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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.03.2003
Aktenzeichen: XI ZR 196/02
Rechtsgebiete: MaBV, BGB


Vorschriften:

MaBV § 3 Abs. 2
MaBV § 7
MaBV § 7 Abs. 1
BGB § 284 BGB a.F.
BGB § 286 Abs. 1 a.F.
BGB § 320
BGB § 641 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 196/02

Verkündet am: 11. März 2003

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Joeres, die Richterin Mayen und den Richter Dr. Appl

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 12. April 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die beklagte Bank aus einer Bürgschaft gemäß § 7 Makler- und Bauträgerverordnung (im folgenden: MaBV) in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit notariellem Vertrag vom 23. September 1995 verpflichtete sich die S. Immobilien und Bau AG (im folgenden: S.) dem Kläger, einem Steuerberater, Teileigentum an einem noch zu errichtenden Wohn- und Gewerbeobjekt in Z. bei L. zu verschaffen. Als Fertigstellungs- und Übergabetermin war der 31. Dezember 1996 vereinbart. Der Kaufpreis von ca. 6,6 Millionen DM sollte in Raten nach Baufortschritt gezahlt werden. In einer Zusatzvereinbarung verpflichtete sich die S., die zu erstellenden Ladenlokale und Büroeinheiten in vermietetem Zustand zu übergeben. Die Gesamtmiete sollte sich auf mindestens 415.116 DM p.a. belaufen.

Als sich Ende 1996 eine Verzögerung der Baufertigstellung abzeichnete, wollte der Kläger einen Betrag von 2.540.834,66 DM bis zum Jahresende als Vorauszahlung leisten, um so noch in den Genuß der auslaufenden 50%igen steuerlichen Sonderabschreibung zu gelangen. Nach Besprechungen stellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten am 27. Dezember 1996 zwei selbstschuldnerische Bürgschaften aus, während der Kläger die Vorauszahlung an die S. tätigte. In der ersten Urkunde "gem. § 7 Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV)" heißt es, die Rechtsvorgängerin der Beklagten übernehme bis zu einem Höchstbetrag von 2.540.834,66 DM die Bürgschaft für die Ansprüche des Klägers gegen die S. "auf Rückgewähr oder Auszahlung der vorgenannten Vermögenswerte". Die zweite Bürgschaft lautete über 268.000 DM und sollte die Erfüllung der Zusatzvereinbarung zum Kaufvertrag, insbesondere die zukünftigen Mietpreiszahlungen, sichern.

Wegen Mietmindereinnahmen hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Jahre 1997 auf die zweite (Mietgarantie-)Bürgschaft bereits Zahlungen in Höhe von 268.000 DM geleistet. Mit der Behauptung, aufgrund nicht fristgerechter Baufertigstellung und dadurch bedingter Nichtvermietung der Gewerbeeinheiten seien ihm in den Jahren 1997 bis 1999 weitere Mietausfallschäden entstanden, nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 432.192 DM nebst Zinsen aus der Höchstbetragsbürgschaft über 2.540.834,66 DM in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat eine Bürgenhaftung der Beklagten verneint und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Die über 2.540.834,66 DM lautende "MaBV-Bürgschaft" könne - schon nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut - nicht für Mietmindereinnahmen in Anspruch genommen werden. Den Ausgleich solcher Schäden habe - ausweislich der in der Urkunde hervorgehobenen Zweckbestimmung, zukünftige Mietpreiszahlungen abzusichern - vielmehr allein die am selben Tag ausgestellte zweite, mittlerweile durch Erfüllung erloschene, Bürgschaft über 268.000 DM sichern sollen. Aus der Existenz der zweiten Bürgschaft könne auf eine Einschränkung der ersten Bürgschaft geschlossen werden.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand. Die Klage ist - ohne daß es der vom Berufungsgericht mit Rücksicht auf die zweite Bürgschaft rechtsfehlerfrei vorgenommenen einschränkenden Auslegung der "MaBV-Bürgschaft" bedurft hätte - schon deshalb unbegründet, weil die von dem Kläger ersetzt verlangten Mietausfallschäden wegen verzögerter Fertigstellung des Objekts auch bei isolierter Betrachtung der Höchstbetragsbürgschaft gemäß § 7 MaBV nicht von dieser erfaßt werden.

1. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 18. Juni 2002 - XI ZR 359/01, BGHZ 151, 147 ff., im einzelnen ausgeführt hat, sichert eine Bürgschaft nach § 7 MaBV sowohl Ansprüche des Auftraggebers auf Ersatz von Aufwendungen für die Mängelbeseitigung als auch Ansprüche auf Rückgewähr der Vorauszahlung, die aus einer auf Mängel des Bauwerks gestützten Wandelung oder Minderung oder aus einem Schadensersatzanspruch wegen (teilweiser) Nichterfüllung resultieren (vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Januar 1999 - IX ZR 140/98, WM 1999, 535, 537; Senatsurteil vom 22. Oktober 2002 - XI ZR 393/01, WM 2002, 2411, 2412). Entscheidend ist, daß dem Auftraggeber - gleichgültig aus welchem Grund - ein Anspruch auf (teilweise) Rückgewähr seiner Vorauszahlung zusteht, weil der Bauträger seine kauf- oder werkvertragliche Verpflichtung (teilweise) nicht oder schlecht erfüllt hat.

