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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: XI ZR 255/04
Rechtsgebiete: HWiG
Vorschriften:
HWiG § 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 14. Februar 2006
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, die Richterin Mayen und den Richter Dr. Ellenberger
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Kläger und die Anschlussrevision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Juni 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger nehmen die beklagte Bank auf Rückzahlung von Zinsleistungen in Anspruch, die sie aufgrund eines Darlehens zur Finanzierung einer Fondsbeteiligung erbracht haben. Die Beklagte verlangt ihrerseits im Wege der Widerklage die Zahlung des offenen Darlehensbetrages.
Am 1. Dezember 1989 erklärten die Kläger, ein kaufmännischer Angestellter und seine Ehefrau, über einen von den Initiatoren des Anlagemodells ausgewählten Treuhänder ihren Beitritt in die Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts J. in G. (nachfolgend: GbR) mit einer Einlage von 50.000 DM. Aufgrund einer mit der Beklagten getroffenen generellen Absprache leitete die Fondsinitiatorin einen am 1. Dezember 1989 von den Klägern unterzeichneten, notariell beglaubigten Kreditantrag über 58.988 DM der Beklagten zu. Diese lehnte den Antrag am 20. Dezember 1989 ab. Etwa sechs Wochen später reichten die Kläger über die Fondsinitiatorin unter dem 31. Januar 1990 einen neuen Antrag über 35.394 DM ein, den die Beklagte am 6. Februar 1990 annahm. Eine Widerrufsbelehrung enthält auch dieser Antrag nicht. Die fristlose Kündigung des Darlehens ist nach Nr. 8 des formularmäßigen Darlehensvertrages zulässig, wenn der Darlehensnehmer mit der Zahlung von fälligen Leistungen länger als 14 Tage in Verzug ist und auch nach einer Nachfristsetzung von mindestens 14 Tagen nicht zahlt.
Nach vertragsgemäßer Valutierung des Darlehens auf ein Treuhandkonto leisteten die Kläger von 1990 bis September 2001 teilweise in Form von Fondsausschüttungen insgesamt 34.179,38 DM an die Beklagte. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27. Juli 2001 ließen sie ihre auf Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärungen nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufen.
Die Kläger haben vorgetragen, sämtliche Gespräche mit den Vermittlern über die Fondsbeteiligung und die nach dem Anlagekonzept vorgesehene Kreditaufnahme seien in ihrer damaligen Privatwohnung geführt worden. Es liege ein verbundenes Geschäft vor. Die Beklagte hält dem vor allem entgegen, dass der Darlehensvertrag erst durch die mit der Widerklage erklärte Kündigung aus wichtigem Grund erloschen sei und dass ihr auch nach dem Haustürwiderrufsgesetz ein Anspruch auf 19.395,06 € zuzüglich marktüblicher Zinsen zustehe.
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von 17.837,45 € zuzüglich Zinsen stattgegeben und die Widerklage über 19.395,06 € nebst Zinsen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht beide Klagen abgewiesen. Mit der von ihm zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag und die Beklagte im Wege der Anschlussrevision ihren Widerklageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revisionen beider Parteien sind begründet. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Den Klägern stehe ein Anspruch auf Rückzahlung der auf das Darlehen geleisteten Beträge nach dem Haustürwiderrufsgesetz nicht zu. Der Widerruf des Darlehensvertrages sei nicht wirksam. Selbst wenn unterstellt werde, dass es sich bei dem Kreditvertrag um ein Haustürgeschäft handele, müsse sich die Beklagte dieses nicht zurechnen lassen. Die Zurechenbarkeit einer Haustürsituation sei in Anlehnung an die zu § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze zu entscheiden. Da der Anlagevermittler die angebliche Haustürsituation nicht als Mitarbeiter, Angestellter, Beauftragter oder als Vertrauensperson der Beklagten, sondern als "Dritter" im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB herbeigeführt habe, komme es darauf an, ob die Beklagte die Haustürsituation damals gekannt habe oder habe kennen müssen. Hierfür sei nichts vorgetragen oder ersichtlich.
Die noch nicht veröffentlichte Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 14. Juni 2004 habe auf den Prozessausgang keinen Einfluss. Zwar spreche vieles dafür, dass das Darlehensgeschäft und die Fondsbeteiligung ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG bildeten. Voraussetzung dafür, dass der Anleger die Rückzahlung des Kredites verweigern dürfe, sei nach der Entscheidung aber, dass ihm Einwendungen gegen die Fondsverantwortlichen zustünden. Dass ihre Anlageentscheidung auf einer arglistigen Täuschung beruhe und sie infolgedessen zur Kündigung ihrer Fondsbeteiligung berechtigt seien, hätten die Kläger nicht geltend gemacht.
Auch die Widerklage der Beklagten sei nicht begründet. Das Darlehen sei mangels wirksamer Kündigung nicht fällig. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung richte sich nach Ziffer 8 der Vertragsbedingungen. Zwar möge in der Erhebung der Widerklage eine konkludente Kündigungserklärung liegen, es fehle aber die in der Vertragsklausel vorgeschriebene Nachfristsetzung. Überdies habe zum damaligen Zeitpunkt kein Zahlungsverzug der Kläger vorgelegen, weil die Beklagte von der ihr erteilten Einziehungsermächtigung auch weiterhin habe Gebrauch machen können.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
A. Revision der Kläger
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts muss sich die Beklagte die unterstellte und infolgedessen in der Revisionsinstanz als gegeben anzusehende Haustürsituation zurechnen lassen.
