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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.03.1999
Aktenzeichen: XI ZR 209/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 756
ZPO § 565 Abs. 3 Nr. 1
ZPO § 91
ZPO § 92
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 209/98

Verkündet am: 16. März 1999

Weber, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 1999 durch den Vorsitzenden Richter Schimansky und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Nobbe und Dr. van Gelder

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 17. Juli 1998 im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als der Hilfsantrag abgewiesen worden ist, und das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 24. Juni 1997 abgeändert.

Es wird festgestellt, daß die uneingeschränkte Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. März 1996 - 8 U 1120/95 - in Höhe von 20.000 DM nebst 4% Zinsen seit dem 19. August 1994 abzüglich am 30. Januar 1995 geleisteter 3.012,74 DM zulässig ist.

Im übrigen bleiben Klage und Berufung erfolglos.

Von den Kosten der ersten und zweiten Instanz haben die Beklagte 17/20 und der Kläger 3/20 zu tragen. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aus einem Urteil im Vorprozeß, das eine Zug-um-Zug-Verurteilung enthält, uneingeschränkt die Zwangsvollstreckung betreiben darf.

Der Kläger verlangte in einem Vorprozeß von der beklagten Bank 20.000 DM nebst Zinsen Schadensersatz, weil sie ihn beim Erwerb bestimmter Anleihen falsch beraten habe. Die Anleihen, die die Beklagte für den Kläger verwaltete, wurden im Wege einer für die einzelnen Gläubiger obligatorischen Umschuldung in unterschiedliche neue Schuldverschreibungen und Aktien umgetauscht. Die Beklagte veräußerte diese Ersatzrechte und schrieb den Erlös von 3.012,74 DM einem Sparbuch des Klägers gut. Das Oberlandesgericht Koblenz verurteilte die Beklagte, an den Kläger 20.000 DM nebst Zinsen zu zahlen, Zug um Zug gegen "Übertragung" der ursprünglich vom Kläger erworbenen Anleihen.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger in erster Instanz auf Feststellung geklagt, daß die Beklagte wegen der Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung auf Herausgabe der Wertpapiere befriedigt sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit der Berufung hat der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Hilfsweise hat er beantragt,

festzustellen, daß die uneingeschränkte Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. März 1996 zulässig ist (mit 20.000 DM nebst 4% Zinsen seit dem 19. August 1994 abzüglich am 30. Januar 1995 gutgeschriebener 3.012,74 DM),

weiter hilfsweise ...

Der Kläger hat geltend gemacht, daß es objektiv unmöglich sei, die Gegenleistung in Form der Übertragung der Anleihen zu erbringen, da diese unstreitig nicht mehr existieren.

Das Oberlandesgericht hat seine Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger nur seine Hilfsanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Verurteilung der Beklagten entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Abweisung des Hilfsantrages im wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger könne nicht geltend machen, daß es ihm unmöglich sei, die Gegenleistung zu erbringen, und damit der die Vollstreckung beschränkende Gegenanspruch der Beklagten nicht mehr bestehe. Diesem Einwand stehe die Rechtskraft des Berufungsurteils im Vorprozeß entgegen. Beiden Parteien sei im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses das Schicksal der ursprünglichen Anleiherechte bekannt gewesen. Zwar sei ein Zurückbehaltungsrecht von der Beklagten nicht eingewendet worden; der Sachverhalt, auf den das Berufungsgericht die Zug-um-Zug-Verurteilung gestützt hat, sei aber von beiden Parteien vorgetragen worden. Die Rechtskraft verbiete es auch, den für die Ersatzrechte erzielten Verwertungserlös an die Stelle der zu übertragenden Anleihen zu setzen.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht stützt sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGHZ 117, 1. Danach steht die Rechtskraft eines Urteils, das unter Abweisung der weitergehenden Klage den Beklagten nur Zug um Zug gegen Rückgabe der Kaufsache verurteilt, einer erneuten Klage auf Zulassung der Zwangsvollstreckung ohne das Anerbieten der Gegenleistung entgegen, wenn zur Begründung nunmehr der zufällige Untergang der Kaufsache geltend gemacht wird und dies schon im Vorprozeß hätte vorgetragen werden können.

Ob dies auch dann gilt, wenn kein Anspruch aus einem gegenseitigen Vertrag geltend gemacht wird, sondern - wie hier - ein Schadensersatzanspruch, der in keinem synallagmatischen Verhältnis zu einem Gegenanspruch steht, bedarf entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keiner Entscheidung. Denn auch wenn man das bejaht, steht die Rechtskraft des Urteils im Vorprozeß der jetzigen Klage nicht entgegen.

2. Das Berufungsgericht hat Übersehen, daß die Vollstreckung der dem Kläger zuerkannten Schadensersatzforderung nicht von einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung im Sinne von § 756 ZPO abhängig gemacht wurde. Es hat den Urteilstenor im Vorprozeß isoliert betrachtet und nicht berücksichtigt, daß - wie hier - im Zweifelsfall Tatbestand, Entscheidungsgründe und das zugrundeliegende Parteivorbringen zur Ermittlung dessen, worüber entschieden worden ist, heranzuziehen sind (vgl. BGHZ 34, 337, 339; BGH, Urteil vom 21. Januar 1986 - VI ZR 63/85, VersR 1986, 565).

Danach steht fest, daß der Kläger die auf Anraten der Beklagten erworbenen Wertpapiere nie in unmittelbarem Besitz hatte, sondern daß sie stets von der Beklagten verwahrt und verwaltet wurden. Die im Tenor ausgesprochene "Übertragung" der Anleihen konnte mithin nicht bedeuten, daß der Kläger die Wertpapiere in einer den Annahmeverzug der Beklagten begründenden Weise (§ 756 ZPO) anzubieten hatte. Die Urteilsformel kann nur so verstanden werden, daß der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung verpflichtet sein sollte, der Übertragung der Anleihen auf die Beklagte zuzustimmen. Diese Pflicht ist entfallen. Denn die Wertpapiere sind von der Beklagten unstreitig umgetauscht und die Ersatzpapiere im Einverständnis mit dem Kläger veräußert worden. Wegen des Streits der Parteien über die Tragweite der zu Zweifeln Anlaß gebenden Urteilsformel war eine Klarstellung des Urteilsinhalts geboten (vgl. MünchKomm/Lüke, ZPO § 256 Rdn. 17 m.w.Nachw.).

III.

Das Berufungsurteil mußte daher aufgehoben werden. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO.

Ende der Entscheidung

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