruch oder der Patentschrift verwendete technische Begriffe versteht.

Wie der Senat mehrfach ausgeführt hat, sind zur Auslegung der Patentansprüche und zur Klärung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe nach dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 Abs. 1 EPÜ die Patentbeschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen (BGHZ 98, 12, 18 - Formstein; BGHZ 105, 1, 10 - Ionenanalyse). Zur Beschreibung zählen auch die in der Patentbeschreibung genannten Druckschriften des Standes der Technik jedenfalls insoweit, als auf sie zur Ergänzung der Patentbeschreibung Bezug genommen ist.

Für die Auslegung des Merkmals e durch das Berufungsgericht spricht die allgemeine und eher unbestimmte Umschreibung, daß die Greifer nach Merkmal e dazu "eingerichtet" sein sollen, den Druckbogen "zu erfassen". Dies kann so verstanden werden, daß sie lediglich die Fähigkeit haben müssen, den Druckbogen zu erfassen und - wie zu ergänzen wäre - wieder freizugeben. Stellt man nur auf den Zeitpunkt und den Ort der Übergabe des Druckbogens auf den Aufnahmesattel des Sammelförderers ab, ist es möglich, die Klemmscheibe 22 im Zusammenwirken mit der Gegenrolle 34 als "Greifer" aufzufassen, da Klemmscheibe und Gegenrolle so gesteuert sind, daß der zwischen ihnen gebildete Klemmspalt geschlossen und der Druckbogen sodann von den Rollen "erfaßt" und wieder freigegeben wird. Es ist aber unsicher, ob der einschlägige Fachmann zwei Rollen, die aufeinander zubewegt werden, dabei einen Druckbogen erfassen und diesen sodann infolge der Drehung der Klemmscheibe radial nach außen befördern, als "Greifer" auffassen wird. Es erscheint möglich, daß der Fachmann das Erfassen und die Freigabe des Druckbogens als eine zwar notwendige, aber allein noch nicht hinreichende Bedingung für die Funktion eines "Greifers" im Sinne des Merkmals e ansieht. Betrachtet man den vom Anmelder formulierten Zweck seiner Erfindung (die sogenannte Aufgabe), so will er eine Einrichtung zum Sammeln von gefalteten Druckbogen zur Verfügung stellen, die "wenigstens mit einem Teil ihrer Zuförderer und, wenn gewünscht, direkt an eine eine Schuppenformation ausstoßende Druckpresse angeschlossen werden kann" (vgl. Sp. 1 Z. 59-65). Dies könnte dafür sprechen, daß der Fachmann unter einem "Greifer" im Sinne des Merkmals e ein Maschinenelement versteht, das den Druckbogen ergreift, festhält und ihn sodann nach dem Weitertransport (am Aufnahmesattel des Sammelförderers) wieder freigibt. Die Scheibe 22 und die Gegenrolle 34 halten den Druckbogen nicht während des Weitertransports des Zuförderers fest, sondern fördern ihn nach dem Schließen des Klemmspalts unter gleichzeitiger Öffnung des Druckbogens aus der Aufnahmetasche radial nach außen, wobei der Druckbogen den Klemmspalt auch im Bereich seines Falzes (wenn auch nicht an der Falzlinie) durchläuft.

