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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.09.2007
Aktenzeichen: XI ZB 6/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4 | |
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1 | |
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 25. September 2007
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Schmitt
am 25. September 2007
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Nebenintervenienten des Klägers wird der Beschluss des 9. Zivilsenats in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. Januar 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 7.442.542,00 €
Gründe:
Das Landgericht hat mit Urteil vom 5. Oktober 2005 die Klage des Klägers gegen die Beklagte, mit der er Schadensersatz aus einem verlustträchtigen Investment begehrt, abgewiesen. Die Entscheidung wurde dem Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten, der Nebenintervenienten, am 12. Oktober 2005 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 11. November 2005 hat der Nebenintervenient zu 2) namens des Klägers eine Berufungsschrift nebst Berufungsbegründung eingereicht, verbunden mit dem Antrag, dem Kläger "vorab" Prozesskostenhilfe zu gewähren und den Nebenintervenienten zu 2) beizuordnen sowie der Bitte, nach Gewährung von Prozesskostenhilfe den Schriftsatz zuzustellen. Auf telefonische Rückfrage des Vorsitzenden am 15. November 2005 teilte der Nebenintervenient zu 2) mit Schriftsatz vom 18. November 2005 mit, dass es sich bei dem Schriftsatz vom 11. November 2005 um einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe handele, verbunden mit dem Entwurf einer Berufungsbegründung.
Mit am 18. Oktober 2006 zugestelltem Beschluss vom 25. September 2006 bewilligte das Oberlandesgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Berufung in eingeschränktem Umfang. Am 29. November 2006 wurde das Verfahren vom Oberlandesgericht ausgetragen, da kein Wiedereinsetzungsgesuch gestellt und die Berufung auch nicht nachgeholt worden sei. Eine entsprechende Mitteilung ging am 4. Dezember 2006 bei den Nebenintervenienten ein. Mit Telefax vom 19. Dezember 2006 beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungseinlegung und der Berufungsbegründung.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch den angegriffenen Beschluss als unzulässig verworfen und zugleich das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde wenden sich die Nebenintervenienten ausschließlich dagegen, dass das Oberlandesgericht den Schriftsatz vom 11. November 2005 nicht als unbedingte Einlegung der Berufung nebst Berufungsbegründung gewertet hat.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Sie ist auch begründet, weil das Berufungsgericht die Anforderungen an eine zulässige Berufung überspannt hat.
1. Der Kläger hat die Frist zur Berufungseinlegung und zur Berufungsbegründung mit seinem Schriftsatz vom 11. November 2005 gewahrt, so dass sich die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stellt.
a) Wenn der Rechtsmittelführer einen Prozesskostenhilfeantrag verbunden mit einem Schriftsatz einreicht, der - wie hier - die formalen Anforderungen einer Berufungsschrift bzw. einer Berufungsbegründung erfüllt, ist das regelmäßig als unbedingt eingelegtes Rechtsmittel zu behandeln. Die Deutung, dass der Schriftsatz zunächst nur als Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gemeint war, kommt nur dann in Betracht, wenn sich das entweder aus dem Schriftsatz selbst oder sonst aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt. Im Zweifel ist zugunsten des Rechtsmittelführers anzunehmen, dass er eher das Kostenrisiko einer ganz oder teilweise erfolglosen Berufung auf sich nimmt als von vornherein zu riskieren, dass seine Berufung als unzulässig verworfen wird, er also unbedingt Berufung eingelegt hat und sich lediglich für den Fall der Versagung von Prozesskostenhilfe die Zurücknahme der Berufung vorbehält (vgl. BGHZ 165, 318, 320 f.; BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04, FamRZ 2004, 1553, 1554; vom 14. März 2007 - XII ZB 235/05, FamRZ 2007, 895, 896, Tz. 10 und vom 18. Juli 2007 - XII ZB 31/07, Umdruck S. 5, Tz. 10 m.w.Nachw.).
b) Das Oberlandesgericht hat diese Rechtsprechung bei seiner Auslegung nicht beachtet. Entscheidend ist bei der Auslegung allein der objektive Erklärungswert, wie er dem Berufungsgericht innerhalb der am 12. November 2005 ablaufenden Berufungsfrist erkennbar war. Spätere "klarstellende" Parteierklärungen können dabei nicht berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2000 - III ZB 8/00, NJW-RR 2000, 1590 m.w.Nachw.), so dass entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts die "Klarstellung" im Schriftsatz vom 18. November 2005 bei der Auslegung außer Betracht zu bleiben hat. Der Schriftsatz vom 11. November 2005 erfüllt die formalen Anforderungen einer Berufungsschrift und -begründung (§§ 519, 520 ZPO). Er enthält die ohne Einschränkungen versehene Erklärung, dass gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt wird sowie Berufungsanträge und deren Begründung. Soweit in dem Schriftsatz ebenfalls beantragt wird, vorab über die Prozesskostenhilfe zu entscheiden und erst nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe den Schriftsatz zuzustellen, spricht das nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit für eine bedingte Berufungseinlegung oder einen bloßen Prozesskostenhilfeantrag verbunden mit einem Entwurf einer Berufungsschrift. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist vielmehr vom Gegenteil auszugehen. Der Umstand, dass der Vorsitzende des Berufungssenats nach Vorlage des Schriftsatzes vom 11. November 2005 am 15. November 2005 den Prozessbevollmächtigten des Klägers um Klarstellung gebeten hat, zeigt im Übrigen, dass auch er Zweifel daran hatte, dass es sich um einen bloßen Prozesskostenhilfeantrag handelte. Bei dieser Sachlage durfte die Berufung nicht als unzulässig verworfen werden.
2. Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Ende der Entscheidung
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