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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.10.2000
Aktenzeichen: XI ZB 9/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 234 Abs. 1
ZPO § 236 Abs. 2
ZPO § 139 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XI ZB 9/00

vom

4. Oktober 2000

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. van Gelder und Dr. Joeres

am 4. Oktober 2000

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. April 2000 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 17.983,35 DM.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat durch Schlußurteil vom 16. November 1999 die Zahlungsklage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen. Diese Entscheidung wurde dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 2. Dezember 1999 zugestellt. Am 17. Januar 2000 legte sein zweitinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter Berufung ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, er habe am Morgen des 3. Januar 2000, des letzten Tages der Berufungsfrist, seiner Anwaltsgehilfin gesagt, sie solle dafür sorgen, daß der Bürobote die bereits gefertigte und unterschriebene Berufungsschrift mit der Nachmittagspost bei Gericht einreiche. Gegen 17.00 Uhr habe er seine Anwaltsgehilfin noch einmal auf die Berufungsschrift angesprochen und von ihr erfahren, daß sie "raus" sei. Diese Auskunft sei falsch gewesen. Seine Anwaltsgehilfin habe nicht mehr in den Fristenkalender geschaut. Deshalb sei ihr nicht aufgefallen, daß die Sache noch nicht - als Zeichen dafür, daß die Berufungsschrift auf den Weg zum Gericht gebracht worden sei - gelb markiert gewesen sei.

Das Oberlandesgericht hat mit Beschluß vom 13. April 2000 den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers habe besonders sorgfältige Anweisungen an sein Büropersonal geben müssen, weil das Ende der Berufungsfrist in einen Zeitraum von mehreren aufeinanderfolgenden Tagen gefallen sei, die das Gesetz vom Fristende ausgenommen habe, und weil er die Berufungseinlegung bis zum letzten Augenblick verzögert habe. Der Prozeßbevollmächtigte habe seine Sorgfaltspflichten verletzt, weil er in seinem Büro keine ausreichende Ausgangskontrolle geschaffen habe. Er habe nicht vorgetragen, daß eine abschließende Kontrolle des Fristenkalenders am Ende des Bürodienstes durch eine Büroanweisung verbindlich geregelt und deren Befolgung sichergestellt sei.

Gegen diesen am 27. April 2000 zugestellten Beschluß hat der Kläger am 9. Mai 2000 sofortige Beschwerde eingelegt. Er macht vor allem geltend, daß im vorliegenden Fall keine gesteigerten Sorgfaltspflichten bestanden hätten. Sein Vorbringen, die Anwaltsgehilfin seines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten habe am 3. Januar 2000 nicht mehr in den Fristenkalender geschaut, so daß ihr nicht aufgefallen sei, daß die vorliegende Sache noch nicht gelb markiert gewesen sei, ergebe zugleich, daß die Anwaltsgehilfin angewiesen gewesen sei, am Ende ihres Arbeitstages im Fristenkalender zu kontrollieren, ob die eingetragenen Fristen gewahrt seien. Selbst wenn von einer unzureichenden Ausgangskontrolle auszugehen sein sollte, habe diese sich nicht ausgewirkt. Er habe sich kurz vor Dienstschluß bei der Anwaltsgehilfin vergewissert, ob die Berufungsschrift abgegangen sei. Dadurch habe er selbst überprüft, ob alles Erforderliche zur Fristwahrung geschehen sei.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen (§§ 516, 519 b Abs. 1 ZPO). Nach Zustellung des angefochtenen Schlußurteils am 2. Dezember 1999 endete die einmonatige Berufungsfrist am Montag, dem 3. Januar 2000. Die Berufungsschrift ging jedoch erst nach Fristablauf am 17. Januar 2000 beim Oberlandesgericht ein.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist (§ 233 ZPO) hat das Oberlandesgericht dem Kläger zu Recht versagt. Seinen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten trifft an der Fristversäumung ein Verschulden, das der Kläger sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Ob der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers gesteigerte Sorgfaltspflichten zu beachten hatte, braucht nicht entschieden zu werden, weil er jedenfalls seine allgemeinen, in jedem Fall zu beachtenden Pflichten verletzt hat.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes müssen Prozeßbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, daß fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Ein Rechtsanwalt hat sicherzustellen, daß ein Fristenkalender geführt wird, in dem eine vermerkte Frist erst dann als erledigt gekennzeichnet wird, wenn der Schriftsatz abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden ist. Ferner gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle eine Anordnung des Prozeßbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, daß die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 1990 - XII ZB 84/90, FamRZ 1991, 423, 424 und vom 8. April 1997 - VI ZB 8/97, NJW 1997, 2120, 2121).