Die Auslegung des Begriffs "Greifer" gemäß Merkmal e durch das Berufungsgericht ist auch deshalb zweifelhaft, weil sowohl in der Klagepatentschrift (Sp. 2 Z. 58-60, Sp. 3 Z. 42-44, Sp. 3 Z. 19-21, Sp. 3 Z. 36-38) als auch in dem in Bezug genommenen Stand der Technik (Sp. 2 Z. 47-53) als "Greifer" ausschließlich Vorrichtungen beschrieben sind, welche die Druckbogen erfassen, sie festhalten und infolge der Bewegung des Zugorgans, an dem die Greifer verankert sind, weitertransportieren. Auch bei der in der Klagepatentschrift erwähnten schweizerischen Patentschrift 592 562, auf welche die Klagepatentschrift wegen der Ausbildung der Zuförderer 12 und 13 anstelle einer näheren Beschreibung ausdrücklich verweist (vgl. Sp. 2 Z. 47-57), ist das nicht anders. Schon der Patentanspruch dieser Vorveröffentlichung (vgl. Sp. 6 Z. 51-60) macht das deutlich, wonach die Greifer "zum Ergreifen der vorlaufenden Kanten der Druckprodukte" (Sp. 6 Z. 43-44) und "zur Übernahme (der Druckprodukte) zum Weitertransport" (Sp. 6 Z. 44-45) dienen. Jeder Greifer soll zu diesem Zweck eine geführte obere und eine untere Klemmzunge aufweisen, die in eine Offen- und Schließstellung bewegt werden können (Sp. 6 Z. 48-53). In der Beschreibung wird erläutert, daß in der Schließstellung der Greifer seine Klemmzungen das betreffende Druckexemplar festhalten und damit den "nunmehr exemplarweise erfolgenden Weitertransport der Schuppenformation" übernehmen (Sp. 2 Z. 28-32). In Sp. 3 Z. 49-50 ist davon die Rede, daß die im Klemmgriff transportierten Exemplare freigegeben werden und in Sp. 4 Z. 8-11 davon, daß an hierfür vorgesehenen Stellen in der Bewegungsbahn der Greifer "die Klemmung aufgehoben und das Exemplar losgelassen" wird.

Außer in der Beschreibung des Klagepatents und dem in Bezug genommenen Stand der Technik findet sich ein Anhalt für eine "Transportfunktion" der Greifer auch in den Fig. 1 und 2 der Klagepatentschrift. Die an den Zuförderern 12 und 13 befestigten Greifer 21 und 22 halten die Druckbogen im Bereich des Falzes während ihres Transports zur Übergabestelle des Sammelförderers. Schließlich könnte ein Anhalt für eine "Transportfunktion" der Greifer möglicherweise auch dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 des Klagepatents entnommen werden. Aus ihm ergibt sich, daß die Druckbogen "rittlingsweise" von den Aufnahmesätteln des Sammelförderers aufgenommen werden sollen (Merkmal b). Dies bedingt, daß sie dem Sammelförderer mit ihrem dem Falz gegenüberliegenden (freien) Ende voran zugeführt werden. Erfindungsgemäß geschieht das mit Hilfe von Zuförderern, die ein endlos umlaufendes Zugorgan besitzen, an dem Greifer befestigt sind, welche die Druckbogen an ihrem Falz erfassen. Daß die patentgemäßen Greifer am umlaufenden Zugorgan befestigt sein sollen, könnte den technischen Sinn haben, daß sie die Druckbogen auch während des Transports festhalten müssen, zumal sie nach dem Transport an der Übergabestelle mit ihrem freien Ende auf dem Sammelförderer abgelegt werden sollen. Auch dies könnte dafür sprechen, daß die Greifer die Druckbogen nicht nur an ihrem Falz erfassen, sondern dort auch so lange festhalten sollen, bis das umlaufende Zugorgan den Abgabebereich erreicht hat und die Übergabe der Druckbogen vom Zuförderer an den Sammelförderer stattfinden kann.

