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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: XI ZR 153/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGBGB
Vorschriften:
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1 | |
BGB § 267 Abs. 1 | |
BGB § 288 Abs. 1 Satz 1 a. F. | |
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2 n. F. | |
BGB § 812 | |
EGBGB Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNIS-URTEIL
Verkündet am: 22. Juni 2004
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die Richter Dr. Joeres, Dr. Wassermann, die Richterin Mayen und den Richter Dr. Appl
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagte in Abänderung des Urteils der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. Oktober 2002 4% Zinsen seit dem 22. Mai 1999 zu zahlen hat.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die klagende Stadt nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft für rückständige Gewerbesteuer in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte war einer von zwei Gesellschaftern und alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern der L. -GmbH . Im Jahre 1995 erließ die Klägerin gegen die L-GmbH einen Gewerbesteuerbescheid über 618.108 DM. Anwaltlich vertreten ersuchte die L-GmbH wegen angeblich vorübergehender Liquiditätsprobleme die Klägerin um Stundung und anschließende Gewährung von Ratenzahlungen. Dabei stellte sie mit Schreiben vom 7. Februar 1996 in Aussicht, die beiden Gesellschafter würden Abschlagszahlungen auf die Gewerbesteuerschuld leisten und ihr Liquiditätszuschüsse gewähren. Der Beklagte und sein Mitgesellschafter erklärten sich darüber hinaus bereit, eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von jeweils 50.000 DM für die Erfüllung der Gewerbesteuerschuld durch die L-GmbH zu übernehmen. In den Bürgschaftsurkunden behielten sich die Gesellschafter vor, in Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung - auch ohne ausdrückliche Aufforderung durch den Bürgschaftsnehmer - Zahlungen bis zur Höhe der Bürgschaftsschuld zu leisten, sollte die L-GmbH ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Klägerin nicht einhalten können.
In der Folgezeit verständigten sich die Klägerin und die L-GmbH auf einen Ratenzahlungsplan. Der Beklagte und sein Mitgesellschafter überwiesen zwischen dem 1. April 1996 und dem 1. September 1997 die darin festgelegten Raten von insgesamt 350.000 DM an die Klägerin. Die Überweisungsträger weisen ab 1. November 1996 als Auftraggeber eine GbR K. und Z. und als Verwendungszweck Gewerbesteuer der L-GmbH und deren Personenkontonummer beim zuständigen Amt der Klägerin aus. Mit Schreiben vom 26. August 1997 erklärte die L-GmbH, mit den bisherigen Zahlungen seien die Gesellschafter ihrer Bürgschaftsverpflichtung nachgekommen, und kündigte an, ab September 1997 würden keine Zahlungen mehr auf die Steuerschuld erfolgen.
Nach erfolgloser Anmahnung der Bürgschaftssumme mit Schreiben vom 5. Mai 1999 nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung von 25.564,59 € nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Mai 1999 in Anspruch. Dieser macht geltend, die Ratenzahlungen seien auf die Bürgschaftsschuld erbracht worden und hätten zu deren Erlöschen geführt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
Die Revision ist statthaft (§§ 542, 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Allerdings liegt ein Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vor. Daß bei einem anderen Spruchkörper desselben Gerichts ein vergleichbarer, noch nicht entschiedener Fall anhängig und eine Verbindung beider Verfahren wegen etwaiger Unzulänglichkeiten in der Geschäftsverteilung nicht möglich ist, rechtfertigt die Zulassung der Revision entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht. Das gilt besonders, wenn als Grund für eine lediglich mögliche Abweichung von Entscheidungen in Parallelverfahren - wie hier - vor allem eine unterschiedliche, in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbare tatrichterliche Auslegung von Individualerklärungen in Betracht kommt (vgl. Senatsbeschluß vom 16. September 2003 - XI ZR 238/02, WM 2003, 2278). Gleichwohl ist der Senat an die rechtsfehlerhafte Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht gebunden (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
B.
Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war, war über die Revision des Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
Die Revision des Beklagten ist bis auf einen Teil der Zinsforderung unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Anspruch aus der noch nicht erfüllten Bürgschaft zu. Der Beklagte habe seine Zahlungen ohne Zweckbestimmung erbracht. Aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin als Leistungsempfängerin seien die Zahlungen des Beklagten und seines Mitgesellschafters nicht auf die Bürgschaftsschuld, sondern gemäß § 267 Abs. 1 BGB auf die Steuerschuld der L-GmbH erfolgt. Dies ergebe sich zum einen aus den Angaben auf den Überweisungsträgern, zum anderen aus der vor Abschluß der Ratenzahlungsvereinbarung schriftsätzlich erklärten Bereitschaft des Beklagten und seines Mitgesellschafters, der Gesellschaft Liquidität zuzuführen und Abschlagszahlungen auf die Gewerbesteuerschuld zu leisten, also als Dritte mit Fremdtilgungswillen die Schuld der L-GmbH zu tilgen. Als Gesellschafter und Geschäftsführer habe der Beklagte ein persönliches Interesse an der Sanierung der Gesellschaft gehabt.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
1. Wird der Gläubiger einer Forderung durch eine Leistung befriedigt, die der Leistende als Bürge oder als Dritter (§ 267 BGB) bewirkt haben kann, so ist eine Leistung des Bürgen zur Erfüllung seiner eigenen Verbindlichkeit dann anzunehmen, wenn er bei der Leistung eine entsprechende Zweckbestimmung getroffen hat. Fehlt es - wie hier - an einer eindeutigen Zweckbestimmung, dann ist, wie im Fall des § 812 BGB, darauf abzustellen, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1998 - XII ZR 103/96, WM 1998, 443, 445 m.w.Nachw.).