aa) Zum Bestehen einer solchen Ausgangskontrolle im Büro seines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten hat der Kläger weder in der Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages noch in seinem weiteren Schriftsatz vom 18. Januar 2000 hinreichende Angaben gemacht. Diesen Schriftsätzen zufolge wird zwar ein Fristenkalender geführt, in dem die eingetragenen Fristen gelb markiert werden, wenn der fristwahrende Schriftsatz auf den Weg zum Gericht gebracht worden ist. Die Schriftsätze enthalten aber keine Angaben darüber, ob die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages überprüft wird. Die Anordnung einer solchen Überprüfung kann nicht aus dem Vortrag über die Führung eines Fristenkalenders, die Kennzeichnung auf den Weg zum Gericht gebrachter Schriftsätze und die Streichung endgültig erledigter Fristen geschlußfolgert werden. Sie bildet einen selbständigen Bestandteil einer wirksamen Ausgangskontrolle, der nicht zwangsläufig aus der Führung eines Fristenkalenders und der Kennzeichnung bzw. Streichung erledigter Fristen folgt. Es bedarf insoweit vielmehr einer zusätzlichen, gesonderten Anordnung.

bb) Der Kläger hat zwar in der Beschwerdebegründung vorgetragen, die Anwaltsgehilfin seines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten sei angewiesen gewesen, am Ende ihres Arbeitstages im Fristenkalender zu kontrollieren, ob die eingetragenen Fristen gewahrt worden seien. Dieser Vortrag kann aber nicht berücksichtigt werden, weil alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO) vorgetragen werden müssen. Nur erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung gemäß § 139 Abs. 1 ZPO geboten wäre, dürfen nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden. Hingegen darf in der Beschwerdebegründung kein neuer Vortrag über organisatorische Maßnahmen nachgeschoben werden, auf dessen Fehlen die Versagung der Wiedereinsetzung im angefochtenen Beschluß gestützt worden ist (BGH, Beschluß vom 8. April 1997 aaO).

So liegt es hier. Die innerhalb der Antragsfrist gegebene Darstellung der Maßnahmen, die im Büro des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers zur Gewährleistung einer wirksamen Fristenkontrolle getroffen worden sind, war nicht unklar oder ergänzungsbedürftig. Ihr mußte vielmehr entnommen werden, daß eine Überprüfung der Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages nicht angeordnet war. Nachdem das Oberlandesgericht die Wiedereinsetzung mit Rücksicht darauf verweigert hatte, konnte in der Beschwerdebegründung hierzu kein neuer Vortrag nachgeschoben werden (vgl. BGH, Beschluß vom 17. Oktober 1990 aaO).

b) Der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat seine Sorgfaltspflichten auch nicht dadurch erfüllt, daß er kurz vor Dienstschluß seine Anwaltsgehilfin auf die Berufungsschrift angesprochen und erfahren hat, die Berufungsschrift sei hinausgegangen. Zwar trifft einen Prozeßbevollmächtigten kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden, wenn er einer zuverlässigen Angestellten für einen konkreten Fall eine genaue Einzelweisung erteilt, die eine Fristwahrung gewährleistet, und diese Weisung nicht befolgt wird (Senat, Beschluß vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95, NJW 1996, 130). An einer solchen Einzelweisung fehlt es hier aber. Der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte hat sich lediglich auf die Auskunft verlassen, die Berufungsschrift sei hinausgegangen. Dadurch wird sein Verschulden nicht ausgeräumt. Die Auskunft der Anwaltsgehilfin war nicht hinreichend zuverlässig, weil der Prozeßbevollmächtigte nicht durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt hatte, daß die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders durch eine damit beauftragte Bürokraft überprüft wurde.

3. Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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