Daß die Greifer nach Merkmal e des Patentanspruchs 1 dazu eingerichtet sein sollen, die Druckbogen an ihrem Falz zu "erfassen", besagt im übrigen nur, daß sie auch diese Funktion erfüllen müssen. Dagegen läßt sich daraus nicht umgekehrt folgern, daß bei einem "Greifer" nur diese eine Funktion gewährleistet sein müsse. Der Begriff "Greifer" kann weitere Funktionen umfassen (z.B. einen Freigabemechanismus), die im Patentanspruch nicht ausdrücklich angesprochen sind und die zur nacharbeitbaren Beschreibung der Erfindung auch nicht besonders erwähnt zu werden brauchen, die aus der Sicht des Fachmanns aber dennoch vorhanden sein müssen, wenn die betreffende Vorrichtung die Bezeichnung "Greifer" verdienen soll. Nach den ohne sachverständige Beratung nicht von der Hand zu weisenden Darlegungen der Beklagten könnte dies die Funktion des Festhaltens während des Weitertransports sein.

c2) Das Berufungsgericht nimmt an, die starre Nabenscheibe der angegriffenen Ausführungsform sei, zumindest dem "Wortsinn" nach, ein "endlos umlaufendes Zugorgan".

Die Revision rügt demgegenüber, ein Zugorgan im Sinne des Merkmals e des Klagepatents müsse stets ein flexibles Gebilde (z.B. Seil, Kette) sein, das sich nicht schieben, sondern nur ziehen lasse. Dies entspreche nicht nur dem allgemeinen technischen Begriffsverständnis, sondern ergebe sich vorliegend auch zwingend aus der Aufgabenstellung der Patentschrift, wonach die erfindungsgemäße Vorrichtung den von einer Rotationspresse ausgestoßenen Schuppenstrom unmittelbar übernehmen solle (Sp. 1 Z. 59-65). Letzteres sei nur mit einem flexiblen "Zugorgan", nicht dagegen mit einer starren Nabenscheibe möglich.

Auch mit dieser Rüge hat die Revision Erfolg.

Das Berufungsgericht meint, bei "wortsinngemäßer" Interpretation weise auch der in Anl. K 8 dargestellte Zuförderer der angegriffenen Ausführungsform ein "endlos umlaufendes Zugorgan" im Sinne des Merkmals e auf. Eine "wortsinngemäße Benutzung dieses Merkmals" sei immer dann gegeben, "wenn das bei der angegriffenen Ausführungsform verwendete Lösungsmittel zwar in der Patentschrift nicht ausdrücklich genannt wird, dem Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens und seines handwerklichen Könnens zur Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre aber zur Verfügung steht, ohne daß er sich mit dem Gegenstand der Erfindung näher befassen muß". Der vom Berufungsgericht mit dieser Formulierung versuchten weiten Definition des "Wortsinns" kann nicht beigetreten werden, weil sie auch Ausführungsformen umfaßt, die dem Bereich der Äquivalenz zuzuordnen sind.

Die vom Berufungsgericht als "Greifer" angesehenen Klemmscheiben 22 und Gegenrollen 34 sind an den Seitenwänden 16 und 14 der Aufnahmetaschen 4 befestigt, die wiederum an einer starren Nabenscheibe 9 angebracht sind. Diese starre Nabenscheibe kann schon deshalb dem "Wortsinn" nach nicht als "endlos umlaufendes Zugorgan" aufgefaßt werden, weil die Beklagten insoweit vorgetragen und unter Sachverständigenbeweis gestellt haben, es bedürfe notwendig der Flexibilität des Zugorgans, um einen Zuförderer direkt an eine Rotationsdruckpresse anschließen zu können. Schon deshalb durfte das Berufungsgericht unter den Begriff "Zugorgan" entgegen seiner allgemeinen technischen Bedeutung ohne weitere Aufklärung nicht auch eine starre Nabenscheibe subsumieren, wie sie bei dem angegriffenen Sammelhefter "Ultra" vorgesehen ist.

Im übrigen bedürfen auch die vom Berufungsgericht der Sache nach insoweit angestellten Äquivalenzüberlegungen sachverständiger Stützung.