2. Unter Beachtung dieser auch von der Revision nicht in Zweifel gezogenen Grundsätze ist das Berufungsgericht durch Auslegung der Angaben auf den Überweisungsträgern und der geführten Korrespondenz zu dem Ergebnis gelangt, aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin könnten die Überweisungen der GbR K. und Z. nicht als Zahlungen auf die Bürgschaft eingeordnet werden, sondern seien als auf die Steuerschuld der L-GmbH erfolgt anzusehen. Diese nur beschränkt nachprüfbare tatrichterliche Auslegung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
a) Sie ist nach dem Wortlaut der Angaben auf den Überweisungsträgern nicht nur ohne weiteres möglich, sondern naheliegend. Als "Verwendungszweck (nur für den Empfänger)" ist dort jeweils die Gewerbesteuerschuld der L-GmbH und deren Kontonummer bei der Klägerin, nicht aber die Bürgschaftsschuld des Beklagten und seines Mitgesellschafters genannt. Der Angabe der GbR K. und Z. als Auftraggeberin der ab 1. November 1996 erfolgten monatlichen Überweisungen über insgesamt 210.000 DM hat das Berufungsgericht bei seiner Auslegung rechtsfehlerfrei keine wesentliche Bedeutung beigemessen.
b) Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht auch den Zusammenhang der erfolgten Zahlungen mit dem Schreiben vom 7. Februar 1996 nicht verkannt. Das Berufungsgericht hat dieses Schreiben bei seiner Auslegung ausdrücklich berücksichtigt. Soweit die Revision dem Schreiben entnehmen will, es sei zwischen den ersten beiden vom Beklagten und seinem Mitgesellschafter unmittelbar auf die Steuerschuld der L-GmbH erbrachten Zahlungen über zusammen 140.000 DM und den nachfolgenden Ratenzahlungen über insgesamt 210.000 DM, die zunächst auf die Bürgschaftsverpflichtungen des Beklagten und seines Mitgesellschafters über zusammen 100.000 DM geleistet worden seien, zu unterscheiden, versucht sie in unzulässiger Weise ihre Auslegung an die Stelle der des Berufungsgerichts zu setzen und begibt sich zudem mit dem Vorbringen in den Vorinstanzen in Widerspruch. Dort hat der Beklagte vorgetragen, alle Raten über zusammen 350.000 DM, und damit auch die ersten beiden, seien in Erfüllung der Bürgschaftsschuld gezahlt worden. Daß auch dies in keiner Weise überzeugt, liegt angesichts der Höhe der Bürgschaftsschuld von insgesamt nur 100.000 DM und der bereits angesprochenen Angabe des Verwendungszwecks auf den Überweisungsträgern auf der Hand.
c) Entgegen der Ansicht der Revision ist unter Berücksichtigung des vom Berufungsgericht nicht besonders angesprochenen Schreibens des Anwalts der L-GmbH vom 26. August 1997 auch die letzte Ratenzahlung zum 1. September 1997 über 30.000 DM nicht auf die Bürgschaftsschuld des Beklagten anzurechnen. In diesem Schreiben hat die L-GmbH den Standpunkt vertreten, ihre Gesellschafter hätten in der Vergangenheit die laufenden Raten aufgrund ihrer Bürgschaftserklärung in einer erheblich über die jeweils verbürgten Beträge hinausgehenden Größenordnung bedient. Mit dieser Erklärung war keine Zweckbestimmung für künftige Zahlungen verbunden; im Gegenteil mußte die Klägerin davon ausgehen, daß die Gesellschafter, die ihre Bürgschaftsschuld bereits als erloschen betrachteten, künftige Zahlungen nicht zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit, sondern ausschließlich im Interesse der zu sanierenden Gesellschaft leisten würden.
d) Die Klagehauptforderung ist danach angesichts der nur in Höhe von 350.000 DM getilgten verbürgten Gewerbesteuerschuld der L-GmbH gegeben.
3. Der Beklagte schuldet jedoch Verzugszinsen nur in Höhe von 4%. Nach Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB gilt der erhöhte Zinssatz nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. - 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz - erst für Forderungen, die seit dem 1. Mai 2000 fällig geworden sind. Für die bereits im Jahre 1997 fällig gewordene Forderung der Klägerin bleibt es bei 4% gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F..
III.
Die Revision war daher mit der Maßgabe, daß der Zinsausspruch im Urteil des Landgerichts auf die Berufung des Beklagten entsprechend abzuändern war, als unbegründet zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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