Eine solche Auslegung entspricht auch dem Schutzzweck der Bürgschaft. Durch die nach § 7 Abs. 1 MaBV vom Bauträger zu stellende Bankbürgschaft soll der Vertragsgegner einen angemessenen Ausgleich für die von ihm eingegangene Verpflichtung erhalten, die Vergütung für das herzustellende Werk sofort zu entrichten, und nicht erst, entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB, bei Abnahme oder, wie es § 3 Abs. 2 MaBV gestattet, in Raten entsprechend dem Bauablauf nach Bauabschnitten. Eine Vorleistungspflicht benachteiligt den Erwerber nämlich in erheblichem Maße. Er verliert insbesondere die Möglichkeit, sein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB geltend zu machen oder mit (Schadensersatz-)Ansprüchen aufzurechnen, wenn der Bauträger die ihm obliegende Pflichten nicht oder schlecht erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1999, aaO S. 537; Senatsurteile vom 22. Oktober 2002, aaO S. 2412 und vom 21. Januar 2003 - XI ZR 145/02, WM 2003, 485, 486).

2. Ob eine solche weite, an dem Schutzzweck der Bürgschaft orientierte Auslegung auch dann geboten ist, wenn - wie hier - die durch die Bürgschaft gesicherte Vorauszahlung nicht auf einer vertraglichen Verpflichtung beruht, sondern auf Initiative des Auftraggebers aus steuerlichen Gründen erfolgt, kann dahinstehen. Die Bürgschaft nach § 7 MaBV sichert auch bei weiter Auslegung keine Ansprüche des Auftraggebers auf Ersatz entgangener Steuervorteile oder Nutzungen, die durch Überschreitung der Bauzeit entstanden sind. Dies hat der erkennende Senat mit Urteil vom 18. Juni 2002 (aaO S. 1658) bereits für einen vertraglich vereinbarten Anspruch des Bauherrn auf Zahlung einer pauschalierten Nutzungsausfallentschädigung angenommen. Ferner hat er in den zitierten Urteilen vom 22. Oktober 2002 (aaO) und vom 21. Januar 2003 (aaO) entschieden, daß für einen gesetzlichen Anspruch des Bauherrn aus §§ 284, 286 Abs. 1 BGB a.F. auf Ersatz eines Mietausfallschadens nichts anderes gelten kann.

a) Der sich aus einem vom Bauträger zu vertretenden Leistungsverzug ergebende Anspruch des Auftraggebers gemäß §§ 284, 286 Abs. 1 BGB a.F. ist nämlich kein unselbständiger Rechnungsposten im Rahmen der Schlußabrechnung, der zu einer durch die Bankbürgschaft "gemäß § 7 MaBV" gesicherten Rückzahlungsforderung führen kann. In die Schlußabrechnung des Bauvorhabens sind grundsätzlich nur solche Ansprüche einzustellen, die auf einer Minderung der Gebrauchstauglichkeit oder des Wertes der Unternehmerleistung, also einer Äquivalenzstörung, beruhen und das im Bauträgervertrag angelegte Gleichgewicht der gegenseitigen Leistungen wiederherstellen sollen (siehe auch Gero Fischer WM 2003, 1, 2, m.w.Nachw.). Allein bei ihnen besteht nämlich die Gefahr, daß der um sein Leistungsverweigerungsrecht gebrachte Erwerber im Falle der Insolvenz des Bauträgers oder vergleichbarer Leistungshindernisse nicht das erhält, was ihm nach dem Bauträgervertrag zusteht. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß §§ 284, 286 Abs. 1 BGB a.F. ist seiner Natur nach nicht auf die Herstellung einer Gleichwertigkeit von (Voraus-)Leistung und Gegenleistung gerichtet, sondern auf Ersatz eines selbständigen, weitergehenden Verzögerungsschadens. Infolgedessen tritt er neben etwaige Ansprüche des Auftraggebers wegen Nicht- oder Schlechterfüllung des Bauträgervertrages und bleibt von einem Rücktritt des Gläubigers vom Vertrag unberührt (BGHZ 88, 46, 49 f.; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. I § 21 I b, S. 495; jeweils m.w.Nachw.). Ein solcher Anspruch, der nicht darauf beruht, daß die Unternehmerleistung hinter der vertraglich vorausgesetzten Gebrauchstauglichkeit oder Werthaltigkeit zurückbleibt, wird entgegen der Ansicht der Revision von der Bürgschaft nach § 7 MaBV grundsätzlich nicht erfaßt (vgl. Senatsurteil vom 21. Januar 2003, aaO).

b) Eine andere Betrachtungsweise ist auch mit dem Wortlaut der von der Beklagten übernommenen Bürgschaft gemäß § 7 MaBV nicht zu vereinbaren. Die Begriffe der "Rückgewähr" oder "Auszahlung" knüpfen an die vom Auftraggeber an den Bauträger aufgrund der Vorleistung bereits überlassenen und bei einem Zurückbleiben der Gegenleistung wieder ganz oder teilweise zurückzuzahlenden Vermögenswerte an. Selbst bei großzügiger Auslegung und strikter Anwendung des § 5 AGBG a.F. spricht nichts dafür, daß danach auch ein aus Überschreitung der vereinbarten Bauzeit resultierender Vermögensschaden im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB a.F. zu den durch die Bankbürgschaft gesicherten Risiken zählt.

Der Sicherungszweck einer Bürgschaft gemäß § 7 MaBV würde unzulässigerweise ausgedehnt, wenn die Bürgenhaftung auf alle vor der Abnahmereife entstandenen Ansprüche des Auftraggebers unabhängig von einer Beeinträchtigung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses erstreckt würde. Soll das den Regeln des § 7 MaBV zugrunde liegende Risikoverteilungsmodell zu Lasten des Bürgen geändert werden und dieser auch für die regelmäßig unabsehbaren Folgen verspäteter - sonst aber völlig einwandfreier - Leistung des Bauträgers einstehen, so muß sich ein solcher Wille grundsätzlich aus der Vertragsurkunde ergeben (§ 766 BGB). Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Infolgedessen ist eine Bürgenhaftung der Beklagten für verzugsbedingte Mietausfälle nicht gegeben.

III.

Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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