Zutreffend hat das Berufungsgericht zwar ausgeführt, nach der Lehre des Klagepatents komme dem "Zugorgan" die Funktion zu, eine Mehrzahl von Greifern aufzunehmen und diese - endlos umlaufend - zum Abgabebereich des Zuförderers zu bewegen. Im Hinblick auf diese Transportfunktion sei es ohne Bedeutung, ob das "Zugorgan" starr oder flexibel ausgebildet sei. Das gleiche gelte, soweit nach Merkmal f der Abgabebereich des Zuförderers im wesentlichen gleichsinnig zur Förderrichtung des Sammelförderers verlaufen solle. Wie die angegriffene Ausführungsform belege, gewährleiste auch eine starre Nabenscheibe die geforderte Gleichsinnigkeit der Förderrichtungen.

Dafür, daß es sich bei dem "Zugorgan" aus der Sicht des Fachmanns dennoch zwingend um ein flexibles Gebilde handeln muß, könnte indes der mit der Erfindung verfolgte Zweck sprechen. In der Patentbeschreibung wird dem Stand der Technik der Nachteil zugeschrieben, daß die Fördergeschwindigkeit der Zuförderer und der Sammelförderer begrenzt sei. Die bekannten Vorrichtungen seien nicht in der Lage, den mengenmäßigen Ausstoß einer Rotationspresse zu bewältigen. Dies habe es erforderlich gemacht, die Druckbogen nach dem Verlassen der Rotationspresse zunächst zwischenzustapeln, um sie sodann einzeln von dem Stapel wieder abzuziehen. Als Zweck der Erfindung ist in Sp. 1 Z. 59-65 der Klagepatentschrift angegeben, eine Einrichtung zum Sammeln von gefalteten Druckbogen zu schaffen, die diese Nachteile weitgehend vermeidet "und die - wenigstens mit einem Teil ihrer Zuförderer und wenn gewünscht - direkt an eine eine Schuppenformation ausstoßende Druckpresse angeschlossen werden kann". Diese Angabe läßt die Deutung zu, daß mit der Erfindung des Klagepatents nicht nur die Leistungsfähigkeit der Zuförderer gesteigert werden soll, so daß der Mengenausstoß einer Rotationspresse ohne Zwischenlagerung der Druckbogen (d.h. kontinuierlich) bewältigt werden kann, sondern daß darüber hinaus - als Folge der Leistungssteigerung - auch die Möglichkeit eröffnet werden soll, die Zuförderer, falls gewünscht, direkt mit der Druckpresse zu verbinden. Auch wenn der Fachmann zur Absicherung gegen etwaige Betriebsstörungen in der Praxis davon absehen sollte, Rotationspresse und Sammelförderer maschinenmäßig unmittelbar zu koppeln, wie dies vorgetragen worden ist, ändert dies nichts daran, daß das Klagepatent insoweit eine maschinenmäßige Anbindung an die Druckpresse zur Verfügung stellen will, falls sie vom Anwender im Einzelfall gewünscht wird. Das Berufungsgericht hat diesen Gesichtspunkt bei der Auslegung unberücksichtigt gelassen. Die Beklagten hatten insoweit vorgetragen und unter Sachverständigenbeweis gestellt, es bedürfe notwendig der Flexibilität des Zugorgans, damit die Zuförderer direkt an eine Rotationsdruckpresse angeschlossen werden und den von dieser ausgestoßenen Schuppenstrom aufnehmen könnten.

d) Von einer wortsinngemäßen (identischen) Verwirklichung aller Merkmale und Untermerkmale des Patentanspruchs 1 des Klagepatents kann nach den vorstehenden Ausführungen nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis nicht ausgegangen werden. Zur Frage einer Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln hat das Berufungsgericht keine Ausführungen gemacht, die bisher getroffenen Feststellungen reichen zur Beurteilung dieser Frage auch nicht aus. Schließlich hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - den von den Beklagten erhobenen Einwand, die angegriffene Ausführungsform sei durch den Stand der Technik nahegelegt (vgl. BGHZ 98, 12 - Formstein), nicht geprüft.

II. Da dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen war.



Ende der Entscheidung

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