1. Allerdings hat der Bundesgerichtshof bisher in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass ein Kreditvertrag nicht schon dann nach dem Haustürwiderrufsgesetz wirksam widerrufen werden kann, wenn der Vermittler einer kreditfinanzierten Anlage den Abschluss des Darlehensvertrages in einer Haustürsituation angebahnt hat. Vielmehr wurde der kreditgebenden Bank die Haustürsituation - in Übereinstimmung mit den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 10/2876, S. 11) und der ganz herrschenden Ansicht in der Literatur (siehe z.B. MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl. § 312 Rdn. 30 m.w.Nachw.) - außerhalb des Anwendungsbereichs des § 278 BGB nur dann zugerechnet, wenn die für die Zurechnung der arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 2 BGB notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. War der Verhandlungsführer als "Dritter" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, so war sein auf die Haustürsituation bezogenes Handeln der Bank daher nur dann zuzurechnen, wenn sie dieses bei Vertragsschluss kannte oder hätte erkennen müssen. Für eine fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne genügte, dass die Umstände des Falles die Bank veranlassen mussten, sich zu erkundigen, wie es zur Abgabe der auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung des Kreditsuchenden gekommen ist (siehe z.B. Senatsurteile vom 12. November 2002 - XI ZR 3/01, WM 2003, 61, 63, vom 15. Juli 2003 - XI ZR 162/00, ZIP 2003, 1741, 1743, vom 20. Januar 2004 - XI ZR 460/02, WM 2004, 521, 523; BGHZ 159, 280, 285 f.; BGH, Urteile vom 15. November 2004 - II ZR 375/02, WM 2005, 124, 125 und vom 30. Mai 2005 - II ZR 319/04, WM 2005, 1408, 1409).
2. Wie schon der II. Zivilsenat (Urteil vom 12. Dezember 2005 - II ZR 327/04, WM 2006, 220, 221 f.) hält auch der erkennende Senat an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest. Mit dem Haustürwiderrufsgesetz hat der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie 85/577 EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. L 372, S. 31) in nationales Recht umgesetzt. Nach der bindenden Auslegung des europäischen Rechts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem erst nach der angefochtenen Entscheidung ergangenen Urteil vom 25. Oktober 2005 (Rs. C-229/04, WM 2005, 2086) muss sich die Bank die Haustürsituation bereits dann zurechnen lassen, wenn sie bei Abschluss des Darlehensvertrages objektiv vorgelegen hat. Eine solche richtlinienkonforme Auslegung lässt das nationale Recht zu. Zwar wollte der Gesetzgeber (vgl. BT-Drucks. aaO) den durch die Haustürsituation in seiner Willensbildung beeinträchtigten Verbraucher grundsätzlich nicht weiter schützen als einen Vertragspartner, der durch eine arglistige Täuschung zum Vertragsschluss bewogen wurde. Diese Absicht hat aber im Wortlaut des § 1 HWiG keinen Niederschlag gefunden. Es handelt sich nicht einmal um eine Interpretation des Gesetzestextes, sondern um einen Diskussionsbeitrag zu einer Frage, die im Gesetz nicht beantwortet worden ist, sondern der Rechtsprechung und der Lehre überlassen bleiben sollte.
B. Anschlussrevision der Beklagten
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die auf Zahlung des Restdarlehens gerichtete Widerklage der Beklagten begründet, sofern der Widerruf der Kläger mangels Vorliegens einer Haustürsituation oder deren Ursächlichkeit für den Vertragsschluss nicht wirksam ist.
1. Die Beklagte war unter diesen Umständen gemäß Ziffer 8 der Vertragsbedingungen zur fristlosen Kündigung des Darlehensvertrages berechtigt. Die Kläger waren bei Erhebung der Widerklage mit der Rückzahlung des Kredits länger als 14 Tage in Verzug. Die in der Klausel vorgeschriebene Nachfristsetzung war wegen der ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung der Beklagten ausnahmsweise entbehrlich. Dabei kann offen bleiben, ob in einem unberechtigten Widerruf oder vergleichbaren Erklärungen des Schuldners bereits eine endgültige Erfüllungsverweigerung liegt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. November 1980 - V ZR 180/79, WM 1981, 312). Jedenfalls war im vorliegenden Streitfall nach der Klageerhebung aus der maßgebenden Sicht eines vernünftigen Darlehensgebers in der Position der Beklagten nicht mehr mit einer Vertragserfüllung seitens der Kläger zu rechnen. Eine Nachfrist hätte sie daher - wie die Anschlussrevision zu Recht geltend macht - nicht mehr zur Zahlung bewegen und vor einer fristlosen Kündigung des Kreditvertrages bewahren können, sondern wäre letztlich nur eine sinnlose Förmelei gewesen. Dass die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt eine noch nicht ausdrücklich widerrufene Einziehungsermächtigung in Händen hielt, ändert nichts, weil für die Beklagte jedenfalls ab Klageerhebung keine Aussicht mehr bestand, von der Ermächtigung erfolgreich Gebrauch machen zu können.
2. Dass die Widerklage der Beklagten eine fristlose Kündigung enthält, ziehen auch die Kläger nicht in Zweifel.
III.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Entscheidung reif ist, war sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ende der Entscheidung
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